Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 06.02.2002
Aktenzeichen: 22 WF 750/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 115 Abs. 2 S. 1
BGB § 1629 Abs. 3 S. 1
BGB § 1606 Abs. 3 S. 2
1. Fordert ein Elternteil aufgrund gesetzlicher Prozessstandschaft (§ 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB) Kindesunterhalt, so kommt es für die Frage der Bedürftigkeit i.S. der §§ 114, 115 ZPO nicht auf seine, sondern auf die Verhältnisse des Kindes an.

2. Zum Vermögen des Kindes i.S. des § 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO gehören Prozesskostenvorschussansprüche gegenüber den Eltern.

3. Für den Prozesskostenvorschussanspruch gilt, da Sonderbedarf, § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht, so dass auch der betreuende Elternteil vorschusspflichtig sein kann.

4. Kann ein Elternteil nicht die gesamten Kosten auf einmal aufbringen, bleibt - nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben - zu prüfen, ob er einen Vorschuss ratenweise ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Selbstbehaltes leisten kann. Ist dies der Fall, so ist Prozesskostenhilfe nur mit entsprechenden Ratenzahlungsanordnungen zu gewähren. Durch den in Raten zu leistenden Prozesskostenvorschuss darf der unterhaltspflichtige Elternteil nicht in größerem Umfang belastet werden, als er bei der Verfolgung eigener Rechte nach den Maßstäben des § 115 ZPO in Anspruch genommen werden könnte.


Oberlandesgericht Dresden Beschluss

des 22. Zivilsenats

- Familiensenat -

vom 6. Februar 2002

Aktenzeichen: 22 WF 0750/01

In der Familiensache

wegen Kindesunterhalts hier: Prozesskostenhilfe

hat der 22. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxx, Richter am Landgericht xxxxxxxxx und Richterin am Amtsgericht xxxxxxxxxx beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Amtsgerichtes - Familiengericht - Dresden vom 14. September 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind Eheleute, die seit Juli 2000 getrennt leben. Aus ihrer Ehe ist neben dem Sohn Sxxxxx, der sich in Ausbildung zum Hotelkaufmann befindet, die Tochter Jxxxx, geboren am 14.11.1987, hervorgegangen, die im Haushalt der Klägerin lebt. Für sie macht die Klägerin - in Prozessstandschaft gemäß § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB - Unterhaltsansprüche ab Juni 2001 geltend.

Ihrem Prozesskostenhilfeantrag hat das Familiengericht mit Beschluss vom 14.09.2001 mit der Einschränkung stattgegeben, dass sie verpflichtet wurde, auf die Kosten monatliche Raten von 60,00 DM zu zahlen. Gegen die Ratenzahlungsanordnung wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde, der das Familiengericht mit - begründetem - Beschluss vom 08.11.2001 nicht abgeholfen hat. Einer Auflage des Senatsvorsitzenden entsprechend hat sich die Klägerin zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen weiter geäußert.

II.

Die nach § 127 Abs. 2 ZPO (alte Fassung) zulässige Beschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

1.

Wie die Begründung in der Nichtabhilfeentscheidung zeigt, stimmt das Familiengericht mit der Auffassung der Beschwerdeführerin überein, dass es in den Fällen, in denen ein Elternteil Unterhaltsansprüche des Kindes gemäß § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB in eigenem Namen geltend macht, für die Frage der Bedürftigkeit i. S. der §§ 114, 115 ZPO auf die Verhältnisse des Kindes und nicht auf diejenigen des klagenden Elternteils ankommt. Dies steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Senates (so zuletzt Beschluss vom 22.10.2001, Az. 22 WF 120/01, mit ausführlicher Begründung unter Ablehnung der vom 10. Senat des Oberlandesgerichtes Dresden im Beschluss vom 27.08.2001, Az. 10 WF 543/01, vertretenen Ansicht; vgl. zum Meinungsstreit Zöller/Philippi, 22. Aufl., Rdnr. 8 zu §114 ZPO mit Rechtsprechungsnachweisen).

2.

Richtigerweise hat das Familiengericht allerdings auch berücksichtigt, dass bei der Prüfung der Bedürftigkeit des Kindes zu beachten ist, dass eine Partei gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO ihr Vermögen einzusetzen hat, soweit dies zumutbar ist, und dass zum Vermögen auch ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen die Eltern gehören kann (Zöller/Philippi, a.a.O., Rdnr. 67 zu § 115 ZPO mit Nachweisen) . Denn die Kosten der Prozessführung gehören, wenn es um den Unterhalt geht, zum Bedarf des Kindes i. S. des § 1610 BGB. Sie stellen allerdings einen Mehrbedarf gegenüber dem laufenden Unterhalt dar, für den die Regelung des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht gilt. Ein Prozesskostenvorschussanspruch kommt daher auch gegenüber dem betreuenden Elternteil, hier also der Klägerin, in Betracht (Palandt-Diederichsen, 61. Aufl., Rdnr. 13 zu § 1610 BGB und Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 6 Rdnr. 25, jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen).

2.1.

Nicht gefolgt werden kann der Meinung der Beschwerdeführerin, dass eine Prozesskostenvorschusspflicht in allen Fällen ausscheidet, in denen der Verpflichtete, würde er eigene Ansprüche geltend machen, selbst Anspruch auf Prozesskostenhilfe hätte. Außer Frage steht zwar, dass ein Vorschussanspruch dann nicht besteht, wenn der Unterhaltspflichtige selbst Anspruch auf ratenfreie Prozesskostenhilfe hätte. Umstritten ist jedoch, ob dies ohne weiteres auch in all den Fällen gilt, in denen der Verpflichtete nach den Maßstäben des § 115 Abs. 1 ZPO zu möglicherweise hohen Ratenzahlungen herangezogen werden könnte. So wird teilweise vertreten, es sei verfehlt, dem Unterhaltspflichtigen aufzuerlegen, den Prozesskostenvorschuss in Raten zu entrichten, und gleichzeitig dem Unterhaltsberechtigten Prozesskostenhilfe gegen Raten in Höhe der Zahlungen auf den Prozesskostenvorschuss zu bewilligen (so Wendl/Scholz, § 6, Rdnr. 27; BSozG in Rpfleger 1994, 304 f.; Zöller/Philippi, Rdnr. 70 zu § 115 ZPO je m.w.N.) . Andere stehen auf dem Standpunkt, dass in den Fällen, in denen der Unterhaltspflichtige nicht in der Lage ist, die gesamten Kosten, also Gerichts- und Rechtsanwaltskosten, in einem Betrag aufzubringen, zu prüfen bleibt, ob er den Vorschuss ratenweise ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Selbstbehaltes leisten kann, und dass, wenn dies zu bejahen ist, Prozesskostenhilfe nur mit entsprechenden Ratenzahlungsanordnungen zu gewähren ist (OLG Koblenz, FamRZ 91, 346 f.; OLG Nürnberg, FamRZ 96, 875; OLG Zweibrücken, FamRZ 97, 757 f.; OLG Köln, FamRZ 99, 792; Baumbach/Hartmann, Kommentar zur ZPO, 60. Aufl., Rdnr. 60 zu § 114 ZPO; Thomas/Putzo/Reichold, 23. Aufl., Rdnr. 19 zu § 115 ZPO je m.w.N.) . Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an.

Wird Prozesskostenhilfe - mit einer Ratenzahlungsanordnung -bewilligt, so geht es ohnehin nicht darum, ob der dem Grunde nach Vorschusspflichtige Gerichts- und Anwaltsgebühren in Form einer einmaligen Zahlung leisten könnte, sondern nur darum, ob er den Bedürftigen von den Ratenzahlungsverpflichtungen entlasten kann, also die zur Erfüllung der Ratenzahlungsverpflichtung benötigten Geldbeträge monatlich zur Verfügung stellen kann (OLG Zweibrücken, a.a.O.). Dies ist nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben zu prüfen, so dass sich eine schematische Heranziehung der Vorschriften des § 115 Abs. 1 ZPO verbietet (OLG Koblenz, FamRZ 91, 346) . Eine weitergehendere Ratenzahlungsbelastung, als sie nach § 115 Abs. 1 ZPO in Betracht kommt, darf dabei aber nicht erfolgen. Denn es würde dem unterhaltsrechtlichen Maßstab der Billigkeit widersprechen, wenn der Unterhaltspflichtige in größerem Maße in Anspruch genommen würde, als er bei eigener Prozessführung belastet werden könnte.

2.2.

Eine Belastung der Klägerin mit monatlichen Zahlungen von 60,00 DM führt für sie nicht zu unzumutbaren Einschränkungen. Dieser Beurteilung liegen folgende tatsächliche Umstände zugrunde:

Nach der Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2000 hat die Klägerin in diesem Jahr Erwerbseinkünfte von brutto 66.805,00 DM erzielt. Abzüglich der darin ausgewiesenen Steuern und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung bleiben 45.421,54 DM. Das sind im Monatsdurchschnitt rund 3.785,00 DM. Im Jahr 2001 hat sie deutlich höhere Einkünfte erzielt. Denn nach der Verdienstbescheinigung für November, die die bis dahin aufgelaufenen Jahresbeträge beinhaltet, betrug das "Steuer-Brutto" 69.586,53 DM. Nimmt man, da eine Verdienstbescheinigung für Dezember 2001 nicht vorliegt und diejenige für November Sonderzuwendungen enthält, als Maßstab für einen weiteren Monat das "Steuer-Brutto" aus der August-Abrechnung mit 4.622,40 DM hinzu, so errechnen sich Jahresbruttoeinkünfte von rund 74.209,00 DM. Das bedeutet gegenüber 2001 eine Bruttolohnsteigerung von rund 11 %.

Wegen der Steuerprogression wird die Nettolohnsteigerung auf etwa 8 % geschätzt. Ausgangspunkt der weiteren Berechnung sind daher Nettoerwerbseinkünfte in Höhe von (3.785,00 DM zuzüglich 8 % =) 4.088,00 DM. Vermindert um pauschal 5 % für berufsbedingte Aufwendungen bleiben 3.883,00 DM.

Wegen der beiden Parteien gemeinsam gehörenden, vermieteten Eigentumswohnung hatte die Klägerin ihrem Vortrag nach in der Zeit von Juli 2000 bis November 2001 Mehraufwendungen gegenüber den Einnahmen in Höhe von 11.864,00 DM. Das sind im Monatsdurchschnitt (11.864,00 DM : 17 =) rund 698,00 DM.

Weiter hat sie angegeben, auf einen Ratenkredit monatlich 225,00 DM und auf verschiedene Versicherungen im Monatsdurchschnitt 170,00 DM zahlen zu müssen. Damit ergibt sich:

Nettoerwerbseinkünfte nach Abzug der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen 3.883,00 DM

abzüglich

- negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 698,00 DM

- Darlehensraten 225,00 DM

- Versicherungen 170, 00 DM

- Restbetrag 2.790,00 DM.

Abzüglich des angemessenen Eigenbedarfes, den der Senat in der Regel mit 1.760,00 DM (Unterhaltsleitlinien, Stand 01.07.2001) bemisst, bleiben noch über 1.000,00 DM. Auch wenn berücksichtigt wird, dass die Klägerin mangels Zahlungen des Beklagten derzeit für den laufenden Unterhalt von Julia alleine aufkommt, hält es der Senat nicht für unbillig, dass sie wegen der Prozesskosten zusätzlich mit monatlich 60,00 DM in Anspruch genommen wird. Dabei ist durchaus bedacht, dass die Klägerin doppelt belastet ist, weil ihr auch Pflege und Erziehung des Kindes obliegen. Angesichts dessen, dass Jxxxx 14 Jahre alt ist, also ein deutlich geringerer Betreuungsbedarf als bei Kleinkindern angenommen werden kann, rechtfertigt dieser Umstand im Ergebnis aber keine andere Wertung, zumal die reale Einkommenssituation der Klägerin ohnehin nicht nur wegen des Kindergeldbezuges, sondern auch wegen der oben außer Acht gelassenen Steuervorteile (insbesondere wegen negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) besser ist.

2.3.

Eine Vergleichsberechnung nach § 115 Abs. 1 ZPO bestätigt, dass die Klägerin mit monatlich 60,00 DM nicht übermäßig beansprucht wird. (Zur Vereinfachung und besseren Vergleichbarkeit rechnet der Senat auch nachfolgend mit DM-Beträgen.) Da die oben als einkommensmindernd abgezogenen Positionen jedenfalls bei einem großzügigen Maßstab auch nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nrn. 1 und 4 ZPO abzugsfähig sind, wird bei der nachfolgenden Ermittlung des einzusetzenden Einkommens i. S. des § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO von dem oben festgestellten Einkommensrest ausgegangen. Das führt zu folgender weiteren Berechnung:

Resteinkommen 2.790,00 DM

zuzüglich Kindergeld 154,00 EURO entsprechen 301,00 DM

Summe 3.091,00 DM

hiervon ab:

- Freibetrag für Erwerbstätige (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. § 76 Abs. 2 a Nr. 1 BSHG) - 50 % des Eckregelsatzes 267,50 DM

- Freibetrag für Julia nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 76 Abs. 2 Nr. 5 BSHG 20,00 DM

- eigener Freibetrag, § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO 689,00 DM

- Freibetrag für Julia 484,00 DM

- Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO), wie von der Klägerin angegeben 836,00 DM einzusetzendes Einkommen 793,50 DM.

Dies würde nach der Tabelle in § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO zu einer Ratenzahlungsverpflichtung von monatlich 270,00 DM führen. Es ist also keineswegs unbillig, wenn die Klägerin aufgrund ihrer Unterhalts- und damit Prozesskostenvorschusspflicht gegenüber der Tochter Jxxxx monatliche Zahlungen von 60,00 DM leisten muss.

Ende der Entscheidung

Zurück