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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 20.06.2000
Aktenzeichen: 23 U 403/00
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 557 | |
BGB § 812 |
1. Ein Vorenthalten nach § 557 BGB durch den Mieter liegt nicht vor, wenn der Vermieter die ihm zur Rückgabe angebotene Mietsache bei Ende des Mietverhältnisses nicht annimmt und zurückweist. Der Vermieter ist zu einer Rücknahme der Mietsache grundsätzlich auch vor dem Ende der Mietzeit verpflichtet. Dies gilt aber uneingeschränkt nur dann, wenn dieser Termin bevorsteht, nicht jedoch, wenn der Mieter die Räume etwa 5 Monate vor dem Ablauf des Vertrages zurückgeben will.
2. Sieht der Mietvertrag zwar vor, dass der Mieter Nebenkosten monatlich vorauszuzahlen hat, enthält er jedoch keine Angaben darüber, welche Nebenkosten vom Mieter zu tragen sind und ist der im Vertragsformular für die Auflistung der vom Mieter zu tragenden Nebenkosten vorgesehene Leerraum von den Parteien durchgestrichen, hat der Vermieter die vom Mieter gezahlten Vorauszahlungen zu erstatten, § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine Umdeutung in eine Nebenkostenpauschale oder eine Bruttokaltmiete ist dann nicht möglich.
Urt. v. 20.06.2000, Aktenzeichen: 23 U 403/00
Aktenzeichen: 23 U 403/00 11-0-2866/99 LG Dresden
Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 20.06.2000
Die Urkundsbeamtin:
Justizobersekretärin
In dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungsbeklagter
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Beklagte und Berufungsklägerin
Prozessbevollmächtigter:
wegen Forderung
hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.05.2000 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ,
Richterin am Landgericht und Richter am Landgericht
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27.01.2000 zu Az. 11 O 2866/99 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Dresden abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.000,00 DM sowie 4 % jährliche Zinsen wie folgt zu zahlen:
aus 845,60 DM vom 04.12.1998 bis 06.01.1999,
aus 2.550,80 DM vom 07.01. bis 03.02.1999,
aus 4.256,00 DM vom 04.02. bis 03.03.1999,
aus 5.961,20 DM vom 04.03. bis 06.04.1999,
aus 7.666,40 DM vom 07.04. bis 05.05.1999,
aus 9.371,60 DM vom 06.05. bis 03.06.1999,
aus 9.940,00 DM vom 04.06. bis 26.07.1999 sowie
aus 7.000,00 DM seit dem 27.07.1999.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug werden gegeneinander aufgehoben, von den Kosten der Berufung hat der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.
4. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Beschwer des Klägers beträgt 4.515,00 DM, die der Beklagten 9.835,00 DM.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 14.315,00 DM
Zum Sachverhalt:
Der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag über Gewerberäume ist durch Kündigung der Beklagten zum 31.12.1998 beendet worden. Am 09.08.1998 befand sich der Kläger in Dresden, um anlässlich eines dafür vereinbarten Termins von einer Vertreterin der Beklagten im selben Gebäude befindliche Wohnräume zurückzunehmen. Dabei bot diese dem Kläger auch die Rückgabe der Schlüssel für das zu diesem Zeitpunkt bereits von der Beklagten geräumte Büro an. Der Kläger lehnte dies jedoch ab, wobei er sich darauf berief, dass das Mietverhältnis noch bis zum Jahresende fortbestehe und die Mieträume beschädigt seien (Teppichboden, Bohrlöcher). Die Beklagte hat die Schlüssel für die Räume erst am 10.06.1999 zurückgegeben. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung der geforderten Miete einschließlich vereinbarter Nebenkostenvorauszahlungen für die Monate August bis Dezember 1998 sowie zur Zahlung von Nutzungsentschädigung für den Zeitraum 01.01. bis 10.06.1999 verurteilt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil ist zulässig, das Rechtsmittel hat aber nur Erfolg, soweit sich die Beklagte gegen die Verurteilung in die Vorauszahlung der Nebenkosten wendet. Soweit die Beklagte Vorauszahlungen geleistet hat, hat sie dies ohne Rechtsgrund getan und kann daher mit einem Gegenanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung aufrechnen.
1. Das Mietverhältnis wurde unstreitig durch die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 26.06.1998 gemäß § 565 Abs. 1 a BGB zum 31.12.1998 beendet. Ebenso unstreitig hat die Beklagte die Schlüssel für die Mieträume erst am 10.06.1999 zurückgegeben. Erst an diesem Tag war das Mietobjekt daher wieder in den Besitz des Klägers gelangt und die Verpflichtung der Beklagten aus § 556 Abs. 1 BGB erfüllt (vgl. OLG Düsseldorf, NZM 1999, 1142). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beklagte das Büro schon Anfang August 1998 geräumt und die Einrichtung entfernt hatte. Damit schuldet die Beklagte gemäß § 557 Abs. 1 Satz 1 BGB für den Zeitraum 01.01. bis 10.06.1999 Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten Miete.
Der Kläger hat diesen Anspruch nicht dadurch verloren, dass er sich am 09.08.1998 weigerte, die Schlüssel für die Büroräume entgegenzunehmen. Zwar liegt ein Vorenthalten i.S.v. § 557 BGB durch den Mieter im Grundsatz nicht vor, wenn der Vermieter die Mietsache, die ihm zur Rückgabe angeboten wird, nicht annimmt. Das ist etwa der Fall, wenn der Vermieter die Rücknahme ablehnt, weil er zu Unrecht der Ansicht ist, das Mietverhältnis bestehe fort oder auch dann, wenn sich die Räume in beschädigtem Zustand befinden und der Vermieter die Entgegennahme deshalb ablehnt (Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 7. Aufl., Rdn. 1114 m.N.). Der hier zu beurteilende Fall liegt jedoch anders: Der Kläger hat nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien am 09.08.1998 der Vertreterin der Beklagten mitgeteilt, er nehme die Schlüssel für die Mieträume nicht entgegen, weil er der Auffassung sei, dass er rund 5 Monate vor Beendigung des Mietverhältnisses das Mietobjekt noch nicht in seine Obhut übernehmen und zudem der Beklagten Gelegenheit geben wolle, die nach Auffassung des Klägers teilweise beschädigten Mieträume bis zum Ende des Jahres 1998 in vertragsgerechten Zustand zu versetzen. Der Vermieter ist zu einer Rücknahme der Mietsache zwar grundsätzlich auch vor dem Ende der Mietzeit verpflichtet (Staudinger/Sonnenschein, BGB, 12. Aufl., § 556 Rdn. 24; a.A. MüKo/Voelskow, 3. Aufl., § 556 Rdn. 17). Dies gilt aber uneingeschränkt nur dann, wenn dieser Termin naht oder unmittelbar bevorsteht. So wäre z.B. die Verweigerung der Rücknahme von Räumen um den 15.12. bei einem am 31.12. endenden Mietverhältnis nicht mehr gerechtfertigt. Die Belange des Mieters, der etwa für die Zeit über die Jahreswende hinaus in Urlaub fahren will, würden in diesem Fall eine Verpflichtung des Vermieters zur Übernahme des Mietobjekts nach sich ziehen (vgl. Mutter, ZMR 1989, 132, 133). Will der Mieter dagegen - wie auch hier - die Räume erhebliche Zeit vor dem Vertragsende zurückgeben, kann der Vermieter die Entgegennahme des Mietobjekts verweigern, ohne damit in Annahmeverzug zu geraten und ggf. den Anspruch aus § 557 BGB zu verlieren (vgl. OLG Düsseldorf, DWW 1997, 123). Der Mieter betreibt in derartigen Fällen in der Regel die vorzeitige Rückgabe der Räume nur um der Erledigung von Obhutspflichten Willen, die er damit dem Vermieter überbürdet (Mutter, a.a.O. 133). Da der Kläger zudem in Paris lebt und daher ein durchaus nachvollziehbares Interesse daran haben konnte, mit der Obhut über die Mieträume nicht vorzeitig persönlich belastet zu werden, musste auch aus Sicht der Beklagten klar werden, dass der Kläger sich nicht grundlos weigerte, die Schlüssel entgegenzunehmen, sondern dass dieser dafür einen akzeptablen Anlass hatte.
Damit wurden die Mieträume dem Kläger mit Ablauf des 31.12.1998 gemäß § 557 Abs. 1 Satz 1 BGB vorenthalten. Dieses Ergebnis kann von der Beklagten nicht als unbillig empfunden werden, weil sie es vor dem Ende des Jahres 1998 ohne Weiteres in der Hand gehabt hätte, sich der Schlüssel zu entledigen, sie dem Kläger zu übermitteln und somit ihrer Pflicht aus § 556 Abs. 1 BGB nachzukommen. Die Beklagte hätte ggf. auch ein Recht zur Besitzaufgabe nach vorheriger Ankündigung gehabt, § 303 BGB (vgl. OLG Düsseldorf, NZM 1999, 1142). Sie hat jedoch nach eigenen Angaben im Verhandlungstermin vor dem Senat weder zum 31.12.1998 noch zu einem späteren Zeitpunkt wegen der Rückgabe der Schlüssel mit dem Kläger Kontakt aufgenommen. Es ist daher der Nachlässigkeit der Beklagten zuzuschreiben, dass sie bis zum 10.06.1999 zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung verpflichtet blieb.
2. Der Kläger ist verpflichtet, die für die Monate April bis Dezember 1998 erhaltenen Nebenkostenvorauszahlungen von insgesamt 2.835,00 DM an den Beklagten zu erstatten. Die in dieser Höhe von dem Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung hat daher Erfolg und führt zu einer Reduzierung der Klageforderung.
Es kann dahinstehen, ob dem Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 08.07.1999 (NZM 1999, 751) auch für Gewerbemietverhältnisse beizupflichten ist. Nach diesem zur Wohnraummiete ergangenen Rechtsentscheid hat der Mieter Anspruch auf Rückforderung der geleisteten Vorauszahlungen, wenn der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses trotz Fälligkeit der Abrechnung über die Nebenkosten eine solche nicht erteilt. Die hier maßgeblichen Umstände sind vergleichbar: Das Mietverhältnis ist seit dem 31.12.1998 beendet, der Kläger hat (im Wege einer Verrechnung mit der Kaution und einem Anspruch der Beklagten auf Aufwendungsersatz) von der Beklagten für die genannten Monate Vorauszahlungen auf die Nebenkosten erhalten. Eine Abrechnung darüber ist bisher unterblieben, obwohl jedenfalls seit dem 01.04.2000 Abrechnungsreife eingetreten ist. Gründe dafür sind von Klägerseite nicht vorgebracht worden.
Ob sich vor diesem Hintergrund im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung (OLG Braunschweig, a.a.O.) ein Anspruch des Mieters auf Erstattung der Nebenkosten ergibt, muss der Senat jedenfalls für den Streitfall jedoch nicht entscheiden. Denn der Kläger hat der Beklagten die erhaltenen Vorauszahlungen bereits deshalb zu erstatten, weil er insoweit ungerechtfertigt bereichert ist. Der Mietvertrag vom 16.02.1998 sieht zwar eine monatliche Vorauszahlung in Höhe von 315,00 DM durch die Mieterin vor. Die Nebenkosten sind jedoch nach Ziffer 5 des Vertragsformulars nicht auf die Mieterin umgelegt. Der an den Satz "Daneben trägt der Mieter folgende Nebenabgaben" anschließende Leerraum ist von den Parteien nicht ausgefüllt, sondern mit einem Querstrich versehen worden. Damit waren die Betriebskosten nicht von der Beklagten zu tragen.
Daran ändert auch die hier im Vertrag vereinbarte Vorauszahlung auf die Nebenkosten von monatlich 315,00 DM nichts. Denn da der Mieter in Ermangelung einer wirksamen Vereinbarung über die Abwälzung der Nebenkosten auf ihn diese grundsätzlich nicht zu tragen hat, sie vielmehr gemäß § 546 BGB vom Vermieter bestritten werden müssen, fehlt der Vereinbarung über die Vorauszahlung im Vertrag die Grundlage. Der Mieter kann die geleisteten Vorauszahlungen daher unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (Zweckverfehlung, § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB) zurückfordern. Eine Umdeutung der vertraglichen Vereinbarung über die Vorauszahlung in eine Betriebskostenpauschale oder die im Schrifttum (Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht 7. Aufl., § 548 Rdn. 46 f.) vertretene Umwandlung der Miete in eine sog. Bruttokaltmiete ist abzulehnen. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien eine Pauschale oder eine Bruttomiete hätten vereinbaren wollen, fehlen zudem im Streitfall völlig. Beide Seiten sind nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung von einer periodischen Abrechnung der Nebenkosten unter Ansatz der geleisteten Vorauszahlungen ausgegangen, wie es in Ziffer 6 des Vertrages vorgesehen ist. Eine Auslegung dahin, dass damit eine Pauschale vereinbart werden sollte, ist daher nicht möglich.
Der Beklagten steht mithin ein aufrechenbarer Gegenanspruch von 2.835,00 DM zu.
3. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass die Beklagte für den Zeitraum 01.01. bis 10.06.1999 die gemäß § 557 Abs. 1 Satz 1 BGB geschuldete Nutzungsentschädigung nur in Höhe der Grundmiete schuldet, nicht jedoch die ebenfalls vom Kläger geforderten Vorauszahlungen auf die Nebenkosten. Denn der Kläger würde anderenfalls etwas verlangen, was er unmittelbar der Beklagten wieder zu erstatten hätte, weil er insoweit ungerechtfertigt bereichert wäre, wie oben dargelegt.
Danach ergibt sich folgende Abrechnung:
Miete August bis Dezember 1998 10.101,00 DM
Nutzungsentschädigung Januar bis Mai 1999 (5 x 1.705,20 DM) 8.526,00 DM
Nutzungsentschädigung 01. bis 10.06.1999 568,40 DM 19.195,40 DM
Abzüge:
Kaution 2.940,00 DM Aufwendungsersatz 6.420,40 DM Nebenkostenvorauszahlung April bis Dezember 1998 2.835,00 DM
Es verbleiben: 7.000,00 DM
Dieser Betrag steht dem Kläger mithin noch zu.
Zinsen schuldet die Beklagte gemäß §§ 284 Abs. 2, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB aus der jeweiligen Miete bzw. Nutzungsentschädigung erst ab dem 4. Werktag des Monats. Die Mieten für August bis November 1998 waren bereits durch die von der Beklagten außergerichtlich erklärte Aufrechnung mit dem Aufwendungsersatzanspruch erloschen, und zwar rückwirkend, § 389 BGB. Dies führt auch zum Wegfall des darauf entfallenden Zinsanspruchs. Für Dezember 1998 verbleibt ein Rest von 845,60 DM, auf den ab 04.12.1998 Zinsen zu zahlen sind. Die Verrechnung mit der Kaution in Höhe von 2.940,00 DM ist am 26.07.1999 erklärt worden, weshalb erst ab diesem Zeitpunkt eine Reduzierung des Betrages eintritt, aus welchem Zinsen zu zahlen sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Beim Streitwert wirkt sich die Hilfsaufrechnung gemäß § 19 Abs. 3 GKG erhöhend aus.
Ende der Entscheidung
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