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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 25.07.2008
Aktenzeichen: 11 Verg 10/08
Rechtsgebiete: VOB/A


Vorschriften:

VOB/A § 21
VOB/A § 25
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Unter dem 5. Dezember 2007 veröffentlichte der Antragsgegner im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft die Bekanntmachung der Vergabe der Errichtung des Neubaus "X" im Offenen Verfahren, neben anderen einzelnen Gewerken auch die "Dachabdichtungs- und Dämmarbeiten".

Position 01.03.0027 des Leistungsverzeichnisses Dachdeckungsarbeiten (Bl. 323/324 Vergabekammerakte) lautet:

"Zulage zu Entlüftungshauben (DN 100) der Dach- und Dichtungsbahn der oben genannten Position für erhöhte Anforderungen Einlauf F - 90 incl. Hitzeschild sowie sämtlicher notwendiger Formteile. TÜV geprüft.

Angeb. Fabrikat: (vom Bieter einzutragen) Komplette Leistung fix und fertiger Arbeit.

Menge: 10,00 St .......... .........."

Zum Submissionstermin lagen für die Dachdeckungsarbeiten insgesamt zwölf Angebote vor, darunter das der Antragstellerin vom 28.01.2008 mit einer Bruttoangebotssumme von insgesamt ca. 850.000.00 €.

Das Angebot der Antragstellerin zu Pos. 01.03.0027 (Bl. 109 Vergabekammerakte) lautet:

"Zulage zu Entlüftungshauben (DN 100) der Dach- und Dichtungsbahn der oben genannten Position für erhöhte Anforderungen Einlauf F - 90 incl. Hitzeschild sowie sämtlicher notwendiger Formteile. TÜV geprüft.

Angeb. Fabrikat: Y; ... (vom Bieter einzutragen) Komplette Leistung fix und fertiger Arbeit.

Menge: 10,00 St [...,..] [...,..] €"

Das Angebot war dem Schreiben der Antragstellerin vom 28.1.2008 (Bl. 68 Vergabekammerakte) beigefügt, in dem es heißt:

"Wir bitten höflichst, unseren folgenden Hinweis zu beachten.

HINWEIS Pos. 01.03.0027

Lüfterhauben F 90

Angeboten und verpreist wurden Lüfterhauben der Firma Y, diese sind jedoch nur als ... F 30 lieferbar. Auch von den anderen Herstellern haben wir keine Hauben mit erhöhter Anforderung F 90 angeboten bekommen."

Mit Schreiben vom 08.05.2008 (Bl. 51 Vergabekammerakte) teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, ihr Angebot werde nach § 25 Nr. 1 VOB/A ausgeschlossen, weil es nicht alle in den Verdingungsunterlagen gestellten Bedingungen erfülle.

Der Bevollmächtigte der Antragstellerin rügte den Ausschluss mit Schreiben vom 14.05.2008 (Bl. 57-59 Vergabekammerakte) und forderte die Vergabestelle auf, mitzuteilen, welche Bedingungen nicht erfüllt worden seien.

Hierauf teilte das für das ausgeschriebene Vorhaben tätige Ingenieurbüro unter dem 15.05.2008 (Bl. 60 Vergabekammerakte) folgende Gründe mit:

1. In der Position 01.03.007 sei das Fabrikat "Y" angeboten worden, das nur eine Einstufung von F 30 habe, es sei jedoch F 90 gefordert gewesen;

2. in der Position 01.02.008 Kehlgefälleausbildung werde das Fabrikat A angeboten. Die Dämmung sei nur mit einem Gefalle von 2 % ausführbar, verlangt worden sei jedoch ein Gefalle von mindestens 3 % bis 9 %. Weiterhin sei die angebotene Dämmung nicht für eine Kehlgefälleausbildung geeignet. Die Anfangsdicke von 10 mm könne bei dem angebotenen Fabrikat nicht geliefert werden.

Die Antragstellerin rügte mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 15.05.2008 (Bl. 61-65 Vergabekammerakte) erneut ihren Ausschluss und führte aus, die Position "01.03.007" gäbe es nicht, allerdings habe sie bei den Positionen 01.03.0027 / 01.03.0026 das Fabrikat Y angeboten. Die Position 01.03.0027 ("Zulage") sei nur eine Ergänzung zu 01.03.0026, auch diese müsse daher wie die Entlüfterhaube 01.03.0027 von Y sein. Der ... werde jedoch nur mit R 30 (=F 30) hergestellt und angeboten.

Mit dem Hinweis auf diesen Umstand bei Angebotsabgabe habe die Antragstellerin insoweit die Ausschreibungskriterien ausdrücklich gerügt.

Das Produkt für die Kehlgefälleausbildung sei für mindestens 3 % geeignet, im Leistungsverzeichnis sei auch nicht ein Gefälle von 3% bis 9 % gefordert worden. Dem Schreiben war das Datenblatt der Fa. A "Gefälledachsystem ... und ..." beigefügt.

Mit Schriftsatz vom 16.05.2008 (Bl. 37-48 Vergabekammerakte) stellte die Antragstellerin unter Vertiefung des Rügevorbringens einen Nachprüfungsantrag.

Sie hat im Wesentlichen ausgeführt, sie habe sich in jeder Hinsicht an die Leitbeschreibung im Leistungsverzeichnis gehalten und bei Angebotsabgabe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass von der Fa. Y ein ... nur mit F 30-Feuerwiderstand angeboten werde. Das Leistungsverzeichnis sei in dieser Position auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Aus Gründen der Gleichbehandlung stehe der Antragstellerin auch ein Anspruch auf Auskunft darüber zu, welches Produkt in dieser Position von der Beigeladenen angeboten worden sei.

Auch hinsichtlich der Kehlgefälleausbildung sei der Ausschluss zu Unrecht erfolgt, denn auch das von der Antragstellerin angebotene Produkt sei für ein Gefalle von 3 % geeignet. Ein Gefalle von bis zu 9 % sei im Leistungsverzeichnis nicht verlangt. Die Fa. A könne auch eine Anfangsdicke von 10 mm liefern bzw. dies könne von einer Spezialfirma problemlos aus dem Material der Fa. A hergestellt werden.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. sie zum Bieterverfahren erneut zuzulassen und die Vergabestelle zu verpflichten, die Wertung ihres Angebotes unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen,

2. dem Antragsgegner die Verfahrenskosten einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen unter Hinzuziehung des Bevollmächtigten aufzuerlegen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären und

3. die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragsgegners der Antragstellerin aufzuerlegen.

Er hält den Antrag für unbegründet, weil das Angebot der Antragstellerin zu Recht wegen Nichterfüllung der im Leistungsverzeichnis gestellten Anforderungen ausgeschlossen worden sei. Der gem. Position 01.03.0027 vorausgesetzte Feuerschutz könne ohne weiteres durch Rohrabschottung und Brandschutzmanschetten hergestellt werden. Da die Antragstellerin selbst eingestanden habe, den Einlauf nicht mit der ausgeschriebenen Feuerwiderstandsklasse F 90 liefern zu können, entspreche ihr Angebot in technischer Hinsicht nicht den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses.

Die in der Position 01.02.008 angebotene Kehlgefälledämmschicht von mindestens 3 % und die im Ausschreibungs-Gefälleplan bzw. den Plänen Nr. 21 bis 25 zu dem Leistungsverzeichnis ausgewiesene Obergrenze bis zu 9 % könne das angebotene Fabrikat nicht erfüllen. Die Produktblätter des Fabrikates wiesen ausdrücklich darauf hin, dass allenfalls eine Sonderanfertigung mit einem Gefälle von höchstens 3 % möglich sei. Ein Angebot, das die im Leistungsverzeichnis aufgestellten Anforderungen nicht erfüllen könne, müsse zwingend ausgeschlossen werden, weil es wegen der sich nicht deckenden Willenserklärungen nicht zu dem beabsichtigten Vertragsschluss führen könne.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 22.04.2008 zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde, mit der die Antragstellerin ihren Antrag weiterverfolgt

und beantragt,

1. sie zum Bieterverfahren erneut zuzulassen und die Vergabestelle zu verpflichten, die Wertung ihres Angebotes unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer/des OLG Frankfurt am Main zu wiederholen;

2. die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern.

Der Antragsgegner beantragt,

1. die sofortige Beschwerde zurückzuweisen,

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären und

3. die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragsgegners der Antragstellerin aufzuerlegen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung, der allein Gegenstand des vorliegenden Beschlusses ist, ist abzulehnen, weil die sofortige Beschwerde zwar zulässig, insbesondere in gesetzlicher Frist und Form eingelegt und begründet worden ist (§§ 116, 117 GWB), aller Voraussicht nach aber unbegründet ist und keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 118 Abs. 2 S. 1 GWB).

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Auf die zutreffenden Ausführungen der Vergabekammer in dem angefochtenen Beschluss kann insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden.

2.

Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet.

Der Antragsgegner hat das Angebot der Antragstellerin zu Recht gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A wegen Änderungen an den Verdingungsunterlagen von der Wertung ausgeschlossen.

Ob die Verdingungsunterlagen im Angebot geändert worden sind, ist durch Vergleich des Inhalts des Angebots mit den in den Verdingungsunterlagen geforderten Leistungen festzustellen (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 02.05.2007, Verg 1/07, NZBau 2007, 600).

Die Antragstellerin hat zu Position 01.03.0027 ein Angebot abgegeben, das von den geforderten Leistungen abweicht.

Welchen Inhalt das Angebot der Antragstellerin hat, ist durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, weil es sich um eine bürgerlichrechtliche empfangsbedürftige Willenserklärung handelt. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen sind empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Bei der Auslegung dürfen nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bei Zugang der Erklärung für den Empfänger erkennbar waren. Auf dessen Horizont und Verständnismöglichkeit ist die Auslegung abzustellen. Dies gilt auch dann, wenn der Erklärende die Erklärung anders verstanden hat und auch verstehen durfte. Entscheidend ist im Ergebnis nicht der empirische Wille des Erklärenden, sondern der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert seines Verhaltens (vgl. etwa Palandt/Heinrichs, 67. Aufl. § 133 BGB Rn. 9). Maßgebend ist danach die Sicht einer "verständigen Auftraggeberin in deren damaliger Situation", wobei für die Auslegung von Bietererklärungen ergänzend auch das in § 97 Abs. 1 und 2 GWB aufgestellte Gebot der Auftragsvergabe im Rahmen eines transparenten Wettbewerbs unter Gleichbehandlung der Bieter Bedeutung erlangen kann (vgl. BayObLG, Beschluss v. 16.09.2002, Verg 19/02, VergabeR 2002, 644).

Nach dem objektiven Erklärungswert aus der Sicht einer verständigen Vergabestelle hat das Angebot der Antragstellerin zu Position 01.03.0027 in Verbindung mit dem Hinweis der Antragstellerin im Begleitschreiben vom 28.1.2008 eine Abänderung der Verdingungsunterlagen zum Inhalt.

Bei der Position des Leistungsverzeichnisses 01.03.0027 hat die Antragstellerin nämlich als angebotenes Fabrikat "Y; ..." eingetragen und zugleich darauf hingewiesen, die Lüfterhauben der Fa. Y seien nur als "... F 30" lieferbar. Auch von den anderen Herstellern seien keine Hauben mit erhöhter Anforderung F 90 angeboten worden.

Diesen Hinweis konnte die Vergabestelle nur so verstehen, dass die Antragstellerin abweichend von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses die Zulage zur Entlüfterhaube nur mit der Feuerwiderstandsklasse F 30 anbietet.

Die Antragstellerin kann diesem Auslegungsergebnis nicht mit Erfolg entgegenhalten, die aus dem Leistungsverzeichnis stammende Angabe " ... Einlauf F - 90..." sei Bestandteil ihres Angebots. Aus der bloßen Nennung von "F - 90" im vorgegebenen Text ergibt sich für den Erklärungsempfänger nicht, dass die Zulage zur Entlüfterhaube trotz des Hinweises mit der Feuerwiderstandsklasse F 90 angeboten werden soll. Ihm erschließt sich daraus nicht, dass die Feuerwiderstandsklasse F 90 zwar nicht allein mit dem Fabrikat Y, jedoch durch weitere individuell hergestellte Konstruktionen erreicht werden soll. Wenn die Antragstellerin ihr Angebot so verstanden wissen wollte, hätte es nahegelegen, dies in ihrem Hinweisschreiben entsprechend darzulegen. Ohne eine solche Erläuterung musste die Vergabestelle den Hinweis so verstehen, dass die Antragstellerin die Zulage zur Entlüfterhaube nur mit der Feuerwiderstandsklasse F 30 anbietet.

Dass die ausgeschriebene Feuerwiderstandsklasse F 90 auch bei einer Entlüftungshaube des Fabrikats Y durch weitere individuell hergestellte Konstruktionen, etwa durch Rohrabschottungen und mit Brandschutzmanschetten erreicht werden kann, zieht die Antragstellerin selbst nicht in Zweifel, denn sie will ihr eigenes Angebot entsprechend verstanden wissen. Wenn aber die ausgeschriebene Feuerwiderstandsklasse F 90 auf diese Weise erreicht werden kann, dann ist die Ausschreibung nicht auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Ungeachtet dessen hat die Vergabekammer zur Recht darauf hingewiesen, dass zu Pos. 01.03.0027 kein Leitfabrikat vorgegeben war und dem Schreiben der Antragstellerin vom 28.01.2008 nicht entnommen werden kann, von keinem Hersteller könne ein Produkt mit den verlangten Anforderungen geliefert werden. Es besteht dann auch kein Anlass, solche Anbieter, die das Fabrikat Y ohne einen einschränkenden Hinweis angegeben haben, deswegen von der Vergabe auszuschließen.

Ob die Antragstellerin auch zu Position 01.02.008 des Leistungsverzeichnisses ein Angebot abgegeben hat, das von den geforderten Leistungen abweicht, kann dahingestellt bleiben, weil bereits die Abweichung in der Position 01.03.0027 den Ausschluss der Antragstellerin rechtfertigt.

Die sofortige Beschwerde hat danach keine Aussicht auf Erfolg; der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB war zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die durch den Antrag nach § 118 GWB verursachten Mehrkosten trifft der Senat in ständiger Rechtsprechung mit der Hauptsacheentscheidung.

Ende der Entscheidung

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