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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 29.05.2007
Aktenzeichen: 11 Verg 12/06
Rechtsgebiete: GWB, VOL/A
Vorschriften:
GWB § 97 Abs. 7 | |
GWB § 107 Abs. 2 | |
VOL/A § 8 Nr. 3 Abs. 3 |
2. Ein Verstoß gegen § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A kann auch vorliegen, wenn durch eine bestimmte Gewichtung des Verhältnisses von Original- und Alternativprodukten zur Vergabe einer deutlichen Mehrheit von Originalprodukten kommt.
Gründe:
Die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) - Vergabestelle - ist die zentrale Beschaffungsstelle in Hessen für Lieferleistungen der Informationstechnik. Im Rahmen ihrer Zuständigkeit prüft sie die Möglichkeit einer Bedarfszusammenfassung, Standardisierung und zentralen Ausschreibung von landesweiten Rahmenverträgen. Vorliegend ist der Abschluss einer Rahmenvereinbarung über die Lieferung von DV Verbrauchsmaterial im offenen Verfahren nach der VOL/A europaweit ausgeschrieben worden. Die vorgesehene Rahmenvereinbarung soll danach mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer über einen Zeitraum von vier Jahren abgeschlossen werden. Der geschätzte Gesamtwert des Auftrages beläuft sich auf 8 Mio. € netto.
Das zu beschaffende DV-Verbrauchsmaterial besteht dabei aus Tonerkartuschen, Tintenpatronen, Speichermedien, Reinigungsmaterial u. a. Den Zuschlag soll der Bieter erhalten, der unter Berücksichtigung der genannten Zuschlagskriterien auf der Basis von Ziff. 5 des Leistungsverzeichnisses "Preiszusammenstellung" das wirtschaftlichste Angebot abgibt.
Den Interessenten ist dabei ausdrücklich vorgegeben, das Originalprodukt des Herstellers - die einzelnen Markennamen der verschiedenen Geräte sind aufgezählt - sowie auch Alternativprodukte anzubieten und dabei zu kennzeichnen, um welche Art es sich jeweils handelt ("kompatibel", "rebuild" oder "refilled"). Die Produkte werden in der Leistungsbeschreibung im Einzelnen definiert.
Bei der Auswertung sollen die Alternativprodukte im Verhältnis zu den Original-. Herstellerprodukten wie folgt gewichtet werden:
Original/Kompatibel 60 : 40
Original/Rebuild 70 : 30
und Original/Refilled 90 :10
Die HZD hat angegeben, in diesem Verhältnis zwischen Originalprodukt und alternativen Produkten drücke sich das erwartete Kaufverhalten der Bedarfsstellen aus.
Die Antragstellerin wandte sich mit Rügeschreiben vom 14.08.2006, in der sie einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung geltend machte, an die Vergabestelle. Da der Rüge nicht abgeholfen wurde, stellte die Antragstellerin unter dem 30.08.2006 einen Nachprüfungsantrag.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19.10.2006 hat die 1. Vergabekammer der Antragsgegnerin aufgegeben, das fragliche Vergabeverfahren produktneutral durchzuführen.
Hiergegen richtet sich die sofortige. Beschwerde der Vergabestelle, die im Wesentlichen ihr Vorbringen im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer wiederholt.
Sie macht zunächst nochmals geltend, der Antragstellerin fehle bereits die Antragsbefugnis, weil sie - unstreitig kein Angebot abgegeben habe. Daneben liege aber auch kein Verstoß gegen § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A (Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung) vor, weil eine besondere Bandbreite an Produkten angeboten werden müsse, um die bei den einzelnen Dienststellen bestehenden unterschiedlichen Anforderungen und die verschiedene Hardware bedienen zu können. Es sei eine besondere Ausgangslage bei den jeweiligen Behörden zu berücksichtigen, vor allem weil diese auch gesetzliche Vorschriften (besonders im Bereich der Erstellung von Urkunden und der Dokumentenechtheit) zu beachten hätten. Es sei eine Vielzahl von unterschiedlichen Geräten im Einsatz und der beabsichtigte Rahmenvertrag müsse den insoweit zu beachtenden Bedarf aller Dienststellen im Lande Hessen zwingend. abdecken. Die Dienststellen sollten dabei individuell entscheiden können, welche DV-Materialien für ihre Hardware am besten geeignet sei. Gerade für den beabsichtigten Rahmenvertrag habe deshalb die Flexibilität bei dem Einsatz von Originalen oder Alternativen gewährleistet werden sollen.
Im Übrigen sei aber auch entgegen der Auffassung der Vergabekammer die hauptsächliche Vorgabe von Originalen deshalb gerechtfertigt, weil es zu technischen Ablaufproblemen gekommen sei. Hierzu wiederholt die Vergabestelle zunächst ihren gesamten Vortrag aus dem Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer unter Vorlage der "Tests" von Herstellern einzelner Markenprodukte (...) und macht abermals deutlich, dass z. B. häufig Hardware in den Dienststellen zum Einsatz komme, für die passende Tonerkartuschen / Tintenpatronen anderer Hersteller bzw. passende Rebuild-/Refill-Produkte noch nicht auf dem Markt befindlich seien. Darüber hinaus könne sich aus grafischen Bearbeitungen beim Einsatz von Plottern eine besondere Anforderung an die verwendete Toner- / Tintenqualität ergeben, die nur mit Originalprodukten zufriedenstellend und, wirtschaftlich erfüllt werden könne. Daraus folge, dass auf den jeweiligen Anlass bezogen und nach dem Einsatzzweck vor Ort in den Dienststellen geprüft und entschieden werden müsse, ob der Einsatz eines Originalproduktes erforderlich sei oder ob ein Alternativprodukt eingesetzt werden könne.
Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Qualität des Toners häufig nicht individuell auf den Drucker abgestimmt sei. So seien nach Aussagen des Anbieters X der Schmelzpunkt, die Tonerpartikelgröße sowie die Pigmentierung maßgebliche Faktoren, die aufeinander abgestimmt sein müssten. Der Hersteller Y habe bekannt gegeben, dass bei 90 % der wegen vermeintlicher Defekte eingesandten Laserdrucker kein Gerätedefekt festzustellen gewesen sei. Auslöser seien vielmehr starke Verunreinigungen der Drucker, die durch Verwendung von Fremdtonern bzw. wiederbefüllten Tonerkartuschen entstanden seien. Ein ähnliches Bild ergebe sich aus der vergleichenden Zuverlässigkeitsstudie des Testlabors Z aus dem Jahre 2005, bei der es um Original ...-Druckpatronen im Vergleich zu verschiedenen Refill-Marken gegangen sei. Vergleichbare Resultate habe auch eine Zuverlässigkeitsstudie ebenfalls aus dem Jahre 2005 bezüglich von A-Druckpatronen im Vergleich zu verschiedenen wiederaufbereiteten Druckkassetten ergeben.
Diese Berichte würden durch Erfahrungen von Endverbraucherin den Dienststellen im Lande gestützt. So sei bei einem alternativen Toner für einen K - Drucker festgestellt worden, dass ein bestimmter Keramikpartikel fehle, so dass Trommel und Entwicklereinheit nicht mehr hätten gereinigt werden können.
Weiter sei beim Einsatz von alternativen Toner- und Tintenpatronen festgestellt worden, dass es zu Streifen- und Pünktchenbildung gekommen sei bzw. nur noch teilflächig habe gedruckt werden können. Auch ein verstärktes Auslaufen im Gerät sei bei dem Einsatz von Alternativtonern beobachtet worden. Bei dem Produkt H für ein bestimmtes Faxgerät sei eine zu blasse Druckqualität festgestellt worden. Auch eine Neigung zum Austrocknen trotz frisch geöffneter Patrone sei mitgeteilt worden.
Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Drucker häufig eine starke Bindung an die Hersteller aufwiesen, die technisch nicht umgangen werden könne. Teilweise verrutschten dabei Chips, teilweise habe trotz Inhalts im Tank die "Leer"-Anzeige aufgeleuchtet. Manche Drucker verlangten den Einsatz ausschließlich von Originalprodukten. Auch seien verschiedene Patronen von Druckern nicht erkannt und angenommen worden. Letztlich seien teilweise ein erhöhter Papierstau, abgefallene Teile bei Alternativprodukten sowie ein starkes Quietschen der Patrone bei intensivem Gebrauch festgestellt worden. Letztlich riskierten aber auch Kunden, die Alternativprodukte trotz anderslautender Empfehlungen der Hersteller verwendeten, häufig ihren Garantieanspruch.
Da im Rahmen des Beurteilungsspielraumes für die Vergabestelle die Möglichkeit bestehe, zusätzlich zu den einzuhaltenden DIN-Vorschriften Anforderungen anderer technischer oder qualitativer Art zu stellen, maßgebliche Qualitätsunterschiede zwischen den einzelnen Original- und Alternativprodukten bestünden und der Rahmenvertrag eine hohe Produktvielfalt habe bieten müssen, liege ein Verstoß gegen die grundsätzlich bestehende Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung nicht vor.
Die Vergabestelle beantragt,
den Beschluss der Vergabekammer des Landes Hessen vom 19.10.2006 aufzuheben, hilfsweise, den "Rechtsstreit" unter Beachtung der Entscheidung des Oberlandesgerichts an die Vergabekammer zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und macht nochmals geltend, ihre Antragsbefugnis habe sehr wohl bestanden und bestehe fort, zumal die zeitliche Verzögerung des Verfahrens vor der Vergabekammer - bei einem Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.09.2006, wie zunächst vorgesehen, habe die Angebotsfrist noch eingehalten werden können - ihr nicht anzulasten sei.
Im Übrigen aber liege sehr Wohl ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung vor. Denn bei einer solchen Ausschreibung, wie im vorliegenden Fall, bestehe nicht die Möglichkeit konkurrenzfähiger Angebote, weil die Originalhersteller zum Teil nur eigenen Händlern einen Nachlass von 50 % gewährten. Ausreichend sei aber, dass auch sie - die Antragstellerin - mit ihren alternativen Produkten die maßgeblichen Qualitätsstandards erreiche, so dass die Ausschreibung neben der Anforderung von Originalprodukten zumindest auch den Zusatz: "oder gleichwertig" hätte enthalten müssen. Zu Problemen mit ihren Produkten sei es im Übrigen bisher in keiner Weise gekommen. Rebuild-Produkte seien nicht von vornherein als schlechter einzustufen. Ein bekannter Produkt- und Markenname sei nicht gleichzeitig mit besonderer Qualität und deren Gewährleistung gleichzusetzen. Da, wo es nötig sei, könne sie ebenfalls entsprechende Originale anbieten. Um den Anforderungen der Vergabestelle gerecht zu werden, sei die Einhaltung der vorgegebenen DIN-Vorschriften vollkommen ausreichend. Da außerdem die vorgelegten Testunterlagen nur von den Herstellern verschiedener Markenprodukte stammten und von der Antragstellerin - gegenteiliges Material, insbesondere auch von der Landesbank ..., vorgelegt worden sei, könne von maßgeblichen und vielfältigen Problemen bei dem Einsatz von alternativen Produkten nicht ausgegangen werden. Bei dieser Sachlage habe die Vergabekammer deshalb mit Recht einen Verstoß gegen § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A angenommen.
II. Die sofortige Beschwerde der Vergabestelle ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Im Ergebnis zutreffend hat die Vergabekammer angenommen, die Antragstellerin werde durch den Inhalt der fraglichen Ausschreibung in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7GWB verletzt.
1. Soweit die Vergabestelle auch in der Begründung ihrer sofortigen Beschwerde die Auffassung vertritt, es fehle bereits an der Antragsbefugnis der Antragstellerin, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar hat die Antragstellerin vorliegend unstreitig kein Angebot abgegeben. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass sie eine Verletzung von Rechten i. S. d. § 97 Abs. 7 GWB rügt, weil sie wegen der aus ihrer Sicht nicht beachteten Vorschrift des § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A keine realistische Möglichkeit zur Teilnahme am Wettbewerb gehabt habe. Trägt ein Unternehmen aber vor, dass es als Bewerber von der Abgabe eines zuschlagsfähigen Angebots gerade durch die vergaberechtswidrige Vorgabe von Produkten abgehalten worden sei, muss es ausnahmsweise auch ohne ein solches Angebot als antragsbefugt angesehen werden. Denn es ist ihm nicht zuzumuten, um jeden Preis ein Angebot abzugeben, nur um das für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB erforderliche Interesse am Auftrag zu dokumentieren. Bei dieser Sachlage kommt es deshalb nicht auf die von der Antragstellerin geltend gemachte und nach ihrer Auffassung von ihr nicht zu vertretende Zeitverzögerung hinsichtlich des Verfahrens vor der Vergabekammer an.
2. Die Antragstellerin hat den vermeintlichen Verstoß gegen Vergabevorschriften durch die Art der Ausschreibung in den Vergabeunterlagen auch mit Schreiben vom 14.08.2006 unverzüglich gegenüber der Vergabestelle gerügt (107 Abs. 3 GWB).
3. Zwar ist nach dem Inhalt der Leistungsbeschreibung auch die Antragstellerin in der Lage, grundsätzlich jede Art des geforderten Hardware - Zubehörs, also Originale und / oder Alternativprodukte anzubieten. Insoweit liegt in der Ausschreibung keine typische Beschränkung auf ein Leitprodukt vor. Die Antragstellerin hat als Anbieter weit überwiegend von Alternativprodukten aber letztlich keine reale Chance, in den Kreis derjenigen zu gelangen, die für eine Zuschlagserteilung ernsthaft in Betracht gezogen werden könnten, weil sie durch die vorgesehene Gewichtung der Angebote (Original / Kompatibel 60: 40; Original / Rebuild; 70 : 30; Original / Refilled 90:10) mit einem deutlichen Übergewicht zugunsten von Originalen Angebote gerade für diese nur zu deutlich höheren Preisen abgeben kann.
Mit dieser beabsichtigten Gewichtung hat die Antragsgegnerin aber mittelbar bestimmte Produkte vorgegeben, so dass die Grundsätze des § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL / A zu berücksichtigen sind. Zwar kann eine Ausschreibung grundsätzlich auch in dieser Form durchgeführt werden; hierfür muss jedoch ein berechtigter Anlass bestehen und die Vergabestelle hat dies im Einzelnen nachvollziehbar zu begründen und zu dokumentieren, insbesondere im Hinblick auf das angeblich erwartete Bestellverhalten, aus dem sich die Vorgabe der Gewichtung ergeben soll Gerade diesem Erfordernis ist die Antragsgegnerin nicht ausreichend nachgekommen. Denn sie hat lediglich allgemein darauf hingewiesen, dies beruhe auf dem erwarteten Bestellverhalten der jeweiligen Behörden. Sie wäre aber verpflichtet gewesen, gerade, die Gründe für dieses aus ihrer Sicht zu erwartende Bestellverhalten der Behörden im Einzelnen zu hinterfragen und festzustellen sowie die Notwendigkeit der Bestellung gerade in dem angegebenen Verhältnis nachvollziehbar niederzulegen. Sie hat jedoch ein bestimmtes Bestellverhalten schlicht unterstellt und dies nicht näher begründet. Ein solches Vorgehen Wird aber der Vorbereitung einer derartigen Ausschreibung nicht gerecht.
Der öffentliche Auftraggeber darf gemäß der Vorschrift des § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A, die der parallelen Bestimmung des § 9 Nr. 5. Abs. 1 VOB/A entspricht, bestimmte Erzeugnisse, Verfahren oder Ursprungsorte und Bezugsquellen nur dann ausdrücklich vorschreiben, wenn dies durch die Art der geforderten Leistung gerechtfertigt ist (vgl. dazu u a. auch OLG Frankfurt am Main ZfBR 2004, 486). Denn im Interesse des technischen und kaufmännischen Wettbewerbs sollen grundsätzlich offene Leistungsbeschreibungen erfolgen. Aus dem Wortlaut der Bestimmung ist zu entnehmen, dass eine derartige Vorgabe bestimmter Produkte in jedem Fall die Ausnahme bleiben soll.
Die Reichweite der Zulässigkeit der Angabe von bestimmten Erzeugnissen, Verfahren sowie der Vorgabe von Produktmarken hängt dabei maßgeblich von dem Leistungsgegenstand ab; aber auch von der Verwendung am konkreten Einsatzort. In diesem Zusammenhang steht der Vergabestelle bezüglich der Einschätzung, ob die Nennung und Vorgabe bestimmter Erzeugnisse, Verfahren usw. im konkreten Fall möglich ist (8 Nr. 3 Abs. 3 und Abs. 5 VOL/A), ein Beurteilungsspielraum zu. Es liegt zunächst an ihr, zu überprüfen, ob dies durch die Art der zu vergebenden Leistungen gerechtfertigt ist. Ihr als Initiatorin des Vergabeverfahrens ist ein Bewertungsspielraum zuzubilligen, zumal sie auch die Verantwortung für jede Art unklarer Leistungsbeschreibung und der damit verbundenen Folgen trägt (vgl. Müller - Wrede, Kommentar zur VOL/A, 1. Auflage, § 8, Rdnr. 85 ff. m.w.N.). Die Grenzen für die Annahme der Möglichkeit einer bestimmten Vorgabe sind dabei jedoch eng gezogen und die Vergabestelle hat ihre Erwägungen im Einzelnen zu dokumentieren.
Allerdings regeln weder die VOL noch die VOB, wann ein entsprechender Ausnahmetatbestand im Einzelnen gegeben ist. Gründe für die Vorgabe eines bestimmten Fabrikats können insbesondere in technischen Zwängen liegen, gestalterischen Gründen folgen oder der Zweckmäßigkeit einer einheitlichen Wartung dienen (vgl. zur VOB Heiermann/Riedl/Rusam, Randkommentar zur VOBIA 9 Rdn. 117). Auch Kostengründe können grundsätzlich legitime Interessen des Auftraggebers begründen.
Besonders im Falle von Datenverarbeitungsanlagen und technischen Systemen ist in dieser Hinsicht jedoch Vorsicht geboten, weil es mittlerweile immer ausgereiftere Software und entsprechendes Zubehör gibt, so dass eine Kompatibilität meist ohne weiteres gewährleistet ist. Der mangelnde Einsatz von mit Originalen vergleichbaren Produkten darf daher nicht zu einer als allgemein notwendigen Form von herstellerspezifischen Ausschreibungen herangezogen werden (vgl. Müller-Wrede, a.a.O., Rdnr. 86/91). Von ausreichend geltend gemachten besonderen Umständen für eine Gewichtung zugunsten von Originalen kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Maßgebend für die Beurteilung können immer nur die Eigenart und Beschaffenheit der zu vergebenden Leistungen sein, nicht aber die subjektiven Erwägungen, Überlegungen und Wünsche des öffentlichen Auftraggebers oder seiner Dienststellen.
Nach den Ausführungen der Vergabestelle auch im Beschwerdeverfahren waren die Vielfalt der in den Dienststellen zum Einsatz kommenden Drucker sowie ihre Unkenntnis über deren konkrete Einsatzbedingungen, das Alter, den Pflegezustand usw. mit ausschlaggebend für die vorgenommene Leistungsbeschreibung und die Schwerpunktsetzung auf Originalprodukte. Daneben sollen Aspekte der Dokumentenechtheit und -sicherheit eine Rolle gespielt haben. Außerdem habe es des Öfteren - wie dargestellt - Probleme mit Alternativprodukten gegeben.
Der nur allgemeine Hinweis der Vergabestelle, Dienststellen im Lande Hessen hätten ein grundsätzliches Bedürfnis nach Originalen, stellt in dieser Form keinen sachlicher Grund i.S.d. § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A und keine nachvollziehbare Begründung für das erwartete Bestellverhalten dar. Eine produktbezogene Ausschreibung muss durch die Art der zu vergebenden Leistung begründet sein. Der bloße und nicht stichhaltig begründete Wunsch der Besteller nach Originalen stellt keinen solchen leistungsbezogenen Grund dar, denn maßgebend für die Vorgabe von bestimmten Erzeugnissen müssen objektive und sachgerechte Erwägungen sein, die ggf. auch, auf technischen Notwendigkeiten beruhen.
Es mag zwar sein, dass in einigen Bereichen gerade die Dokumentensicherheit oder -echtheit im Vordergrund steht. Dass dies allerdings auch im Streitfall eine ausschlaggebende Bedeutung hat und einen sachlichen Grund für die Vorgehensweise der Vergabestelle darstellt, ist nicht dargetan. Denn durch die - unstreitige - Einhaltung der für die Alternativprodukte ebenfalls vorgeschriebenn DIN-Normen steht fest, dass diese auch der darin niedergelegten Sicherheits- und auch Qualitätsanforderungen ohne weiteres genügen (müssen) und ein signifikanter qualitativer Unterschied zwischen diesen und den Originalprodukten nicht besteht. Dies trägt auch die Vergabestelle nicht vor.
Auch das Argument, bei bestimmten Druckermodellen sei der Einsatz von Alternativprodukten gar nicht möglich, weil sie infolge entsprechender Programmierung durch die Hersteller entweder nicht mehr oder nur in sehr eingeschränktem Tempo arbeiteten, erscheint nicht ausreichend tragfähig. Insoweit hat die Vergabestelle ebenfalls nicht darlegen können, dass es sich etwa um eine Vielzahl von Fällen handelt und gerade deshalb eine Gewichtung deutlich zugunsten von Originalen unbedingt erforderlich gewesen ist.
Darüber hinaus ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass etwa erhebliche Probleme mit Alternativprodukten in der Vergangenheit aufgetreten sind und darauf das Bestellverhalten der Behörden beruht. Solche oder sonstige Feststellungen zum Grund des vermuteten Besteilverhaltens sind aber ihrem Vorbringen, auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung, nicht zu entnehmen.
Dies kann auch nicht den vorgelegten verschiedenen Veröffentlichungen, die von Anbietern wie O und E stammen und darauf hinweisen, dass in vielen Fällen Refilled-Produkte zu deutlich minderer Qualität des Ausdrucks und zu anderen Problemen geführt hätten, entnommen werden. Auch die Auswertung der vergleichenden Zuverlässigkeitsstudie von Z aus dem Jahre 2005 läßt dies nicht ohne weiteres erkennen.
Abgesehen davon, dass solche Berichte nur aus dem Jahr 2005 stammen und sich auch nicht auf sämtliche Alternativprodukte (Kompatibel, Rebuild, Refilled) beziehen, hat demgegenüber die Antragstellerin schon im Verfahren vor der Vergabekammer verschiedene Testergebnisse für Alternativprodukte vorgelegt, nach denen gerade diese besser abgeschnitten haben als Markenartikel wie z. B. E, H P oder P. Darüber hinaus ist eine Mitteilung der Landesbank ... eingereicht worden, wonach ein jährlicher Einkauf von ca. 7.000 Kartuschen von alternativen Produkten eine deutliche Ersparnis im sechsstelligen Eurobereich erbracht habe und keinerlei Probleme dabei aufgetreten seien.
Soweit die Vergabestelle in der Beschwerdebegründung nunmehr geltend macht, die Berichte von Originalherstellern seien durch Erfahrungen von Endverbrauchern in den Dienststellen bestätigt, ist dies sehr allgemein und es ist in keiner Weise dargestellt, in welchem Umfang dies tatsächlich so festgestellt worden ist. Zwar macht sie geltend, es sei zu Streifen- und Pünktchenbildung gekommen, es habe ein bestimmter Keramikpartikel gefehlt, bei Alternativtonern sei es zu einem verstärkten Auslaufen im Gerät gekommen, eine blasse Druckqualität sei festgestellt worden, es habe eine Neigung zum Austrocknen trotz frisch geöffneter Patrone bestanden und es sei "z. B. bei ... zu einer erheblich verlangsamten Druckzeit mit alternativen Tonern im Tank gekommen. Darüber hinaus seien mechanische Unverträglichkeiten im Zusammenspiel zwischen Drucker und alternativen Tonern und Patronen aufgetreten. So sei es beispielsweise zu einem Verschieben des auf der Patrone angebrachten Chips gekommen. Erhöhter Papierstau und abgefallene Teile bei Alternativprodukten für A-Drucker - Plastiknasen und Zahnrädchen - sowie ein Quietschen der Patrone seien ebenfalls bemängelt worden.
Diese ebenfalls nur allgemeinen Darstellungen sind aber nicht quantifiziert worden und lassen einerseits nicht erkennen, inwieweit es sich hier - gerade im Verhältnis zu der Anzahl der verwendeten Hardware - um signifikante Probleme handelt, sowie andererseits inwieweit dies im Verhältnis zu Problemen bei Originalprodukten - die Vergabestelle behauptet selbst nicht, dass es bei Originalprodukten in keiner Weise zu Problemen kommt und kommen kann - steht und darauf das Bestellverhalten gerade in dem vorgegebenen Gewichtungsverhältnis beruhen soll.
Bei dieser Sachlage lässt sich deshalb die indirekte Vorgabe einer deutlichen Mehrheit von Originalprodukten nicht als ausreichend gerechtfertigt ansehen.
Der Vergabestelle ist darüber hinaus entgegen zu halten, dass auch keine ausreichende Dokumentation ihrer Erwägungen vorgenommen worden ist. Ein fortlaufend geführter Vergabevermerk hinsichtlich Planung, Vorbereitung von Entscheidungsphasen und insbesondere der tragenden Ermessenserwägungen, die zu der Aufstellung des Leistungsverzeichnisses in der vorliegenden Form geführt haben, ist in den von der Vergabestelle vorgelegten Akten nicht enthalten.
Es fehlen insbesondere Unterlagen, die den Prüfungs- und Willensbildungsprozess der zuständigen Entscheidungsträger dokumentierten und aus denen sich die Einhaltung des Wertungsspielraumes der Antragsgegnerin nachvollziehen lassen, insbesondere das Vorliegen der besonderen Umstände erkennen lasen, aus denen es nachvollziehbar gerechtfertigt ist, ein bestimmtes Bestellverhalten als maßgebend zugrunde zu legen.
Die Vergabeakte enthält zwar einen Vermerk vom 27.07.2006, in dem das Vorgehen bei der Ausschreibung aber lediglich skizziert ist.
Dort heißt es:
Über diese Ausschreibung soll das HZD-Standardangebot DV-Verbrauchsmaterial abgedeckt werden. Dies beinhaltet im Einzelnen:
- Toner/Trommeleinheiten
- Druckköpfe/Tintenpatronen
- Speichermedien (Disketten, CD, DVD, Bänder)
- Reinigungsmaterial
Für Laserdrucker und Tintenstrahldrucker müssen sowohl das Originalzubehör der Hersteller als auch alternative Produkte angeboten werden. Als Anlage ist sodann u. a. die Leistungsbeschreibung in Bezug genommen worden. Mitgezeichnet ist der Vermerk vom Direktor der HZD.
In der Leistungsbeschreibung ist sodann auf S. 8 dargelegt, dass in Hessen Drucker unterschiedlicher Hersteller eingesetzt werden und dass aus diesem Grund Verbrauchsmaterial bestimmter Hersteller und Druckertypen beschafft, werden müssten. Daneben ist dargestellt, dass neben dem Originalherstellerprodukt auch ein alternatives Produkt anzubieten sei, wobei die Abstufung der Alternativen im Einzelnen auf S. 34 definiert wird.
Aus diesem Vermerk lassen sich die Motivation der Vergabestelle und die Gründe für die Annahme eines bestimmten Bestellverhaltens nicht ausreichend erkennen, so dass die erforderlichen Ermessenserwägungen nicht dokumentiert sind.
Unter Berücksichtigung aller Umstände ist danach die angefochtene Entscheidung der 1. Vergabekammer nur insoweit zu beanstanden, als der Vergabestelle konkret aufgegeben worden ist, das fragliche Vergabeverfahren produktneutral auszuschreiben. Dazu kann aber die Antragsgegnerin nicht verpflichtet werden. Allenfalls wäre eine Verpflichtung zur Aufhebung der Ausschreibung ( 26 Nr. 1 d) VOLIA) zu erwägen gewesen. Allerdings kann die Maßnahme, die nach § 114 Abs. 2 GWB zu treffen ist, um der Verletzung der Antragstellerin in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB entgegenzuwirken, nur ausnahmsweise in der Aufhebung der Ausschreibung oder der Anweisung an die Vergabestelle bestehen, das eingeleitete Vergabeverfahren auf eine bestimmte (andere) Weise zu beenden oder fortzuführen.
Ob der Auftraggeber eine Aufhebung der Ausschreibung vornehmen will oder ob andere Möglichkeiten bestehen, die Ausschreibung in Übereinstimmung mit vergaberechtlichen Vorschriften fortzuführen, hat er zu prüfen und bleibt ihm überlassen (vgl. BGH Beschluss vom 26.09.2006, X ZB 14/06 = VergabeR 2007, S. 59 ff.).
Deshalb kann derzeit lediglich festgestellt werden, dass die Antragsgegnerin auf der Grundlage der bisherigen Ausschreibungsbedingungen das Verfahren nicht fortsetzen und keinen Zuschlag erteilen darf, so dass ein entsprechendes Verbot die zur Erledigung des Streits der Beteiligten gebotene Maßnahme darstellt, die eine Rechtsbeeinträchtigung der Antragstellerin verhindert.
Diese Entscheidung des Senats bedeutet in der Sache weiterhin ein Unterliegen der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin in einem Umfang, der bei Anwendung der sich aus § 92 Abs. 2 ZPO ergebenden Grundsätze eine Kostenbelastung der Antragstellerin nicht rechtfertigt.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens ist gemäß § 50 Abs. 2 GKG festgesetzt.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.