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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 20.12.2000
Aktenzeichen: 13 U 179/98
Rechtsgebiete: VVG, BDSG, AGBG, ZPO
Vorschriften:
VVG § 40 | |
BDSG § 4 Abs. 2 | |
AGBG § 9 | |
ZPO § 524 Abs. 4 | |
ZPO § 543 Abs. 1 | |
ZPO § 511 | |
ZPO § 511 a | |
ZPO § 516 | |
ZPO § 518 | |
ZPO § 708 Ziffer 10 | |
ZPO § 713 | |
ZPO § 546 Abs. 2 |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
13 O 592/97 LG Darmstadt
Verkündet am 20.12.2000
in dem Rechtsstreit ...
Der 13. Zivilsenat in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2000 durch den Richter ... als Einzelrichter gemäß § 524 Abs. 4 ZPO
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin und ihrer Streithelferin wird das am 6. August 1998 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt abgeändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin DM 35.850,00 nebst 4 % Zinsen hieraus seit 1. November 1997 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte ist mit DM 35.850,00 beschwert.
Entscheidungsgründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die gemäß §§ 511, 511 a, 516, 518 ZPO statthaften und auch sonst zulässigen Berufungen sind begründet, weshalb wie erkannt zu entscheiden war.
Der Rückzahlungsanspruch, dessen sich die Klägerin vorliegend mit der Begründung berühmt, sie habe rechtswirksam mit Schreiben vom 8. August 1996 die Anfechtung des bestehenden Krankenversicherungsvertragsverhältnisses wegen arglistiger Täuschung - der Beklagte habe bei Vertragsabschluß unrichtige Angaben zu seiner Gesundheit und seinen Vorerkrankungen gemacht - erklärt, ist begründet, denn die klägerseits erklärte Anfechtung ist entgegen Beklagtenauffassung durchgreifend mit der Folge, daß die Klägerin erbrachte Leistungen, weil ohne Rechtsgrund, kondizieren kann (§ 812 Abs. 1 BGB). Die Klägerin als Versichererin ist berechtigt, sowohl den Vertrag anzufechten als auch vom Vertrag zurückzutreten (vgl. Prölss/Martin, VVG, 26. Auf. 1998, Rn 14 zu § 22).
Das erkennende Gericht bewertet das Verhalten des Beklagten als arglistig.
Eine arglistige Täuschung liegt nicht schon dann vor, wenn Fragen des Versicherers wissentlich falsch beantwortet werden, vielmehr erfordert die Arglist weitere Umstände. Der Versicherungsnehmer, der wissentlich Fragen falsch beantwortet, muß billigen, daß der Versicherer durch sein Vorgehen über seinen Gesundheitszustand getäuscht und dadurch in seiner Entscheidung beeinflußt wird (vgl. Urteil des IV. ZS des BGH vom 20.11.1990, abgedruckt in NJW-RR 1991 Seite 411).
Der Beklagte hat zwar vorliegend in seinem Antrag vom 7. August 1995 die Frage zu 4.4. nach bestehenden Vorerkrankungen bejahend, was richtig ist, beantwortet und erläutert, er sei im Oktober 1993 wegen eines Kreuzbandrisses rechts behandelt worden und habe sich im August 1995 einer Routineuntersuchung unterzogen, die ohne Befund geblieben sei, aber er hat verschwiegen, daß er - was unstreitig ist - vom 10.02.1992 bis 14.05.1993, vom 24.03. bis 15.05.1994 und vom 23.01. bis 17.03.1995 arbeitsunfähig krankgeschrieben war. Weitere zahlreiche in 1994 und 1995 erhobene Befunde sind jedenfalls im Antragsformular nicht erwähnt worden. Selbst wenn, wie der Beklagte nunmehr vorträgt, die zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankungen auf den schlecht verheilten Kreuzbandriß beruhen sollten, kann dies den Beklagten nicht entlasten. Auch einem Laien ist klar, daß für einen Krankenversicherer die Frage, wie oft er - der Versicherungsnehmer - in der Vergangenheit einen Arzt aufgesucht hat, von großer Bedeutung ist, wie auch - nämlich in Bezug auf die Krankentagegeldversicherung -, wie oft er als arbeitsunfähig krankgeschrieben war. Die Bedeutsamkeit dieser Angaben für die Risikobewertung der abzuschließenden Krankenversicherungsverträge ist für jedermann klar ersichtlich und auch nachvollziehbar, weshalb dem Beklagten durchaus bewußt war, daß auch die Nichterwähnung der zwar in Bezug genommenen Tatsachen für die Willensbildung der Klägerin mitbestimmend war.
Eine Anfechtung vernichtet rückwirkend das Vertragsverhältnis (vgl. § 142 BGB). Ob von diesem allgemeinen Rechtsgrundsatz für Krankenversicherungsverträge unter bestimmten Umständen eine Ausnahme gemacht werden kann (vgl. hierzu Urteil des VIII. ZS des OLG München vom 23.12.1999 in VersR 2000 Seite 437), brauchte vorliegend nicht entschieden zu werden, weil nach eigenem Beklagtenvortrag die Versicherungsleistungen gerade im Zusammenhang mit dem verschwiegenen erhöhten Gefahrenumstand stehen. Für solche Fälle soll es auch nach der Rechtsauffassung des OLG Nürnberg bei der ex tunc-Wirkung der Anfechtung verbleiben. Der Beklagte hat nämlich seine Kreuzbandverletzung in rechtlich vorwerfbarer Weise verharmlost und die Klägerin über das zu versichernde Risiko damit arglistig getäuscht.
Nur der guten Ordnung halber sei an dieser Stelle noch angemerkt, daß ein etwaiges Mitverschulden der Klägerin im Hinblick auf ihre Nachforschungspflichten - für die Annahme einer solchen Fallgestaltung ist indessen kein ausreichender Vortrag gehalten worden - eine Vertragsanfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht entgegensteht.
Der Zahlunganspruch der Klägerin war letztlich nicht um den Betrag der beklagtenseits gezahlten Provisionen, deren Höhe nicht aktenkundig ist, zu kürzen.
Das erkennende Gericht sieht in diesem Zusammenhang keine Veranlassung, sich in grundsätzlicher Form mit der Problematik des Regelungsgehaltes des § 40 VVG näher zu befassen, worauf in der mündlichen Verhandlung im Rahmen des Vergleichsgespräches eingegangen wurde (vgl. hierzu Prölss/Martin a.a.O. Rn 9 ff., insbesondere Rn 16 zu § 40). Es bedarf zum gegenwärtigen Zeitpunkt keiner Entscheidung darüber, ob der Beklagte der Klägerin überhaupt Prämienzahlungen schuldet, weil nach Auffassung des Gerichts im Falle einer arglistigen Täuschung der Beklagte nicht durch die Saldotheorie zu begünstigen ist (vgl. in diesem Sinne Palandt- Thomas, BGB, 59. Auf. 2000, Rn 50 a. E. zu § 818). Es hätte mithin an dem Beklagten gelegen, seinerseits einen Bereicherungsanspruch in Höhe der geleisteten Versicherungsprämien gegenüber der Klägerin geltend zu machen, falls er den Rechtsstandpunkt vertreten sollte, daß im Falle der Versicherungsvertragsanfechtung keine Prämie geschuldet wird für den Zeitraum vom Vertragsabschluß bis zur Anfechtungserklärung.
Das erkennende Gericht ist letztlich auch zur der Rechtsauffassung gelangt, daß die Klägerin ihre Anfechtung auf ihr positives Wissen auf die den Anfechtungstatbestand begründenden Tatsachen stützen kann, obwohl ihr diese Kenntnis von dritter Seite unter Umständen übermittelt wurde, die rechtlich sehr bedenklich erscheinen. Das Gericht ist sich der Problematik seiner Entscheidung sehr wohl bewußt. Er hat mit den Parteivertretern die Problematik in der mündlichen Verhandlung - und zwar bereits am 18. September 2000 - eingehend erörtert.
Die Klägerin hat die Kenntnis der Tatsachen, die letztlich ihre Anfechtung begründen, von der ... vermittelt bekommen. Die ... hat ihrerseits in dem vorformulierten Krankenversicherungs-Antrag" sich folgende Einwilligung geben lassen:
Ich willige ferner ein, daß der Versicherer im erforderlichen Umfang Daten, die sich aus den Antragsunterlagen oder der Vertragsdurchführung (Beiträge, Versicherungsfälle,
Risiko-/Vertragsänderungen) ergeben, an Rückversicherer zur Beurteilung des Risikos und zur Abwicklung der Rückversicherung sowie an den Verband der privaten Krankenversicherung und andere Versicherer zur Beurteilung des Risikos und der Ansprüche übermittelt."
Das Gericht hat erhebliche Bedenken, ob dies in einem Formularvertrag ohne besondere drucktechnisch hervorgehobene Einwilligung rechtswirksam ist und im besonderen den Erfordernissen des § 4 Abs. 2 BDSG Rechnung trägt. Die von der ... vorformulierte Einwilligungserklärung unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG (vgl. Ulmer/Brandner/Hensen AGBG, 8. Aufl. 1997, Rn 286 Anhang §§ 9 bis 11). Ob vorliegend diese Vertragsbestimmung im Vertrag ... - Beklagter möglicherweise nichtig sein könnte, brauchte nicht entschieden zu werden, weil dies nur von Relevanz für die Frage ist, ob die ... die den Beklagten betreffenden Daten an die Klägerin weiterleiten durfte. Vorliegend entscheidungsrelevant ist jedoch die Frage, ob die Klägerin von den ihr übermittelten Daten Gebrauch machen durfte. Dies wäre nach Auffassung des erkennenden Gerichts nur dann nicht der Fall, wenn die Klägerin positiv um eine nicht ausreichende Einwilligung des Beklagten in die Datenweitergabe gewußt hätte. Hierzu ist beklagtenseits trotz der Rechtserörterungen im Termin kein weiterer Vortrag gehalten worden. Der Klägerin mußte sich jedenfalls nicht die Kenntnis gleichsam aufdrängen, daß die ... ihr ohne ausreichende Rechtsgrundlage die Daten übermittelte, zumal vor dem Hintergrund, daß 1981 eine von der Aufsichtsbehörde gebilligte Datenschutz- Ermächtigungsklausel im Versicherungsgewerbe eingeführt wurde (vgl. Ulmer/Brandner/Hensen a.a.O. Rn 286 Anhang § 9 bis 11, mit weiteren Nachweisen in Fn 10).
Der Zinsanspruch ist ebenfalls begründet. Die Klägerin macht den gesetzlichen Zinsfuß seit Eintritt der Rechtshängigkeit geltend.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil er unterliegt (§ 91 Abs. 1 ZPO).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Ziffer 10, 713 ZPO.
Die Beschwer des Beklagten war in Ansehung der Vorschrift des § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen.
Ende der Entscheidung
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