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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 06.03.2007
Aktenzeichen: 14 U 26/06
Rechtsgebiete: AUB, VVG


Vorschriften:

AUB § 10 Abs. 2
VVG § 6 Abs. 3
1. Bei objektiv unrichtigen Angaben auf eine eindeutige und unmissverständliche Frage des Versicherers wird entsprechend dem Wortlaut des § 6 Abs. 3 VVG ein vorsätzliches Verschulden vermutet. Es ist deshalb Sache des Versicherungsnehmers, diese Vermutung zu widerlegen.

2. Durch das Verschweigen anderer Unfallversicherungen werden die Interessen des Versicherers in erheblicher Weise gefährdet. Es handelt sich um eine sachdienliche Frage, auch wenn das Bestehen einer anderweitigen Versicherung an der grundsätzlichen Leistungspflicht des Versicherers nichts ändert.


Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung von Invaliditätsentschädigung in Anspruch. Der Beklagte begehrt mit der Widerklage von der Klägerin eine weitere Invaliditätsentschädigung.

Mit Formularantrag vom 29.12.1998 (Bl. 11 d.A.) beantragte der Beklagte bei der Klägerin den Abschluss einer dynamischen Unfallversicherung mit Krankentagegeldversicherung. Die in dem Formular enthaltene Frage, "bestehen oder bestanden schon Unfallversicherungen und wurden außer bei uns weitere Unfallversicherungen beantragt", beantwortete der Beklagte mit "nein".

Das Antragsformular wurde von Herrn A ausgefüllt, wobei streitig ist, ob dieser als selbständiger Versicherungsmakler oder als Agent der Klägerin tätig geworden ist. Unter dem 31.12.1999 beantragte der Beklagte bei der Klägerin eine weitere Unfallversicherung (Bl. 12 d.A.), wobei ihm wiederum Herr A behilflich war. Die Frage nach anderen Unfallversicherungen beantwortete er hier mit "B, C". Die Klägerin nahm die vom Beklagten unterzeichneten Versicherungsanträge an. Beiden Verträgen liegen die AUB 94 zugrunde. Zum damaligen Zeitpunkt bestand noch eine weitere Unfallversicherung des Beklagten bei der D Versicherungs AG (im folgenden kurz: D) mit einer Versicherungssumme von 221.319 €. Eine Unfallversicherung bei der B hatte der Beklagte kurz zuvor gekündigt.

Am 25.6.2002 stürzte der Kläger beim Beladen seines PKW über zwei am Boden liegende Körbe (Bl. 15 d.A.) und erlitt dabei eine Radiusfraktur links (Bl. 112 d.A.). Mit Schadensanzeige vom 5.8.2002 (Bl. 103 d.A.) zeigte der Beklagte der Klägerin diesen Unfall an, wobei das Schadensanzeigeformular angeblich von seiner Tochter ausgefüllt wurde. Die unter Ziffer 12 gestellte Frage, "bestehen oder bestanden noch bei anderen Gesellschaften Unfallversicherungen, Unfallzusatzversicherungen", beantwortete der Beklagte mit "nein". Die Klägerin holte in der Folgezeit medizinische Gutachten zum Grad der Invalidität an der linken Hand des Beklagten ein und zahlte aufgrund des festgestellten Invaliditätsgrades aus beiden Unfallversicherungen eine Invaliditätsentschädigung von insgesamt 122.008,74 €.

Am 15.10.2004 (Bl. 16 d.A.) übersandte der Beklagte der Klägerin das fachärztliche Gutachten des Klinikums der E Universität in O1, das von der D in Auftrag gegeben worden war (Bl. 17 bis 52 d.A.). Hintergrund war, dass die D einen höheren Invaliditätsgrad als die Klägerin festgestellt hatte und der Beklagte bei der Klägerin eine höhere Invaliditätsentschädigung erreichen wollte. Streitig ist, ob der Beklagte bereits zuvor, z.B. in einem Telefongespräch am 6.10.2004 (Bl. 76 d.A.), einem Mitarbeiter der Klägerin von der Existenz des weiteren Gutachtens der D berichtet hatte. Nach Übersendung dieses Gutachtens trat die Klägerin mit zwei Schreiben vom 3.11.2004 (Bl. 53, 55 d.A.) von den beiden Versicherungsverträgen zurück und erklärte hilfsweise die Anfechtung der Verträge wegen arglistiger Täuschung, weil der Beklagte in den Versicherungsanträgen die bestehende anderweitige Unfallversicherung nicht angegeben habe. Gleichzeitig berief sie sich auf Leistungsfreiheit wegen einer vorsätzlichen Falschangabe zu den anderen Unfallversicherungen in der Schadensanzeige. Mit Schreiben vom 9.11.2004 (Bl. 57 d.A.) forderte sie den Beklagten zur Rückerstattung der erhaltenen Versicherungsleistungen auf. Der Beklagte lehnte jegliche Rückzahlung ab und wendet ein, er habe zu anderen Unfallversicherungen keine vorsätzlich falschen Angaben in den Versicherungsanträgen und in der Schadensanzeige gemacht. Er habe jeweils darauf vertraut, dass A und seine Tochter die Antworten korrekt ankreuzten. Er habe die Falschangabe schlicht und einfach übersehen. Er forderte die Klägerin mit Schreiben vom 24.1.2005 (Bl. 83 d.A.) gestützt auf das Gutachten der D auf, eine weitere Invaliditätsentschädigung von 80.803,70 € bis spätestens 18.2.2005 zu zahlen. Diese Forderung ist Gegenstand der Widerklage.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 1.2.2006 (Bl. 140 ff d.A.) den Beklagten zur Zahlung von 122.008,74 € nebst Zinsen verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Klageforderung von 122.008,74 € sei aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB begründet, weil die Klägerin nach § 6 Abs. 3 VVG, 10 Satz 2 AUB von der Pflicht zur Leistung frei geworden sei. Der Beklagte habe durch die falsche Angabe zu anderen Unfallversicherungen in der Schadensanzeige vom 5.8.2002 seine Obliegenheit nach Eintritt des Versicherungsfalles verletzt. Durch das Verschweigen der Unfallversicherung bei der D habe er die Interessen der Klägerin ernstlich gefährdet, so dass diese von der Leistung frei geworden sei. Auch bei einem unstreitigen Unfallgeschehen sei die Leistungsfreiheit zu bejahen, weil es nur darauf ankomme, ob die Obliegenheitsverletzung generell geeignet sei, die Entscheidung des Versicherers zu beeinflussen ohne Rücksicht darauf, ob konkrete Nachteile eingetreten seien. Der Beklagte sei in der Schadensanzeige auch ausreichend über die Folgen unwahrer Angaben belehrt worden, so dass auch unter Berücksichtigung der Relevanzrechtsprechung des BGH die Klägerin im vorliegenden Fall leistungsfrei geworden sei. Der Beklagte habe deshalb die rechtsgrundlos empfangenen Versicherungsleistungen zurückzugewähren und die Widerklage sei unbegründet.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten.

Der Beklagte meint, das Landgericht sei zu Unrecht von einer vorsätzlichen falschen Angabe zu den anderen Unfallversicherungen in der Schadensanzeige ausgegangen. Er habe die falsche Ankreuzung schlicht und einfach übersehen. Darüber hinaus habe er zum Zeitpunkt der Schadensanzeige nur an die Krankentagegeldversicherung gedacht und nicht gewusst, dass aus der Unfallverletzung ein Dauerschaden entstehen würde. Eine Krankentagegeldversicherung habe aber nur bei der Klägerin und nicht bei der D bestanden. Auch in den Versicherungsanträgen habe er die Unfallversicherung bei der D nicht vorsätzlich verschwiegen, weil er darauf vertraut habe, dass der A vollständige und richtige Angaben mache. Dieser habe schließlich die Unfallversicherungen bei der D gekannt. Der Umstand, dass er in dem zweiten Versicherungsantrag die B angegeben habe, zeige, dass er die anderen Versicherungen nicht habe vorsätzlich verschweigen wollen. Im übrigen sei es der Klägerin auf diesen Umstand auch wohl nicht entscheidend angekommen, da sie bei der B Versicherung keine Nachfrage gehalten habe. Eine Leistungsfreiheit der Klägerin wegen vorsätzlicher Falschangabe in der Unfallanzeige komme auch deshalb nicht in Betracht, weil er über die Folgen einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung nicht ausreichend belehrt worden sei. Die in der Schadensanzeige enthaltene Belehrung sei jedenfalls nach der optischen Gestaltung und nach ihrem Inhalt ungenügend. Da die Klägerin von der Pflicht zur Leistung aus den Versicherungsverträgen nicht frei geworden sei, sei die Widerklage begründet.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern, die Klage abzuweisen und auf die Widerklage die Klägerin zu verurteilen, an ihn 80.803,70 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 19.2.2005 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig, sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

A.

Die zuerkannte Klageforderung von 122.008,74 € (Bl. 141 d.A.) ist aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB begründet, weil die Klägerin diese Versicherungsleistung ohne Rechtsgrund erbracht hat.

1. Die Klägerin war nicht verpflichtet, aus den beiden Unfallversicherungsverträgen an den Kläger eine Invaliditätsentschädigung in Höhe der Klageforderung zu leisten, weil sie gemäß § 6 Abs. 3 VVG in Verbindung mit § 10 Satz 2 AUB von der Pflicht zur Leistung frei geworden ist. Der Beklagte hat eine Obliegenheit nach Eintritt des Versicherungsfalles verletzt, indem er in Ziffer 12 der Schadensanzeige vom 5.8.2002 die gestellte Frage, "bestehen oder bestanden noch bei anderen Gesellschaften Unfallversicherungen, Unfallzusatzversicherungen", (Bl. 103 d.A.) mit "nein" beantwortet hat. Diese Antwort war objektiv falsch, weil zum Zeitpunkt der Schadensanzeige eine weitere Unfallversicherung bei der D Versicherungs AG bestanden hat. Außerdem hatte eine weitere Unfallversicherung bei der B Versicherungsgesellschaft bestanden, die der Beklagte gekündigt hatte. Auch diese hätte der Beklagte in der Schadensanzeige angeben müssen, weil nicht nur nach bestehenden, sondern auch nach bestandenen, also bereits beendeten Unfallversicherungen gefragt worden war. Der Beklagte war zu wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben in der Schadensanzeige verpflichtet (§ 9 Abs. 2 AUB 94). Das Verschweigen der Unfallversicherung bei der D und der früheren Unfallversicherung bei der B Versicherungs AG stellt deshalb eine Obliegenheitsverletzung nach Eintritt des Versicherungsfalles dar.

2. Es ist von einer vorsätzlichen Falschangabe des Beklagten bezüglich der anderen Unfallversicherungen auszugehen. Nach der Rechtsprechung, der der Senat folgt, wird bei objektiv unrichtigen Angaben auf eine eindeutige und unmissverständliche Frage des Versicherers entsprechend dem Wortlaut des § 6 Abs. 3 VVG ein vorsätzliches Verschulden vermutet. Es ist deshalb Sache des Versicherungsnehmers, diese Vermutung zu widerlegen (vgl. OLG Frankfurt RuS 2002, 37). Der Beklagte trägt keinen Sachverhalt vor, durch den diese Verschuldensvermutung ausgeräumt wird. Unerheblich ist, ob die Schadensanzeige vom 5.8.2002 von seiner Tochter ausgefüllt worden ist. Selbst wenn man dies zugunsten des Beklagten unterstellt, ist anzunehmen, dass diese die Antworten nach seinen Weisungen angekreuzt hat. Aber selbst wenn dies ohne Rücksprache mit ihm erfolgt sein sollte, entlastet dies den Beklagten nicht, denn der Beklagte hätte spätestens vor der Unterzeichnung die Schadensanzeige darauf überprüfen müssen, ob alle Antworten zutreffend und vollständig gegeben waren. Mit der Unterzeichnung der Schadensanzeige hat er die Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben übernommen. Sollte er hingegen die einzelnen Fragen und Antworten nicht genau auf ihre Richtigkeit überprüft, sondern blind darauf vertraut haben, dass seine Tochter die Antworten richtig angekreuzt habe, so hätte er zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt. In diesem Fall hätte er es nämlich in Kauf genommen, dass auch einzelne Angaben unrichtig sein konnten, denn selbst gut informierten Personen können Fehler unterlaufen. Es kann nicht festgestellt werden, dass das Vertrauen des Beklagten darauf, dass seine Tochter die Antworten richtig ankreuzen werde, gerechtfertigt war, weil nicht einmal ersichtlich ist, ob seine Tochter über seine Versicherungsangelegenheiten gut informiert war. Aber auch dies hätte ihn nicht von der Pflicht entbunden, die Antworten in der Schadensanzeige auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, da Fehler stets passieren können.

Dass der Beklagte beim Ausfüllen der Schadensanzeige angeblich nur davon ausging, er nehme nur eine Krankentagegeldversicherung in Anspruch, weil ein Dauerschaden aus der Unfallverletzung noch nicht absehbar gewesen sei, ist auch unerheblich. Die Frage in Ziffer 12 der Schadensanzeige differenziert nicht nach Unfallversicherungen mit und ohne Krankentagegeldversicherungen, sondern fragt schlechthin nach Unfallversicherungen. Es ist deshalb auch unbeachtlich, dass in der Unfallversicherung bei der D keine Krankentagegeldversicherung eingeschlossen war. Wenn aber der Beklagte tatsächlich derartige Überlegungen angestellt haben sollte, und meinte, die Unfallversicherung bei der D nicht angeben zu müssen, da dort keine Krankentagegeldversicherung existierte, dann zeigt genau dieser Umstand, dass er die Unfallversicherung bei der D vorsätzlich verschwiegen hat. Ein Sachverhalt, der eine vorsätzliche Falschangabe des Beklagten ausschließt liegt deshalb nicht vor.

3. Nach § 6 Abs. 3 VVG führt eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung zur Leistungsfreiheit des Versicherers, wenn die Obliegenheitsverletzung geeignet ist, die Feststellung des Versicherungsfalls oder den Umfang der Entschädigung zu beeinflussen. Diese Voraussetzung ist erfüllt.

a) In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass durch das Verschweigen anderer Unfallversicherungen die Interessen des Versicherers in erheblicher Weise gefährdet werden. Es handelt sich um eine sachdienliche Frage, auch wenn das Bestehen einer anderweitigen Versicherung an der grundsätzlichen Leistungspflicht des Versicherers nichts ändert (OLG Saarbrücken Urteil vom 22.11.2006 - 5 U 269/06 - zit.n.juris). Das Bestehen weiterer Unfallversicherungen kann für den Versicherer Anlass für weitere Überlegungen hinsichtlich der Versicherungsleistung und der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers sein. Durch die Beiziehung von Unterlagen anderer Unfallversicherer lässt sich der Schadenshergang gegebenenfalls weiter aufklären. Es können Ungereimtheiten in der Darstellung des Versicherungsnehmers aufgedeckt und durch Verwertung anderer Schadensgutachten weitere Kosten vermieden werden. Die Häufung von Unfallversicherungen mit hohen Versicherungssummen kann zudem ein Indiz dafür sein, dass der Versicherungsnehmer seine Unfallverletzung bewusst herbeigeführt hat, um in den Genuss der Versicherungsleistung zu gelangen. Insoweit kann der Versicherer durch Beiziehung der Unterlagen anderer Versicherer oder durch Einsicht in diese Unterlagen Erkenntnisse gewinnen, die ihn in die Lage versetzen, die Unfreiwilligkeitsvermutung des § 180 a VVG zu widerlegen (vgl. OLG München in RuS 2000, 392; OLG Frankfurt RuS 2002, 37; BGH VersR 1982, 182). Streit besteht in der Rechtsprechung allein darüber, ob ein Versicherer sich beim Verschweigen anderer Unfallversicherungen auch dann auf die Leistungsfreiheit nach § 6 Abs. 3 VVG berufen kann, wenn der Unfall unstreitig ist und an der Eintrittspflicht des Versicherers kein Zweifel besteht. Während ein Teil der Rechtsprechung in diesem Fall Leistungsfreiheit des Versicherers verneint (vgl. OLG Saarbrücken VersR 1990, 1143; OLG Frankfurt VersR 1996, 701), führt nach anderer Auffassung in der Unfallversicherung das Verschweigen anderweitiger Unfallversicherungen auch dann zur Leistungsfreiheit, wenn das Unfallereignis völlig eindeutig und unstreitig ist (vgl. OLG Oldenburg VersR 1998, 1148; OLG Frankfurt RuS 2002, 37). Das Landgericht ist zu Recht der letztgenannten Auffassung gefolgt, denn nach der Rechtsprechung des BGH kommt es hinsichtlich der Relevanz der Obliegenheitsverletzung gerade nicht darauf an, ob eine tatsächliche Beeinträchtigung der Interessen des Versicherers vorliegt. Es genügt vielmehr, dass der Verstoß des Versicherungsnehmers generell geeignet war, die berechtigten Interessen des Versicherers in ernsthafter Weise zu gefährden (vgl. BGH VersR 1984, 228).

Gerade an die Folgenlosigkeit der Obliegenheitsverletzung knüpft die Relevanzrechtsprechung des BGH an und gewährt dennoch nur Leistungsfreiheit, wenn kein erhebliches Verschulden des Versicherungsnehmers vorliegt.

b) Letztlich kommt es aber auf die Streitfrage, ob bei einem eindeutigen und unstreitigen Unfallereignis sich der Versicherer nicht auf eine Leistungsfreiheit berufen kann, nicht entscheidend an. Die Relevanzrechtsprechung des BGH setzt nämlich in jedem Fall voraus, dass die Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers folgenlos geblieben ist (vgl. BGH NJW-RR 2004, 1395). Im Streitfall steht jedoch fest, dass die Obliegenheitsverletzung des Beklagten nicht folgenlos war. Die Klägerin hat nämlich die Entschädigung an den Beklagten ausgezahlt, ohne den Sachverhalt durch Einsicht in die Unterlagen bei der Dversicherung weiter aufklären zu können. Sie hat eigene Kosten für ärztliche Gutachten zur Feststellung des Invaliditätsgrades aufgewandt und konnte ihre Feststellungen nicht mit denen der Gutachter der D abgleichen. Schon aus diesen Gründen ist eine Folgenlosigkeit der Obliegenheitsverletzung zu verneinen (vgl. OLG Koblenz VersR 2005, 1524). Gerade der der Widerklage zugrundeliegende Streit darüber, ob die Klägerin beim Beklagten den Invaliditätsgrad zutreffend ermittelt hat, beruht darauf, dass die Klägerin infolge der Obliegenheitsverletzung des Beklagten ohne Kenntnis der von der D eingeholten Gutachten die Schadensregulierung vorgenommen hat. Der Beklagte kann also nicht geltend machen, das Entschädigungsverfahren bei der D sei für die Leistungspflicht, insbesondere den Leistungsumfang der Klägerin, ohne Bedeutung gewesen, wenn er sich selbst darauf beruft, dass die Feststellungen der Klägerin zum Grad der Invalidität wegen des von der D eingeholten Gutachtens falsch sei. Er selbst hat der Klägerin durch das Verschweigen der anderen Unfallversicherung bei der D eine weitere Sachverhaltsaufklärung unmöglich gemacht und damit nunmehr nachträglich weiteren Streit über die Höhe der Entschädigung entfacht. Dies zeigt deutlich, das andere Unfallversicherungen für die Entscheidung der Klägerin sehr wohl relevant waren, weshalb die Relevanzrechtsprechung des BGH hier nicht einschlägig ist. Es kann deshalb nicht angenommen werden, dass die Klägerin nach der Relevanzrechtsprechung des BGH sich nicht auf Leistungsfreiheit berufen darf, sondern sie ist vielmehr leistungsfrei geworden, weil die Obliegenheitsverletzung des Beklagten für sie nicht folgenlos geblieben ist.

4. Es bedarf keiner Entscheidung darüber, ob der Beklagte durch den Hinweis in der Schadensanzeige, dass "bei bewusst unwahrer und unvollständiger Beantwortung der gestellten Fragen der Versicherungsschutz gefährdet wird", der Beklagte über die Folgen der Obliegenheitsverletzung ausreichend aufgeklärt worden ist. Bei folgenlosen Obliegenheitsverletzungen kann sich nämlich der Versicherer auch nur dann auf die Leistungsfreiheit berufen, wenn er den Versicherungsnehmer über die Folgen der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung hinreichend belehrt hat (vgl. BGH NJW 1967, 1226; OLG Köln RuS 2002, 279; OLG Hamm NJW-RR 1997, 476; OLG Oldenburg NJW-RR 1998, 30). Ist aber - wie im vorliegenden Fall - die Obliegenheitsverletzung nicht folgenlos geblieben, so ist die Relevanzrechtsprechung des BGH nicht einschlägig und es kommt auf eine ordnungsgemäße Belehrung des Versicherungsnehmers über die Folgen einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung nicht mehr an (vgl. BGH NJW-RR 2004, 1395; OLG Koblenz VersR 2005, 1524). Die Klägerin kann sich vielmehr wegen der Folgen der Obliegenheitsverletzung auf ihre Leistungsfreiheit berufen. Da die Klägerin wegen der Obliegenheitsverletzung des Beklagten nach § 6 Abs. 3 VVG in Verbindung mit § 10 Satz 1 AUB 94 von der Pflicht zur Leistung aus den beiden Versicherungsverträgen freigeworden ist, hat sie die Versicherungsleistung in Höhe von insgesamt 122.008,74 € ohne Rechtsgrund erbracht und die Leistung ist gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB vom Beklagten zurückzugewähren.

B.

Der zuerkannte Zinsanspruch ist unter dem Gesichtspunkt des Zahlungsverzuges aus §§ 286, 288 BGB begründet, denn der Beklagte ist spätestens mit der Zustellung der Klage am 9.5.2005 (Bl. 61 d.A.) in Zahlungsverzug geraten.

C.

Die Widerklage in Höhe von 80.803,70 € (Bl. 163 d.A.) ist weder aus § 1 VVG in Verbindung mit den Bestimmungen der AUB noch aus einem sonstigen rechtlichen Gesichtspunkt begründet, weil den Beklagten aus den mit der Klägerin geschlossenen beiden Unfallversicherungen keine Entschädigungsleistung zusteht. Wie oben bereits ausgeführt worden ist, ist die Klägerin wegen der Obliegenheitsverletzung des Beklagten gemäß § 6 Abs. 3 VVG in Verbindung mit § 10 Satz 2 AUB frei geworden. Deshalb kann der Beklagte auch keine weitere Invaliditätsentschädigung fordern.

III.

Die Berufung des Beklagten ist daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Entscheidung des Senats nicht von der Rechtsprechung des BGH oder anderer Oberlandesgerichte abweicht und die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 26 Nr. 8 EGZPO, 544 ZPO).

Ende der Entscheidung

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