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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 22.02.2007
Aktenzeichen: 16 U 197/06
Rechtsgebiete: BetrAVG, TVG


Vorschriften:

BetrAVG § 3
TVG § 4
1. Zum Regelungsbereich des § 3 BetrAVG.

2. Zum Begriff des "Tatsachenvergleichs" über Versorgungsansprüche.


Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger, einem ehemaligen Vorstandsmitglied der Beklagten, zustehenden betrieblichen Altersversorgung.

Wegen des Sachverhalts wird zunächst gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 170 - 172 d. A.) Bezug genommen.

Er wird wie folgt ergänzt:

In der Vereinbarung vom 13. Dezember 1989 war hinsichtlich der Altersrente eine Staffelung vorgesehen, die am 1. Januar 1989 mit 20 % des anrechenbaren Gehalts beginnen und sich dann kontinuierlich auf 50 % des anrechenbaren Gehalts ab 1. Januar 1998 steigern sollte. Demgegenüber sah die Vereinbarung, die einen Tag später geschlossen wurde, lediglich 20 % des anrechenbaren Gehalts als Altersrente vor.

Ziff. 11 des zum 30. Juni 1998 wirksamen Aufhebungsvertrags (Bl. 15 - 17 d. A.) enthält die Klarstellung, dass zwischen den Parteien Einigkeit darüber bestünde, dass die Altersrente gem. Ziff. 1.1.2 des geltenden Pensionsvertrags vom 13. Dezember 1989 aktuell 50 % des indexierten Gehalts, Stand 1. Januar 1989, betrage. Die Beklagte hat diese Erklärung mit Schreiben vom 1. Juni 2005 und 1. Februar 2006 angefochten, zuletzt wegen angeblicher arglistiger Täuschung.

Nachdem am 29. Juni 2005 der Versorgungsfall eintrat, entstand zwischen den Parteien ein Streit über die Höhe der Altersrente.

Am 7./12. September 2005 schlossen die Parteien einen Vergleich, mit dem eine betriebliche Altersversorgung in Höhe von 35 % des anrechenbaren Gehalts vereinbart wurde. Diesbezüglich hat der Kläger die Auffassung vertreten, der Vergleich sei wegen Verstoßes gegen § 3 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) nach § 134 BGB nichtig. Als Folge davon stünde ihm eine Altersversorgung auf der Grundlage des Vertrags vom 13. Dezember 1989 zu. Die Versorgungszusage vom 14. Dezember 1989 sei nur zum Schein geschlossen worden, um den zu passivierenden Aufwand der Beklagten zu verringern.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Vereinbarung vom 7./12. September 2005 sei rechtsgültig. Ein Verstoß gegen das gesetzliche Verbot des § 3 BetrAVG läge nicht vor. Die Parteien hätten sich in dem Vergleich nicht in unzulässiger Weise über Rechtsfolgen, sondern über die tatsächlichen Voraussetzungen der Versorgungszusage des Klägers geeinigt. Streit habe zwischen den Parteien über die innere Tatsache bestanden, ob die Erklärung vom 14. Dezember 1989 nur zum Schein oder im Ernst mit Rechtsbindungswillen abgegeben worden sei. Diesen Streit hätten die Parteien beenden wollen, wie die Präambel zu dem Vergleich zeige. Damit handele es sich um einen Tatsachenvergleich, der nicht den gesetzlichen Beschränkungen des § 3 BetrAVG widerspreche.

Die Beklagte handele mit der Berufung auf die Vereinbarung vom 14. Dezember 1989 auch nicht treuwidrig.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 172 - 174 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihm am 6. September 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 6. Oktober 2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt, die in diesem Schriftsatz zugleich begründet worden ist.

Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, unter Erweiterung des Zahlungsantrags sein Klagebegehren weiter.

Er wiederholt seinen bereits in erster Instanz gehaltenen Vortrag und vertritt weiterhin die Auffassung, aufgrund der Vereinbarung vom 13. Dezember 1989 einen Anspruch auf Zahlung einer betrieblichen Altersversorgung in Höhe von 50 % des anrechenbaren Gehalts zu haben. Diese Zusage sei durch die Vereinbarung vom 14. Dezember 1989 nicht abgelöst worden. Mithin habe er im Rahmen der Vereinbarung vom 7./12. September 2005 ersatzlos auf Rechte aus einer betrieblichen Altersversorgungszusage verzichtet. Einen solchen Verzicht verbiete § 3 BetrAVG. Dabei verkürze das Landgericht den Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden Streits, der durch den Abschluss der Vereinbarung habe beigelegt werden sollen. Die Parteien hätten nicht lediglich um die Frage gestritten, ob es sich bei der Vereinbarung vom 14. Dezember 1989 um ein Scheingeschäft gehandelt habe; vielmehr sei es um die Frage der wirksamen Erteilung und wirksamen Ablösung einer Zusage von Leistungen und damit im Wesentlichen um rechtliche Fragen gegangen. Diese seien einer wirksamen Vereinbarung aber nicht zugänglich. Der Vergleich stünde in seiner Rechtsnatur einer Umgestaltung der Versorgungszusage gleich; auf solche Umgestaltungen, die dazu führten, dass die neu vereinbarten Versorgungsleistungen nicht wirtschaftlich gleichwertig seien, fände das Abfindungsverbot des § 3 BetrAVG Anwendung.

Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, die Beklagte habe treuwidrig gehandelt, indem sie sich erst im Jahr 2005 auf die angebliche Unwirksamkeit der Versorgungszusage vom 13. Dezember 1989 berufen habe, die sie über 16 Jahre hinweg als wirksame Zusage behandelt habe. Diese Treuwidrigkeit sei nicht dadurch "genehmigt", dass er, der Kläger, auf sie reagiert und die Vereinbarung vom 7./12. September 2005 geschlossen habe.

Der Kläger beantragt,

das am 1. September 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 2-25 O 501/05 aufzuheben und

1.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe des Inhalts der "Ergänzenden Vereinbarungen zum Anstellungsvertrag" zwischen den Parteien vom 13. Dezember 1989 zu leisten, wobei derzeit seit dem 1. Juli 2005 eine betriebliche Altersversorgung von 5.760,01 € brutto monatlich zu zahlen ist;

2.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 30.064,04 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.898,31 € seit dem 1. Juli 2005, Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.898,31 € seit dem 1. August 2005, Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.898,31 € seit dem 1. September 2005, Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.898,31 € seit dem 1. Oktober 2005, Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.898,31 € seit dem 1. November 2005, Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.898,31 € seit dem 1. Dezember 2005, Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.898,31 € seit dem 1. Januar 2006, Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.898,31 € seit dem 1. Februar 2006, Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.898,31 € seit dem 1. Februar 2006, Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.898,31 € seit dem 1. März 2006, Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.898,31 € seit dem 1. April 2006, Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.898,31 € seit dem 1. Mai 2006, Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.898,31 € seit dem 1. Juni 2006, Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.821,08 € seit dem 1. Juli 2006, Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.821,08 € seit dem 1. August 2006, Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.821,08 € seit dem 1. September 2006 sowie Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.821,08 € seit dem 1. Oktober 2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Ein Verstoß gegen § 3 BetrAVG läge nicht vor. Sinn und Zweck der Vorschrift sei es, zweifelsfrei bestehende Versorgungsrechte nicht durch Abfindungszahlungen konsumieren zu lassen. Hier läge aber gerade kein Verzicht auf einen unstreitigen Anspruch vor. Vielmehr läge ein zulässiger Tatsachenvergleich über die umstrittene Tatsache vor, welche der vorliegenden Vereinbarungen für die Höhe der betrieblichen Altersversorgung maßgeblich sein solle.

Auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze wird Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

1.

Das Landgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vereinbarung vom 7./12. September 2005 nicht gegen § 3 BetrAVG verstößt.

a)

§ 3 BetrAVG regelt seinem Wortlaut nach die Abfindung unverfallbarer Anwartschaften im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie laufender Leistungen. Danach kann der Arbeitgeber eine Anwartschaft ohne Zustimmung des Arbeitnehmers (nur) abfinden, wenn der Monatsbetrag der aus der Anwartschaft resultierenden Leistung eine bestimmte Größe nicht übersteigen würde; gleiches gilt für die Abfindung laufender Leistungen.

Bis zum 31. Dezember 2004 betraf § 3 BetrAVG nur die Abfindung unverfallbarer Anwartschaften im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses; mit dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Alterseinkünftegesetz ist nunmehr grundsätzlich auch die Abfindung laufender Leistungen in Form von Betriebsrenten untersagt, wobei die Neuregelung jene laufenden Leistungen erfasst, die - wie hier - erstmals im Jahr 2005 gezahlt werden (§ 30 g Abs. 2 BetrAVG).

Sinn und Zweck der Vorschrift ist es zu verhindern, dass durch Abfindungsvereinbarungen der Versorgungszeck der betrieblichen Altersversorgung und deren Ergänzungsfunktion zur gesetzlichen Sozialversicherung gefährdet werden (BAG, Urteil vom 18. Dezember 1984, 3 AZR 125/84 = DB 1985, 1949). Nach der Gesetzesbegründung zum Alterseinkünftegesetz (vgl. BT-Drs. 15/2150 S. 52) sollen angesichts der unbestritten zunehmenden Bedeutung von Betriebsrenten für die Alterssicherung der Beschäftigten Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung bis zum Rentenbeginn und laufende Betriebsrenten bis zum Lebensende erhalten bleiben. Eine vorzeitige Verwertung widerspreche dem Versorgungszweck.

Vor dem Hintergrund dieses Sinns und Zwecks der Regelung hat die Rechtsprechung die Anwendung der Vorschrift ausgedehnt.

So kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Versorgungsanwartschaft, die nach § 3 BetrAVG nicht abgefunden werden kann, nicht wirksam entschädigungslos erlassen werden (BAG, Urteil vom 22. September 1987, 3 AZR 194/86 = BAGE 56, 148; BAG, Urteil vom 14. August 1990. 3 AZR 301/89 = BAGE 65, 341), und zwar auch nicht teilweise (BAGE 65, 341; BAG, Urteil vom 20. November 2001, 3 AZR 28/01 = DB 2002, 2333).

Unzulässig sind auch Änderungsvereinbarungen zum Nachteil des Begünstigten; das Abfindungsverbot ist danach nur dann nicht anwendbar, wenn die Versorgung lediglich inhaltlich verändert wird und die neuen Versorgungsleistungen wirtschaftlich gleichwertig sind (BAG, DB 2002, 2333). Außerdem hält das Bundesarbeitsgericht einen Tatsachenvergleich über Versorgungsansprüche für zulässig, also einen Vergleich über die tatsächlichen Voraussetzungen von Ruhegeldansprüchen und Anwartschaften. Entschieden hat es dies in zwei Fällen, in denen streitig war, ob überhaupt Rechte aus einer Versorgungszusage bestehen (BAG, Urteil vom 23. August 1994, 3 AZR 825/93 = DB 1995, 562; BAG, Urteil vom 18. Dezember 1984, 3 AZR 125/84 = BAGE 47, 355).

b)

Vor diesem Hintergrund streiten die Parteien darüber, ob es sich bei der Vereinbarung vom 7./12. September 2005 um einen zulässigen Tatsachenvergleich handelt oder ob ein - unzulässiger - Rechtsverzicht vorliegt.

Den Begriff des "Tatsachenvergleichs" kennt das Gesetz nicht; vielmehr sind die Regelungsfolgen eines Vergleichs immer nur auf die Rechtsfolgen beschränkt (MünchKomm / Habersack, 4. A. § 799 Rn. 32). Allerdings kann der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis, der nach § 779 BGB per Vertrag im Wege des gegenseitigen Nachgebens beseitigt werden kann, auf tatsächlichem oder auf rechtlichem Gebiet liegen (Palandt/Sprau, 66. A., § 779 Rn. 3). Dementsprechend wird von einem "Tatsachenvergleich" gesprochen, wenn Streit über die tatsächlichen Grundlagen eines Anspruchs, also eine Ungewissheit im Tatsächlichen besteht (MünchKomm/Habersack, a.a.O., § 779 Rn. 12; MünchHandbuch Arbeitsrecht Band 1 2. Auflage § 12 Rn.12; Dörner/Luczak/Wildschütz/Pfeiffer, Handbuch Arbeitsrecht, H/Rz. 260/261; BAG Urteil vom 5. November 1997, AZR 682/95 = DB 1998, 579, jeweils zu § 4 Abs. 4 S. 1 TVG), beispielsweise hinsichtlich der Zahl der Überstunden.

In den vom Bundesarbeitsgericht zu § 3 BetrAVG entschiedenen Sachverhalten (s.o.) war in einem Fall streitig, ob der Kläger zum Kreis der nach der Pensionsordnung begünstigten Führungskräfte gehöre; im zweiten Fall bestanden Ungewissheiten über das Vorliegen von Tatsachen im Hinblick auf die streitig gebliebenen Umstände eines - ggfls. zum Versorgungsfall führenden - Unfalls des Klägers und des sich daraus ergebenden Verschuldens. Demnach wurde letztlich über Tatsachen gestritten, die für das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Versorgungsanspruchs maßgeblich waren.

Dennoch bleibt die Abgrenzung schwierig, wie der vorliegende Fall zeigt, in dem streitig ist, ob man sich über Tatsachen oder über die rechtliche Bewertung unstreitiger Tatsachen verglichen habe. Während der Kläger die Auffassung vertritt, es ginge nur um rechtliche Wertungen, meint die Beklagte, die Parteien hätten sich über die umstrittene Tatsache verständigt, welche der vorliegenden Vereinbarungen für die Höhe des Anspruchs auf Altersversorgung maßgeblich sein solle. Bei genauer Betrachtung ergibt sich eine Art "Mischung". Die Tatsachen sind zwar überwiegend unstreitig; gestritten werden kann aber hinsichtlich des Tatsächlichen über die "innere Tatsache", ob der Vertrag vom 14. Dezember 1989 nach § 117 BGB nur zum Schein geschlossen wurde (darauf hat das Landgericht seine Entscheidung gestützt) oder über die Behauptung, es sei üblich gewesen, dass Aufsichtsratsbeschlüsse auch im Verhältnis zu Vorstandsmitgliedern von einem Vorstandsmitglied und einem Prokuristen umgesetzt wurden. Im Übrigen geht es aber im Wesentlichen um Rechtsfragen und rechtliche Wertungen, wie der Kläger ausführlich auf S. 35 der Berufungsbegründung darlegt, insbesondere um Genehmigungswirkungen unstreitiger Tatsachen, Auswirkungen von Ziff. 11 der Aufhebungsvereinbarung, die Wirksamkeit der Anfechtung dieser Vereinbarung sowie die Wirksamkeit und der Effekt der Nachtragsvereinbarungen.

c)

Letztlich kann aber der Streit darüber, ob die Parteien mit der Vereinbarung vom 7./12. September 2005 einen Tatsachenvergleich geschlossen haben, offen bleiben, da der Senat dessen ungeachtet die Auffassung vertritt, dass die Parteien nicht gegen § 3 BetrAVG verstoßen haben.

aa)

Nach der Überzeugung des Senats kommt § 3 BetrAVG nur zur Anwendung, wenn unstreitige und zweifelsfrei vorhandene Rechte des Betroffenen tangiert sind, nicht jedoch bei einem Streit über die Höhe der Ansprüche. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es nämlich zu verhindern, dass dem Arbeitnehmer für die Altersversorgung gedachtes Kapital zur freien Verfügung und somit für den Konsum an die Hand gegeben wird; zweifelsfrei bestehende Versorgungsrechte sollen nicht durch Abfindungszahlungen konsumiert werden (Höfer, BetrAVG, 9.A., § 3 Rn. 3552 und 3566). Auch in den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, in denen es um die Unzulässigkeit eines (Teil-) Verzichts oder die Umgestaltung der Versorgung ging, war zum Zeitpunkt der jeweiligen Vereinbarungen die Höhe der Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung unstreitig. Die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur Zulässigkeit von Tatsachenvergleichen im Rahmen von § 3 BetrAVG stehen diesem Verständnis der Vorschrift nicht entgegen, da sie lediglich den Streit darüber betrafen, ob überhaupt nach § 3 BetrAVG geschützte Rechte anzunehmen waren.

Vorliegend geht es jedoch nicht um von § 3 BetrAVG geschützte unstreitige Rechte. Mit der Vereinbarung vom 7./12. September 2005 hat der Kläger nicht (teilweise) auf etwas verzichtet, was ihm unstreitig zugestanden hätte. Vielmehr bestand über die Höhe des Anspruchs Streit, so dass mit der Vereinbarung die Höhe des dem Kläger zustehenden Anspruchs festgelegt werden sollte. Eine solche Vereinbarung unterfällt aber nicht dem Anwendungsbereich des § 3 BetrAVG.

bb)

Selbst wenn man entgegen dieser Auffassung § 3 BetrAVG auch bei einem Streit über die Höhe eines Anspruchs auf Altersversorgung für einschlägig halten sollte, steht diese Vorschrift nach Überzeugung des Senats einem Vergleich der vorliegenden Art nicht entgegen.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner zu § 4 Abs. 4 S. 1 TVG ergangenen Entscheidung (s.o.) die Zulässigkeit eines Tatsachenvergleichs bei Streit über die Höhe eines Anspruchs damit begründet, das Bedürfnis nach gütlicher Einigung in solchen Fällen ginge dem Schutzbedürfnis des Arbeitsnehmers vor, auch um voraussehbaren Schwierigkeiten bei der Beweisführung durch den Arbeitnehmer zu begegnen. Es ist jedoch kein Grund dafür ersichtlich, wegen eventueller Schwierigkeiten hinsichtlich einer Beweisführung einen Vergleich "über Tatsachen" für zulässig zu erachten, es den Parteien dagegen zu verwehren, sich bei rechtlich unterschiedlichen Auffassungen über die sich aus unstreitigen Tatsachen ergebenden Rechtsfolgen oder bei einer "Mischung" aus Tatsachen- und Rechtsstreit gütlich zu einigen. Auch im letzteren Fall besteht ein anerkennenswertes Bedürfnis nach einer gütlichen Einigung, zumal es im Ergebnis keinen Unterschied macht, ob der Arbeitnehmer möglicherweise auf einen Anspruch verzichtet, indem er sich über streitige Tatsachen oder über unterschiedliche Rechtsauffassungen einigt. Dass bei letzteren stets der Weg der gerichtlichen Auseinandersetzung zu beschreiten wäre, kann § 3 BetrAVG unter Berücksichtigung seines Sinns und Zwecks nicht entnommen werden.

2.

Nicht gefolgt werden kann der Auffassung des Klägers, die Vereinbarung vom 7./12. September 2005 "genehmige" nicht das Verhalten der Beklagten, die durch ihre Berufung auf die angebliche Unwirksamkeit der Versorgungszusage vom 13. Dezember 1989 gegen Treu und Glauben verstoßen habe.

Es spricht zwar eine Vielzahl von Argumenten dafür, dass das Berufen der Beklagten auf die angebliche Unwirksamkeit der Versorgungszusage vom 13. Dezember 1989 als treuwidrig angesehen werden kann; dieser mögliche Verstoß gegen § 242 BGB berührt aber nicht die Wirksamkeit der Vereinbarung vom 7./12. September 2005. Auch wenn der Kläger die Vereinbarung nach eigenen Angaben geschlossen hat, um als Vater eines behinderten Kindes mit hohen laufenden finanziellen Verpflichtungen durch eine schnelle Lösung der Angelegenheit dem steigenden wirtschaftlichen Druck zu entgehen, lag keine Ausnahmesituation vor, in der es ihm nicht möglich gewesen wäre, sich über die Folgen seines Tuns im Klaren zu sein. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Kläger in den im Mai 2005 entstandenen Streit mit der Beklagten einen Rechtsanwalt, seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten, einschaltete, der bereits mit Schreiben vom 9. Juni 2005 die aus seiner Sicht bestehende, für den Kläger sprechende Rechtslage gegenüber der Beklagten darlegte. Die streitgegenständliche Vereinbarung wurde dann erst drei Monate später am 7./12. September 2005 geschlossen.

Der anwaltlich beratene Kläger hatte demnach ausreichend Zeit, das Für und Wider eines Vergleichs gegeneinander abzuwägen. Die Unterzeichnung der Vereinbarung erfolgte in Kenntnis der für seine und gegen die Position der Beklagten streitenden Argumente und damit in eigener Verantwortung.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1 ZPO, §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 1 ZPO zuzulassen, da der Rechtsstreit Fragen zu § 3 BetrAVG von grundsätzlicher Bedeutung behandelt und der Bundesgerichtshof zum Anwendungsumfang des § 3 BetrAVG noch keine Entscheidung getroffen hat.

Ende der Entscheidung

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