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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 05.06.2008
Aktenzeichen: 16 U 205/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 252
BGB § 793
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte den Ersatz von Verlust und entgangenem Gewinn geltend, der ihm bei der Ausübung von von der Beklagten herausgegebenen Aktien-Optionsscheinen dadurch entstanden ist, dass die Beklagte - unstreitig - eine Änderung des Bezugsobjekts nicht veröffentlicht hat.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 147 - 148 d. A.) verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage insoweit stattgegeben, als der Kläger durch den Erwerb der Optionsscheine einen Verlust erlitten hat. Demgegenüber hat es die Klage abgewiesen, soweit der Kläger Ersatz des entgangenen Gewinns begehrt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, zu einem unmittelbaren, durch die Optionsscheine verbrieften vertraglichen Anspruch trage der Kläger nichts vor. Vielmehr mache er allein Schadensersatzansprüche wegen unterbliebener Mitteilung über die Änderung des Bezugsobjekts geltend. Dem Kläger stünde ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung des geänderten Bezugsobjekts zu, wobei die Anspruchsgrundlage dahinstehen könne. Ein entgangener Gewinn könne aber nicht festgestellt werden. Hätte die Beklagte das geänderte Bezugsobjekt pflichtgemäß veröffentlicht, hätte der Kläger den von ihm beanspruchten Betrag auch nicht erlangt. Soweit er vorträgt, dass er bei Mitteilung des geänderten Bezugsobjekts die Ausübung der Option unterlassen hätte, sei nicht ersichtlich, dass er bei einer späteren Ausübung der Option innerhalb der verbliebenen Laufzeit einen höheren Ausgleichsbetrag erlangt hätte.

Auf die Entscheidungsgründe (Bl. 148 - 150 d. A.) wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 8. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 7. November 2007 bei Gericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er mit einem am 6. Dezember 2007 eingegangenen Schriftsatz begründet hat. Mit seiner Berufung begehrt der Kläger die vollständige Stattgabe seiner Klage. Er führt aus, die Berechnung des Schadens durch das Landgericht sei fehlerhaft, da der zu ersetzende Schaden nach § 252 BGB auch den entgangenen Gewinn umfasse. Als entgangen gälte der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Er, der Kläger, habe die Optionen im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben der Beklagten ausgeübt. Wären die Veröffentlichungen im Hinblick auf das Bezugsobjekt zutreffend gewesen, hätte er einen bestimmten Betrag erlöst und damit Gewinn erzielt.

Im Übrigen habe die Beklagte ein unrichtiges Bezugsobjekt veröffentlicht. Dies sei mit der Fallgestaltung eines verdeckten Kalkulationsirrtums vergleichbar. Die Angaben der Beklagten seien unrichtig gewesen. Für ihn, den Kläger, sei die Änderung des Bezugsobjekts nicht erkennbar gewesen. Aus diesem Grund müsse sich die Beklagte an den veröffentlichten Angaben festhalten lassen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. September 2007, Az. 2-19 O 314/06, dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an ihn über den Betrag von 1.743,63 € hinaus weitere 17.389,37 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30. September 2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der Kläger begehre einen fiktiven Gewinn unter fiktiven Parametern. Das sei von § 252 BGB nicht gedeckt. Soweit er mit einem "Erfüllungsanspruch wegen verdeckten Kalkulationsirrtums" argumentiere, wolle er einen durch die Optionsscheine verbrieften vertraglichen Anspruch geltend machen, was verspätet sein dürfte. Der Vergleich mit einem Kalkulationsirrtum sei verfehlt. Zudem habe das Ausbleiben der Unterrichtung der Änderung nach den Allgemeinen Emissionsbedingungen der Beklagten die Wirksamkeit der Änderung nicht berührt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

1. Allerdings hat der Kläger keinen Zahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des entgangenen Gewinns. Das Landgericht hat nämlich zu Recht angenommen, dass ein entgangener Gewinn nicht festgestellt werden kann.

Soweit nach § 252 BGB der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn umfasst, fallen lediglich solche Vermögensvorteile darunter, die im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses noch nicht zum Vermögen des Verletzten gehörten, die ihm aber ohne dieses Ereignis zugeflossen wären (vgl. Palandt / Heinrichs, 67. A., § 252 BGB Rn. 1).

Hätte die Beklagte den Kläger rechtzeitig über das geänderte Bezugsobjekt informiert, hätte der Kläger - wie das Landgericht zutreffend darlegt - ebenfalls nicht den begehrten Barausgleichsbetrag auf der Basis des Bezugsobjekts von einer Aktie erhalten; vielmehr wäre ihm ohne Pflichtverletzung der Beklagten auch nur der ihm tatsächlich zugeflossene Betrag ausgezahlt worden. Soweit der Kläger in erster Instanz vorgetragen hat, bei Mitteilung des geänderten Bezugsobjekts hätte er die Ausübung der Option unterlassen, ist nicht ersichtlich, wie er in diesem Fall den erhöhten Ausgleichsbetrag erlangt hätte.

2. Der Kläger hat aber gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 793 BGB.

a) Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass der Kläger seinen Anspruch in der ersten Instanz auf Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung gestützt hat. Er hat jedoch nunmehr durch seine Argumentation des "Erfüllungsanspruchs wegen verdeckten Kalkulationsirrtums" zu erkennen gegeben, den Anspruch auch auf ein Erfüllungsinteresse zu stützen. Da insoweit auf den in erster Instanz im Übrigen gehaltenen Vortrag zurückgegriffen werden kann, liegt auch kein Fall der Verspätung nach § 531 Abs. 2 ZPO vor.

b) Der Kläger hat am 12. Januar 2006 und am 19. Januar 2006 von der Beklagten Optionsscheine mit der WKN ... erworben.

Optionsscheine sind wertpapiermäßig verbriefte und handelbare Optionen. Zivilrechtlich handelt es sich um Inhaberschuldverschreibungen gemäß § 793 BGB, die das Recht verbriefen, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines festgelegten Zeitraums für einen fest vereinbarten Preis die Lieferung bestimmter Werte oder die Zahlung eines Geldbetrags von dem Emittenten des Optionsscheines zu verlangen (Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Band II - Bank- und Börsenrecht, VIII 8686). Zu welcher Leistung sich der Emittent verpflichtet, ergibt sich grundsätzlich aus dem Inhalt der Schuldurkunde. Vorliegend lässt sich dem Nachtrag Nr. 835 von 24. Oktober 2004 zum unvollständigen Verkaufsprospekt vom 15. Dezember 2003 unter Abschnitt I "Angaben zu dem Produkt - Produktbedingungen" entnehmen (vgl. Bl. 66 d. A.), dass die Wertpapiere in einer Globalurkunde verbrieft sind und dass die Produktbedingungen und die Allgemeinen Emissionsbedingungen der Globalurkunde beigefügt sind.

Dabei ist davon auszugehen, dass diese Produktbedingungen auch Vertragsinhalt geworden sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auf die Einbeziehung von Anleihebedingungen von Inhaberschuldverschreibungen die Vorschrift des § 305 Abs. 2 BGB nicht anwendbar; vielmehr genügt eine zumindest konkludente Einbeziehungsvereinbarung zwischen den Parteien (BGH, NJW 2005, 2917). Der Kläger hat hier unwidersprochen vorgetragen, die Optionsscheine auf der Basis der Produktbedingungen erworben zu haben, wovon auch die Beklagte ausgeht; von daher ist anzunehmen, dass sich die Parteien zumindest konkludent auf die Einbeziehung der - im Übrigen auch einen notwendigen Bestandteil des Vertrags bildenden - Produktbedingungen und Allgemeinen Emissionsbedingungen geeinigt zu haben.

Die Produktbedingungen treffen zu dem Bezugsobjekt bzw. zu der Anzahl Aktien des Bezugsobjekts, die auf eine Option entfällt, keine eindeutige Angabe. Es wird lediglich unter "Bezeichnung des Bezugsobjekts" "Stammaktien des ...." angeführt (vgl. Bl. 50 und 69 d. A.). Dies ist aber mangels anderer Angabe dahingehend zu verstehen, dass die Aktienanzahl des Bezugsobjekts pro Optionsschein eine Aktie beträgt. So war es auch ursprünglich von der Beklagten vorgesehen, bevor es zu der - unstreitig nicht veröffentlichten - Änderung des Bezugsobjekts in 0,7794 Aktien kam. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sich die Beklagte gegenüber dem Kläger verpflichtet hat, bei Ausübung der Option den Barausgleichsbetrag auf der Basis des Bezugsobjekts 1 Aktie - und nicht 0,7794 Aktien - zu leisten. Dann hat aber der Kläger auch einen Anspruch auf Zahlung des weiteren geltend gemachten Betrags, dessen Berechnung zwischen den Parteien nicht streitig ist.

c) Soweit die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung die Auffassung vertritt, das Ausbleiben der Unterrichtung habe gemäß Ziff. 5.4 der Allgemeinen Emissionsbedingungen die Wirksamkeit der Änderung nicht berührt, kann offen bleiben, ob überhaupt eine nach Ziff. 5.4 zulässige Änderung vorliegt.

Die entsprechende Bestimmung ist nämlich nicht einschlägig. Vorliegend geht es nicht darum, dass die Beklagte zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kläger bereits Inhaber der Optionsscheine gewesen wäre, nachträglich die (Options-)Bedingungen geändert hätte; vielmehr erfolgte die Änderung zeitlich vor dem Erwerb der Optionsscheine durch den Kläger, so dass sich allein die Frage stellt, mit welchem Inhalt der Kläger die Optionsscheine erworben hat. Insoweit durfte er aber auf die Veröffentlichungen der Beklagten und damit darauf vertrauen, dass das Bezugsobjekt 1 Aktie beträgt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.

Ende der Entscheidung

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