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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 19.01.2009
Aktenzeichen: 19 W 66/08
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 406 |
Gründe:
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet.
Ein Sachverständiger kann nach § 406 ZPO abgelehnt werden, wenn hinreichende objektive Gründe vorliegen, die in den Augen einer vernünftigen Partei geeignet sind, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu wecken. Maßgeblich ist, ob für die das Ablehnungsgesuch anbringende Partei objektive Gründe für den Anschein nicht vollständiger Unvoreingenommenheit bestehen (BGH, Beschl. v. 04.10.2007, X ZR 156/05, JURIS). Derartige Gründe liegen hier deshalb vor, weil der Sachverständige den Ortstermin am 09.04.2008 durchgeführt hat, ohne den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller und der Antragsgegner durch Benachrichtigung vom Termin Gelegenheit zur Teilnahme gegeben zu haben, und allein der Antragsgegnerin zu 2), die Kenntnis von dem Ortstermin hatte, unter Ausschluss der übrigen Beteiligten die Teilnahme am Ortstermin gemeinsam mit einem von ihr beauftragten Architekten gestattete.
Die Durchführung des Ortstermins ohne vorherige Benachrichtigung der Verfahrensbevollmächtigten der Parteien von diesem Termin war verfahrensfehlerhaft. Denn allen Antragstellern und Antragsgegnern stand ein Anwesenheitsrecht zu. Nach der Beweisfrage Nr. 1 des Beweisbeschlusses vom 05.10.2007 hatte der Sachverständige die tatsächliche Feststellung zu treffen, ob die Decke im Untergeschoss des Wohn- und Geschäftsgebäudes ... in O1 teilweise ca. 15 cm abgesackt ist. In einem derartigen Fall besteht gemäß §§ 492 Abs. 1, 357 Abs. 1 ZPO grundsätzlich ein Anwesenheitsrecht der Parteien (Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 357 Rn. 1 m.w.N.; Bundesverwaltungsgericht NJW 2006, 2058 m.w.N.; abweichend OLG Dresden NJW-RR 1997, 1354). Sofern die Verletzung des Grundsatzes der Parteiöffentlichkeit nicht durch rügelose Verhandlung geheilt wird, führt der genannte Verfahrensmangel zur Unverwertbarkeit der Beweisaufnahme und gebietet deren Wiederholung (Zöller/Greger a.a.O. Rn. 2; Bundesverwaltungsgericht a.a.O. jeweils mit weiteren Nachweisen).
Allerdings rechtfertigt ein Verfahrensfehler eines Sachverständigen - wie auch bei der Richterablehnung - nicht ohne weiteres die Besorgnis der Befangenheit. Erforderlich ist vielmehr, dass sich etwa durch die Art oder Häufung von Verfahrensfehlern zum Nachteil einer Partei bei einer vernünftigen und besonnenen Partei der Eindruck unsachlicher Einstellung oder willkürlichen Verhaltens des abgelehnten Richters ergibt (Senatsbeschluss vom 16.05.2008, 19 W 26/08; Münchner Kommentar/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl., § 42; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 42 Rn. 24, jeweils m.w.N.). Ein derartiger Verfahrensfehler kann nicht schon darin gesehen werden, dass der Sachverständige es unterließ, die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller und der Antragsgegner vom Ortstermin am 09.04.2008 zu benachrichtigen. Denn diese - fehlerhafte - Verfahrensweise beeinträchtigte für sich betrachtet das Anwesenheitsrecht aller Verfahrensbeteiligter in gleicher Weise; sie stellt sich nicht als einseitige Rechtsverkürzung gerade zum Nachteil der Antragsgegnerin zu 1) dar. Dieser Verfahrensfehler ist hier jedoch in Verbindung mit dem weiteren Verhalten des Sachverständigen, der bei dem Ortstermin die Anwesenheit der Antragsgegnerin zu 2) mit einem von ihr beauftragten Architekten zuließ, zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit geeignet. Die Antragsgegnerin zu 2) hatte offenbar Kenntnis von dem Ortstermin, weil sie dem Sachverständigen Zutritt in ihr Haus verschaffen musste. Die Antragsgegnerin öffnete jedoch nicht lediglich die Tür für den Sachverständigen; vielmehr nahm sie mit dem von ihr beauftragten Architekten an dem Ortstermin teil. Das ergibt sich aus den Angaben des schriftlichen Gutachtens vom 11.04.2008 über die beim Ortstermin am 09.04.2008 anwesend gewesenen Personen.
Durch den aufgezeigten Verfahrensfehler in Verbindung mit der Gestattung der Anwesenheit der Antragsgegnerin zu 2) bei dem Ortstermin durch den Sachverständigen erweckte dieser den Eindruck einer willkürlichen Benachteiligung der übrigen Verfahrensbeteiligten. Das Anwesenheitsrecht beim Ortstermin soll den Beteiligten die Möglichkeit eröffnen, dem Sachverständigen Fragen zu stellen und Hinweise zu geben und so dazu beizutragen, dass dem Gutachten eine zutreffende Tatsachenermittlung zugrunde liegt. Zugleich können sie sich einen persönlichen Eindruck von der Örtlichkeit verschaffen, um so eine ausreichende Grundlage für ihren Sachvortrag und die rechtliche Bewertung zu erhalten. Schließlich ist die Anwesenheit aller Beteiligten geeignet, einseitige Beeinflussungen des Sachverständigen auszuschließen (Bundesverwaltungsgericht NJW 2006, 2058 unter Hinweis auf Höffmann, Die Grenzen der Parteiöffentlichkeit, insbesondere beim Sachverständigenbeweis, 1989, S. 71). Von der Wahrnehmung dieser Rechte hat der Sachverständige die Antragsgegnerin zu 1) und die übrigen Beteiligten willkürlich ausgeschlossen.
Dieser Eindruck wird nicht dadurch ausgeräumt, dass der Sachverständige erklärt hat, er habe die Teilnahme der Antragsgegnerin zu 1) am Ortstermin deshalb für entbehrlich gehalten, weil es um die Klärung von Fragen zur Statik gegangen sei. Dies deutet zwar auf ein grundlegendes Missverständnis der Bedeutung des Anwesenheitsrechts der Parteien hin, entkräftet aber nicht den äußeren Anschein mangelnder Unparteilichkeit. Danach rechtfertigt das Gesamtverhalten des Sachverständigen die Besorgnis seiner Befangenheit (vgl. BGH NJW 1975, 1.363; OLG Saarbrücken, MDR 2007, 1279; OLG Frankfurt FamRZ 1986, 1021).
Da die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2) erfolgreich ist, besteht kein Raum für eine Kostenentscheidung. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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