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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 21.02.2007
Aktenzeichen: 2 Ws 10/07
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 464 Abs. 3 | |
StPO § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 | |
StPO § 473 Abs. 4 |
Gründe:
Das Amtsgericht Marburg verurteilte die Beschwerdeführerin am 29. Mai 2006 wegen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach den Urteilsgründen beruhte der dazu festgestellte Sachverhalt auf dem umfassenden Geständnis der Verurteilten in der Hauptverhandlung. Gegen dieses Urteil legte die Verurteilte unbeschränkt Berufung ein. Diese verwarf das Landgericht mit der Maßgabe, dass die Angeklagte wegen Unterschlagung zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen verurteilt wurde. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich die ihr entstandenen notwendigen Auslagen hat das Landgericht der Verurteilten auferlegt, jedoch die Berufungsgebühr um 50% ermäßigt. Dagegen wendet sie sich mit der sofortigen Beschwerde nach § 464 Abs. 3 StPO, die zulässig ist, aber erfolglos bleibt.
Der Kostenausspruch ist nicht zu beanstanden. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil sie wegen der angeklagten Tat verurteilt worden ist (§ 465 Abs. 1 StPO). Mit ihrer Berufung erzielte sie lediglich einen Teilerfolg. Dementsprechend wandte das Landgericht bei der Kostentscheidung § 473 Abs. 4 StPO an (vgl. auch BGH NStZ 2000, 499). Dies ergibt sich ohne weiteres aus der Begründung, zu der das Landgericht Billigkeitserwägungen im Sinne der genannten Vorschrift heranzieht. Soweit hiervon abweichend § 471 StPO angegeben ist, handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen.
Das Landgericht hat es mit zutreffenden - und naheliegenden - Erwägungen nicht als unbillig angesehen, die Verurteilte mit ihren notwendigen Auslagen, den gerichtlichen Auslagen und 50% der Berufungsgebühr zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Dem liegt zugrunde, dass die Beschwerdeführerin das Tatgeschehen im Berufungsverfahren anders, als noch in erster Instanz schilderte. Allein dies bedingte eine andere Sachverhaltsfeststellung, eine abweichende rechtliche Würdigung und infolgedessen eine deutliche Reduzierung der Strafe durch das Berufungsgericht.
Damit hat das Landgericht den Rechtsgedanken der Vorschrift des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StPO herangezogen. Dies begegnet keinen Bedenken.
Umstritten ist allerdings die entsprechende Anwendung von § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StPO auf den Fall, dass ein Angeklagter sich in erster Instanz selbst belastet und dann aufgrund einer abweichenden Einlassung im Rechtsmittelverfahren freigesprochen wird (vgl. dazu OLG Koblenz JurBüro 1979, 1538; MDR 1980, 162; MDR 1982, 252; OLG Düsseldorf MDR 1996, 319; NStZ 1992, 557; OLG Schleswig SchlHA 1990, 128; OLG München NStZ 1984, 185; OLG Stuttgart Die Justiz 1987, 116). Ausgangspunkt des Streits ist dabei der Grundsatz, dass im Falle des Freispruchs eines Angeklagten die Kosten des Verfahrens und dessen notwendige Auslagen der Staatskasse zur Last fallen (§ 467 Abs. 1 StPO), eine gesetzliche Kostenregelung aber für den Fall fehlt, dass der Freispruch erst mit dem in vollem Umfang erfolgreichen Rechtsmittel erreicht wird. Für diese Konstellation stellt sich in der Tat die Frage, ob die analoge Anwendung der Ausnahmevorschrift § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StPO zulässig ist oder ihr im Hinblick auf § 467 Abs. 1 StPO das Fehlen einer Regelungslücke entgegensteht.
Da eine solche Fallgestaltung hier aber nicht vorliegt, braucht der Senat die Streitfrage nicht zu erörtern. Die Beschwerdeführerin ist weder freigesprochen worden, noch hatte ihre Berufung in vollem Umfang Erfolg. Das Landgericht hatte vielmehr gemäß § 473 Abs. 4 StPO eine Kostenentscheidung nach Billigkeitsgesichtspunkten zu treffen. Dazu konnte sie den der Vorschrift des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StPO zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsgedanken (vgl. auch § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG) heranziehen (offen gelassen von KG JR 1971, 299), ohne dass sich die Frage nach der analogen Anwendbarkeit dieser Ausnahmevorschrift stellte.
Es ist nicht unbillig, die Verurteilte mit ihren im Berufungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, den insoweit entstandenen gerichtlichen Auslagen sowie 50% der Gerichtsgebühren zu belasten. Zu Recht hat das Landgericht darauf abgestellt, dass die Angeklagte in den Hauptverhandlungen beider Instanzen wesentlich voneinander abweichende Angaben machte, die jeweils Grundlage sowohl des ersten Urteils als auch der späteren Änderung des Schuld- und Strafausspruchs im Berufungsverfahren waren. Ihr Prozessverhalten entsprach demjenigen, für das § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StPO selbst im Falle eines Freispruchs dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, von der Belastung der Staatskasse mit den notwendigen Auslagen eines Angeschuldigten abzusehen. Angesichts der hier gegebenen besonderen Sachlage kommt es auch nicht entscheidend darauf an, dass im Rahmen der nach § 473 Abs. 4 StPO zu treffenden Billigkeitsentscheidung in der Regel auf den Grad des erzielten Teilerfolgs sowie darauf abzustellen ist, ob der Angeklagte die angefochtene Entscheidung hingenommen hätte, wenn sie entsprechend der neuen Verurteilung gelautet hätte (vgl. BGHR StPO § 473 Abs. 4 Quotelung 5). Denn eine solche günstigere Verurteilung hätte die Beschwerdeführerin auch dadurch erreichen können, dass sie sich bereits in erster Instanz so eingelassen hätte, wie erst vor der Berufungskammer geschehen. Dann aber wären die Kosten und Auslagen des Berufungsverfahrens, mit denen sie nun belastet wird, nicht entstanden.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin durfte das Landgericht bei der Kostenentscheidung die wechselnde Einlassung, die zum Teilerfolg der Berufung geführt hat, zu ihrem Nachteil berücksichtigen. Dies ist nur dann unzulässig, wenn ein Angeklagter in erster Instanz die Einlassung zur Sache verweigert und erst in der Berufungsinstanz die zum Teilerfolg führenden entlastenden Umstände vorträgt (vgl. Franke in KK, 5. Aufl. § 473 Rdn. 7; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 473 Rdn. 26). Denn in diesem Fall ist das Recht eines Angeklagten, zu schweigen berührt, wenn ihm finanzielle Nachteile dadurch entstehen, dass er erst in der Berufung Angaben zur Sache macht (vgl. KG aaO). Anders liegt es aber, wenn er sich - wie hier die Beschwerdeführerin- zu der Beschuldigung äußert, aber wesentliche entlastende Umstände verschweigt oder wahrheitswidrige oder widersprechende Angaben macht. Hier greift der Rechtsgedanke von § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StPO Platz (" ... obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, ...").
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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