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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 07.04.2008
Aktenzeichen: 20 W 125/08
Rechtsgebiete: BGB, FGG, GG
Vorschriften:
BGB § 1896 | |
FGG § 19 Abs. 1 | |
FGG § 20 | |
GG Art. 3 Abs. 1 | |
GG Art. 19 Abs. 4 | |
GG Art. 103 Abs. 1 |
Gründe:
I.
Im März 2007 wandte sich die Rechtsanwältin X als Testamentsvollstreckerin der im Jahre 2004 verstorbenen Mutter des 55jährigen Betroffenen an das Vormundschaftsgericht und regte die Einrichtung einer Betreuung an. Hintergrund war, dass die Erblasserin bestimmt hatte, dass die Testamentsvollstreckerin für die Unterhaltung und Bezahlung einer Krankenversicherung für den Betroffenen Sorge zu tragen habe, der Betroffene jedoch auch nach erfolgloser Ausschöpfung aller Rechtsmittel gegen die Bestellung zur Testamentsvollstreckerin jeglichen Kontakt mit dieser ablehnte. Auch nach Einschaltung mehrerer Rechtsanwälte durch den Betroffenen konnte die unerlässliche Mitwirkung zum Abschluss der Krankenversicherung nicht erreicht werden.
Auf die Mitteilung der Betreuungsanregung teilte der Betroffene dem Vormundschaftsgericht schriftlich mit, für eine Betreuerbestellung bestehe kein Grund. In der Folgezeit gelang es trotz mehrfacher Versuche weder der Betreuungsbehörde, noch dem mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragten fachärztlichen Sachverständigen, in persönlichen Kontakt mit dem Betroffenen zu treten. Zu insgesamt drei im Oktober und November 2007 anberaumten Terminen zur persönlichen Anhörung durch den Vormundschaftsrichter erschien der Betroffene ebenfalls nicht und machte auch von der ihm eingeräumten Möglichkeit, bis Ende Januar 2008 einen ihm genehmen Termin zur richterlichen Anhörung zu vereinbaren, keinen Gebrauch. Stattdessen teilte der von dem Betroffenen beauftragte Verfahrensbevollmächtigte dem Vormundschaftsgericht mit, er habe den Eindruck gewonnen, dass es sich bei dem Betroffenen um einen völlig gesunden, normalen und intelligenten Menschen handele. Allein die Tatsache, dass er nicht ganz das übliche bürgerliche Leben lebe, wie man sich das so vorstelle, und jegliche Kooperation mit der Testamentsvollstreckerin ablehne, deren Betreuungsanregung er als extrem missbräuchlich und grob ungehörig empfinde, rechtfertige nicht die Einleitung eines Betreuungsverfahrens.
Des Weiteren verwies der Verfahrensbevollmächtigte darauf, dass der Betroffene mit mehreren Mitarbeitern des Nachlassgerichts persönlichen Kontakt gehabt habe, wobei diese Personen wohl keine Veranlassung zur Anregung einer Betreuung gesehen hätten und regte insoweit die Einholung von Auskünften an. Eine diesbezügliche Nachfrage des Vormundschaftsrichters ergab, dass - soweit ein persönlicher Kontakt zu dem Betroffenen bestanden hatte - dessen Verhalten teilweise als unmöglich kritisiert bzw. als etwas seltsam aber sonst unauffällig beschrieben wurde.
Nachdem der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen mehrfach die Einstellung des Verfahrens beantragt und zuletzt insoweit eine rechtsmittelfähige Bescheidung gefordert hatte, wies der Vormundschaftsrichter mit Beschluss vom 08. Januar 2008 den Antrag des Betroffenen auf umgehende Einstellung des Betreuungsverfahrens zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die notwendigen Ermittlungen zur Frage der Betreuungsbedürftigkeit, die jedenfalls nicht evident ausgeschlossen sei, hätten bisher mangels einer persönlichen Anhörung des Betroffenen nicht abgeschlossen werden können.
Gegen diesen Beschluss wendete sich der Betroffene mit der Beschwerde, mit der er im Wesentlichen geltend machte, es gebe lediglich ein Verständigungsproblem zwischen dem Betroffenen und der Rechtsanwältin X, die im Übrigen zwischenzeitlich ihr Amt als Testamentsvollstreckerin niedergelegt habe. Die Frage einer persönlichen Anhörung des Betroffenen stelle sich nicht, da überhaupt kein Anlass für einen Antrag auf eine Betreuung gegeben und das Verfahren deshalb einzustellen sei.
Das Landgericht wies die Beschwerde, die es als zulässig erachtete, mit Beschluss vom 04. März 2008 als unbegründet zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Ermittlungen zur Frage der Betreuungsbedürftigkeit seien von Amts wegen durchzuführen, da nach den bisherigen Erkenntnissen jedenfalls das Fehlen einer Betreuungsbedürftigkeit nicht offensichtlich sei und die Notwendigkeit bestehe, weitere Ermittlungen insbesondere durch die persönliche Anhörung des Betroffenen durch den Vormundschaftsrichter durchzuführen, die notfalls auch gegen dessen Willen durch Vorführung zu veranlassen sei.
Gegen den landgerichtlichen Beschluss wendet sich der Betroffene mit der weiteren Beschwerde mit der er weiterhin geltend macht, da zu keiner Zeit in Frage gestanden habe, dass der Betroffene an einer Krankheit oder Behinderung im Sinne des § 1896 BGB leide und aus seiner Weigerung zur Mitwirkung nichts nachteiliges geschlossen werden dürfe, hätte die Beurteilung der Sachlage nach pflichtgemäßen Ermessen ergeben müssen, dass keine Ermittlungen erforderlich seien und kein Anlass zum Eingreifen bestehe, so dass das Verfahren formlos einzustellen sei.
II.
Die weitere Beschwerde des Betroffenen ist bereits deshalb zulässig, weil das Landgericht dessen Erstbeschwerde zurückgewiesen hat (vgl. Keidel/Kuntze/ Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 27 Rn. 10 m. w. N.). In der Sache führt das Rechtsmittel jedoch nicht zum Erfolg, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts zu Lasten des Betroffenen beruht. Das Landgericht hätte die Erstbeschwerde des Betroffenen bereits als unzulässig verwerfen müssen, weil es sich bei der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts nicht um eine mit der Beschwerde anfechtbare Verfügung nach § 19 Abs. 1 FGG handelt.
Verfügungen im Sinne des § 19 Abs. 1 FGG sind sachliche Entscheidungen des Gerichts, die ein Verfahren oder einen selbständigen Verfahrensabschnitt in der Instanz abschließen, während Zwischenverfügungen, die die Anordnung von Ermittlungen oder Beweiserhebungen oder sonstige das weitere Verfahren betreffende Maßnahmen zum Gegenstand haben, wegen ihres eine Entscheidung lediglich vorbereitenden Inhaltes grundsätzlich nicht selbständig anfechtbar sind. Nur wenn eine solche Zwischenverfügung in schwerwiegender Weise in die Rechte eines Verfahrensbeteiligten eingreift, wird ausnahmsweise die Möglichkeit eröffnet, bereits gegen eine Zwischenverfügung Beschwerde einzulegen (vgl. Keidel/Kuntze/Kahl, a.a.0., § 19 Rn. 9; Jansen/Sonnenfeld, FGG, 3. Aufl., § 19 Rn. 22; Jürgens, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 19 Rn. 8 jeweils m. w. N.).
Hiernach ist die Ablehnung der Einstellung eines auf die Überprüfung der Betreuungsbedürftigkeit gerichteten Verfahrens vor Abschluss der vom Vormundschaftsgericht für erforderlich erachteten Ermittlungen als verfahrensleitende Verfügung nicht selbständig anfechtbar. Es entspricht einhelliger Auffassung in Schrifttum und Rechtsprechung, dass die Einleitung eines Betreuungsverfahrens, also die von Amts wegen oder auf Anregung vorgenommene Einleitung der Prüfung, ob für einen Volljährigen ein Betreuer zu bestellen ist, als bloße verfahrensleitende Verfügung nicht mit der Beschwerde anfechtbar ist (vgl. Keidel/Kuntze/Kahl, a.a.0., § 19 Rn. 14; Jansen/Priesemeister, a.a.0., § 19 Rn. 18; Bienwald, Betreuungsrecht, 4. Aufl., § 69 g FGG Rn. 9; Jürgens, a.a.0., § 19 Rn. 7; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 69 g FGG Rn. 6; Jurgeleit, Betreuungsrecht, § 69 g FGG Rn. 23 jeweils m.w.N.; BayObLG BT-Prax 1998, 148 und 2001, 123; OLG Stuttgart FG-Prax 2003, 72). Vor der Entscheidung über die Bestellung eines Betreuers hat der Vormundschaftsrichter nach § 12 FGG von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen und hierbei die speziellen Verfahrensvorschriften der §§ 68 bis 68 b FGG zu beachten, um die für die Entscheidung, ob und für welche Aufgabenkreise die Bestellung eines Betreuers notwendig oder abzulehnen ist, notwendigen Erkenntnisse zu gewinnen. Eine bestimmte Reihenfolge, in der die einzelnen Maßnahmen zur Erforschung des Sachverhaltes und zur Gewährung des rechtlichen Gehörs vorzunehmen sind, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Vielmehr ist die Gestaltung des Verfahrens im Einzelnen in das Ermessen des Vormundschaftsrichters gestellt, um ihm eine effiziente und den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles entsprechende Handhabung zu ermöglichen. Den Umfang seiner Ermittlungen bestimmt das Vormundschaftsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Ebenso wie einzelne Beweisanordnungen ist auch die hier vom Amtsrichter getroffene und mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung, das Verfahren zur Überprüfung, ob ein Betreuer zu bestellen ist, zu einem bestimmten Zeitpunkt, zu dem seine amtswegigen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, nicht einzustellen, eine bloße verfahrensleitende Verfügung, die mit der Beschwerde nach den §§ 19, 20 FGG nicht gesondert anfechtbar ist. Denn hiermit ist eine das Verfahren oder zumindest einen gesonderten Verfahrensabschnitt abschließende Sachentscheidung nicht gegeben. Im Übrigen wäre es im Falle der Annahme einer gesonderten Anfechtbarkeit einer solchen Entscheidung in das Belieben des Betroffenen gestellt, das der Entscheidung über die Bestellung eines Betreuers vorgeschaltete und ergebnisoffen ausgestaltete Überprüfungsverfahren des Vormundschaftsgerichts durch den jeweiligen Antrag auf sofortige Einstellung dieses Verfahrens und eine anschließende Beschwerde in den einzelnen Stadien wiederholt zu blockieren und so letztlich dessen Durchführung unmöglich zu machen (so bereits Senatsbeschluss vom 15. November 2007 - 20 W 224/07).
Ob die Ablehnung der Einstellung eines Betreuungsverfahrens in krassen Ausnahmefällen dann mit der Beschwerde angefochten werden kann, wenn sich dessen Fortführung als objektiv willkürlich, also unter Berücksichtigung des Schutzzweckes der Art. 3 Abs. 1 und 103 Abs. 1 GG nicht nur als rechtsfehlerhaft, sondern als offenkundig und schlechthin unvereinbar sowie auf sachfremden Erwägungen beruhend darstellt, wie der Bundesgerichtshof dies in seiner Entscheidung vom 14. März 2007 (FamRZ 2007, 1004) für die nach der gesetzlichen Regelung des § 69 b Abs. 3 Satz 2 FGG grundsätzlich unanfechtbare förmliche Anordnung der psychiatrischen Untersuchung des Betroffenen wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die vollständige Versagung eines effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG gegen Zwangsmaßnahmen, durch die in einen den Betroffenen existenziell berührenden und grundrechtlich geschützten Bereich eingegriffen wird, angenommen hat, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Zwar lässt sich aus der Verweigerung des Betroffenen zur Kontaktaufnahme mit der früheren Testamentsvollstreckerin, dem Sachverständigen, der Betreuungsbehörde und dem Vormundschaftsrichter nicht zwingend auf das Vorliegen einer psychischen Erkrankung im Sinne des § 1896 BGB schließen. Zu berücksichtigen ist jedoch ferner das im Rahmen der bisherigen Ermittlungen zu Tage getretene Verhalten des Betroffenen im Kontakt mit den Mitarbeitern der Nachlassabteilung. Unter weiterer Beachtung der Bedeutung, die einem Krankenversicherungsschutz gerade im Hinblick auf das Alter des Betroffenen sowie die von seinem Verfahrensbevollmächtigten mitgeteilte häufige Reisetätigkeit zukommt, sowie des Umstandes, dass der Abschluss eines diesbezüglichen Vertrages, ohne persönlichen Kontakt mit dieser Testamentsvollstreckerin sowie kostenfrei zu erreichen gewesen wäre, lässt die diesbezügliche Verweigerung des Betroffenen sowie dessen weiteres Verhalten im Zusammenhang mit der finanziellen Abwicklung der Testamentsvollstreckung erkennen, dass - wie bereits das Landgericht ausgeführt hat - eine fehlende Betreuungsbedürftigkeit nicht offensichtlich ist. Angesichts dieser Umstände ist die vom Vormundschaftsrichter beabsichtigte Durchführung weiterer Ermittlungen, insbesondere die persönliche Anhörung des Betroffenen gemäß § 68 FGG nicht als objektiv willkürlich, sondern als sachgerecht anzusehen. Insoweit kann es nicht ausreichen, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen dem Gericht schriftlich seinen in dem persönlichen Kontakt mit dem Betroffenen gewonnenen eigenen Eindruck von dessen Person und Gesundheitszustand übermittelt. Vielmehr sieht § 68 FGG vor, dass der Vormundschaftsrichter sich insoweit durch ein Gespräch mit dem Betroffenen, das diesem die Möglichkeit eröffnet, seine Sicht der Dinge darzulegen, einen eigenen persönlichen Eindruck verschafft. Soweit der Betroffene hierin eine Herabwürdigung seiner Person sieht, verkennt er die ergebnisoffene Ausgestaltung des Überprüfungsverfahrens zur Einrichtung einer Betreuung sowie den Zweck dieser gesetzlichen Institution zur Gewährung der gebotenen Unterstützung für hilfsbedürftige Staatsbürger.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 2 KostO.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 30 Abs. 2 KostO.
Ende der Entscheidung
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