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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 28.08.2000
Aktenzeichen: 20 W 521/99
Rechtsgebiete: FGG, ZPO, WEG


Vorschriften:

FGG § 16 Abs. 1
FGG § 22 Abs. 1 Satz 2
FGG § 16 Abs. 2 Satz 1
FGG § 22 Abs. 1
ZPO § 195 Abs. 1
ZPO § 180
ZPO § 181
ZPO § 182
ZPO § 183
ZPO § 184
ZPO § 185
ZPO § 186
ZPO § 191 Nr. 1
ZPO § 191 Nr. 3
ZPO § 191 Nr. 4
ZPO § 191 Nr. 5
ZPO § 191 Nr. 7
ZPO § 195 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 195 Abs. 2 Satz 2
WEG § 45 Abs. 1
WEG § 44 Abs. 1
Zur Frage der Gegenvorstellung gegen einen Beschluss in Wohnungseigentumssachen bei Zustellungsmangel und zur Frage der mündlichen Verhandlung in Wohnungseigentumssachen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 521/99

2/9 T 354/99 WEG LG Frankfurt

4 UR II 63/97 AG Bad Homburg

Verkündet am 28.8.2000

In der Wohnungseigentumssache ...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf den Antrag des Beteiligten zu 1) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 28.10.1999 am 28.08.2000

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Obedandesgerichts Frankftjrt am Main vom 12.10.1999 wird aufgehoben.

Auf die sofortige weitere Beschwerde wird der angefochtene Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29.07.1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Prüfung -und Entscheidung, auch über die Kosten des sofortigen weiteren Beschwer'deverfahrens an das Landgedcht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 5.623,88 DM.

Gründe:

Der als Gegenvorstellung des Beteiligten zu 1) auszulegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der sofortigen weiteren Beschwerdefrist vom 28.10.1999 gegen den Beschluss des Senats vom 12.10.1999 ist statthaft und führt zur Aufhebung des Beschlusses.

Zwar sind grundsätzlich alle Beschwerdeentscheidungen die, wie hier, auf ein fristgebundenes Rechtsmittel hin ergehen, der Überprüfung und Abänderbarkeit im Wege der Gegenvorstellung entzogen (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 567, Rn. 24, Stein/Jonas/Grunski, ZPO, 21. Aufl., § 577 Rn. 12; OLG Bremen JurBüro 1974, 1607; OLG Stuttgart, JurBüro 1983,1890; OLG Bamberg, FamRZ 1986, 1011, 1013; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.10.1997 - 20 W 105/96; Beschluss vom 25.04.1997 ­ 26 W 20/97; Beschluss vom 10.05.1999 - 26 W 22/99). Nur ausnahmsweise, ist die Gegenvorstellung auch gegen Beschlüsse dieser Art als statthaft anzusehen, wenn verhindert werden soll, dass die Unanfechtbarkeit zu einem groben prozessualen Unrecht führt (BVerfG NJW 1983, 1900, insbesondere wenn die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt wird, BVerfG NJW 1987, 1819, 2187; NJW 1980, 2698) oder wenn ein Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht auf Entscheidung durch den gesetzlichen Richter geltend gemacht wird (BVerfG 83, 1900 m. w. N.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., Üb. § 567 Rn. 5 m. w. N.).

Auch im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wozu auch das vorliegende Wohnungseigentumsverfahren gehört, sind nach allgemeiner Ansicht Gegenvorstellungen gegen Entscheidungen des Rechtsbeschwerdegerichts grundsätzlich unzulässig (Jansen, FGG, 2. Aufl., § 29 Rn. 33; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., Vorbem. §§ 19 - 30, Rn. 11a, für Wohnungseigentumssachen: Bay0bLG WE 88, 138). Aus- nahmen werden nur dann zugelassen, wenn die weitere Beschwerde als unzulässig verworfen wurde und sich herausstellt, dass die Verwerfung auf einem Tatsachenirrtum beruht oder die weitere Beschwerde vor dem Erlass der Entscheidung zurückgenommen wurde und der Beschluss in Unkenntnis der Rücknahme ergangen ist sowie bei der Festsetzung des Beschwerdewerts nach der Kost0 (Senatsbeschluss vom 08.02.1988 - 20 W 373 - 376/87).

Die Statthaftigkeit der Gegenvorstellung folgt hieraus, dass der Senat bei seiner Entscheidung vom 12.10.1999 aufgrund der in den Akten befindlichen Zustellungsurkunde vom 14.08.1999 davon ausgegangen ist, dass dem Beteiligten zu 1) der angefochtene Beschluss des Landgerichts durch Übergabe an Frau ordnungsgemäß zugestellt wurde. Gemäß § 16 Abs. 1 FGG werden gerichtliche Verfügungen mit der Bekanntmachung an denjenigen, für welchen sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind, wirksam. Die Bekanntmachung erfolgt, wenn mit ihr der Lauf einer Frist beginnt, durch Zustellung nach den für die Zustellung von Amts wegen geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung (§ 22 Abs. 1 Satz 2 FGG, 16 Abs. 2 Satz 1 FGG). Die Postzustellung regelt sich dabei gemäß § 195 Abs. 1 ZPO nach den Vorschriften der §§ 180 - 186 ZPO. Über die durch ihn erfolgte Zustellung hat der Postbedienstete eine Zustellungsurkunde aufzunehmen, die den Vorschriften des § 191 Nr. 1, 3 - 5, 7 ZPO. entspricht und die Übergabe der ihre Anschrift und ihre Geschäftsnummer nachbezeichneten Sendung sowie der Abschrift der Zustellungsurkunde bezeugen muss (§ 195 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Dabei kann die Übergabe einer Abschrift der Zustellungsurkunde dadurch ersetzt werden, dass der Postbedienstete den Tag der Zustellung auf der Sendung vermerkt (§ 195 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Der Beteiligte zu 1) hat durch Vorlage des Originalbriefumschlages nachgewiesen, dass der entsprechende Vermerk des Postbediensteten über den Zeitpunkt der Zustellung fehlt. Dieser Mangel macht die Zustellung selbst zwar nicht unwirksam, jedoch wird eine Notfrist nicht in Lauf gesetzt (GemS BGH NJW 77, 621 m.w.N.). Da mithin die Zweiwochenfrist des § 45 Abs. 1 WEG, 22 Abs. 1 FGG nicht in Lauf gesetzt wurde, hat der Senat zu Unrecht die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) als unzulässig verworfen. Im Wege der Gegenvorstellung war daher der Beschluss vom 12.10.1999 aufzuheben.

Nachdem zwischenzeitlich der Beteiligte zu 1) die sofortige weitere Beschwerde auch in der vom Gesetz vorgeschriebenen Form angebracht hat, nämlich durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ist die sofortige weitere Beschwerde insgesamt zulässig.

Sie hat in der Sache auch vorerst Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung an das Landgericht.

Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Verfahrensfehler, weil das Landgericht nicht mündlich verhandelt hat (§§ 44 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO).

Nach § 44 Abs. 1 WEG soll in Wohnungseigentumssachen der Richter mit den Beteiligten mündlich verhandeln und auf eine gütliche Beilegung des Streites hinwirken. Daneben dient die mündliche Verhandlung der Sachverhaltsaufklärung und der Stellung sachdienlicher Anträge (Bay0bLG WE 1993, 349, OLG Hamm NZM 1998, 769 m. w. N.; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 44 Rn. 21).

Nach herrschender und zutreffender Meinung geht § 44 Abs. 1 WEG auch für das Beschwerdeverfahren (Bärmann a.a.O.; ständige Senatsrechtsprechung, zuletzt Beschluss vom 11.05.2000 - 20 W 410/99 - und 24.05.2000 - 20 W 200/2000 wobei die mündliche Verhandlung vor der voll besetzten Kammer stattzufinden hat (Bay0bLG a.a.O.; OLG Hamm a.a.0.). Von einer mündlichen Verhandlung darf nur in besonderen Ausnahmefällen abgesehen werden, z. B. Wenn das Landgericht ein Rechtsmittel als unzulässig verwerfen will (Bay0bLG WE 1993, 320 LS) oder ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfolglos bleibt (Bay0bLG WE 1991, 197). Auch kann von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, wenn eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich ist, eine gütliche Einigung völlig ausgeschlossen erscheint und das rechtliche Gehör der Beteiligten anderweitig sichergestellt ist, also in erster Instanz mündlich verhandelt worden ist und das Beschwerdegericht die Beteiligten darüber informiert hat, dass es ohne mündliche Verhandlung entscheiden wolle, weil es nur um die Klärung von Rechtsfragen gehe (BGH ZMR 1999, 4 1). Ein solcher Ausnahmefall ist entsprechend zu begründen (Bay0bLG a.a.O.).

Gegen diese Grundsätze hat das Landgericht hier verstoßen. Es hat weder mit den Beteiligten mündlich verhandelt, noch hat es die Beteiligten darüber informiert, dass es ohne mündliche Verhandlung entscheiden wolle, noch hat es begründet, warum eine mündliche Verhandlung entbehrlich war.

Eine gütliche Einigung kann in aller Regel nicht von vornherein ausgeschlossen werden (OLG Hamm a.a.0.). Vordringliche Pflicht des Richters in Wohnungseigentumssachen ist es, den Beteiligten zu einer Gestaltung ihres Rechtsverhältnisses zu verhelfen, die ein friedliches und gedeihliches Zusammenleben der Wohnungseigentümer gewährleistet (OLG Hamm Rpfleger 1978, 60). Die Entscheidung des Landgerichts beruht auch auf diesem Verfahrensfehler, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie im Falle einer ordnungsgemäßen mündlichen Verhandlung anders ausgefallen wäre. Darüber hinaus ist der angefochtene Beschluss auch unter Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs ergangen. Die Beschwerdekammer hat die Beteiligten zu 2) und 3) mit Verfügung vom 01.06.1999 darauf aufmerksam gemacht, dass sie nach der bisherigen Aktenlage den für den Antragsteller ermittelten Erstattungsbetrag für die Fenster nicht nachvollziehen könne. Auf diese gerichtliche Verfügung haben die Beteiligten zu 2) und 3) mit Schriftsatz vom 22.06.1999, erwidert. Zu diesem Schriftsatz kannte der Beteiligte zu 1), obwohl er noch vor Erlass des angefochtenen Beschlusses um Fristverlängerung nachgesucht hatte, nicht mehr erwidern.

In der Sache neigt der Senat zu der von den Vorinstanzen vertretenen Auffassung, wonach sowohl die Anfechtungsanträge des Beteiligten zu 1), als auch die Zahlungsanträge unbegründet sind. Die Jahresabrechnung muss eine geordnete und übersichtliche, inhaltlich zutreffende Aufstellung sämtlicher Ein- und Ausgaben für das betreffende Wirtschaftsjahr enthalten (Bay0bLG WuM 1993,485; OLG Hamm ZMR 1997, 251/252). Sie ist keine handelsrechtliche Bilanz und keine Gewinn- oder Verlustrechnung, sondern grundsätzlich eine reine Einnahmen- und Ausgabenrech- nung (Bärmann/Pick/Mede, WEG, 8. Aufl., § 28 Rn. 64 m. w. N.) Zu Recht hat daher die Beteiligte zu 3) den dem Beteiligten zu 1) zurückgezahlten Betrag von 4.767,- DM als Ausgabe in die Jahresabrechnung eingestellt. Auch die Aufzugsbetriebskosten sind mit 9.544,19 DM zutreffend als Ausgabe in die Jahresabrechnung eingeflossen. Soweit der Beteiligte zu 1) hier die Umlegung moniert, betrifft dieser Einwand die Einzelabrechnung, die die Wohnungseigentümergemeinschaft in der Versammlung vom 24.06.1997 ebenfalls beschlossen hat. Sowohl die Jahresabrechnung als auch die Einzelabrechnungen lagen den Wohnungseigentümern vor Beschlussfassung in der Wohnungseigentümerversammlung vor, so dass sich der Beschluss TOP 2 auch auf die Einzelabrechnungen erstreckte (Bay0bLG WuM 1991, 618; ZMR 1995, 41/42). Auch die Einzelabrechnung ist nicht zu beanstanden. Unstreitig wurden die Aufzugsbetriebskosten nach § 13 Abs. 2 der Teilungserklärung umgelegt. Im Verfahren über die Ungültigerklärung des Abrechnungsbeschlusses kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass der vereinbarte Kostenverteilungsschlüssel zu einer unzumutbaren Benachteiligung führt, denn der Kostenverteilungsschlüssel gilt so lange, als er nicht durch Vereinbarung oder eine sie ersetzende gerichtliche Entscheidung abgeändert worden ist (BGH NJW 1995, 2791/2793; KG WE 1998, 225). Ist die Jahresabrechnung und die sich aus ihr ergebenden Einzelabrechnungen aber zutreffend ermittelt worden, so ist auch die Entlastung der Beteiligten zu 3) ordnungsgemäß erfolgt.

Dem Beteiligten zu 1) steht der geltend gemachte Betrag in Höhe von 4.444,93 DM nicht zu. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat in der Versammlung vom 19. 06.1995 unter TOP 7 beschlossen, dass die Wohnungseigentümer, die die Wohnzimmerfenster bereits auf eigene Kosten ausgetauscht haben, für ihre Vorleistungen Erstattung erhalten sollen. Die Erstattung bezieht sich daher lediglich auf das Wohnzimmerfenster und die hierbei erbrachten Leistungen der Firma ... Die Beteiligten zu 2) und 3) haben den zugunsten des Beteiligten zu 1) ermittelten Betrag anhand der Rechnung aufgeschlüsselt. Der Betrag setzt sich zusammen aus der Position 5.4 in Höhe von 4..003,52 DM und der Position 5.5 in Höhe von 141,70 DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Positionen 5.7. 5.8 und 5.9 aus der Rechnung ... sind in der Rechnung des Beteiligten zu 1) ausdrücklich nicht enthalten bzw. als Übernahme durch die Beteiligte zu 3) enthalten. Hieraus erklärt sich die Differenz zu dem Er- stattungsbetrag der Wohnungseigentümer ... Die weiteren Positionen aus der Rechnung ... sind unstreitig Sonderanfertigungen, die der Beteiligte zu 1) gewünscht hat und die in dem Standardfensterprogramm, das die Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen hat, nicht enthalten sind. Eine Überwälzung dieser Kosten auf die Wohnungseigentümergemeinschaft kommt daher nicht in Betracht.

Hinsichtlich der Aufzugskosten kommt eine Erstattung zuviel gezahlter Beträge nicht in Betracht. Hierzu kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

Auch soweit der Beteiligte zu 1) eine Rückzahlung in Höhe von 1.000,- DM begehrt, sind die Vorinstanzen zu Recht davon ausgegangen, dass hier ein Zahlungsanspruch nicht besteht. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat unter TOP 12 der Wohnungseigentümerversammlung vom 08.05.1996 die Renovierung der Außenfassade und Finanzierung durch eine Sonderumlage von 5.000,- DM je Wohnungseigentum beschlossen. Ferner hat die Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen, dass über eine Rückzahlung der Sonderumlage entschieden werden soll, wenn die Gemeinschaft in fünf bis sechs Jahren wieder genügend Mittel angesammelt habe. Mangels einer entsprechenden Beschlussfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft steht dem Beteiligten zu 1) der geltend gemachte. Betrag nicht zu. Nur ergänzend möchte der Senat hierzu bemerken, dass sich allein aus der Aufstellung (Anlage B 2 des Schriftsatzes vom 22.06.1999 der Beteiligten zu 2) und 3) ein Kostenfaktor von rund 140.000,- DM nur für die reine Renovierung der Außenfassade errechnet.

Bei seiner Entscheidung wird das Landgericht auch über die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des sofortigen weiteren Beschwerdeverfahrens zu befinden haben.

Den Beschwerdewert hat der Senat der unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung der Vorinstanzen entnommen (§ 48 Abs. 3 WEG).



Ende der Entscheidung

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