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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 08.02.2007
Aktenzeichen: 20 WLw 4/06
Rechtsgebiete: GrdstVG, LwVG, RSG


Vorschriften:

GrdstVG § 1
GrdstVG § 9
GRdstVG § 21
LwVG § 22
RSG § 4
RSG § 6
Zur wirksamen Ausübung eines siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechtes.
Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die wirksame Ausübung eines siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechtes.

Durch notariellen Vertrag vom 24. Mai 2005 kaufte die Antragstellerin zu 2) von dem Antragsteller zu 1) die eingangs näher bezeichneten in O1 gelegenen und landwirtschaftlich genutzten drei Parzellen zu einem Gesamtpreis von 5.537,90 EUR.

An dem Erwerb dieser Flächen ist der Landwirt A interessiert, der in O1 einen landwirtschaftlichen Betrieb (Bullenmast) mit einer Betriebsfläche von 60 ha, davon ca. 8 bis 10 ha Eigentumsfläche, bewirtschaftet.

Die Antragstellerin zu 2) und ihr Ehemann sind Eigentümer und Pächter von landwirtschaftlichen Flächen, die früher für den seit vielen Jahren eingestellten Pferdezuchtbetrieb des Schwiegervaters genutzt wurden. Sie wohnen auf der früheren Hofstelle und betreiben selbst keine Landwirtschaft. Die im Eigentum der Familie stehenden und damals hinzugepachteten Flächen sind an Landwirte, u. a. auch den Landwirt A verpachtet. Die beiden in der Flur a gelegenen streitgegenständlichen Parzellen nutzt der Landwirt A seit vielen Jahren aufgrund eines mündlichen Pachtvertrages, den bereits sein Vater mit der Familie der Antragstellerin zu 2) abgeschlossen hat.

Der Kaufvertrag wurde vom Notar am 03. Februar 2005 dem Landrat des ...-Kreises zur Genehmigung nach § 2 GrdStVG vorgelegt. Der Landrat verlängerte mit Zwischenbescheid vom 02. März 2005 die Genehmigungsfrist zunächst um einen Monat und sodann mit weiterem Zwischenbescheid vom 16. März 2005, dem Notar zugestellt am 18. März 2005, um einen weiteren Monat auf insgesamt zwei Monate.

Die Beteiligte zu 3) erklärte mit Schreiben vom 22. März 2005 die Ausübung des Vorkaufsrechtes zu den beiden in der Flur a gelegenen Grundstücken und erklärte sich gleichzeitig zur Erhaltung der Geschlossenheit des Kaufvertrages auch zum Erwerb des in der Flur b gelegenen Grundstückes bereit.

Mit Bescheid vom 30. März 2005, dem Notar zugestellt am 04. April 2005, teilte der Landrat des ...-Kreises den Vertragsparteien und dem Notar mit, dass die Beteiligte zu 3) durch die beigefügte Erklärung vom 22. März 2005 das Vorkaufsrecht geltend gemacht und damit in den Kaufvertrag eingetreten sei und der landwirtschaftsrechtlichen Genehmigung des Vertrages Bedenken nach § 9 Abs. 1 Ziffer 1 GrdStVG entgegen stünden, weil ein Landwirt vorhanden sei, der die Grundstücke zur Aufstockung seines förderungsfähigen Betriebes erwerben wolle.

Den hiergegen gerichteten, am 08. April 2005 bei dem Landrat des ...-Kreises eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung der beiden Antragsteller wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 08. Juni 2006 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Veräußerung der eine wirtschaftliche Einheit bildenden Grundstücke sei genehmigungspflichtig. Das Vorkaufsrecht sei in Bezug auf den gesamten Vertrag und somit alle drei Flurstücke ausgeübt worden. Die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechtes seien gegeben, da der Vollerwerbslandwirt A, der auch die umliegenden Grundstücke bewirtschafte, diese Parzellen zur Aufstockung seines Eigenlandanteiles und damit zur Existenzsicherung erwerben wolle.

Gegen den am 12. Juni 2006 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin zu 2) mit der am 26. Juni 2006 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Sie macht geltend, da eine wirtschaftliche Einheit nicht vorliege und das Vorkaufsrecht bezüglich der Parzelle in der Flur b nicht ausgeübt worden sei, sei zumindest insoweit der Verkauf zu genehmigen. Des Weiteren lägen auch für die beiden Parzellen in der Flur a Versagungsgründe nicht vor, da sie diese in der Nähe ihres Wohnhauses gelegenen Flächen zur Arrondierung ihres Grundbesitzes erwerben wolle. Im Übrigen würde sich durch eine Genehmigung des Vertrages die Situation des landwirtschaftlichen Betriebes A nicht verschlechtern, da es in diesem Falle bei der Verpachtung an ihn verbleibe. Demgegenüber sei für den Fall der Versagung der Vertragsgenehmigung die Beendigung des Pachtverhältnisses auch für die übrigen an den Landwirt A von ihr und ihrem Ehemann weiter verpachteten Grundstücke angekündigt worden, so dass dieser Betrieb hierdurch größere Flächenverluste in einer Größenordnung von ca. 4 ha erleiden würde.

Die Beteiligten zu 3) und 4) verteidigen den angefochtenen amtsgerichtlichen Beschluss und machen geltend, das Vorkaufsrecht sei für alle drei Parzellen, die als wirtschaftliche Einheit anzusehen seien, zu Recht ausgeübt worden, da für den Landwirt A langfristig ein dringendes Erwerbsinteresse zur Aufstockung seines sehr geringen Eigenlandanteils zur Betriebssicherung bestehe.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 22 Abs. 1 LwVG), form- und fristgerecht angebracht (§§ 9 LwVG, 21, 22 FGG) und damit zulässig. In der Sache führt das Rechtsmittel jedoch nicht zum Erfolg, weil die Veräußerung der drei Flurstücke an die Antragstellerin zu 2) genehmigungspflichtig ist und die Einwendungen gegen das Vorkaufsrecht nicht begründet sind, da die Genehmigung wegen einer ungesunden Verteilung von Grund und Boden zu versagen wäre.

Der Vertrag unterfällt der Genehmigungspflicht nach § 9 GrdstVG, da es sich um landwirtschaftliche Grundstücke im Sinne des § 1 Abs. 1 GrdstVG handelt und die Mindestgröße von 0,25 ha nach § 2 Abs. 3 Ziffer 2 GrdstVG in Verbindung mit § 1 des Gesetzes über die Genehmigungsfreiheit im Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken in der Fassung vom 18. Dezember 1989 (GVBl. I S. 497) überschritten wird.

In formeller Hinsicht erfüllen die Parzellen die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechtes durch die Siedlungsbehörde nach § 4 RSG, da sie landwirtschaftlich genutzt werden und zusammen die Mindestgröße von 0,5 ha gemäß § 4 RSG i.V.m. § 1 der 8. Verordnung zur Ausführung des RSG vom 18. November 2002 (GVBl. I S. 689) überschreiten. Nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung ist für die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechtes nach § 4 RSG auf den wirtschaftlichen Grundstücksbegriff abzustellen (vgl. BGH AgrarR 85, 300 und 2001, 382, OLG Naumburg, AgrarR 2002, 387). Deshalb kommt die Ausübung des Vorkaufsrechtes auch dann in Betracht, wenn mehrere Katastergrundstücke oder Grundstücke im Rechtssinne veräußert werden, die lediglich zusammen die in Hessen maßgebliche Mindestgröße von 0,5 ha überschreiten. Mehrere rechtlich selbständige Grundstücke sind dann als ein Grundstück im wirtschaftlichen Sinne zu behandeln, wenn sie eine wirtschaftliche Einheit bilden. Hierunter sind solche Bodenflächen zu verstehen, die nach der Verkehrsauffassung als wirtschaftliche Einheit anzusehen sind und die aus einem oder mehreren Katastergrundstücken oder Grundstücken im Rechtssinne bestehen können (vgl. OLG Stuttgart RdL 1986, 81). Aus der in der mündlichen Verhandlung eingesehenen Flurkarte ergibt sich, dass die beiden Flurstücke in der Flur a unmittelbar aneinander grenzen und die dritte Parzelle in der Flur b nur ca. 200 m entfernt liegt. Alle drei Parzellen werden durch denselben gut befahrbaren Feldweg erschlossen und seit längerer Zeit zusammen mit weiteren angrenzenden Flächen von dem Landwirt A bewirtschaftet. Nach der Verkehrsauffassung ist deshalb hier von einer wirtschaftlichen Einheit auszugehen.

Die Mitteilung über die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechtes ist fristgerecht erfolgt und bezieht sich auf alle drei Parzellen. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 RSG wird das Vorkaufsrecht dadurch ausgeübt, dass die Genehmigungsbehörde die Erklärung des Vorkaufsberechtigten über die Ausübung des Vorkaufsrechtes dem Veräußerer mitteilt. Gemäß § 21 GrdStVG ist die Erklärung auch dem Käufer mitzuteilen und mit einer Begründung darüber zu versehen, warum die Genehmigung nach § 9 GrdStVG zu versagen wäre. Grundsätzlich kann das Vorkaufsrecht bezüglich eines einheitlichen Kaufvertrages nur insgesamt ausgeübt werden (vgl. BGH NJW 1992, 1457). Auf diesem rechtlichen Hintergrund ist die Formulierung der Ausübung des Vorkaufsrechtes im Schreiben der Beteiligten zu 3) vom 22. März 2005 dahingehend auszulegen, dass das Vorkaufsrecht jedenfalls wirksam, also bezüglich aller drei Parzellen ausgeübt wird, von einem Eintritt in den Vertrag bezüglich der in der Flur b gelegenen kleineren Parzelle jedoch Abstand genommen werden könnte, wenn die Vertragsparteien insoweit an der isolierten Aufrechterhaltung des Kaufvertrages interessiert sind und eine diesbezügliche Einigung zwischen den Beteiligten zustande kommen sollte.

Des Weiteren liegen auch die materiellen Voraussetzungen für die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechtes vor. § 9 Abs. 1 Ziffer 1 GrdStVG und das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht nach § 4 RSG dienen dem Zweck, Veräußerungen landwirtschaftlichen Grundbesitzes zu verhindern, die zu einer Verschlechterung der Agrarstruktur führen. Dies ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung insbesondere dann der Fall, wenn landwirtschaftlich genutzte Flächen an einen Nichtlandwirt veräußert werden, obwohl ein Landwirt diese zur Aufstockung seines Betriebes dringend benötigt und bereit und in der Lage ist, sie zu den Bedingungen des Kaufvertrages zu erwerben (vgl. BGHZ 75, 81; 94, 292, 112, 86 sowie AgrarR 2002, 320). Diese Voraussetzungen hat das Amtsgericht im vorliegenden Falle zu Recht angenommen.

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die Antragstellerin zu 2) zum maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt selbst nicht als Landwirtin in diesem Sinne angesehen werden kann. Denn hierzu ist es nicht ausreichend, alleine oder gemeinsam mit Familienangehörigen Eigentümer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke zu sein, die zur Bewirtschaftung an einen Landwirt verpachtet sind (vgl. OLG Celle, RdL 2003, 22). Vielmehr ist Landwirt nur, wer selbst mit einem leistungsfähigen landwirtschaftlichen Betrieb den Beruf des Landwirtes auch ausübt. Dies ist in der Person der Antragstellerin zu 2) nicht gegeben.

Dem gegenüber ist der Zeuge A unzweifelhaft als Landwirt einzuordnen, da er bereits seit langer Zeit einen von seinem Vater übernommenen leistungsfähigen landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetrieb mit ca. 60 ha Betriebsfläche führt. Es besteht auch ein dringendes Bedürfnis zur Aufstockung dieses landwirtschaftlichen Betriebes. Zwar begründet nicht jedes Erwerbsinteresse eines Landwirtes bereits einen derartigen Aufstockungsbedarf. Vorliegend verfügt der Betrieb des Zeugen jedoch nur über ca. 8 bis 10 ha Eigenland und weist deshalb ein sehr ungünstiges Verhältnis zwischen Eigen- und Pachtanteil auf. Es ist deshalb ein Bedürfnis für eine Vergrößerung des Eigenlandanteiles zum Zwecke der wirtschaftlichen Stärkung und dauerhaften Absicherung des Betriebes und damit der Verbesserung der Agrarstruktur anzuerkennen (vgl. OLG Stuttgart RdL 86, 81).

Der Aufstockungsbedarf wird im vorliegenden Falle auch nicht durch die "Androhung" der Beteiligten zu 2) und ihres Ehemannes zur Aufkündigung anderer an den landwirtschaftlichen Betrieb A verpachteter Flächen in einer Gesamtgröße von ca. 4 ha ausgeräumt. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass bisher eine Kündigung dieser Flächen noch nicht ausgesprochen worden ist. Es bedarf im vorliegenden Verfahren deshalb keiner abschließenden Entscheidung der Frage, ob eine solche Kündigung wirksam oder gegebenenfalls als rechtsmissbräuchlich einzuordnen wäre.

Im Übrigen belegt gerade das Verhalten der Beteiligten zu 2) und ihres Ehemannes, die mit der Inaussichtstellung der Kündigung des Pachtverhältnisses wohl Druck auf den Zeugen zum Zwecke des Verzichtes auf die Ausübung des Vorkaufrechtes ausüben wollen, dass Landwirte zur nachhaltigen Sicherung ihrer Existenz dringend auf die Erhöhung des Eigenlandanteiles ihrer Betriebe angewiesen sind.

Das dringende Erwerbsinteresse wird auch nicht dadurch ausgeräumt, dass die Antragstellerin zu 2) für den Fall des Erwerbes der Parzellen deren weitere pachtweise Überlassung an den Zeugen A in Aussicht gestellt hat. Denn aufgrund der teilweise nur mündlich abgeschlossenen Pachtverträge auf unbestimmte Dauer und die Möglichkeit einer späteren Kündigung ist eine langfristige und rechtlich abgesicherte Nutzung für den landwirtschaftlichen Betrieb nicht gewährleistet.

Der Senat verkennt nicht, dass die Antragstellerin zu 2) ein durchaus nachvollziehbares Interesse daran hat, die in der Nähe ihres Wohnhauses gelegenen landwirtschaftlichen Flächen zur Arrondierung des Grundbesitzes der Familie zu erwerben, zumal dies für eine eventuelle erneute Aufnahme einer landwirtschaftlichen Betätigung in der Zukunft durch spätere Generationen oder einen Pächter von Vorteil wäre. Nach der gesetzlichen Wertung des § 9 GrdstVG i.V.m. § 4 RSG wird aber dem aktuellen Erwerbsinteresse des Haupterwerbslandwirtes der Vorrang eingeräumt. Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Antragstellerin zu 2) sich um das Zustandekommen des Kaufvertrages bemüht hat und der Antragsteller zu 1) möglicherweise unmittelbar mit dem Landwirt A keinen Vertrag abgeschlossen hätte.

Da somit die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechtes gemäß § 4 RSG gegeben sind und deshalb der landwirtschaftsgerichtlichen Genehmigung des Vertrages Bedenken nach § 9 Abs. 1 Ziffer 1 GrdStVG entgegenstehen, war der sofortigen Beschwerde der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 34 Abs. 1, 44 Abs. 1 LwVG.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes ergibt sich aus §§ 36 Abs. 2 LwVG i.V.m., § 30 Abs. 1 KostO.

Der Senat hat keinen Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 24 LwVG gesehen.

Ende der Entscheidung

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