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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 28.05.2003
Aktenzeichen: 23 U 35/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, KO


Vorschriften:

ZPO § 256
ZPO § 256 Abs. 2
ZPO § 325
ZPO § 543 Abs. 2 S. 2
BGB § 242
KO § 21
1. Liechtensteinische Aktiengesellschaften sind in Deutschland rechts- und parteifähig, sofern sie nach liechtensteinischem Gesellschaftsrecht wirksam gegründet worden sind.

2. Die Grundsätze der Überseering-Entscheidung des EuGH vom 5.11.2002 sind auch anzuwenden auf EWR-Staaten; wenn der faktische Sitz der Gesellschaft sich von Anfang an in Deutschland befunden haben soll.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

23 U 35/02

Verkündet am 28. Mai 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter .......

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung wird das am 16.01.2002 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichtes in Limburg an der Lahn abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.529,94 € nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 05.05.2000 zu zahlen.

Die Widerklage wird verworfen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in gleicher Höhe erbringt.

Die Beschwer des Beklagten beträgt 22.529,94 €.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Auf die vollständige Darstellung des Tatbestandes in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 543 Abs. 2 S. 2 ZPO.

Das Urteil des Landgerichts wurde der Klägerin am 18.01.2002 zugestellt.

Mit ihrer am 18.02.2002 eingelegten und am 18.03.2002 begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel weiter.

Der Generalbevollmächtigte der Klägerin, der Zeuge H., ist während der Dauer des Berufungsverfahrens verstorben.

Die Klägerin ist nach wie vor der Auffassung, dass sie nach deutschem Recht rechts- und parteifähig sei. Die Parteifähigkeit sei auch nach der sogenannten "Sitztheorie" gegeben, da sie ihren Verwaltungssitz in Liechtenstein habe. Dies ergebe sich aus einer Reihe von Details. Die Klägerin beruft sich dabei insbesondere auf folgende Umstände:

- die Darlehensverhandlungen und die Entscheidung über die Gewährung des streitgegenständlichen Darlehens seien in Liechtenstein getroffen worden (Bl. 451, 725 d. A.),

- die Darlehenssumme wurde von Liechtenstein aus nach Deutschland überwiesen,

- die Entscheidungsfindung für die Gesellschaft fand durch Erörterung zwischen der Verwaltungsratspräsidentin und dem Zeugen H. in Liechtenstein statt (Bl. 454 d.A.),

- die Gesellschaft habe in Liechtenstein Geschäftsräume angemietet (Beweis: Vorlegung des Mietvertrages, Bl. 455 d. A.),

- in Liechtenstein würden die Gesellschafterversammlungen abgehalten (Bl. 456 d.A.),

- in Deutschland seien in letzter Zeit keine Geschäfte mehr getätigt worden (Bl. 718 d.A.),

- die Gesellschaft betreibe jetzt Geschäfte mit Thailand (Bl. 718 d. A.),

- die Gesellschaft betreibe in Liechtenstein Werbung (Bl. 733 d. A.),

- der Generalbevollmächtigte H. wohnte bis zu seinem Tod in Lichtenstein bei Frau N. (Bl. 726 d.A.),

- das Konto in Deutschland habe nur für kurze Zeit existiert (Bl. 727 d. A.).

Die Klägerin trägt weiterhin vor, dass der Umstand, dass Herr H. zeitweilig in Deutschland gewesen sei, damit zu erklären sei, dass er eine weitere Firma in Limburg betrieben habe (Bl. 728 d. A.). Auf die Frage, ob die Firma Personal beschäftige, komme es nicht an. Die Beklagte verstoße mit der Rüge der Parteifähigkeit auch gegen § 242 BGB, da sie in anderen Verfahren von der hiesigen Beklagten in Anspruch genommen worden sei, ohne dass in irgendeiner Form die Partei- oder Rechtsfähigkeit problematisiert worden wäre (Bl. 362 d. A.).

Die Klägerin vertritt überdies die Auffassung, dass die Entscheidung des EuGH vom 05.11.2002 (C - 208/00) betreffend die Anwendung der "Sitztheorie" auch für Liechtenstein als Vertragsstaat des EWR gelte (Bl. 771 d. A.).

Die Beklagte hat in zweiter Instanz Widerklage mit dem Ziel der Feststellung, dass die Klägerin nach deutschem internationalen Gesellschaftsrecht nicht rechts- und parteifähig sei, erhoben. In einem anderen Rechtsstreit hatte die von der Klägerin gleichfalls in Limburg verklagte M. GmbH eine gleichlautende Widerklage erhoben. Das Landgericht Limburg an der Lahn hat dieser Widerklage in der Berufungsinstanz am 25.10.2002 stattgegeben und die fehlende Rechtsfähigkeit der Klägerin festgestellt (3 S 52/00, Bl. 648 ff. Beiakte).

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten bei Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils dazu zu verurteilen, an die Klägerin 12.529,94 € nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 05.05.2000 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen,

2. festzustellen, dass die Klägerin nach deutschem internationalen Gesellschaftsrecht nicht rechts- und parteifähig ist.

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

Der Beklagte verweist auf die Tätigkeiten der Klägerin in Bezug auf die Firma L. AG sowie auf Geschäfte mit Videotheken (vgl. Bl. 399 d. A.). Aus diesen beiden Geschäftsbereichen und der häufigen Anwesenheit des Herrn H. in Deutschland lasse sich auf die vielfältige Tätigkeit der Klägerin in Deutschland und deren faktischen Sitz in Deutschland schließen. Die Klägerin sei sowohl derzeit, wie auch zum Zeitpunkt des Abschlusses der Darlehensverträge nicht rechtsfähig gewesen. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch, dass die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Verwaltungssitzes bei der ausländischen Gesellschaft liege, da es einem Außenstehenden im Allgemeinen nicht möglich sei, das Vorhandensein eines Verwaltungssitzes in einem bestimmten Land zu widerlegen (Bl. 528 ff., 535 d. A.). Der Rechtsstreit um die angeblichen Sicherheiten zugunsten der Klägerin werde nur geführt, um den anderen Gläubigern der L. AG die haftende Konkursmasse zu entziehen. Den Angaben der Klägerin in diesem Rechtsstreit könne aber generell nicht gefolgt werden, da eine Reihe von Behauptungen durch die Beweisaufnahme in erster Instanz widerlegt worden sei. Zu beachten sei auch, dass der Generalbevollmächtigte der Klägerin, Herr H., vorbestraft und gar nicht berechtigt sei, den Doktortitel zu tragen.

Im Hinblick auf die Überseering-Entscheidung des EuGH führt der Beklagte weiterhin Folgendes aus:

Die Entscheidung des EuGH sei formell nicht verbindlich. Der hier vorliegende Fall einer Scheinauslandsgründung unterscheide sich von dem (von dem EuGH entschiedenen) Fall der Sitzverlegung. Das EWR-Abkommen gelte in der Bundesrepublik gar nicht in toto, da Deutschland keine generelle Transformationsnorm erlassen habe; außerdem sei das EWR-Abkommen als völkerrechtlicher Vertrag nicht geeignet, auch den den Vertragsstaaten angehörigen Privatpersonen unmittelbare, subjektive Rechte zu verschaffen. Die Gegenmeinung führe zu einer ungerechtfertigten Besserstellung von EWR-Gesellschaften. Das EWR-Abkommen sei schließlich im vorliegenden Fall auch deswegen nicht anwendbar, weil die Niederlassungsfreiheit im Verhältnis zu Liechtenstein bis zum 01.01.1998 eingeschränkt gewesen sei und deshalb zumindest der Rechtserwerb der Klägerin im Jahre 1997 nicht rechtmäßig gewesen sei mit der Folge, dass die Klägerin zumindest nicht aktivlegitimiert sei.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage zurückzuweisen.

Die Klägerin verweist darauf, dass sie sowohl am 15.05.1997, wie auch derzeit, rechtsfähig sei. Da es die Regel sei, dass eine Gesellschaft in dem Staat, in welchem sie gegründet und nach dessen Recht sie organisiert sei, dort den tatsächlichen Schwerpunkt ihrer gesellschaftlichen Tätigkeit entfalte, liege die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, dass der Verwaltungssitz sich tatsächlich in Deutschland befinde, beim Gegner der ausländischen Firma (Bl. 449 f., 730 d.A.).

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Die in zweiter Instanz erhobene Widerklage ist dagegen als unzulässig zu verwerfen.

1. Zur Klage:

Die Klägerin ist als in einem EWR-Land ordnungsgemäß gegründete und weiter bestehende Firma rechts- und parteifähig.

Die Frage, ob die Rechtsfähigkeit einer im Ausland operierenden Gesellschaft nach dem Recht des Landes beurteilt wird, in dem sich der tatsächliche Verwaltungssitz befindet (Sitztheorie) oder nach dem Recht des Landes, in dem sie gegründet wurde (Gründungstheorie), ist die questio famosa (Grossfeld) des internationalen Gesellschaftsrechtes, wobei es innerhalb der genannten Theorien noch differenzierende Meinungen gibt. Die deutsche höchstrichterliche Rechtsprechung hat über lange Jahre hinweg die Sitztheorie zugrunde gelegt. Mit der Sitztheorie soll Umgehungen vorgebeugt werden. Die Anwendbarkeit deutschen Rechtes soll auf einer Vielzahl von Gebieten (vom Gesellschaftsrecht, z. B. bezüglich des erforderlichen Mindestkapitals, bis zum Arbeitsrecht, z. B. bezüglich der Mitbestimmung) gesichert werden. Der reglementierenden Sitztheorie steht die liberal-globalisierende Gründungstheorie gegenüber. Der EuGH hat der sogenannten Überseering-Entscheidung vom 05.11.2002 die Sitztheorie zugrunde gelegt (IPRax 2003, 65 ff.). Wie nach der Centros-Entscheidung des EuGH (NJW 99, 2027) im Grunde nicht anders zu erwarten war, sieht der EuGH die Weigerung der deutschen Gerichte, einer nach dem Recht eines anderen Mitgliedsstaates wirksam gegründeten Gesellschaft Rechts- und Parteifähigkeit zuzuerkennen, wenn der tatsächliche Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt worden sein soll, als unzulässige Beschränkung der nach dem EG-Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit an. Dem ist zu folgen.

Eine entsprechende Rechststellung steht auch der Klägerin zu, da sie in einem EWR-Staat wirksam gegründet wurde. Allerdings sind für die Staaten des EWR die Entscheidungen des EuGH nach dem Abkommen aus dem Jahr 1992 nicht direkt verbindlich. Das EWR-Abkommen sieht in Art.107 lediglich vor, dass der EuGH von einem EFTA-Staat zwecks Auslegung einer EWR-Bestimmung angerufen werden kann. Ferner sieht das Abkommen die Möglichkeit der Schaffung eines EFTA-Gerichtshofes vor. Das EWR-Abkommen enthält jedoch gleichfalls die sogenannten "vier Freiheiten" des EG-Vertrages. Zu diesen gehört die Niederlassungsfreiheit (Art. 31 EWR-Vertrag, Art. 43 EG-Vertrag). Die Niederlassungsfreiheit definiert der EuGH als "Recht zur Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeit sowie zur Errichtung von Unternehmen und zur Ausübung von Unternehmertätigkeiten" (Abs. 56 IPRax 03, 70). Die Geschäftstätigkeit der Klägerin in Deutschland nach Maßgabe liechtensteinischen Gesellschaftsrechtes ist daher ohne Einschränkung zu akzeptieren. Eine Differenzierung zwischen EU-Staaten und EWR-Staaten ist in Anbetracht der im fraglichen Bereich eng aneinander angeglichenen Rechtslage nicht gerechtfertigt.

Zu den einzelnen Ausführungen des Beklagten in diesem Zusammenhang ist Folgendes auszuführen:

1. Der Beklagte verweist darauf, dass die Entscheidung des EuGH formell nicht verbindlich ist. Dies ist - wie bereits ausgeführt - richtig, weil weder die Fallkonstellation völlig mit der von dem EuGH entschiedenen übereinstimmt noch eine direkte Geltung der Entscheidung des EuGH für Staaten des EWR besteht. Es geht dem Senat in diesem Zusammenhang jedoch nicht um rechtliche Bindungen, sondern um die Frage, ob den materiellrechtlichen Erwägungen des EuGH in der Überseering-Entscheidung wegen Vergleichbarkeit des Falles im Rahmen der anzustrebenden Rechtshomogenität zwischen EU und EWR zu folgen ist. Diese Frage ist - wie bereits ausgeführt - zu bejahen.

2. Es ist zutreffend, dass der vorliegende Fall sich von der Überseering-Entscheidung dadurch unterscheidet, dass den Behauptungen des Beklagten nach - von Anfang an kein faktischer Sitz der Klägerin im Ausland bestanden habe. Die Überseering-Entscheidung und ihre Vorläufer basieren dagegen auf Fällen, in denen im Ausland unstreitig wirksam eine Firma gegründet, aber später ins Inland verlegt wurde, ohne dass die Firma sich der Prozedur einer Neugründung nach inländischem Recht unterziehen wollte, wie sie der BGH bis vor kurzem gefordert hat. Die vorliegende Frage ist, soweit ersichtlich, höchstrichterlich noch nicht entschieden worden, sie muss rein theoretisch als offen betrachtet werden (Roth, IPRax 2003, 117, 126, Kindler, IPRax 2003, 41 f., Forsthoff, DB 2002, 2471, 2476, Binz/Mayer, GmbHR 2003, 249, 256). Zutreffend ist auch der vielfach geäußerte Kommentar, dass aus der eine spezielle Konstellation beurteilenden Entscheidung des EuGH nicht zwangsläufig gefolgert werden kann, dass für die Sitztheorie keinerlei Anwendungsmöglichkeit mehr bestehe (wenn auch unter Vereinfachungsgesichtspunkten die Stimmen für die Anwendung der Sitztheorie in Deutschland zahlreicher werden).

Diese generellen Einwendungen führen jedoch im vorliegenden Fall nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Gründe der Überseering-Entscheidung treffen auf den hier vorliegenden Fall genauso zu. Insbesondere unter 93. führt der EuGH klar aus, dass es nicht gerechtfertigt ist, einer Gesellschaft, die in einem anderen Mitgliedsstaat ordnungsgemäß gegründet worden ist und dort ihren satzungsmäßigen Sitz hat, die Rechtsfähigkeit und damit auch die Parteifähigkeit abzusprechen. Diese Erwägung ist unabhängig davon, ob man annimmt, dass die Gesellschaft von Anfang an oder erst einige Zeit nach ihrer Gründung ihren Sitz außerhalb des Gründungslandes hat. Es kommt auch nicht darauf an, ob satzungsgemäßer und faktischer Sitz auseinander fallen, wenn das Recht des Gründungsstaates dieses Auseinanderfallen nicht sanktioniert (Leible/H., RIW 2002, 925, 928). Ein Mitgliedsstaat ist also verpflichtet, zu akzeptieren, dass eine EG-Auslandsgesellschaft das Recht genießt, ihren Gesellschaftsstatus beizubehalten, auch wenn sich ihr faktischer Sitz von Anfang an im Inland befand (Leible/H., RIW 2002, 925, 928, 930, 931 unter 2. b), zweifel drozt IPRax 2003, 117, 127 f., anderer Ansicht LG Frankenthal, BB 2003, 542 f., Kindler, IPRax 2003, 41 f.).

Soweit der EuGH in der Überseering-Entscheidung unter 92. darauf hinweist, dass die Niederlassungsfreiheit durch Rechtsvorschriften des Landes des faktischen Sitzes aus zwingenden Gründen unter bestimmten Voraussetzungen Beschränkungen unterworfen werden könne, so hat der EuGH damit - wie sich aus dem folgenden Absatz ergibt - offenbar nicht Einschränkungen der Rechts- und Parteifähigkeit, sondern Unternehmen verpflichtende Vorschriften ganz anderer Art, wie z. B. Mitbestimmung ("Interesse der Arbeitnehmer") oder Bilanzierungsvorschriften im Sinn. Nach der anzuwendenden Gründungstheorie kommt es also insbesondere darauf an, dass die Firma in ihrem Gründungsland ordnungsgemäß gegründet wurde und dort weiterhin als ordnungsgemäß existierende Rechtspersönlichkeit behandelt wird. Im vorliegenden Fall steht dabei nicht im Zweifel, dass die Klägerin nach liechtensteinischem Recht wirksam gegründet worden ist, dort ihren satzungsgemäßen Sitz hat und rechtsfähig ist. Das liechtensteinische Gesellschaftsrecht folgt der dort sogenannten Inkorporationstheorie mit der Folge, dass die Gesellschaft nach liechtensteinischem Recht organisiert sein muss hinsichtlich Publizitäts- und Registriervorschriften. Das dortige Recht stellt jedoch nicht darauf ab, ob sich der faktische Verwaltungssitz in Liechtenstein befindet oder nicht (Art. 232 u. 676 PGR). Dementsprechend muss die Klägerin auch als befugt angesehen werden, ihre vertraglichen Rechte in der Bundesrepublik geltend zu machen und gerichtlich durchzusetzen.

Hinzu kommt, dass die Argumentation des Beklagten, die Klägerin habe immer ihren faktischen Sitz am faktischen Sitz des Herrn H. in Limburg-Lindenholzhausen gehabt, durch den Tod des Herrn H. und die Fortexistenz der Klägerin darüber hinaus, ihre tatsächliche Grundlage verloren hat.

3. Soweit der Beklagte sich darauf beruft, dass das EWR-Abkommen in der Bundesrepublik mangels genereller Transformationsnorm nicht in toto gelte, ist dies nicht zutreffend.

Die Umsetzung der reichhaltigen Rechtsmaterie in nationales Recht stellte die EFTA-Vertragsparteien vor eine große gesetzgeberische Aufgabe. Dagegen war es für EG-Staaten, die, wie die Bundesrepublik, bereits EG-Binnenmarktrecht umgesetzt hatten, gesetzgeberisch gesehen eher eine leichte Aufgabe (Streit NJW 94, 555 f.). Die Bundesrepublik hat das EWR-Ausführungsgesetz am 24.04.1993 (und später ein Anpassungsgesetz vom 27.09.1993) erlassen. Dies ist jedoch für die vorliegende Rechtsfrage nicht entscheidend. Das sehr komplexe Gebilde des EWR-Vertrages ist ein sogenanntes "gemischtes" Abkommen zwischen den EFTA-Staaten, der EU für ihren Kompetenzbereich und den Mitgliedstaaten der EU für darüber hinausgehende Bereiche (Streit NJW 94, 555). Die Niederlassungsfreiheit ist im EU-Vertrag selbst (und im EWR-Abkommen) geregelt. Sie wurde deshalb durch den Assoziierungsvertrag zwischen den EFTA-Staaten und der EU bereits Gemeinschaftsrecht - da Kompetenz......... der EU- und bedurfte keiner Transformation in nationales Recht.

Da der EWR-Vertrag Teil des Rechtes der EU geworden ist, ergeben sich aus ihm auch subjektive Ansprüche. Auch lässt sich daraus ein Vorrang des EWR-Rechtes gegenüber dem nationalen Recht folgern, so dass sich im vorliegenden Fall das EWR-Recht mit seiner Niederlassungsfreiheit insbesondere gegenüber dem nationalen Gesellschaftsrecht durchsetzt.

4. Eine ungerechtfertigte Besserstellung von EWR-Gesellschaften ist nicht zu erkennen. Der Beklagte behauptet auch gar nicht, dass eine solche bereits vorliege, sondern nur, dass eine geplante Gesellschaftsrichtlinie dazu führen werde. Eine solche in der Zukunft liegende Möglichkeit braucht aber bei der Beurteilung eines abgeschlossenen Sachverhaltes nicht weiter erörtert zu werden.

Zutreffend ist allerdings, dass die gegenwärtige Rechtslage die Folge hat, dass bereits innerhalb der EU eine Besserstellung der Gesellschaften (in Form weitergehender Freiheiten) existiert, die aus sogenannten Gründungstheoriestaaten stammen, im Vergleich zu den Gesellschaften, die aus sogenannten Sitztheoriestaaten stammen (Leible/H., RIW2002, 925, 933). Dieses Problem wird durch das EWR-Abkommen nur von der Zahl der Länder her erweitert, aber nicht geschaffen.

5. Das EWR-Abkommen mit Liechtenstein ist am 01.05.1995 in Kraft getreten.

Der Beklagte trägt dazu vor, dass aufgrund einer Übergangsbestimmung die Niederlassungsfreiheit im Verhältnis zu Liechtenstein bis zum 01.01.1998 eingeschränkt gewesen sei und deshalb zumindest der Rechtserwerb der Klägerin im Jahre 1997 nicht rechtmäßig gewesen sei mit der Folge, dass die Klägerin zumindest nicht aktivlegitimiert sei. Dies ist aus folgenden Gründen nicht zutreffend:

Tatsächlich wurde in dem Protokoll 15 "über Übergangszeiten für die Freizügigkeit" die Möglichkeit geschaffen, dass die EU-Staaten bis zum 01.01.1998 "die nationalen Bestimmungen beibehalten können, die für Einreise, Aufenthalt und Beschäftigung eine vorherige Bewilligung vorschreiben" (Art. 5). Damit sind aber offenbar nur die in Art. 28-30 des EWR-Vertrages genannten Freizügigkeitsbestimmungen für Arbeitnehmer und selbständige Erwerbstätige gemeint. Auch passen die Begriffe "Einreise", "Aufenthalt" und "Beschäftigung" nur auf natürliche Personen und nicht auch juristische Personen, deren Rechte nach dem EWR-Vertrag in Art. 34 geregelt sind. Es muss also davon ausgegangen werden, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Rechtserwerbes aktivlegitimiert war.

Die Klage hat demnach Erfolg.

Es besteht ein Anspruch der Klägerin aus dem ersten Darlehen und aufgrund der Abtretung vom 15.05.1997 dem Grunde nach. § 21 KO steht diesem Anspruch nicht entgegen, da es nur um Mietzahlungen aus der Zeit vor Konkurseröffnung geht. Die merkwürdig erscheinenden Vorgänge bezüglich des zweiten Darlehens (vgl. Bl. 30 d. A.) sind nicht entscheidungserheblich.

2. Zur Widerklage:

Das landgerichtliche Urteil ist abzuändern, soweit es der Widerklage stattgegeben hat, da diese unzulässig ist.

Die Widerklage ist ausdrücklich in Form einer Zwischenfeststellungsklage im Sinne des § 256 Abs. 2 ZPO erhoben worden (vgl. Bl. 539 d. A.). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift mögen vorliegen. Es ist jedoch zu beachten, dass auch eine Zwischenfeststellungsklage sich auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses beziehen muss. Unter "Rechtsverhältnis" im Sinne des § 256 ZPO wird die aus einem vorgetragenen Sachverhalt abgeleitete rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen oder zu einem Gegenstand verstanden (Luke in MünchKomm z. ZPO, 2. Aufl., 2000, § 256 Rn. 10). Fragen des Prozessrechtes gehören daher im Regelfall nicht zum Begriff des Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 ZPO (Baumbach-Lauterbach-Hartmann, ZPO, 31. Aufl., 2003, § 256 Rn. 7). Die Klage auf Feststellung rechtlich bedeutsamer Eigenschaften von Personen oder Sachen, wie z. B. der Rechts- oder Geschäftsfähigkeit, ist somit unstatthaft (Luke, a.a.O., § 256 Rn.25, Stein-Jonas-Schumann, ZPO, Bd. 3, 21. Aufl., 1997, Rn. 27). Nur dies ergibt Sinn. Durch eine Feststellungsklage soll im Regelfall die rechtliche Beziehung zwischen zwei Parteien in einem bestimmten Punkt (z. B. bezüglich des Vorliegens eines Vertragsverhältnisses) geklärt werden. Dabei handelt es sich dann im streitentscheidenden Teil im Regelfall um einen abgeschlossenen Sachverhalt, bezüglich dessen eine abschließende rechtliche Klärung sinnvoll und möglich ist. Die Frage der Rechts- und Parteifähigkeit einer Person kann dagegen durchaus wechseln. Eine abschließende Feststellung mit Wirkung für die Zukunft verbietet sich daher. Das Urteil der Berufungskammer des Landgerichtes in Limburg an der Lahn vom 25.10.2002 steht dem nicht entgegen, da eine Rechtskraftwirkung nur zwischen den Parteien des jeweiligen Rechtsstreites eintritt, § 325 ZPO.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Ziff. 10, 711 und 709 S. 2 ZPO.

Die Festsetzung der Beschwer beruht auf § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO.

Der Senat ist dabei von einem Streitwert der Zwischenfeststellungsklage in Höhe von 10.000,- € ausgegangen. Er hat dabei berücksichtigt, dass die beabsichtigte Feststellung der Rechts- und Parteiunfähigkeit weitergehende Bedeutung hat als das primäre Klagebegehren und somit einen zusätzlichen Streitgegenstand darstellt, der die Festsetzung eines Streitwertes bezüglich des überschießenden Teiles rechtfertigt (Schneider-Herget, Streitwertkomm, f. d. Zivilprozess, 11. Aufl., 1996, Rn. 5.201, Hillach/Rohs, Handbuch d. Streitwertes i. Zivilsachen, 9. Aufl., 1995, S. 77 ff). Dieses darüber hinausgehende Interesse war in Anbetracht des Umstandes, dass zwischen den Parteien weitere Ansprüche streitig sind, mit 10.000,-- € zu bewerten.

Die Revision war gemäß § 543 ZPO n. F. zuzulassen.

Die Rechtsfrage, ob eine Firma aus einem EWR-Staat sich hinsichtlich ihrer Rechts- und Parteifähigkeit auf das EWR-Abkommen berufen kann und gleich zu behandeln ist mit Firmen aus EU-Staaten, ist - soweit ersichtlich- bislang höchstrichterlich nicht entschieden worden. Da es sich um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung handelt, war die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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