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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 16.02.2001
Aktenzeichen: 24 U 128/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 138 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Ziff. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 128/99

Verkündet am 16.02.2001

In dem Rechtsstreit

Der 24. Zivilsenat in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.02.2001 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 29.03.1996 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels sind von dem Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger ist mit 10.696,68 DM beschwert.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger kann Ausgleich des von dem verstorbenen Bruder des Beklagten als Skontoabzug einbehaltenen 3 %igen Anteils aus der Zahntechnikervergütung nicht verlangen.

1. Zwar hat sich nicht ergeben, daß die Parteien des Werkvertrages - der Kläger und der verstorbene Bruder des Beklagten - eine ausdrückliche Skontoabrede getroffen hätten. Solches bestreitet der Kläger, und es hätte dem Beklagten oblegen, Beweis für eine dahingehende ausdrückliche Vereinbarung anzutreten, denn die Gewährung von Skonto ist rechtlich betrachtet Teilerlaß einer Forderung (BGH NJW 1998, 1302, Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl. 2001, § 157 Rz. 16), und für die tatbestandlichen Voraussetzungen des (teilweisen) Erlasses einer Schuldverpflichtung trägt der Schuldner die Beweislast (Heinrichs a. a. O. § 397 Rz 3).

2. Wohl aber haben sich die rechtlichen Wirkungen einer Skontoabrede daraus ergeben, daß der verstorbene Bruder des Beklagten bei jeder Zahlung auf die monatlichen Rechnungen des Klägers 3 % vom Rechnungsbetrag abzog, dies auch jeweils so auf dem Überweisungsträger vermerkte, und daß der Kläger dies hinnahm.

Der regelmäßig gleichartig - über fast zwei Jahre hin - vorgenommene, auf dem jeweiligen Überweisungsträger ausdrücklich so vermerkte Abzug von "3 % Skonto" beinhaltete das Angebot an den Kläger, den auf der Grundlage der vom Kläger in Rechnung gestellten Vergütungssätze abgeschlossenen Werkvertrag in dem Sinne abzuändern, daß der Kläger 3 % Skonto gewähren solle.

Diesen Antrag nahm der Beklagte schlüssig an. Nahm er nämlich über fast zwei Jahre hinweg - zu 22 Einzel-Monatsrechnungen - den Skontoabzug hin, ohne auch nur ein einziges Mal schriftlich zu widersprechen, zu mahnen oder gar Klage zu erheben, arbeitete er ganz unverändert für den Kunden weiter, so konnte und durfte der Kunde - der verstorbene Bruder des Beklagten - dem entnehmen, daß der Kläger den Skontoabzug zwar nicht aus eigenem Antrieb, aber nolens volens akzeptierte. Gerade die zuletzt genannte Anknüpfungstatsache, die Tatsache nämlich, daß der Kläger in ganz unveränderter Weise, äußerlich gleichsam "als ob nichts wäre" weiter für den Kunden arbeitete, erscheint dem Berufungsgericht in diesem Zusammenhang besonders bedeutsam, wäre es doch nichts als natürlich gewesen, wenn der Kläger die weiteren Leistungen eingestellt hätte, hatte er zum Ausdruck bringen wollen, daß er mit der vom Kunden eingeführten Preisbegrenzung nicht einverstanden gewesen.

Diese Wertung entspricht - was herauszustellen dem Berufungsgericht ungeachtet dessen angezeigt erscheint, daß nicht eine innere Haltung, vielmehr äußeres Verhalten auf seinen Erklärungswert hin zu beurteilen ist - auch dem, was der Kläger in seiner Anhörung vor dem Landgericht selbst beschrieben hat: Dort - Sitzung vom 05.02.1999, festgehalten auf Bl. 3 des Sitzungsprotokolls - hat er unter anderem ausgeführt, "Ich wollte keine Konfrontation, ich wollte eine solche vermeiden, deshalb mußte ich es akzeptieren."

Den im Sinne einer - sei es unerwünschten - Annahme des auf eine Begrenzung des Preises zielenden Angebots gerichteten äußeren Erklärungswert seines Verhaltens hat der Kläger gegenüber dem Kunden nicht dadurch in Frage gestellt, daß er mündlich gegen den Skontoabzug protestierte. Soweit er behauptet, anläßlich einer Auslieferung habe seine Mutter einmal den verstorbenen Bruder des Beklagten angesprochen und erklärt, sie fände es "nicht richtig", daß der Kunde regelmäßig Skonto absetze, bleibt dies schon deshalb ohne Belang, weil darin keine Erklärung des Klägers selbst lag. Wie er vor dem Landgericht - Bl. 2 des Sitzungsprotokolls vom 05.02.1999 - hervorgehoben hat, hatte er sie nicht autorisiert, den Zahnarzt in seinem Namen anzusprechen.

Was verbleibt, ist die in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht wiederholte Behauptung, der Kläger habe persönlich im Sommer oder Herbst 1996 im Verlaufe eines Telefongespräches erklärt, mit den Skontoabzügen nicht einverstanden zu sein. Hier mag dahingestellt bleiben, ob zu dieser Zeit nicht bereits exakt die rechtlichen Wirkungen eingetreten waren, die oben als Ergebnis eines fast zweijährig gleichartigen Verhaltens beider Seiten umschrieben sind, immerhin waren im "Sommer bzw. Herbst 1996" auch bereits 10 bis 14 Monate - gleichartigen Verhaltens - vergangen.

Aber schon ganz unabhängig hiervon kann die behauptete Äußerung des Klägers am Telefon schon deshalb die rechtliche Bewertung des Vorganges nicht beeinflussen, weil sie tatbestandlich nicht erwiesen ist. Die Zeugin ist von der Kammer zu dieser Behauptung vernommen worden, hat sie zwar im Grundsatz bestätigt, konnte aber zu dem entscheidenden Aspekt, wann das Telefongespräch geführt worden sei, nichts sagen. Dieser Aspekt ist deshalb entscheidend, weil es gerade die langfristig gleichartige Übung ist, die dem beiderseitigen Verhalten Erklärungscharakter gibt, schließt die in zeitlicher Hinsicht unbestimmte Aussage der Zeugin die Möglichkeit ein, daß das Telefongespräch bereits zu Anfang der Geschäftsbeziehungen, so etwa bereits nach der ersten "gekürzten" Überweisung geführt wurde, so wurde ein solcherart früher und einmaliger "Protest" den Erklärungswert des - folgerichtig anschließend - langfristig gleichartigen Verhaltens - natürlich - nicht ändern.

Dem Antrag des Klägers, die Zeugin zu diesem Punkt erneut zu vernehmen, sie insbesondere dahin zu befragen, ob sie sich nicht doch erinnern könne, daß das Gespräch "im Sommer bzw. Herbst 1996" stattgefunden habe, ist nicht nachzugehen. Die Zeugin wurde von der Kammer im Einzelnen über dieses Gespräch und seinen Zeitpunkt vernommen, hat sie damals ausdrücklich hervorgehoben, sie könne sich nicht erinnern, wann es gewesen sei, so spricht nichts dafür, sie werde es heute besser wissen. Mit dem Lauf der Zeit pflegt die Erinnerung an konkrete Vorgänge nicht besser zu werden, sie ist - im Gegenteil - Verfälschungen ausgesetzt Im Blick auf die gründliche Vernehmung der Zeugin exakt zu dem aus rechtlicher Sicht entscheidenden zeitlichen Aspekt übt das Berufungsgericht das im zur Frage einer etwaigen Wiederholung der Beweisaufnahme eingeräumte Ermessen (BGH NJW 1982, 108 BAG MDR 2000, 587, Alvers-Baumbach-Lauterbach-Alvers-Hartmann, ZPO, 59. Aufl. 2001, § 526 Rz 5) dahin aus, daß es von einer erneuten Zeugenvernehmung absieht.

4. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die in schlüssigem Verhalten gründende Skontoabrede nicht unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit - § 138 Abs. 1 BGB - nichtig. Zutreffend hebt der Kläger zwar hervor, daß - wofür die äußeren Umstände zu sprechen scheinen - eine ausdrückliche Skontoabrede in dem Sinne, wie der Beklagte sie in den Raum gestellt hat, sittenwidrig und damit nichtig wäre. Werden sich Zahntechniker und Zahnarzt nämlich darüber einig, daß der Zahntechniker regelmäßig den üblichen Vergütungssatz in Rechnung stellt und der Zahnarzt diesen Satz an die jeweils betroffenen Patienten - bzw. die für ihre Mitglieder eintretenden gesetzlichen Krankenkassen - "weiterreichen" in Wahrheit aber nicht die vollen in Rechnung gestellten Vergütungen zahlen soll, so hat eine solche Abrede betrügerischen Gehalt. Sie heißt in ihrem Kern nichts anderes, als daß der Zahnarzt mit ausdrücklicher Unterstützung des Zahntechnikers Aufwendungen abrechnen soll, die er in diesem Umfang in Wahrheit gar nicht gemacht hat.

Auf die Abrede, die "nur" durch schlüssiges Verhalten zustande gekommen ist, ist diese Wertung aber nicht zu übertragen. Ergibt sich der Sittenverstoß nicht bereits aus dem unmittelbaren Gehalt eines Rechtsgeschäfts, vielmehr seinen Gesamtumständen, so setzt das Verdikt der Sittenwidngkeit voraus, daß alle an dem Geschäft Beteiligten auch subjektiv sittenwidrig handeln, die Tatsachen, die die Sittenwidrigkeit begründen, in ihr Bewußtsein aufnehmen oder sie gleichsam bewußt von sich fernhalten (BGH NJW 1990, 568, 1992, 310, Palandt-Heinrichs, § 138 Rz 42).

Gerade solches aber charakterisiert das Verhalten des Zahntechnikers, der sich nolens volens mit Kürzungen abfindet, nicht. Hat er dem Zahnarzt mit keinem Wort zugeraten, anders abzurechnen als ihm gegenüber abgerechnet wurde, hat er vielmehr stillschweigend "die Waffen gestreckt", so muß und darf er es dem Zahnarzt überlassen, korrekt abzurechnen. Die passive Reaktion ist nicht durch das Bewußtsein gekennzeichnet, Dritten gegenüber werde nunmehr überhöht abgerechnet, vielmehr durch das Bewußtsein, die als gerechtfertigt angesehene Vergütung nicht durchsetzen zu können - im Zentrum steht der empfundene persönliche Verlust.

5. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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