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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 16.02.2006
Aktenzeichen: 24 W 11/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 185
Die klagende - die öffentliche Zustellung beantragende - Partei muss alle im bisherigen Lebenskreis des Zustellungsempfängers aufscheinenden Möglichkeiten einer Klärung seines derzeitigen Aufenthaltes nutzen und deshalb alles das tun, was eine verständige, an der wirtschaftlich sinnvollen Durchsetzung berechtigter Ansprüche interessierte Partei tun würde, gäbe es die Möglichkeit öffentlicher Zustellung nicht.
Gründe:

1.

Die Klägerin begehrt Rückerstattung von nach ihrer Auffassung ungerechtfertigt ausgezahlten Versicherungsleistungen.

Die Klage wurde nicht zugestellt; die Zustellungsurkunde kam unerledigt mit dem Postvermerk "Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" zurück.

Daraufhin stellte die Klägerin Einwohnermeldeamtsanfrage und schrieb die früheren Vermieter sowie Nachbarn des Klägers an. Die früheren Vermieter teilten mit, der Beklagte sei ausgezogen, habe bei einem Bekannten in einem Gartenhaus übernachtet, verfüge aber noch über eine - konkret bezeichnete - Postfachanschrift. Die Einwohnermeldeamtsanfrage ergab keine Kenntnis über eine neue Adresse des Beklagten.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht den auf der dargestellten Grundlage gestellten Antrag der Klägerin auf öffentliche Zustellung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde.

2.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, sind im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf öffentliche Zustellung eines bestimmenden Schriftsatzes strenge Maßstäbe anzulegen; denn eine vorschnelle Bewilligung der öffentlichen Zustellung würde den Anspruch des - in diesem Falle nur "fiktiven" - Zustellungsempfängers auf Gewährung rechtlichen Gehörs - Artikel 103 Abs. 1 GG - verletzen.

Zu Recht hat das Landgericht auch darauf hingewiesen, dass es - deshalb - für die Bewilligung der öffentlichen Zustellung von Klage oder Klagebegründung nicht ausreicht, dass der derzeitige Aufenthalt des Beklagten gerade der Klägerin nicht bekannt ist; der derzeitige Aufenthalt des Zustellungsempfängers muss vielmehr in einem viel weiteren Sinne unbekannt sein; unbekannt sein muss er im gesamten bisherigen Lebenskreis des Zustellungsempfängers. Dies umschreibt die Rechtsprechung herkömmlich mit dem Erfordernis, "niemand" dürfe den Aufenthalt des Zustellungsempfängers kennen (BGHZ 149, 314; OLG München FamRZ 1999, 446).

Die klagende - die öffentliche Zustellung beantragende - Partei muss deshalb alle im bisherigen Lebenskreis des Beklagten - des Zustellungsempfängers - aufscheinenden Möglichkeiten einer Klärung seines derzeitigen Aufenthaltes nutzen. Sie muss alles das tun, was eine verständige, an der wirtschaftlich sinnvollen Durchsetzung berechtigter Ansprüche interessierte Partei tun würde, gäbe es die Möglichkeit öffentlicher Zustellung nicht.

Eine in diesem Sinne wirtschaftlich vernünftig handelnde Partei würde sich dort, wo es um - wie hier - namhafte Ansprüche geht, nicht darauf beschränken, Nachbarn, Vermieter und das Einwohnermeldeamt anzuschreiben; sie würde vor allem in der Nachbarschaft persönlich vorstellig werden; denn es entspricht der Erfahrung, dass sich auf persönliche Nachfrage oft deutlich höhere Mitteilungsbereitschaft einstellt als auf lediglich schriftliche Anfragen. Hält - wie es für ein größeres Wirtschaftsunternehmen immerhin nicht fern läge - die an der Zustellung interessierte Partei die eigentlich persönliche Vorsprache in der bisherigen Umgebung des Zustellungsempfängers nicht für angebracht, so kann - und muss - sie sich fachkundiger Hilfe eines Privatdetektivs bedienen. Eine öffentliche Zustellung kommt erst dann in Betracht, wenn auf dieser Grundlage veranschaulicht werden kann, dass der bisherige Lebenskreis des Zustellungsempfängers "abgeschöpft" ist, ohne dass sich weiterführende Erkenntnisse ergeben haben.

Ende der Entscheidung

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