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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 23.10.2008
Aktenzeichen: 3 U 145/07
Rechtsgebiete: GOÄ


Vorschriften:

GOÄ § 6
GOÄ § 706
GOÄ § 1777
GOÄ § 1778
GOÄ § 1860
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Von der Darstellung des Sachverhaltes wird abgesehen, weil ein Rechtsmittel nicht eröffnet ist.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. SV1, auf deren Inhalt (Bl. 275 f d. A.) Bezug genommen wird.

Die Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung hat jedoch in der Sache nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg und ist im Übrigen unbegründet.

Der Erstattungsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 1 Ziffer 1, 1 a, 2 und § 4 AVB/KK 2000. Dass der Versicherungsfall eingetreten ist und dass die von Dr. A vorgenommene Behandlung eine notwendige bzw. geeignete Heilbehandlung darstellte, ist unstreitig. Eine Erstattung nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683, 670 BGB) führt schon aus grundsätzlichen Erwägungen zu keinem günstigeren Ergebnis für den Kläger. Denn erforderlich im Sinne von § 670 BGB können nicht die vom Arzt in Rechnung gestellten Beträge sein, sondern nur die tatsächlich gemäß der Gebührenordnung geschuldeten Beträge (BGH VersR 1998, 350; VersR 2002, 1545).

Die Fälligkeit der vorliegenden Rechnung wird nicht dadurch berührt, dass Dr. A möglicherweise falsche Gebührenziffern in Ansatz gebracht hat. Steht nämlich die Prüffähigkeit einer in Rechnung gestellten ärztlichen Leistung im Vordergrund, kommt es für die Fälligkeit der Forderung nicht darauf an, ob sich der vom Arzt in Anspruch genommene Gebührentatbestand als berechtigt erweist. Wenn es darum geht, welche Beträge bei zur Grundlegung anderer Gebührenziffern berechtigt wären, gebietet es der Sinn des gerichtlichen Verfahrens, hierüber auch dann eine Entscheidung zu treffen, wenn es nicht zur Beschränkung der Klageforderung und zur Aufstellung einer neuen Rechnung gekommen ist (BGH NJW - RR 2007, 237). So liegt der Fall hier, denn es geht nur um die Frage, welche Gebührenziffern Dr. A in Ansatz hätte bringen dürfen.

Die von ihm angewendete HIFU-Methode ist unstreitig im Gebührenverzeichnis der GOÄ nicht enthalten, sodass die Abrechnung nur unter Anwendung von § 6 Abs. 2 GOÄ (Gebühren für andere Leistungen) erfolgen kann. Danach können selbständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden.

Der Senat folgt in diesem Punkt dem Sachverständigen Prof. Dr. SV1, der in seinem Ergänzungsgutachten ausgeführt hat, die HIFU-Methode sei kein weltweit akzeptiertes Alternativverfahren und die Abrechnung nach Ziffer 1860 der GOÄ nicht nachvollziehbar. Die Novellierung der GOÄ enthalte keine Gebührenziffer für die HIFU-Methode und auch keine Legentierung. Die HIFU-Methode werde am ehesten durch Ziffern 1778, zusätzlich 1777 und 706 abgebildet. Dies seien vergleichbare Auswirkungen der Energiequellen auf das zu zerstörende Prostatakarzinomgewebe. Der Kosten- und Zeitaufwand könne über den GOÄ Steigerungssatz von 3,5 aufgefangen werden. Eine Abrechnung nach Gebührenziffer 1860 analog kommt danach nicht in Betracht. Diese Gebührenziffer betrifft die Zertrümmerung von Nieren und Gallensteinen. Entfernt wurden im vorliegenden Fall aber nicht Steine, sondern Gewebeteile, sodass die Operation ihrer Art nach mehr einer Teilresektion der Prostata entspricht.

Die Gebührenziffern 1778, 1777 und 706 ergeben einen Gesamtbetrag von Euro 384,64 (210,90 + 105,34 + 68,40). Erhöht man diesen Betrag anhand des 3,5fachen Steigerungssatzes, so ergibt sich ein Betrag von Euro 1.346,24. Da die Beklagte in ihrer Abrechnung Ziffer 1777 der GOÄ bereits in Ansatz gebracht hat, ist der hierauf entfallende 3,5fache Betrag (368,69 Euro) von dem errechneten Betrag von Euro 1.346,24 abzusetzen, sodass sich der aus dem Urteilstenor ersichtliche Betrag von Euro 977,55 ergibt, den der Kläger noch verlangen kann.

Die mehrfache Abrechnung einer Gebührenziffer (Hauptleistung), die Herr Dr. A vorgenommen hat, die aber tatsächlich nur einmal erbracht wurde, ist nicht statthaft. Dies hat der Sachverständige Prof. Dr. SV1 eindeutig festgehalten. Auch der im Parallelverfahren tätige Sachverständige SV2 hat eine mehrfache Berechnung nicht für statthaft erklärt. Der Kläger beanstandet zwar, weder der Sachverständige noch das Landgericht hätten eine Begründung für diese Ansicht gegeben; sie ergibt sich indessen aus der Natur der Sache. Eine tatsächlich nur einmal erbrachte Hauptleistung kann auch nur einmal abgerechnet werden. Tatsächlich anfallende (Mehr-)Kosten müssen im Rahmen der Steigerung des Gebührensatzes aufgefangen werden.

Auch die von dem Kläger geforderte Auslegung der GOÄ im Lichte von Artikel 12 des Grundgesetzes ergibt keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Hierzu hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 13.05.2004 (NJW-RR 2004, 1202) ausgeführt:

"Soweit das Berufungsgericht das Recht des Patienten auf Leben und körperliche Unversehrtheit betont und wegen der Berufspflichten und Grundrechte des Arztes die Pflicht des Staates, auch der Gerichte, hervorhebt, medizinischen Fortschritt nicht durch eine unangemessene Honorierung ärztlicher Leistungen zu behindern, werden Gesichtspunkte angesprochen, die der Verordnungsgeber bei seiner Tätigkeit im Augen haben muss, sich aber in dieser Allgemeinheit schwerlich für einen einzelnen Behandlungsfall nutzbar machen lassen. Es fehlt deshalb, soweit die Angemessenheit der Vergütung in Rede steht, an einer ausreichend begründeten und nachvollziehbaren Feststellung eines verfassungswidrigen Zustandes, der die Gerichte berechtigen könnte, die Grundlagen für eine Honorierung ärztlicher Tätigkeiten .... im Wege verfassungskonformer Auslegung beiseite zu schieben."

An einer solchen vom Bundesgerichtshof geforderten ausreichend begründeten und nachvollziehbaren Feststellung eines verfassungswidrigen Zustandes fehlt es auch hier. Allein die Erwägung, dass die GOÄ durch nicht ausreichende Kostendeckung medizinischen Fortschritt erschwert, vermag dies nicht zu rechtfertigen.

Auch die von dem Kläger vorgelegte Entscheidung des OLG Koblenz (10 U 1437/07 vom 11.7.2008, Bl. 298 f d. A.) zwingt nicht zu einer abweichenden Entscheidung. Das Landgericht Koblenz hatte die Klage abgewiesen, weil es die im Streit stehende HIFU-Methode für medizinisch nicht notwendig im Sinne der Versicherungsbedingungen hielt. Dies hatte die Beklagte bestritten, wie auch die gebührenrechtliche Ordnungsgemäßheit der Liquidation. Das OLG Koblenz hat die medizinische Notwendigkeit bejaht und zur Liquidation lediglich ausgeführt:

"Da somit der Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten für die von ihm gewählte Behandlungsmethode begründet ist, ist auf seine Berufung das landgerichtliche Urteil abzuändern und seiner Klage statt zu geben."

Das OLG Koblenz hat sich also mit der Frage der inhaltlichen Richtigkeit der Abrechnung des Dr. A überhaupt nicht auseinandergesetzt. Das Landgericht musste sich mit dieser Frage nicht auseinandersetzen, weil es bereits die medizinische Notwendigkeit der Behandlung verneint hatte.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen ihrer Zulassung (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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