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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 22.01.2008
Aktenzeichen: 3 U 83/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem fehlgeschlagenen Druckvergleich ("Monte Carlo - / Las-Vegas-Vergleich") in Anspruch, den die Prozessbevollmächtigten der Parteien am 1.12. 2004 unterzeichnet hatten und der auf Seiten der Beklagten als weitere Partei die Firma A auswies. Vorausgegangen waren Verhandlungen über streitige Forderungen der Klägerin aus gemeinsamen Bauvorhaben, u. a. in O1, die wegen eines Teilbetrages in Höhe von 173.296,78 € bereits durch ein erstinstanzliches Urteil des Landgerichts Mainz tituliert waren. Durch den Vergleich vom 1.12.2004 verpflichtete sich die Beklagte, 190.000 € bis zum 10.12.2004 (Freitag) auf das Konto der Bevollmächtigten der Klägerin zu zahlen. Für den Fall der Nichteinhaltung der Frist (Eingang auf dem Konto) war vereinbart, dass der zwischen den Parteien im Streit stehende Betrag in Höhe von insgesamt 546.492,86 € sofort fällig und unverzüglich zahlbar sein sollte.

Der Eingang der Zahlung auf dem vereinbarten Konto wurde von der Bank zum 13.12.2004 bestätigt, und zwar für 9:47 Uhr. Nachträglich erfolgte die Wertstellung zum 10.12.2004.

Die Klägerin hat zunächst im Urkundenprozess über einen Teilbetrag von 50.000 € ein Vorbehaltsurteil erwirkt und im Nachverfahren die Klage auf den nach dem Vergleich vom 1.12.2004 streitigen Gesamtbetrag abzüglich der erhaltenen 190.000 € erweitert.

Die Beklagte hat die Berechtigung des Zahlungsbegehrens nach dem Grundsatz von Treu und Glauben wegen der geringfügigen Überschreitung der Zahlungsfrist, die unter Berücksichtigung der Banktage nur 1 Std. und 47 Min. betrage, infrage gestellt.

Das Landgericht, auf dessen Feststellungen Bezug genommen wird, hat unter Bestätigung des Vorbehaltsurteils vom 29.10.2005 der Klage mit Urteil vom 20.2.2006 in vollem Umfang stattgegeben. Es hat insbesondere in der Geltendmachung der gesamten Forderung aus dem Vergleich keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gesehen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, die rechtzeitig eingelegt und rechtzeitig begründet worden ist. Die Beklagte beruft sich weiter auf den Grundsatz von Treu und Glauben, der angesichts der geringfügigen Verspätung die Geltendmachung des Gesamtbetrages aus Nr. 2 der Vereinbarung vom 1.12.2004 hindere. Das Klagebegehren sei auch deshalb treuwidrig, weil der Klägerin bekannt gewesen sei, dass die Zahlung von dritter Seite erfolgen sollte und deshalb eine Verzögerung nicht auszuschließen gewesen sei. Die Beklagte habe weder den vereinbarten Zahlungsbetrag noch die Bürgschaften aus eigenen Mitteln aufbringen können. Auch das sei der Klägerin bekannt gewesen. Es sei deshalb treuwidrig, wegen der äußerst geringfügigen Verzögerung, durch die der Klägerin keinerlei Schaden entstanden sei, die Gesamtforderung geltend zu machen. Der Vertreter der Klägerin habe auch zum Ausdruck gebracht, dass es nicht entscheidend auf das Zahlungsdatum, sondern auf die Zahlung selbst ankomme. Die Zahlung sei aber oder Zinsverlust für die Klägerin unstreitig erfolgt. Auch deshalb sei die Klägerin gehindert, weitergehende Ansprüche zu erheben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20.2.2006 (2-10 O 315/05) dahingehend abzuändern, dass das Vorbehaltsurteil vom 4.10.2005 aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen werde.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte nicht alles in ihrer Macht stehende getan habe, um den rechtzeitigen Eingang der Zahlung auf dem vereinbarten Konto sicherzustellen. Ihrer Auffassung nach liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nicht vor. Sie bestreitet, davon in Kenntnis gesetzt worden zu sein, dass die zur Erfüllung des Vergleichs erforderlichen Mittel von dritter Seite zur Verfügung gestellt werden sollten; vielmehr sei während der Vergleichsverhandlung zwar angesprochen gewesen, dass die Beklagte den Betrag angeblich nicht selbst aufbringen könne, es sei jedoch nicht daraufhingewiesen worden, dass die Zahlung des Vergleichsbetrages über einen Notar, den Streithelfer der Beklagten, erfolgen sollte. Etwaige Beteuerungen seitens der Beklagten seien von der Klägerin als allgemein üblicher Verhandlungstaktik betrachtet worden, die sich durch eigene Recherchen über die Zahlungsfähigkeit nicht bestätigt hätten. Eine etwaige Existenzbedrohung der Beklagten sei deshalb nicht erkennbar gewesen.

Im Berufungsverfahren ist zunächst gemäß Beweisbeschluss vom 11.5.2007 (Blatt 131 d.A.) zur Frage des Verschuldens der Beklagten bei der Verzögerung des Zahlungseingangs sowie zur Frage etwaiger Existenzbedrohung der Beklagten durch die Klageforderung gemäß Beschluss vom 21.12. 2007 (Blatt 365 d.A.) Beweis erhoben worden. Wegen der Ergebnisse wird auf die Protokolle vom 6.7.2007 (Blatt 257 ff d.A.) und 21.12.2007 (Blatt 365 ff d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung hat Erfolg.

Denn die Klägerin ist aufgrund der vorliegenden besonderen Umstände gehindert, die Nichteinhaltung der vereinbarten Zahlungsfrist durch Vergleich vom 1.1.2004 zum Anlass zu nehmen, die in dieser Vereinbarung festgelegte Gesamtforderung zu verlangen.

1. Zwar ist es grundsätzlich bei einer Fallgestaltung wie vorliegend, in der vergleichsweise der Verzicht auf einen Teil der zwischen den Parteien unstreitig gestellten Gesamtforderung durch eine Verfallklausel für den Fall nicht fristgerechter Zahlung vereinbart wird, verfehlt, die an den Eintritt der Bedingung geknüpften Folgen über eine Anwendung von § 242 BGB wieder aufzuheben, wenn die Verhinderung des Bedingungseintritts allein im Belieben des leistungspflichtigen Teiles liegt und der andere Partner keinen unzulässigen Einfluss auf den Eintritt der Bedingung genommen hat (BGH NJW 1980,1043). Der durch die Verfallklausel Begünstigte braucht nicht ein besonderes Interesse an der pünktlichen Einhaltung der vereinbarten Zahlungsfrist darzulegen. Es ist lediglich anerkannt, dass der Eintritt einer vereinbarten oder notwendigen Rechtsfolge aufgrund des Übermaßverbots nach Treu und Glauben als nicht geschehen betrachtet werden kann, wenn zum Beispiel nur ein geringfügiger Teil der geschuldeten Leistung nicht fristgerecht erbracht worden ist (BGH a.a.O.). Das kommt vorliegend nicht in Betracht. Eine Überschreitung des Übermaßverbots ist jedoch auch dann zu bejahen, wenn der Schuldner ohne eigenes Verschulden an der Erfüllung der ihn treffenden Leistungspflicht gehindert war (BGH a.a.O.; OLG Stuttgart MDR 2006,378) und wenn der Gläubiger der Leistung einen Vertrauenstatbestand dahin geschaffen hatte, dass er die Leistung noch als vergleichsgemäß anerkennen und aus einer Fristüberschreitung nicht die vereinbarten Folgen herleiten werde (BGH a.a.O.; NJW 2003,2448). Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Auf den Hinweisbeschluss vom 31.8.2007 wird zunächst Bezug genommen.

a) Die Beklagte hat nicht nachweisen können, dass sie alles ihr Mögliche getan hat, um den fristgerechten Eingang des Geldes bei der Klägerin zu gewährleisten. Insoweit er kann dahinstehen, ob sie sich ein etwaiges Verschulden des Notars, ihres Streithelfers, zurechnen lassen muss oder ob dieser nicht ihr Erfüllungsgehilfe, sondern lediglich Zahlstelle gewesen ist. Es ist ausschließlich auf das eigene Verschulden der Schuldnerin abzustellen, auch ein etwaiges Verschulden einer beteiligten Bank bleibt außer Betracht (OLG Stuttgart a.a.O.). Die Beklagte hat aber lediglich belegt, dass der mit der Zahlungsabwicklung beauftragte Notar, ihr Streithelfer, am 6.12.2004 der Fax eine Kopie des Druckvergleichs vom erstem 12. 2004 erhalten hat, ohne dass ein ausdrücklicher Hinweis auf die erforderliche punktgenaue fristgerechte Zahlung im Zusammenhang mit der schriftlichen Übermittlung angebracht war noch ein entsprechender ausdrücklicher und dringlicher mündlicher, gegebenenfalls telefonischer Hinweis dahingehend erfolgt ist. Die Beklagte hat auch nicht dargetan, dass sie vor Fristablauf am 10.12.2004 sich bemüht hätte, durch Rückfrage beim Notar oder bei der ausführenden Bank die Einhaltung der Zahlungsfrist sicherzustellen. Derartige Maßnahmen waren der Beklagten aber ohne weiteres möglich und zumutbar. Dadurch hätte sichergestellt werden können, dass die Überweisung an die Klägerin der Blitzgiro erfolgt wäre, wodurch wie ein ganz Buchung am selben Tag sichergestellt werden konnte, wie die dazu vernommenen Zeugin Z1 glaubhaft ausgesagt hat. Das Unterlassen notwendiger nachdrücklicher Hinweise und Kontrollen hinsichtlich der Fristeinhaltung war daher kausal für die verspätete Zahlung.

b) Die Klägerin hatte durch ihren späteren Prozessbevollmächtigten keinen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass sie bei nicht fristgerechter Zahlung nicht die vereinbarten Konsequenzen ziehen werde. Vielmehr hatte dieser nachweislich lediglich erklärt, auch eine spätere Zahlungsfrist als dem Vergleich vom erstem 12. 2004 vereinbart wäre in Betracht gekommen, daran wäre ein Vergleich nicht gescheitert. Hieraus kann lediglich entnommen werden, dass der im Vergleich vereinbarten Zahlungsfrist nicht die überwiegend entscheidende Bedeutung zukam, sondern die Zahlung selbst, nicht aber, dass die vereinbarte Zahlungsfrist unverbindlich sein sollte.

2. Die Klägerin ist gleichwohl gehindert, sich auf die vereinbarte Verfallklausel zu berufen.

a) Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Maßstab dafür, ob die Berufung auf eine Verfallklausel in einem Druckvergleich nach Treu und Glauben ausgeschlossen ist, dass Übermaßverbot. Dieses Verbot ist nicht betroffen, wenn eine Partei eines Vergleichs eine von ihr als Bedingung übernommene, termingebundene Zahlungsfrist, nicht einhält und die Gegenpartei daraus die vereinbarte Konsequenz einer weiteren Forderung zieht. Dies gilt unter der weiteren Voraussetzung, dass die Verhinderung des Bedingungseintritts (hier rechtzeitige Zahlung) allein im Belieben des leistungspflichtigen Teils liegt, d. h. der für die rechtzeitige Zahlung erforderliche Betrag zur Verfügung gestanden hat (BGH NJW 1980, 1042 zu II. 1b). Das war vorliegend aber gerade nicht der Fall. Die Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen Z2 hat aufgrund seiner glaubhaften Angaben ergeben, dass auf der Grundlage der ihm bekannten Bilanzen die Beklagte weder ausreichende Mittel für den vereinbarten Zahlbetrag noch die vereinbarten Bürgschaften zur Verfügung hatte. Die unbestritten gebliebenen Ausführungen des Streithelfers der Beklagten haben bestätigt, dass dieser erst am 9.12.2004 in der Lage gewesen ist, die ihm als Treuhänder obliegende Zahlung anzuweisen. Damit kann jedenfalls festgestellt werden, dass der Beklagten am 1.12.2007 und auch später nicht der vereinbarte Zahlungsbetrag zur freien Verfügung gestanden hat. Es stand deshalb nicht allein im Belieben der Beklagten, einen rechtzeitigen Zahlungseingang des vereinbarten Betrages bei der Klägerin sicherzustellen. Unstreitig hatte die Beklagte die Klägerin auch auf den Umstand hingewiesen, den Vergleichsbetrag nicht selbst aufbringen zu können, wenngleich die Klägerin insoweit von üblicher Verhandlungstaktik ausgegangen ist.

b) Dieser im Gegensatz zu den höchstrichterlich entschiedenen Fällen besonderen Situation steht gegenüber, dass eine unter Berücksichtigung der Banktage nur nach Stunden zu bemessende Verzögerung des Zahlungseingangs eingetreten ist, die zu keinerlei Schaden der Klägerin geführt hat. Die Klägerin hat überdies vor Vergleichsschluss zu erkennen gegeben, dass ihr in erster Linie an einer tatsächlichen Zahlung gelegen sei, dagegen deren Zeitpunkt auch für einen späteren Tag als den 10.12.2004 verhandelbar sei. Diese Konstellation erscheint dem Fall vergleichbar, dass entgegen einer durch Vergleich getroffenen Abrede von einem größeren Zahlungsbetrag lediglich kleine Teilbeträge verspätet gezahlt werden. Für diesen Fall hat auch der Bundesgerichtshof nicht in Frage gestellt, dass der Berufung auf eine in diesem Zusammenhang vereinbarte Verfallklausel das Übermaßverbot nach Treu und Glauben entgegensteht (NJW 1980, 1042).

c) Vorliegend ist aber darüber hinaus noch zu berücksichtigen und durch die glaubhaften Angaben des Zeugen Z2 bestätigt, dass Zahlungsunfähigkeit der Beklagten einträte, wenn sie aus eigenen Mitteln den vorliegend eingeklagten Betrag bestreiten müsse (Schr. vom 12.10.2007, Bl. 314 f d.A.). Zwar hat sich aus den weiteren Angaben des Zeugen auch ergeben, dass die Beklagte ihre operative Tätigkeit bereits eingestellt hat. Vor diesem Hintergrund ist der Frage der Existenzbedrohung nicht das gleiche Gewicht beizumessen wie bei einer werbend tätigen Gesellschaft mit zahlreichen Arbeitsplätzen. Hierauf kann es vorliegend jedoch deshalb nicht entscheidend ankommen, weil die vorliegend eingetretene Fristüberschreitung beim Zahlungseingang von banktäglich weniger als zwei Stunden, die nicht allein "im Belieben" der Beklagten gestanden hat, im Verhältnis zu den Folgen einer erweiterten Zahlungspflicht der Beklagten so gering wiegt, dass das Bestehen auf den Konsequenzen der vereinbarten Verfallklausel vom 1.12. 2004 durch das Übermaßverbot nach Treu und Glauben erfasst wird. Der Frage, ob die Einstellung des operativen Geschäfts bei Vergleichsschluss bereits bestand oder gerade auf dessen Fehlschlag in der Durchführung zurückzuführen gewesen ist, braucht daher nicht nachgegangen zu werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind vorliegend nicht erfüllt. Die Entscheidung betrifft insbesondere keine Fragen grundsätzlicher Bedeutung oder der Divergenz.

Ende der Entscheidung

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