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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 06.09.1999
Aktenzeichen: 3 W 36/99
Rechtsgebiete: VVG
Vorschriften:
VVG § 12 Abs. 3 | |
VVG § 15 a |
Oberlandesgericht Frankfurt Am Main Beschluß
3 W 36/99 2/14 O 504/98 LG Ffm.
In dem Prozeßkostenhilfeverfahren
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 6.9.1999 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. König-Ouvrier, den Richter am Oberlandesgericht Berkhoff und den Richter am Landgericht Stahl beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14.04.1999 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Frankfurt a.M. zurückverwiesen.
Das Landgericht Frankfurt am Main wird angewiesen, den Antrag auf Prozeßkostenhilfe nicht wegen Nichtwahrung der Klagefrist gemäß § 12 Abs. 3 VVG zurückzuweisen.
Gründe:
Die Antragstellerin beabsichtigt, gegen die Antragsgegnerin eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 800,00 DM nebst Zinsen aus dem Versicherungsvertrag mit der Antragsgegnerin aus dem Jahre 1985 (Kapitallebensversicherung und Berufsunfähigkeitszusatzversicherung) seit dem 01.02.1987 (Rentenanspruch bis 31.12.1998) 114.400,00 DM bis zum 65. Lebensjahr der Klägerin geltend zu machen. Weiterhin beabsichtigt sie, die von der Antragstellerin in der Zeit von Februar 1987 bis Mai 1989 erbrachten Beitragszahlungen in Höhe von 11.320,40 nebst Verzugszinsen zurückzufordern. Am 01.02.1987 wurde die Antragstellerin im Rahmen einer Straftat verletzt. Mit Schreiben Mit Schreiben vom 02.02.1988 stellte sie einen Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente bei der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin forderte zunächst bei der Antragstellerin die zur Leistungsgewährung notwendigen Unterlagen an. Am 22.11.1988 traf bei ihr der medizinische Befund der Hausärztin der Antragstellerin ein, die der Antragstellerin eine Berufsunfähigkeit in Höhe von 100% attestierte. Nach Eintreffen eines weiteren medizinischen Befundes der Praxis und Einholung eines Gutachtens seitens der Antragsgegnerin bei und Eingang des Gutachtens bei ihr am 24.01.1990, lehnte die Antragsgegnerin unter Bezug auf das Gutachten den Anspruch der Antragstellerin mit Schreiben vom 09.02.1990 ab. Dieses Schreiben enthält am Ende folgende Belehrung:
"Ausschlußfrist:
Falls Sie diese Entscheidung nicht akzeptieren, steht Ihnen das Recht zu, innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach Zugang dieses Schreibens einen vermeintlichen Anspruch dadurch geltend zu machen, daß Sie die Einberufung eines Ärzteausschusses verlangen oder Klage bei einem ordentlichen Gericht erheben. Andernfalls ist unsere Gesellschaft nach § 12 Abs. 3 des Versicherungsvertrages (VVG) auch schon in Folge des Fristablaufs von der Verpflichtung für Leistung frei."
Die Antragstellerin legte daraufhin mit Schreiben vom 27.02.1990 "Widerspruch" ein und begründete diesen damit, daß das Gutachten nicht beigefügt gewesen sei. Mit Schreiben vom 09.03.1990 überreichte die Antragsgegnerin der Antragstellern das Gutachten in Kopie und wies darauf hin, daß die Ausschlußfrist nicht unterbrochen sei.
Mit Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheids vom 21.12.1995 machte die Antragstellerin Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsrente seit 01.02.1987 in Höhe von unter anderem 85.600,00 DM geltend. Gegen einen später unter dem 10.12.1997 von der Antragstellerin erwirkten Mahnbescheid über unter anderem 115.320,40 DM wegen Berufsunfähigkeitsrente ab 01.02.1987 bis 31.10.1997 sowie Rückzahlung der Beiträge für den Zeitraum Februar 1987 bis Mai 1989 erhob die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 22.12.1997 Widerspruch.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat durch Beschluß vom 14.04.1999 der Antragstellerin die beantragte Prozeßkostenhilfe verweigert mit der Begründung, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da etwaige Ansprüche der Antragstellerin aus dem Versicherungsverhältnis gem. § 12 Abs. 3 VVG verfristet seien. Eine gerichtliche Geltendmachung sei innerhalb der Frist nicht erfolgt, die Belehrung sei auch nicht unwirksam, weil nicht auf die Möglichkeit der Einleitung eines Mahnverfahrens hingewiesen worden sei. Ein Mahnverfahren sei im Falle ernsthafter und endgültiger Leistungsablehnung sinnlos. Der wahlweise Hinweis auf die Möglichkeit der Anrufung eines Ärzteausschusses binnen gleicher Frist lasse auch die Wirkung der Leistungsablehnung nicht entfallen. Dies eröffne der Antragstellerin vielmehr eine zusätzliche Möglichkeit und weiche daher nicht zu ihrem Nachteil vom Gesetz ab.
Dagegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt und beantragt, ihr Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt zu bewilligen.
Sie ist der Auffassung, daß die Belehrung durch die Antragsgegnerin im Hinblick auf § 12 Abs. 3 VVG unrichtig gewesen sei. Deshalb habe die 6-Monatsfrist nicht zu laufen begonnen. Zudem werde zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 12 Abs. 3 VVG abgewichen, wenn wie hier an die Nichtanrufung des Ärzteausschusses innerhalb einer Frist von 6 Monaten die Rechtsfolge eines Anspruchsverlustes geknüpft werde. § 12 Abs. 3 sehe das Freiwerden des Versicherers nur für den Fall vor, wenn nach erfolgter Leistungsablehnung der Versicherungsnehmer lediglich die Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung habe und den Anspruch dann trotz einer entsprechenden Belehrung 6 Monate nicht gerichtlich geltend mache.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und stützt sich im wesentlichen auf den landgerichtlichen Beschluß.
Auf die zulässige Beschwerde der Antragstellerin war der Beschluß des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14.04.1999 aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Frankfurt am Main zurückzuverweisen.
Das Landgericht war anzuweisen, den Antrag auf Prozeßkostenhilfe der Antragstellerin nicht wegen Nichtwahrung der Klagefrist gem. § 12 Abs. 3 VVG zurückzuweisen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind mögliche Ansprüche der Antragstellerin nicht wegen § 12 Abs. 3 VVG ausgeschlossen. Die Belehrung durch die Antragsgegnerin ist nämlich unzureichend. Die im Ablehnungsschreiben vom 09.02.1990 enthaltene Belehrung ist jedenfalls hinsichtlich der Verweisung der Antragstellerin auf die Erhebung einer Klage insoweit unrichtig, als für die gerichtliche Geltendmachung des Leistungsanspruches im Sinne des § 12 Abs. 3 VVG auch die Beantragung eines Mahnbescheids ausreicht (vgl. insoweit OLG Hamm VersR 1990, 1230, 1232; OLG Hamm VersR 1990, 1344, 1345; OLG Hamm R+S 1995, 1; Prölls/Martin-Voit 26. Aufl., VVG § 6 BUZ Rn. 9). Diese fehlerhafte Belehrung ist nicht geeignet, die Frist des § 12 Abs. 3 VVG in Gang zu setzen. Auch im Rahmen der Berufsunfähigkeitszursatzversicherung ist ein Mahnbescheidsantrag wegen des Zwecks der Frist des § 12 Abs. 3 VVG ausreichend (vgl. Prölls/Martin-Voit a.a.O. Rn. 7). Die Belehrung braucht nur dann keinen Hinweis auf das Mahnverfahren zu enthalten, wenn ein solches schon aus Rechtsgründen nicht in Betracht kommt, wenn in Concreto als gerichtliche Geltendmachung nur eine Klage in Betracht kommt (z.B. nur ein Feststellungsbegehren).
Es steht nicht entgegen, daß die Antragstellerin vorliegend nur Rentenrückstände und Beitragsrückforderungen innerhalb der 6-Monatsfrist nach Leistungsablehnung durch die Antragsgegnerin im Mahnbescheidswege geltend machen konnte. Zwar muß nach § 12 Abs. 3 VVG der ganze abgelehnte Anspruch grundsätzlich geltend gemacht werden. Wird er nur teilweise geltend gemacht, so wird die Ausschlußfrist auch nur insoweit gewahrt, selbst dann, wenn nur über den Grund, nicht über die Höhe gestritten wird. Eine Ausnahme gilt aber grundsätzlich bei einer Geltendmachung von Rentenrückständen in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Hier ist klar, daß nur ein Teilanspruch geltend gemacht wird (vgl. BGH VersR 1991, 450). Dies reicht aus, um die Klagefrist nach § 12 Abs. 3 VVG zu wahren.
Der Auffassung des Landgerichts, daß ein Mahnverfahren im Falle ernsthafter und endgültiger Leistungsablehnung sinnlos sei, überzeugt nicht. Die Überlegung, daß der ablehnende Versicherer Widerspruch gegen den Bescheid einlegen wird, spielt keine Rolle, da es einfacher ist, die Frist durch Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides zu wahren, als durch Klageerhebung (vgl. Pröll/Martin/Prölls, a.a.O. § 12 VVG Rn. 36).
Auch wenn § 6 der Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nur die Geltendmachung des Anspruches durch Klage (neben Verlangens der Entscheidung des Ärzteausschusses) vorsieht, weicht die Antragsgegnerin zum Nachteil der Antragstellerin von § 12 Abs. 3 VVG ab, da die Verweisung auf eine Klage eine Erschwerung gegenüber der gerichtlichen Geltendmachung schlechthin enthält (vor allem im Hinblick auf das Mahnverfahren). Die Antragsgegnerin kann sich gemäß § 15 a VVG nicht auf diese Klausel berufen.
Offen bleiben kann, ob die Belehrung der Antragsgegnerin auch im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes in VersicherungsR 1991, 90 fehlerhaft ist und deshalb nicht geeignet war, die Frist des § 12 Abs. 3 VVG in Gang zu setzen. Die Antragsgegnerin hat nämlich dahingehend belehrt, daß die Antragstellerin innerhalb von einer Frist von 6 Monaten den Anspruch dadurch geltend zu machen hat, daß sie die Einberufung eines Ärzteausschusses verlangt oder Klage bei einem ordentlichen Gericht erhebt. Insoweit gilt, daß an sich eine Belehrung, deren Nichtbeachtung die Sanktion des Anspruchsverlusts für den Versicherungsnehmer nach sich zieht, einem Versicherer erst in dem Stadium erlaubt ist, in dem nach erklärter Leistungsablehung für den Versicherungsnehmer allein die Erhebung einer Klage in Betracht kommt, wenn er sich mit der Entscheidung seines Versicherers nicht abfinden will. Begibt sich der Versicherer aus dieser vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Position, indem er in seinen Versicherungsbedingungen nach Leistungsablehnung wahlweise die Anrufung eines Ärzteausschusses oder die unmittelbare Klageerhebung vorsieht, so erlaubt ihm § 15 a VVG erst wieder, die Waffe des § 12 Abs. 3 VVG zu führen, wenn das Stadium erreicht ist, in dem seine ablehnende Entscheidung nur noch im Klagewege bekämpft werden kann (vgl. BGH VersR 1991, 90, 92). Die Belehrung der Antragsgegnerin beachtet auch diesen Grundsatz nicht, so daß einiges dafür spricht, daß auch aus diesem Gesichtspunkt die Klagefrist nicht zu laufen begann. Diese Frage konnte aber letztlich offen bleiben, da die Belehrung, wie oben ausgeführt, schon aus anderen Gründen fehlerhaft war.
Da nach alledem die Klagefrist nach § 12 Abs. 3 VVG nicht abgelaufen ist, konnte aus diesem Grunde Prozeßkostenhilfe nicht versagt werden.
Da vorliegend aber weitere Ermittlungen nötig sind und Entscheidungsreife für den Prozeßkostenhilfeantrag noch nicht gegeben ist, war der Beschluß des Landgerichts Frankfurt am Main aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen (vgl. insoweit Zöller Phillippi, ZPO, 21. Aufl., § 127 RN. 37).
Die Antragstellerin bat bisher nicht substantiiert ihren Beruf und die daraus folgende Berufsunfähigkeit dargelegt. Die Beurteilung, ob der Versicherte berufsunfähig geworden ist, erfordert, daß die konkrete Ausgestaltung des von dem Versicherten zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles ausgeübten Berufs und die sich aus dieser Berufsausübung ergebenden Anforderungen substantiiert von der Antragstellerin dargestellt werden (vgl. BGHZ 119, 263 ff). Die Verweisung allein auf die Ausführungen im Gutachten des Sachverständigen S. 15 reichen nicht aus. Die Darlegungen sind zu pauschal. Auch die erforderliche Berufsunfähigkeit von mindestens 50% ist bisher zu pauschal dargetan. Auch spricht einiges dafür, daß Anspruch auf eine eventuelle Rente bzw. Beitragsfreiheit erst ab August 1988 bestehen kann. Gem. § 1 Ziff. 7 der Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung entsteht der Anspruch auf Beitragsfreiheit und Rente zwar grundsätzlich mit dem Ablauf des Monats, indem die Berufsunfähigkeit gem. § 2 eingetreten ist. Erfolgt die Anzeige gem. § 4 später als 3 Monate nach dem Eintritt der Berufsunfähigkeit, so beginnen Beitragsfreiheit und Rente mit Beginn des Monats der Anzeige. Demnach käme vorliegend möglicherweise erst ein Anspruch ab August 1988 in Frage. Auch zu den Zinsen fehlt es bisher an einer substantiierten Geltendmachung.
Ende der Entscheidung
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