Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 10.10.2004
Aktenzeichen: 3 Ws 1068/04
Rechtsgebiete: JGG


Vorschriften:

JGG § 58 III 2
1. Die Entscheidung über die Zweckmäßigkeit einer Zuständigkeitsübertragung nach § 58 III 2 JGG hat nach den Besonderheiten des Einzelfalls unter Abwägung der Entscheidungsnähe und der Kenntnis der Persönlichkeit des Verurteilten zu erfolgen.

2. Hält sich der Verurteilte längerfristig und dauernd in erheblicher Entfernung vom Bezirk des erkennenden Gerichts auf und ist nicht nur die Überwachung erteilter Auflagen, sondern auch deren Anpassung an die Entwicklung des Jugendlichen geboten, so ist der Jugendrichter am Wohnort und mit seinen ständigen Verbindungen zu Bewährungshelfer, Jugendgerichtshilfe und mit dem Verurteilten sonst befassten Institutionen für die Bewährungsüberwachung und die in deren Rahmen zu treffenden Entscheidungen berufen.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

3 Ws 1068/04

Entscheidung vom 10.10.2004

In der Jugenstrafsache

wegen räuberischer Epressung, hier: Übertragung der Bewährungsaufsicht,

hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Vorlage der 2. Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Fulda vom 2. September 2004 am 10. Oktober 2004 beschlossen:

Tenor:

Für die Entscheidungen, die infolge der Aussetzung der Vollstreckung der Jugendstrafe aus dem Urteil der 2. Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Fulda vom 2.11.2001 erforderlich werden, ist das Amtsgericht - Jugendrichterin - Königstein zuständig.

Gründe:

Durch Urteil der Kammer vom 2.11.2001, rechtskräftig am 15.5.2002, wurde gegen den Verurteilten wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung eine Jugendstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit wurde am ...11.2001 auf 3 Jahre bemessen, sie läuft also noch bis ....5.2005. Ferner wurde der Verurteilte der Leitung und Aufsicht eines Bewährungshelfers unterstellt und die Auflage erteilt, 20 Stunden gemeinnützige Arbeit "nach Weisung des Bewährungshelfers" zu erbringen, die er bisher nicht abgeleistet hat. Mit Beschluss vom 20.7.2002 hatte die Kammer die weiteren Entscheidungen, die infolge der Strafaussetzung erforderlich werden, mit Blick auf den damaligen Wohnort des Verurteilten in O1 auf den Jugendrichter des dortigen Amtsgerichts übertragen, der die Bewährungsaufsicht mit Beschluss vom 9.7.2002 übernahm. Der Verurteilte unterzog sich in der Folgezeit zunächst einer stationären Drogentherapie und wohnt nach deren Abschluss in der Therapeutischen Einrichtung O2, in der er bis zum Abschluss seiner 3 1/2 jährigen Ausbildung als Elektroinstallateur (derzeit ist er im 2. Lehrjahr) verbleiben wird.

Mit Beschluss vom 18.5.2004 übertrug daraufhin - auf Anregung des AG Bad Hersfeld, das nach zutreffender und vom Senat geteilter Ansicht selbst eine Weiterübertragung der Zuständigkeit nicht aussprechen konnte (vgl. BGH, MDR1986, 952; Brunner/Dölling, JGG, 11. Aufl., § 58 Rn 7; Eisenberg, JGG, 10. Aufl., § 58 Rn 39) - die Kammer die Bewährungsaufsicht an die Jugendrichterin des Amtsgericht Königstein. Diese lehnte die Übernahme mit Verfügung vom 26.8.2004 ab, woraufhin die Kammer die Sache dem gem. §§ 58 III 3, 42 III 2 JGG zuständigen Senat zur Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt hat.

Die Entscheidung über die Zweckmäßigkeit einer Zuständigkeitsübertragung nach § 58 III 2 JGG hat nach den Besonderheiten des Einzelfalls unter Abwägung der Gesichtspunkte der Entscheidungsnähe und der Kenntnis der Persönlichkeit des Verurteilten zu erfolgen (OLG Stuttgart, NStZ 1990, 358; OLG Zweibrücken, NStZ 2002, 498, 499). Ersterer gibt hier den Ausschlag.

Hält sich der Verurteilte längerfristig und dauernd in erheblicher Entfernung vom Bezirk des erkennenden Gerichts auf und ist nicht nur die Überwachung erteilter Auflagen, sondern auch deren Anpassung an die Entwicklung des Jugendlichen geboten, so ist der Jugendrichter am Wohnort mit seinen ständigen Verbindungen zu Bewährungshelfer, Jugendgerichtshilfe und mit dem Verurteilten sonst befassten Institutionen für die Bewährungsüberwachung und die in deren Rahmen zu treffenden Entscheidungen eher berufen (vgl. BGH bei Böhm, NStZ 1997, 483; Eisenberg § 58 Rn 37 und Brunner/Dölling, § 58 Rn 6a). So liegt die Sache hier.

Der Verurteilte wird noch längerfristig zu Ausbildungszwecken in O2 wohnen. Zwar endete die Unterstellung unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers mit Ablauf des ....5.2004 (§ 24 I 1 JGG), Der Verurteilte hält indes - freiwillig - noch Kontakt zu ihm. Es wird ferner darüber zu entscheiden sein, ob entweder die Bewährungsauflage dem Bestimmtheitsgebot entsprechend (vgl. hierzu Senat, NStZ-RR 1997, 2 -st. Rspr.) auszugestalten oder aber aufzuheben ist. Beides setzt im vorliegenden Einzelfall gerade Kenntnisse von örtlichen Gegebenheiten bzw. den engen Kontakt des Gerichts zum Bewährungshelfer oder zur Jugendgerichtshilfe voraus. Im ersteren Falle muss das Gericht, das bisher nur den Umfang der zu erbringenden Leistung bestimmt hat, noch die Zeit, innerhalb derer sie zu erfüllen ist, vor allem aber ihre Art und nach Möglichkeit auch den Ort ihrer Erbringung und die Institution, der sie zugute kommen soll, festlegen. Im zweiten müssen die zeitlichen Ressourcen, die dem Verurteilten neben seiner Ausbildung verbleiben, ermittelt und bewertet werden. Überdies erscheint trotz des beachtlichen Therapieerfolgs der Verurteilten seine weitere räumlich nahe gerichtliche Überwachung und "Begleitung" zur Vermeidung von Rückschlägen angezeigt.

Ende der Entscheidung

Zurück