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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 11.05.2007
Aktenzeichen: 3 Ws 470/07
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 140 |
Gründe:
Das Rechtsmittel ist zulässig.
Die Entscheidung des Vorsitzenden stellt eine gemäß § 304 I StPO beschwerdefähige Entscheidung dar (Senat, Beschluss vom 2.06.2005 - 3 Ws 533 - 534/05 - ständige Rechtsprechung). Dies gilt auch bei einer Entscheidung des Vorsitzenden während laufender Verhandlung (BGHSt 39, 310; Laufhütte, in: KK-StPO, 49. Auflage, § 141 Rn 10 mwN).
Die Beschwerde richtet sich zwar ausdrücklich nur gegen den Beschluss der Kammer vom 23.04.2007 und nicht gegen die Entscheidung des Vorsitzenden vom gleichen Tag. Dies ist jedoch unschädlich und berührt die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht. Denn von der Beschwerde sollte erkennbar auch die Entscheidung des Vorsitzenden erfasst sein, welche die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers abgelehnt hatte und durch den Kammerbeschluss lediglich bestätigt wurde. Dies gilt um so mehr, weil der Vorsitzende auch während laufender Hauptverhandlung allein für die Beiordnung des Pflichtverteidigers zuständig ist (§ 141 IV StPO) und eine Anrufung des Gerichts gemäß § 238 II StPO ausgeschlossen ist, weil diese Entscheidung keine die Sachleitung betreffende Anordnung darstellt (Laufhütte, § 141 Rn 13-14; § 140 Rn 28).
Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
Bei der Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nur darauf überprüft wird, ob der Vorsitzende die Grenzen seines Beurteilungsspielraums eingehalten hat (Meyer-Goßner, StPO, 49. Auflage, § 141 Rn 10 mwN). Eine Überschreitung ist nicht erkennbar.
Die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers kommt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Hierfür muss ein unabweisbares Bedürfnis bestehen. Dies ist dann anzunehmen, wenn eine ordnungsgemäße Verteidigung nur bei arbeitsteiligem Zusammenwirken zweier Verteidiger möglich erscheint (Senat, Beschluss vom 02.06.2005 - 3 Ws 533-534/05 mwN - ständige Rechtsprechung).
Hierauf beruft sich der Angeklagte indes nicht; die Voraussetzung ist auch nicht erfüllt. Es ist nicht einmal ansatzweise erkennbar, dass Rechtsanwalt ... allein nicht in der Lage sein könnte, den Prozessstoff zu bewältigen. Das auf circa vier Monate terminiert Verfahren ist zwar umfangreich und sowohl in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht komplex und schwierig, da drei Sachverhalte angeklagt sind, die voraussichtlich eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig machen werden. Auch lautet der Tatvorwurf unter anderem auf Mord, so dass im Verurteilungsfall gravierende Strafen zu erwarten sind. Anderseits ist das Verfahren aber nicht von einem solchen Umfange und einer derartigen Schwierigkeit, dass eine ordnungsgemäße Verteidigung allein durch Rechtsanwalt ... in Frage gestellt wäre.
Soweit der Beschwerdeführer sich auf die Grundsätze des fairen Verfahrens und des Gebots der Waffengleichheit bezieht, weil die Staatsanwaltschaft durch zwei Beamte vertreten ist, rechtfertigt dieser Umstand keine Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers.
Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass - obwohl kein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 II StPO vorliegt - die Bestellung eines Pflichtverteidigers aus Gründen des fairen Verfahrens und des Grundsatzes der Waffengleichheit geboten sein kann. Dies gilt namentlich, wenn der Antragsteller nicht über einen Verteidiger verfügt, wohl aber der Mitangeklagte (AG Saalfeld, StV 149, 604; NStZ 2002, 119; LG Oldenburg, StV 2001, 108), oder wenn dem Verletzten ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist bzw. sich der Nebenkläger auf eigene Kosten eines Rechtsanwaltes als Beistand bedient (OLG Saarbrücken, NStZ 2006, 718; Laufhütte, § 141 Rn 24).
All diesen Entscheidungen liegt zu Grunde, dass die Bestellung eines Pflichtverteidigers die ordnungsgemäße Verteidigung des Angeklagten sichern soll. Diese war in den entschiedenen Fällen deswegen nicht gewährleistet, weil der nicht verteidigte Angeklagte rechtlich und tatsächlich dem anwaltlich vertretenen Mitangeklagten oder Verletzten nicht gewachsen war, und auch - etwa was Akteneinsicht anbelangt - über geringere Verfahrensrechte verfügte. So liegt die Sache hier aber nicht, da der Angeklagte durch Rechtsanwalt ..., einen renommierten Verteidiger, der über die gleichen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten wie die Staatsanwaltschaft verfügt, hervorragend verteidigt ist.
Auch sonstige Einschränkungen der Verteidigungsfähigkeit des Angeklagten durch die Präsenz zweier Staatsanwälte sind nicht erkennbar. Weder gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Präsenz zweier Staatsanwälte das Gericht beeinflussen könnte. Noch ist erkennbar, dass sie geeignet wäre, Druck auf den Angeklagten auszuüben. Erst Recht dürfte sie den äußerst erfahrenen Verteidiger nicht in der Wahrnehmung seiner Rechte beeinträchtigen oder auch nur irritieren. Dies gilt um so mehr, als der Verteidiger einer solchen Situation nach eigenem Vorbringen nicht zum ersten Mal gegenübersteht. Zwar kann die Staatsanwaltschaft im Unterschied zur Verteidigung arbeitsteilig arbeiten. Dies lässt aber eine Behinderung der Fähigkeit des Angeklagten, sich zu verteidigen, oder auch nur eine Benachteiligung der Verteidigung nicht erkennen, da - wie ausgeführt - diese ohne weiteres von einer Person bewältigt werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 StPO.
Ende der Entscheidung
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