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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 15.09.2005
Aktenzeichen: 6 U 75/05
Rechtsgebiete: PflanzenschG, UWG


Vorschriften:

PflanzenschG § 11
UWG § 3
UWG § 4 Nr. 11

Entscheidung wurde am 27.10.2005 korrigiert: die Metaangabe Schlagworte wurde durch Stichworte ersetzt
Der Vertreiber eines Pflanzenschutzmittels, das weder im Inland noch im Ausland über eine eigene Zulassung verfügt, kann sich in einem Zivilrechtsstreit für die Identität mit einem wirkstoffgleichen, im Inland zugelassenen Pflanzenschutzmittels berufen, wenn die Zusammensetzung seines Produkts auch hinsichtlich der nach der Zulassung vorgesehenen Beistoffe und deren Gehalts gegeben ist. Andernfalls ist von dem Vertreiber des Pflanzenschutzmittels zumindest die Einholung einer Identitätsbescheinigung bei der Zulassungsbehörde zu verlangen.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist Inhaberin der nach dem Pflanzenschutzgesetz erteilten Zulassung für das Pflanzenschutzmittel "D" mit einem Wirkstoffgehalt von 100 g/l A. Die Antragsgegnerin vertreibt unter der Bezeichnung "F" ein nicht von der Antragstellerin stammendes Pflanzenschutzmittel mit dem selben Wirkstoff. Für dieses Mittel besteht keine gesonderte Zulassung nach dem Pflanzenschutzgesetz; die Antragsgegnerin beruft sich für die Verkehrsfähigkeit ihres Mittels vielmehr auf die der Antragstellerin erteilte Zulassung für "D".

Die Antragstellerin hat mit der Antragsschrift geltend gemacht, das Mittel der Antragsgegnerin sei nicht verkehrsfähig, da dessen Zusammensetzung insoweit von der zugelassenen Formulierung von "D" abweiche, als "F" den in der Zulassung enthaltenen Beistoff B überhaupt nicht und den Beistoff "E" (C...verbindung) zu einem wesentlich geringeren Anteil aufweise als in der Zulassung vorgesehen.

Das Landgericht hat der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung durch Beschluss untersagt, ein Insektizid zur Bekämpfung von beißenden und saugenden Insekten in Ackerbaukulturen mit dem Wirkstoff A 100 g/l anzukündigen, zu vertreiben, zu bewerben und/oder sonst wie in den Verkehr zu bringen, solange die chemische Zusammensetzung nicht mit der des Produktes "D..." der G GmbH identisch ist oder die Antragsgegnerin sich auf eine andere Zulassung nach dem Pflanzenschutzgesetz berufen kann. Hiergegen hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt. Sie hat bestritten, dass die Abweichungen vorhanden seien; im übrigen hat sie sich darauf berufen, diesen Abweichungen komme für die Wirksamkeit des Mittels keine Bedeutung zu. Im Widerspruchsverfahren hat die Antragstellerin weiter geltend gemacht, dem Mittel der Antragsgegnerin fehle außerdem das zur zugelassenen Formulierung gehörende H "I".

Mit Urteil vom 09.05.2005 hat das Landgericht die einstweilige Verfügung mit der Begründung bestätigt, das angegriffene Mittel weiche sowohl wegen des fehlenden Beistoffs B als auch wegen des zu niedrigen Gehalts an C...verbindungen vom Mittel der Antragstellerin ab. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Berufung. Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen beide Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen. Zusätzlich beanstandet die Antragstellerin, dass sich das Mittel der Antragsgegnerin auch hinsichtlich der Größe der Mikrokapseln in zulassungsrelevanter Weise vom Mittel der Antragstellerin unterscheide.

Nachdem die Antragstellerin in der Berufungserwiderung zunächst beantragt hat, die Berufung der Antragsgegnerin zurückzuweisen, beantragt sie nunmehr, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Unterlassungsausspruch der einstweiligen Verfügung lautet:

ein Insektizid zur Bekämpfung von beißenden und saugenden Insekten in Ackerbaukulturen mit dem Wirkstoff A 100 g/l anzukündigen, zu vertreiben, zu bewerben und/oder sonst in den Verkehr zu bringen, solange dieses Insektizid in seiner chemischen Formulierung und/oder Wirkung Abweichungen im Hinblick auf den Gehalt an B und/oder C...verbindungen und/oder H und/oder Größe der Mikrokapseln von der Formulierung aufweist, wie sie Gegenstand der Zulassung ... des Produktes "D" ist, oder die Antragsgegnerin sich auf eine andere Zulassung nach dem Pflanzenschutzgesetz berufen kann.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern, die Beschlussverfügung aufzuheben und den Eilantrag zurückzuweisen.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2 in Verbindung mit 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das von der Antragstellerin im Berufungsverfahren verfolgte Unterlassungsbegehren beinhaltet - soweit es über das vom Landgericht ausgesprochene Verbot hinausgeht - eine unzulässige Anschlussberufung.

1.

Soweit die Antragstellerin mit dem in der Senatsverhandlung gestellten Unterlassungsantrag verlangt, der Antragsgegnerin Angebot und Vertrieb des angegriffenen Pflanzenschutzmittels - unabhängig von den behaupteten Abweichungen hinsichtlich des Gehalts an B und C...verbindungen ("E") - auch zu untersagen, solange dieses Mittel nicht das H "I" enthält und/oder die Größe der Mikrokapseln nicht der Zulassung entspricht, liegt der Sache nach eine Anschlussberufung vor, die als unzulässig zurückzuweisen war.

Die Antragstellerin hat mit der Antragsschrift die mangelnde Verkehrsfähigkeit von "F" im Hinblick auf zwei von ihr geltend gemachte Abweichungen von der Zulassung für "D" - nämlich das Fehlen des Beistoffs B und den zu geringen Anteil an J - beanstandet. Entsprechend dieser Antragsbegründung hat das Landgericht der Antragsgegnerin mit der Beschlussverfügung vom 21.02.2005 - ungeachtet des antragsgemäß erlassenen, inhaltlich unscharfen Unterlassungstenors - der Sache nach Angebot und Vertrieb ihres Pflanzenschutzmittels untersagt, solange dieses Mittel auch nur eine dieser beiden Abweichungen von der Zulassung aufweist. Im Widerspruchsverfahren hat die Antragstellerin zwar weiter geltend gemacht, auch das Fehlen des Hs "I" stelle eine zulassungsrelevante Abweichung von "D" dar. Sie hat diesen Gesichtspunkt jedoch nicht zum Anlass für eine Erweiterung ihres Unterlassungsbegehrens über das vom Landgericht mit der Beschlussverfügung erlassene Verbot hinaus genommen, sondern lediglich die Bestätigung dieser Beschlussverfügung beantragt. Richtigerweise hat sich daher auch das Landgericht mit der erst im Widerspruchsverfahren angesprochenen weiteren Abweichung nicht befasst und die Bestätigung der einstweiligen Verfügung allein mit dem fehlenden B und dem zu geringen Anteil an J begründet.

Mit der Berufungserwiderung hat die Antragstellerin zwar über die Verteidigung des angefochtenen Urteils hinaus die bereits erstinstanzlich erhobene Beanstandung wiederholt, dass dem Mittel der Antragsgegnerin auch das H "I" fehle. Weiter hat sie erstmals geltend gemacht, auch hinsichtlich der Größe der Mikrokapseln weiche das beanstandete Mittel von der Zulassung für "D" ab. Aus dem zugleich angekündigten Antrag, die Berufung der Antragsgegnerin gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen, ergab sich jedoch, dass die Antragstellerin mit der Berufungserwiderung nicht beabsichtigt hat, weitere, über den Inhalt des vom Landgericht ausgesprochenen Verbots hinausgehende Unterlassungsansprüche zum Gegenstand des Berufungsverfahrens zu machen. Dies ist vielmehr erst geschehen, als die Antragstellerin in der Senatsverhandlung nach Erörterung der Antragsfrage den zuletzt gestellten Unterlassungsantrag formuliert hat. Aus diesem Antrag ergibt sich durch die gewählte "und/oder"-Verknüpfung der im einzelnen aufgeführten Abweichungen, dass der Antragsgegnerin nunmehr Angebot und Vertrieb des beanstandeten Mittels nicht nur untersagt werden soll, solange - was der Sache nach dem Verbotstenor des landgerichtlichen Urteils entspricht - dieses Mittels hinsichtlich des Gehalts an B und J von der Zulassung für "D" abweicht, sondern dass das Verbot darüber hinaus auch für den Fall gelten soll, dass das Mittel hinsichtlich des Gehalts an dem H "I" und hinsichtlich der Größe der Mikrokapseln der Zulassung nicht entspricht.

In dieser Geltendmachung weiterer Unterlassungsansprüche durch die Antragstellerin liegt eine Antragsänderung (§ 263 ZPO), die der Berufungsbeklagte nur im Rahmen einer Anschlussberufung (§ 524 ZPO) vornehmen kann (vgl. Senat Urteil vom 29.04.2004 - 6 U 35/03). Die Anschlussberufung verlangt insbesondere keine Beschwer und kann auch dazu eingesetzt werden, nach vollem Obsiegen in erster Instanz weitere Ansprüche geltend zu machen (vgl. Baumbach/Lauterbach, ZPO, 63. Auflage, Rdz. 9 zu § 24 m.w.N.). Dass der Berufungsbeklagte eine Klageänderung nicht außerhalb einer Anschlussberufung vornehmen kann (vgl. ZPO-Münchener Kommentar-Rimmelspacher, 2. Auflage - Aktualisierungsband, Rdz. 11 zu § 533; zur Anschlussberufung bei Antragserweiterung durch den in erster Instanz obsiegenden Kläger vgl. auch BGH WRP 98, 1071, 1072 - Patientenwerbung), folgt daraus, dass es der Berufungskläger in der Hand haben muss, durch Rücknahme seiner Berufung das Berufungsverfahren zu beenden und eine etwaige Anschlussberufung wirkungslos werden zu lassen (§ 524 Abs. 4 ZPO). Mit der Funktion des Berufungsverfahrens wäre es unvereinbar, wenn dieses Verfahren trotz Rücknahme der gegen das angefochtene Urteil eingelegten Berufung allein mit dem Ziel weiter geführt werden müsste, über einen vom Berufungsbeklagten erstmals in der Berufungsinstanz eingeführten Streitgegenstand zu entscheiden.

Im vorliegenden Fall war die Frist zur Einlegung der Anschlussberufung (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO) jedoch bereits abgelaufen, als die Antragstellerin in der Senatsverhandlung ihren Eilantrag in der dargestellten Form geändert und erweitert hat. In diesem Umfang war der Eilantrag daher als unzulässig zurückzuweisen.

Soweit die Antragstellerin die Verkehrsfähigkeit des beanstandeten Mittels von einer bestimmten Größe der Mikrokapseln abhängig machen will, hätte der Eilantrag im übrigen auch in der Sache keinen Erfolg haben können; denn die Antragstellerin hat nicht dargetan, dass die Größe der Mikrokapseln überhaupt Gegenstand der für "D" erteilten Zulassung ist.

2.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin gegen das angefochtene Urteil hat in der Sache keinen Erfolg. Der Antragstellerin steht der vom Landgericht zuerkannte Unterlassungsanspruch in der Form des vom Senat nunmehr formulierten Unterlassungstenors aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG in Verbindung mit § 11 Pflanzenschutzgesetz zu.

Dem angegriffenen Pflanzenschutzmittel "F" der Antragsgegnerin fehlt mangels Zulassung nach § 11 Pflanzenschutzgesetz die erforderliche Verkehrsfähigkeit in Deutschland, da seine Zusammensetzung zum einen hinsichtlich des erforderlichen Gehalts an B und zum anderen hinsichtlich des erforderlichen Gehalts an der C...verbindung "E" nicht der Zulassung entspricht, die der Antragstellerin für ihr Pflanzenschutzmittel "D" erteilt worden ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 94, 832 - Zulassungsnummer I; GRUR 96, 372 - Zulassungsnummer II; WRP 03, 268 - Zulassungsnummer III), von der abzuweichen der Senat im vorliegenden Verfahren keinen Anlass sieht, hat derjenige, der in Deutschland ein Pflanzenschutzmittel vertreiben möchte, die Möglichkeit, sich hierzu - ohne Durchführung eines eigenen Zulassungsverfahrens - auf die bereits bestehende Zulassung eines anderen Unternehmens zu beziehen, soweit das Mittel mit der in dieser Zulassung zugelassenen Formulierung identisch ist. Dies ergibt sich aus dem allein produktbezogenen Charakter der Zulassung nach § 11 Pflanzenschutzgesetz, der insbesondere dazu führt, dass die Verkehrsfähigkeit eines Pflanzenschutzmittels unter Ausnutzung einer erteilten Zulassung durch ein anderes Unternehmen als den Zulassungsinhaber unabhängig davon besteht, ob das Mittel - etwa weil es sich um einen Re- oder Parallelimport handelt - vom Inhaber der Zulassung hergestellt worden ist. Ebenso wenig ist erforderlich, dass das in Rede stehende Mittel in einem anderen Land - insbesondere der Europäischen Union - zugelassen ist. Nach dem vom Bundesgerichtshof (vgl. a.a.O. - Zulassungsnummer II) angestellten Erwägungen zur Funktion der Zulassung nach § 11 Pflanzenschutzgesetz reicht es für die Ausnutzung einer fremden Zulassung vielmehr aus, dass die Zusammensetzung des fraglichen Mittels mit der in der Zulassung vorgesehen Formulierung identisch ist. Voraussetzung für die Verkehrsfähigkeit ist dabei auch nicht, dass die Identität des Mittels mit der zugelassenen Formulierung zuvor von der Zulassungsbehörde überprüft und festgestellt worden ist. Ungeachtet des Umstandes, dass das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) als zuständige Zulassungsbehörde ein solches, zur Erteilung einer Identitätsbescheinigung führendes Verfahren anbietet (vgl. Schreiben des BVL vom 24.04.2003, Bl. 124 d. A.; BGH a.a.O. - Zulassungsnummer II), ist das Durchlaufen dieses Verfahrens kein zwingendes Erfordernis für die Verkehrsfähigkeit; vielmehr kann der Vertreiber des Mittels den Identitätsnachweis - insbesondere in einem Rechtsstreit - auch auf andere Weise führen (vgl. BGH a.a.O.).

Von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch nicht geklärt ist allerdings die Frage, welche Anforderungen an die "Identität" der Zusammensetzung eines bestimmten Pflanzenschutzmittels mit der in einer bestimmten Zulassung vorgesehenen Formulierung (im folgenden verkürzt als "Produktidentität" bezeichnet) im einzelnen gestellt werden müssen. In den genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs war die Produktidentität entweder unstreitig (BGH a.a.O. - Zulassungsnummer I und III) oder wurde im Revisionsverfahren unterstellt (BGH a.a.O. - Zulassungsnummer II).

Der Europäische Gerichtshof hat in einer Entscheidung vom 11.03.1999 - C-100/96 (SLG.99, Seite I - 01499) die Produktidentität als gegeben angesehen, wenn "die beiden Pflanzenschutzmittel, ohne in allen Punkten übereinzustimmen, zumindest nach der gleichen Formel und unter Verwendung des gleichen Wirkstoffs hergestellt wurden und überdies die gleichen Wirkungen haben, wobei etwaige Unterschiede bei den für die Anwendung des Mittels relevanten Bedingungen in Bezug auf Landwirtschaft, Pflanzenschutz und Umwelt - einschließlich der Witterungsverhältnisse - zu berücksichtigen sind" (a.a.O. Nr. 33). Welche Abweichungen etwa in den verwendeten Beistoffen nach dieser vom Europäischen Gerichtshof geprägten Formel noch hinnehmbar sind, um gleichwohl von einer Produktidentität ausgehen zu können, kann im vorliegenden Fall dahinstehen, da nach Auffassung des erkennenden Senats der vom Europäischen Gerichtshof in seiner Entscheidung angewandte "erweiterte" Identitätsbegriff im vorliegenden Zusammenhang keine Anwendung finden kann.

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Artikel 234 EG ergangen, in dem sich die Frage stellte, unter welchen Voraussetzungen die zuständige Behörde eines Mitgliedsstaats das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels genehmigen kann, das aus einem Mitgliedsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums oder aus einem Drittland importiert wurde, in dem sein Inverkehrbringen bereits genehmigt worden war, und das sie als identisch mit dem Mittel ansieht, für das sie eine Genehmigung für das Inverkehrbringen bereits erteilt hat (EuGH a.a.O., Nr. 21). Diese Fallgestaltung ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass das auf seine Identität mit der im Inland zugelassenen Formulierung zu prüfende Pflanzenschutzmittel im Ausland bereits zugelassen worden ist. Damit ist das in Rede stehende Mittel jedenfalls bereits einer Prüfung auf seine Unbedenklichkeit hin unterzogen worden. Außerdem lässt sich aus der im Ausland erteilten Zulassung die Zusammensetzung des Mittels ersehen, was einen Vergleich mit der Formulierung des im Inland zugelassenen Mittels erleichtert. Schließlich ist in der vom Europäischen Gerichtshof zugrunde gelegten Fallgestaltung mit der Identitätsprüfung die zuständige Zulassungsbehörde und damit eine Instanz befasst, die aus eigener Sachkunde die Auswirkungen zu beurteilen weiß, die sich aus etwaigen Unterschieden in der Zusammensetzung der zu vergleichenden Mittel auf deren Wirkungen ergeben können. Diese Umstände lassen es in ihrer Gesamtheit auch unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Sicherheit von Pflanzenschutzmitteln als gerechtfertigt erscheinen, bei der Prüfung der Produktidentität denjenigen Spielraum einzuräumen, der sich in der vom Europäischen Gerichtshof gefundenen Formulierung wiederfindet.

Demgegenüber stellt sich die Ausgangssituation in Fällen der vorliegenden Art anders dar. Zunächst verfügt das Erzeugnis der Antragsgegnerin gerade nicht über eine speziell für dieses Mittel im Ausland erteilte Zulassung, so dass von einer gewissen "Vermutung der Unbedenklichkeit" nicht ohne weiteres ausgegangen werden kann und auch keine Zulassungsunterlagen vorhanden sind, anhand derer die Identitätsprüfung vorgenommen werden könnte. Darüber hinaus ist ein Zivilgericht im Gegensatz zur zuständigen Zulassungsbehörde aus eigener Sachkunde regelmäßig nicht in der Lage, diejenigen technischen und naturwissenschaftlichen Zweifelsfragen zu beurteilen, die sich bei der Anwendung des "erweiterten" Identitätsbegriffs entsprechend der vom Europäischen Gerichtshof geprägten Formel stellen können. Dieses Erkenntnisdefizit kann - insbesondere im Eilverfahren - auch durch Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe in der Regel nicht befriedigend ausgeglichen werden. Aus diesen Gründen kann sich der Vertreiber eines im Inland nicht - gesondert - zugelassenen Pflanzenschutzmittels, dessen Identität mit einer bereits zugelassenen Formulierung von der Zulassungsbehörde noch nicht überprüft worden ist, in einem Zivilrechtsstreit grundsätzlich nur dann auf diese andere Zulassung berufen, wenn die Zusammensetzung seines Mittels in jeder Hinsicht mit derjenigen Formulierung übereinstimmt, die Gegenstand der erteilten Zulassung ist; dies schließt insbesondere auch eine Identität hinsichtlich der nach der Zulassung vorgesehenen Beistoffe und deren Gehalts ein. Denn nur unter dieser Voraussetzung wäre es als eine im Hinblick auf die Wahrung der Sicherheit von Pflanzenschutzmitteln entbehrliche Förmelei anzusehen, vom Vertreiber auch noch die Einholung einer Identitätsbescheinigung bei der Zulassungsbehörde zu verlangen.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt fehlt dem angegriffenen Pflanzenschutzmittel der Antragsgegnerin - jedenfalls in der mit dem Eilantrag ursprünglich angegriffenen Zusammensetzung - die erforderliche Verkehrsfähigkeit, weil es sowohl wegen des Fehlens des Beistoffs B als auch wegen des zu geringen Anteils an der C...verbindung "E" der für "D" erteilten Zulassung nicht entspricht.

Die Antragstellerin hat durch Vorlage des Zulassungsbescheides für "D" vom 16.03.2001, eines entsprechenden Auszugs aus den Anmeldeunterlagen sowie eines Schreibens des BVL vom 04.08.2005 glaubhaft gemacht, dass zur zugelassenen Formulierung als Beistoffe u.a. B mit einem Anteil von 10,49 g/l und die C...verbindung "E" mit einem Anteil von 8,06 g/l gehören. Das von der Antragstellerin mit dem Eilantrag angegriffene Mittel "F" der Antragsgegnerin enthielt unstreitig kein B. Weiter hat die Antragstellerin durch Vorlage der Untersuchungsergebnisse gemäß Anlage EV 3 glaubhaft gemacht, dass das Erzeugnis der Antragsgegnerin die C...verbindung "E" jedenfalls bei weitem nicht in der nach der Zulassung erforderlichen Menge aufwies; die Antragsgegnerin hat in der Senatsverhandlung im übrigen selbst nicht behauptet, dass ihrem Mittel die C...verbindung "E" überhaupt zugesetzt worden sei. Damit kann nach den oben dargestellten Grundsätzen von einer Produktidentität nicht ausgegangen werden, ohne dass es für die Entscheidung auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage ankommt, welche Bedeutung den in Rede stehenden Beistoffen für die Wirkung des Pflanzenschutzmittels beizumessen ist.

Mit Angebot und Vertrieb des mangels Zulassung nach § 11 Pflanzenschutzgesetz nicht verkehrsfähigen Pflanzenschutzmittels verstößt die Antragsgegnerin zugleich gegen § 3, 4 Nr. 11 UWG; insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen werden.

Bei der Fassung des Unterlassungstenors hat der Senat sich an dem von der Antragstellerin zuletzt gestellten Unterlassungsantrag - soweit er die Abweichungen hinsichtlich der Beistoffe B und "E" betrifft - orientiert und zusätzlich im Rahmen von § 938 ZPO den Anteil, zu dem diese Beistoffe nach der Zulassung in dem Mittel enthalten sein müssen, konkretisiert. Der Senat sieht sich nach dem Vortrag der Parteien in der mündlichen Verhandlung zu diesem Punkt nicht in der Lage, die mögliche produktionsbedingte Schwankungsbreite, innerhalb derer Abweichungen von den Gehaltsangaben in der Zulassung unvermeidbar und daher hinzunehmen sind, im Unterlassungstenor konkret zu bestimmen. Diese Frage muss daher gegebenenfalls einer Klärung in einem etwaigen Vollstreckungsverfahren vorbehalten bleiben.

Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass sich eine Abweichung von bis zu 20% jedenfalls noch innerhalb dieser Schwankungsbreite halten würde.

Die Kostenentscheidung beruht für das erstinstanzliche Verfahren auf § 91 Abs. 1 ZPO und für das Berufungsverfahren auf § 92 Abs. 1 ZPO. Bei der vorgenommenen Kostenquotelung war zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin auch im Berufungsverfahren mit dem wesentlichen Teil ihres Unterlassungsbegehrens durchgedrungen ist.

Ende der Entscheidung

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