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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 24.10.2006
Aktenzeichen: 6 WF 189/06
Rechtsgebiete: KostO, RVG


Vorschriften:

KostO § 100 a Abs. 1
RVG § 18
Verlängerungsanträge in Gewaltschutzsachen erfüllen den Gebührentatbestand des § 100 a Abs. 1 KostO erneut. § 18 Ziff. 2 RVG ist in diesen Hauptsacheverfahren weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.
6 WF 184/06 6 WF 189/06

Gründe:

Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Darmstadt vom 13.10.2005 erging eine Gewaltschutzanordnung, mit der u.a. der Antragstellerin die ehemalige Ehewohnung zur alleinigen Nutzung zugewiesen wurde. Die Anordnung war bis zum 28.02.2006 befristet.

Mit Schriftsatz vom 21.12.2005 beantragte die Antragstellerin, diese Befristung aufzuheben und um weitere 6 Monate zu verlängern. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 16.02.2006 wurden die Gewaltschutzanordnungen dementsprechend bis zum 31.08.2006 verlängert.

Den vorgenannten Entscheidungen waren jeweils Prozesskostenbewilligungen für beide Parteien vorausgegangen, die Gegenstandswerte für das ursprüngliche Hauptsacheverfahren und für das Verfahren betreffend den Verlängerungsantrag wurden mit jeweils 3.000,00 EUR festgesetzt.

Nach Erlass des Beschlusses vom 13.10.2005 haben die beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten der Parteien ihre Prozesskostenhilfe-Vergütungen mit jeweils 571,30 EUR abgerechnet und entsprechende Zahlungen erhalten.

Auf den Verlängerungsbeschluss vom 16.02.2006 haben die Verfahrensbevollmächtigten erneut jeweils 571,30 EUR als Vergütung geltend gemacht und erhalten.

Mit Beschlüssen vom 17.08.2006 hat die Rechtspflegerin die Prozesskostenhilfe-Vergütung jeweils für beide Verfahrensbevollmächtigte auf (insgesamt) 675,70 EUR festgesetzt und die Rückforderung überzahlter Vergütung in Höhe von jeweils 466,90 EUR angekündigt. Die Rechtspflegerin hat entsprechend der Auffassung der Bezirksrevisorin die Entscheidungen des Amtsgerichts vom 13.10.2005 und vom 16.02.2006 als eine Angelegenheit angesehen und die Vergütungen aus einem einheitlichen Gegenstandswert von 6.000,00 EUR errechnet.

Auf die als Beschwerde bezeichneten Erinnerungen der Verfahrensbevollmächtigten hat die Rechtspflegerin nach Ablehnung der Abhilfe die Angelegenheiten dem Abteilungsrichter zur Entscheidung vorgelegt.

Gegen die Zurückweisung der Rechtsbehelfe durch Beschlüsse des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 05.09.2006 wenden sich die sofortigen Beschwerden der Verfahrensbevollmächtigten - eingegangen bei dem Amtsgericht am 12.09.2006 und am 15.09.2006. Das Amtsgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen.

Die zulässigen Beschwerden (§§ 55, 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3, Abs. 4 RVG) sind begründet.

Bei den Verfahren, gerichtet auf Erlass der Gewaltschutzanordnung und auf Verlängerung der Befristung dieser Anordnung handelt es sich um zwei unabhängige, jeweils die Vergütungen auslösende Tatbestände.

Für die Entscheidung in Familiensachen nach § 621 Abs. 1 Ziffer 13. ZPO, also für die Hauptsacheentscheidung nach dem Gewaltschutzgesetz wird eine Entscheidungsgebühr erhoben (§ 100 a Abs. 1 KostO).

Fristverlängerungen betreffend die angeordneten Maßnahmen zum Gewaltschutz sind demgegenüber Änderungsentscheidungen im Sinne des § 18 Abs. 1 FGG und erfüllen damit den Gebührentatbestand des § 100 a Abs. 1 KostO erneut (Gerhardt/Keske, Handbuch d. Fachanwalts f. FamR, 5. Auflg., 17. Kapitel, Rdn. 236).

Erforderlich ist nämlich eine weitere Sachentscheidung mit eigenständiger Tatsachenfeststellung und erneuter Berücksichtigung und Abwägung der beiderseitigen Belange der Beteiligten.

§ 18 Ziffer 2. RVG, wonach "mehrere Anordnungen in derselben Hauptsache...eine Angelegenheit" sind, wobei die Gegenstandswerte der Anordnungen zusammenzurechnen sind, ist im vorliegenden Fall weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.

Aus dem Zusammenhang der Vorschrift ist eindeutig zu entnehmen, dass der Begriff der Anordnung die unmittelbar im vorangestellten Halbsatz aufgeführten einstweiligen oder vorläufigen Anordnungen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit umfasst und nicht die Abänderung einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren. Dies ist um so deutlicher, als in § 18 Ziffer 2. RVG Bezug genommen wird auf die in Ziffer 1. der Vorschrift genannten Verfahren, bei denen es sich um einstweilige Anordnungen u.a. auch gemäß § 64 b Abs. 3 FGG, also nicht um Hauptsacheverfahren handelt.

Zu berücksichtigen ist weiter, dass mit der Vorschrift § 18 Ziffern 1. und 2. RVG keineswegs die Kürzung von Rechtsanwaltsgebühren, sondern vielmehr die angemessene Mehrvergütung für erhöhten Aufwand des Rechtsanwalts bei mehreren Verfahren über Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens beabsichtigt war (Gerold/Müller-Rabe, RVG, 17. Auflg., § 18 Rdn. 4), weshalb auch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt.

Demnach waren die Festsetzungen der Rechtspflegerin und die bestätigenden Beschlüsse des Amtsgerichts - Familiengericht - aufzuheben.

Das Beschwerdegericht ist gehalten, grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden (Gerold/v.Eicken/Müller-Rabe, RVG, 17. Auflg., § 56 Rdn. 21). Es bleibt somit bei den erfolgten Auszahlungen an die beschwerdeführenden Verfahrensbevollmächtigten.

Die Kostenberechnungen unter Zugrundelegung jeweils einer 1,3 Verfahrensgebühr, einer 1,2 Terminsgebühr, der Auslagenpauschale, zuzüglich Mehrwertsteuer sind nicht zu beanstanden.

Ende der Entscheidung

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