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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 19.12.2001
Aktenzeichen: 7 U 64/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 158 I
BGB § 158 II
ZPO § 97 I
ZPO § 711
ZPO § 546 II
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 I Nr. 1
Bei einer gemischten Todes- und Erlebensfallversicherung ist die Bezugs- bzw. Anspruchsberechtigung geteilt und ein sofortiger Rechtserwerb kann nur hinsichtlich eines der beiden Anspruchsberechtigten erfolgen, so dass durch die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts auf den Erlebensfall nur ein aufschiebend bedingtes Recht i.S. einer Anwartschaft erworben wird, dessen Entstehung infolge einer Kündigung noch verhindert werden kann.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U 64/01

Verkündet am 19.12.2001

In dem Rechtsstreit ...

hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main - 7. Zivilsenat - durch die Richter am Oberlandesgericht... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 7.3.2001 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.650,- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstrekkung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin ist mit 12.000,-DM beschwert.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Ehemann der Klägerin hatte im Jahre 1987 bei der Beklagten eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen. Die Versicherungssumme im Todesfall betrug 30.000,-DM; im Erlebensfall war die Versicherungssumme in Teilbeträgen auszuzahlen, wobei der erste Teilbetrag von 12.000,-DM am 1.12.1999 fällig wurde. Im Versicherungsantrag vom 23.11.1987 hatte der Ehemann der Klägerin für den Todesfall seine Rechtsnachfolger" als Bezugsberechtigte angegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Versicherungsschein- Nummer 12 ... ... vom 2.12.1987 (Bl. 54 ff d.A.) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 9.3.1994 setzte der Ehemann der Klägerin sie im Erlebensfall" unwiderruflich als Bezugsberechtigte ein, was die Beklagte mit Schreiben vom 9.6.1994 bestätigte und in Ergänzung hierzu mitteilte, dass das unwiderrufliche Bezugsrecht im Range nach der Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an die Bayrische Hypotheken- und Wechselbank ­ welche die Rechte aus dem Versicherungsvertrag am 7.11.1994 wieder zurück übertrug ­ gelte. Als der Ehemann der Klägerin eine Gewinnverrechnung mit Beitragsforderungen aus einer anderen Versicherung begehrte, machte die Beklagte dies unter Hinweis auf das unwiderrufliche Bezugsrecht der Klägerin von deren Zustimmung abhängig. Am 4.3.1999 erwirkte die Beklagte gegenüber dem Ehemann der Klägerin aufgrund einer diesem gegenüber durch Vergleich vor dem Arbeitsgericht München in Höhe von 250.000,-DM titulierten Forderung die Pfändung und Überweisung aller Ansprüche aus den bei ihr bestehenden Lebensversicherungen ­ insbesondere Vertrag-Nummer 12 ... ... - einschließlich des Rechts zur Kündigung des Lebensversicherungsvertrages. Mit Schreiben vom 6.4.1999 widerrief die Beklagte die bisher bestellten Bezugsrechte und kündigte den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag. Als der Ehemann der Klägerin eine vorzeitige Auszahlung der zum 1.12.1999 fällig werdenden Teilsumme von 12.000,-DM aus der Lebensversicherung begehrte, lehnte die Beklagte dies mit Schreiben vom 22.10.1999 ab und verwies darauf, dass die Auszahlung an die unwiderruflich Bezugsberechtigte erfolgen werde. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin auf der Grundlage des ihr eingeräumten Bezugsrechtes auf den Erlebensfall die Auszahlung des ersten Teilbetrages aus der Lebensversicherung in Höhe von 12.000,-DM.

Die Klägerin hat ­ insbesondere unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes - die Auffassung vertreten, die Beklagte habe in Hinblick auf das ihr eingeräumte unwiderrufliche Bezugsrecht die Ansprüche aus der Lebensversicherung nicht wirksam pfänden können. Das Wesen eines unwiderruflichen Bezugsrechtes bestehe gerade darin, dass der Bezugsberechtigte sofort einen Anspruch auf alle geldwerten Rechte aus dem Versicherungsvertrag erwerbe. Insofern stünde ihr der Anspruch auf Auszahlung des fällig gewordenen ersten Teilbetrages aus der Lebensversicherung ihres Ehemannes zu.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 12.000,-DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung (24.2.2000) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechtes für den Erlebensfall ­ anders als für den Todesfall ­ nicht zu einem sofortigen Rechtserwerb führe, vielmehr der Anspruch aufschiebend bedingt sei.

Durch Urteil vom 7.3.2001 hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass bei einer sog. gemischten Kapitallebensversicherung mit gespaltenem Bezugsrecht, eine unwiderrufliche Bezugsberechtigung für den Erlebensfall nicht zu einem sofortigen Rechtserwerb führe, sondern nur ein Anwartschaftsrecht entstehe, da die Einräumung des Bezugsrechts aufschiebend bedingt sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil (Bl. 72 ff d.A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 12.3.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 2.4.2001 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Klägerin hält an ihrer Auffassung fest, dass ihr aufgrund der Bezugsrechtseinräumung die Ansprüche aus der Lebensversicherung zustünden. Eine Differenzierung zwischen der unwiderruflichen Einräumung eines Bezugsrechtes auf den Todes- bzw. Erlebensfall sei nicht nachvollziehbar. Wie der 3. Senat des Oberlandesgerichts Frankfurt/M. am 14.9.2000 (vgl. NJW-RR 2001,676) entschieden habe, finde auch im Fall der Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechtes auf den Erlebensfall ein sofortiger Rechtserwerb statt. Der Rechtserwerb erfolge nicht unter einer aufschiebenden Bedingung, sondern unter der auflösenden Bedingung des Versterbens des Versicherungsnehmers vor dem vertraglich vereinbarten Stichtag. Fraglich sei auch, ob in der Bezugsrechtseinräumung nicht gleichzeitig eine Abtretung zu sehen sei. Im übrigen verweist sie nochmals auf das Schreiben der Beklagten vom 22.10.1999, in welchem diese gerade unter Hinweis auf das unwiderruflich eingeräumte Bezugsrecht eine vorzeitige Auszahlung der Versicherungssumme abgelehnt habe.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 7.2.2001 die Beklagte zu verurteilen, an sie 12.000,-DM nebst 4 % Zinsen seit Zustellung der Klageschrift (24.2.2000) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Durch die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechtes auf den Erlebensfall habe die Klägerin nur ein Anwartschaftsrecht erworben.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu recht einen Anspruch der Klägerin auf Auszahlung der Versicherungssumme in Höhe von 12.000,-DM verneint. Die Beklagte war aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Ingolstadt vom 9.3.1999 zur Kündigung des Lebensversicherungsvertrages berechtigt. Der hierdurch entstandene Anspruch auf den Rückkaufswert der Versicherung steht der Beklagten zu. Das der Klägerin unwiderruflich auf den Erlebensfall eingeräumte Bezugsrecht hat nicht zum sofortigen Rechtserwerb geführt, vielmehr nur ein aufschiebend bedingtes Recht begründet. Dieses ist infolge der Kündigung der Versicherung vor Ablauf der Versicherungszeit nicht zur Entstehung gelangt. Eine ausdrückliche Bestimmung über den Zeitpunkt des Rechtserwerbes seitens der Klägerin hat deren Ehemann nicht vorgenommen, so dass es ­ da besondere Auslegungsregeln nur für den Fall der widerruflichen Begünstigung bestehen (§§ 331 I BGB, 166 II VVG) ­ nach den allgemeinen Auslegungsregeln darauf ankommt, wie die Willenserklärung des Ehemannes der Klägerin nach Sinn und Zweck unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auszulegen ist. Wie der Bundesgerichtshof (vgl. BGH Z 45,165) ausgeführt hat, besteht im Versicherungsrechtsverkehr zwar seit einiger Zeit die tatsächliche Übung, in einer unwiderruflichen Bezugsrechtseinräumung zugleich den erklärten Willen für einen sofortigen Rechtserwerb des Bezugsberechtigten zu sehen, da nur so der sich im Verzicht auf einen Widerruf offenbarende Zweck uneigennütziger Fürsorge ­ nämlich die Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Zugriff der Gläubiger des Versicherungsnehmers zu entziehen - zu erreichen sei. Bei einer gemischten Todes- und Erlebensfallversicherung besteht jedoch die Besonderheit, dass die Bezugs- bzw. Anspruchsberechtigung geteilt ist , so dass die jeweiligen Rechte in ein Verhältnis zueinander gebracht werden müssen und zwar dergestalt, dass ein sofortiger Rechtserwerb nur hinsichtlich eines der beiden Anspruchsberechtigten erfolgen kann. Dies lässt sich nur durch die Annahme eines aufschiebend bzw. auflösend bedingten Rechtserwerbes gemäß § 158 I, II BGB erreichen. Da dem Versicherungsnehmer auch bei Bestehen eines unwiderruflichen Bezugsrechtes eines Dritten das Recht zur jederzeitigen Kündigung des Versicherungsvertrages verbleibt, muss feststehen, wem der Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes im Falle vorzeitiger Beendigung des Versicherungsvertrages durch Kündigung zusteht. Eine rechtliche Konstruktion dergestalt, dass bei einer geteilten Bezugsberechtigung der Erlebensfall auflösende Bedingung des für den Todesfall Begünstigten und umgekehrt der Todesfall auflösende Bedingung des für den Erlebensfall Begünstigten ist (vgl. OLG Frankfurt, 3. Zivilsenat, NJW-RR 2001, 676), scheidet daher nach Auffassung des Senates aus. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Rechtsstellung des für den Erlebensfall unwiderruflich Begünstigten liegt bisher nicht vor. Der BGH (a.a.O.; BGH Z 118,242,246) hat jedoch entschieden, dass ­ sofern der Versicherungsnehmer einen Dritten für den Todesfall als unwiderruflich Bezugsberechtigten eingesetzt hat und für den Erlebensfall hingegen selbst anspruchsberechtigt ist - es bei dem sofortigen Rechtserwerb des unwiderruflich Bezugsberechtigten bleibe, dessen Recht sei auflösend bedingt, das des Versicherungsnehmers sei aufschiebend bedingt. Der Grund für diese Konstruktion, die auch umgekehrt denkbar wäre, ist darin zu sehen, dass sich auf diese Weise beide Zwecke ­ nämlich Fürsorge für den Dritten und eigene Alterversorgung ­ nacheinander und ohne gegenseitige Beeinträchtigung erreichen lassen (vgl. auch Brück, Möller, Winter, VVG-K., Anm. H 35). Bei einer privaten Lebensversicherung steht die Fürsorge des für den Todesfall Bezugsberechtigten im Vordergrund. Insofern ist es nach Auffassung des Senates ­ sofern keine besonderen Umstände im Einzelfall vorliegen, die auf einen abweichenden Willen des Versicherungsnehmers hindeuten - überzeugend, nur im Falle eines unwiderruflichen Bezugsrechtes auf den Todesfall einen sofortigen Rechtserwerb unter einer auflösenden Bedingung anzunehmen und demgegenüber das Recht des unwiderruflich auf den Erlebensfall Bezugsberechtigten grundsätzlich als aufschiebend bedingt anzusehen. Demgegenüber kann die Klägerin sich nicht auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG VersR 1991,211; VersR 1991,942) berufen, da diese sog. Direktversicherungen, d.h. seitens eines Arbeitgebers zugunsten eines Arbeitnehmers abgeschlossene Lebensversicherungen, zum Gegenstand haben, bei denen eine andere Interessenlage besteht. Hier steht die zusätzliche Altersversorgung seitens des Arbeitgebers im Vordergrund, die Versorgung der Angehörigen des Arbeitnehmers für den Todesfall tritt aus Sicht des Arbeitgebers als Vertragspartner der Versicherung demgegenüber zurück. Insofern erscheint es nachvollziehbar, dass das Bundesarbeitsgericht von einem sofortigen Rechtserwerb des unwiderruflich bezugsberechtigten Arbeitnehmers ausgeht. Nach Auffassung des Senates hat die Klägerin daher durch die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechtes auf den Erlebensfall nur ein aufschiebend bedingtes Recht im Sinne einer Anwartschaft erworben, das infolge der Kündigung nicht zur Entstehung gelangt ist. Dem steht nicht entgegen, dass vorliegend nur für den Erlebensfall ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt worden war und der Ehemann der Klägerin für den Todesfall seine Rechtsnachfolger" - mangels ausdrücklicher Bestimmung (§ 166 VVG) - nur widerruflich eingesetzt hatte. Die Bestimmung eines unwiderruflichen Bezugsrechtes auch auf den Todesfall wäre dem Ehemann der Klägerin jederzeit noch möglich gewesen. Allein aus der zeitlichen Abfolge ergeben sich daher keine Anhaltspunkte dafür, dass der mit einer privaten Lebensversicherung grundsätzlich verfolgte Versorgungszweck für den Todesfall in den Hintergrund treten und abweichend hiervon eine den Gläubigern des Versicherungsnehmers entzogene Rechtsstellung der für den Erlebensfall bezugsberechtigten Klägerin begründet werden sollte. Für eine Umdeutung der Erklärung des Ehemannes der Klägerin in eine Abtretung ist angesichts des klaren Wortlautes der Erklärung kein Raum. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 22.10.1999 kann die Klägerin nichts herleiten. Das Schreiben ist nicht an sie gerichtet, vielmehr wird lediglich in Hinblick auf die Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechtes eine Auszahlung an ihren Ehemann abgelehnt. Im übrigen hatte die Beklagte zuvor die Ansprüche des Ehemannes der Klägerin sowie dessen Kündigungsrecht gepfändet und die Kündigung ausgesprochen. Dass nunmehr abweichend hiervon eine Zahlungspflicht an die Klägerin anerkannt werden sollte, lässt sich dem Schreiben keinesfalls entnehmen. Da das Rechtsmittel der Klägerin ohne Erfolg geblieben ist, waren ihr die Kosten der Berufung gemäß § 97 I ZPO aufzuerlegen. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gemäß § 546 I Nr. 1 ZPO war die Revision zuzulassen, da die hier zu entscheidende Frage des Rechtserwerbes im Falle der Einräumung eine unwiderruflichen Bezugsrechtes auf den Erlebensfall bisher nicht höchstrichterlich entscheiden wurde und ­ wie die abweichende Entscheidung des 3. Zivilsenates des OLG Frankfurt zeigt ­ einer Klärung bedarf. Der Wert der Beschwer war gemäß § 546 II ZPO festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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