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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 04.04.2006
Aktenzeichen: 9 U 118/00
Rechtsgebiete: BGB, StVG
Vorschriften:
BGB § 823 I | |
BGB § 847 | |
StVG § 18 |
Gründe:
I.
Der Kläger macht Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom ...11.1998 geltend, an dem er als Führer eines Motorrollers und der Beklagte zu 1. als Fahrer eines bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten Pkws beteiligt waren.
Der am ...2.1982 geborene Kläger befuhr am ...11.1998 um ... Uhr in O1-O2 bei Dunkelheit und Nieselregen auf nasser Fahrbahn mit einem Kraftroller der Marke A, dessen Halter Herr B ist, die bevorrechtigte ...straße (B ...) aus O3 kommend in Richtung O4. Der Beklagte zu 1. fuhr mit seinem Pkw C, dessen Halter er ist, auf der wartepflichtigen ...straße aus Richtung O5 kommend und wollte nach links in die B ... in Richtung O3 abbiegen. Nachdem der Beklagte zu 1. zunächst an der Sichtlinie gehalten hatte, kam es im Kreuzungsbereich zum Zusammenstoß beider Fahrzeuge.
Der Kläger erlitt hierbei eine erst- bis zweitgradige offene Unterschenkelfraktur rechts und ein stumpfes Thoraxtrauma mit Fraktur der ... Rippe links sowie eine Hirnquetschung (Contusio Cerebri 2. Grades) mit passagerem posttraumatischem hirnorganischem Psychosyndrom (Gedächtnisstörung, vermindertes Hirnleistungsvermögen). Er wurde wegen der Unfallfolgen am ...11.1998 und am Folgetag auf der intensivmedizinischen Station im ...krankenhaus ... versorgt. Bis zum ...11.1998 blieb er in stationärer Behandlung der chirurgischen Klinik des ...krankenhaus ... und anschließend in dreiwöchiger stationärer neurologischer Behandlung in der ...klinik .... Vom ... bis ...1.1999 befand sich der Kläger zur neurologischen Rehabilitationsbehandlung im ..., die er jedoch am ...1.1999 abbrach. Der Kläger war bis ...4.1999 arbeitsunfähig. Am ...4.1999 hat er seine Ausbildung zum ... wieder aufgenommen.
Der Unfall wurde von der Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anerkannt. Der Kläger erhielt nach dem Bescheid vom 15.11.1999 (Bl. I-89 d.A.) wegen der Unfallfolgen eine Rente nach Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 % bis 12.11.1999 und ab 13.11.1999 bis auf weiteres eine Rente nach MdE von 20 %.
Der Kläger litt unfallbedingt unter Gedächtnis- und Merkfähigkeitsstörungen, die im Mai 2000 noch nicht vollständig abgeklungen waren, im August 2000 jedoch keine Beschwerden mehr verursachten. Weitergehende Unfallfolgen sind zwischen den Parteien streitig.
Mit Anwaltsschreiben vom 6.4.1999 (Bl. 198 d.A.) mahnte der Kläger die Zahlung eines Vorschusses bis zum 15.4.1999 auf den ihm entstandenen Schaden bei der Beklagten zu 2. an.
Mit der Klage hat der Kläger - nach teilweiser Verrechnung vorgerichtlicher Zahlungen der Beklagten zu 2. im Gesamtbetrag von 8.000 DM mit dem geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugschadens in Höhe von 2.200 DM - Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes von mindestens 20.000 DM sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich künftiger materieller und immaterieller Schäden geltend gemacht. Die Schadensersatzansprüche bezüglich des Motorrollers wurden dem Kläger von Herrn B abgetreten.
Das von der Staatsanwaltschaft Wiesbaden unter dem Aktenzeichen 24 Js 22662.7/98 gegen den Beklagten zu 1. eingeleitete Ermittlungsverfahren, in dem der Sachverständige S1 unter dem 22.10.1999 ein Gutachten zum Hergang des Unfalls (Bl. 48 ff. EA) erstattete, wurde durch Beschluss vom 28.12.00 (Bl. 200 EA) nach § 153 a II StPO eingestellt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte zu 1. habe grob fahrlässig sein Vorfahrtsrecht verletzt.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein weiteres Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch noch weitere 20.000 DM für den Zeitraum ...11.1998 bis 31.12.1999 nebst 4 % Zinsen seit 3.12.1998;
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden - letztere, soweit sie nach dem 31.12.1999 entstehen -, aus dem Unfall vom 13.11.1998 zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen bzw. übergegangen sind.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben vorgetragen, der Roller des Klägers sei nicht beleuchtet gewesen. Der Kläger sei deshalb für den Beklagten zu 1. nicht erkennbar gewesen, als dieser seinen Pkw an der Sichtlinie angehalten habe. Erst nachdem der Beklagte zu 1. keinen Gegenverkehr habe wahrnehmen können und seinen Blick auch nach rechts gewandt habe, sei er von dem Haltepunkt der Sichtlinie aus nach links eingebogen.
Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, der Kläger trage ein Mitverschulden von 70 %, weshalb ein Schmerzensgeld von allenfalls 10.000 DM gerechtfertigt sei, nachdem auch ein Dauerschaden nicht vorliege.
Mit dem am 21.06.2000 verkündeten Urteil (Bl. I-120 ff. d.A.), auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagten verurteilt, an den Kläger weitere 5.650 DM Schmerzensgeld zu zahlen, wobei es unter Berücksichtigung der bereits geleisteten 8.000 DM (Eingang bei Kläger: 5.000 DM am 8.6.1999 und 3.000 DM am 9.11.1999) 1.650 DM aus diesem Betrag auf Sachschäden und 6.350 DM auf den Schmerzensgeldanspruch, der insgesamt 12.000 DM betrage, angerechnet hat.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger müsse wegen der mitwirkenden Betriebsgefahr seines Rollers ein Viertel seines Schadens selbst tragen. Gegen den Beklagten zu 1. spreche ein Anscheinsbeweis. Dass der Kläger ohne Licht gefahren sei, könne nicht festgestellt werden. Auch wenn von einem Fahren ohne Licht auszugehen wäre, wäre der Kläger nach dem im Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten S1 in dem Zeitpunkt, in dem der Beklagte zu 1. angefahren ist, erkennbar gewesen. Die MdE von 30 % für den Zeitraum bis 12.11.1999 und von 20 % für den Zeitraum ab 13.11.1999 habe keinen Einfluss auf die Höhe des Schmerzensgeldes.
Der Feststellungsantrag sei unzulässig, da materielle Schäden von der Berufsgenossenschaft abgedeckt würden und die Ausführungen von S2 in seinen Arztbriefen vom 17.8.1999 und 3.5.2000 für die Annahme eines immateriellen Schadens nicht ausreichten.
Gegen die ihm am 14.7.2000 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 14.8.2000 Berufung eingelegt und diese am 13.9.2000 begründet.
Die Beklagten haben am 29.9.2000 Anschlussberufung eingelegt, die sie am 29.9.2000 begründet haben.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter, soweit diese abgewiesen worden sind. Er trägt vor:
Das Landgericht habe ein zu geringes Schmerzensgeld ausgeworfen. Darüber hinaus könne ihm keine Mithaftung angelastet werden. Die Abweisung des Feststellungsbegehrens sei fehlerhaft.
Unter Berücksichtigung der Zahlungen der Beklagten bestehe ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von mindestens noch weiteren 20.000 DM. Dem Kläger seien die Metallteile, die zur Fixierung der Fraktur dienten, entfernt worden, weshalb er erneut zwischen dem ... und ...3.2000 stationär aufgenommen worden sei. Er sei danach bis zum ...4.2000 arbeitsunfähig gewesen. Er habe fünf Tage und Nächte auf der Intensivstation verbracht. Danach habe er 24 Stunden beaufsichtigt werden müssen und deshalb drei weitere Nächte auf der Intensivstation gelegen. Er sei für vier Tage in ein Gitterbett gelegt und angebunden worden, um sich nicht selbst zu gefährden. Der Umfang der Betreuung ergebe sich aus der Bescheinigung vom ...11.1998 (Bl. I-194 d.A.). Nach seiner Entlassung habe er 14 Tage ständig beaufsichtigt werden müssen. Allein die latente Gefahr eines epileptischen Anfalls rechtfertige ein höheres Schmerzensgeld. Ihm sei es zudem auf Dauer verwährt, Alkohol zu trinken und er habe ein erhöhtes Schlafbedürfnis.
Der Unfall sei für ihn unabwendbar gewesen. Er habe darauf vertrauen dürfen, dass der Beklagte zu 1. ihn in 25 m Entfernung wahrnehme.
Der Feststellungsantrag sei zulässig, da mögliche zukünftige Schäden denkbar seien, die nicht auf Dritte übergegangen sind. Es sei geplant, dass er künftig die elterliche ... führe - mögliche epileptische Anfälle könnten dies beeinträchtigen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
1. nach dem Klageantrag erster Instanz zu Ziffer 1. zu erkennen und
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom ...11.1998 zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen bzw. übergegangen sind.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Wege der Anschlussberufung beantragen sie,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt insoweit,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Beklagten tragen vor:
Der Beklagte zu 1. habe den Kläger vor der Kollision nicht wahrnehmen können, da dieser bei Annäherung an die Kreuzung sein Licht nicht eingeschaltet gehabt hätte. Er sei "wie aus dem Nichts" aufgetaucht. Deshalb scheide eine Haftung der Beklagten ganz aus. In dem Moment, in dem der Beklagte zu 1. die Verkehrssituation beurteilt habe, sei der Kläger ca. 40 bis 50 m entfernt gewesen. Aus dieser Entfernung sei er wegen des nicht eingeschalteten Lichts nicht erkennbar gewesen, und zwar wegen der Blendwirkung der Scheinwerfer eines auf der gegenüberliegenden Seite befindlichen Busses und der Lichtreflexionen auf der nassen Fahrbahn.
Das Landgericht habe das Ergebnis der Beweisaufnahme hinsichtlich des Beweisantritts der Zeugin Z1 in unzulässiger Weise antizipiert.
Dem Beklagten zu 1. sei nach einem abschließenden Blick nach links vor Beginn des Anfahrvorgangs eine Reaktionszeit zuzubilligen.
Eine Blendwirkung trete auch dann ein, wenn der Blick des Fahrers zunächst gerade aus und dann in Dunkelheit gerichtet werde. Auch seien die Reflektionen auf der Fahrbahn zu berücksichtigen. Bei nicht eingeschalteter Beleuchtung sei der Kläger jedenfalls schlechter wahrnehmbar gewesen, was zu einem Mitverschulden von 50 % führe. Der Unfall sei für den Kläger vermeidbar gewesen, da ein Idealfahrer hätte rechtzeitig abbremsen können.
Die Ausführungen des Landgerichts zur Unzulässigkeit des Feststellungsantrages seien zutreffend; die geleistete Zahlung von 8.000 DM decke auch die Schmerzensgeldansprüche des Klägers ab.
Der Senat hat die Akten des vorgenannten Ermittlungsverfahrens beigezogen.
Darüber hinaus hat er Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 6.3.2001 (Bl. II-219 f d.A.) durch Vernehmung der Zeugen Z2, ... Z1, Z3, Z4 und Z5. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird insoweit auf die Sitzungsprotokolle vom 10.4.2000 (Bl. I-238 ff d.A.) und 8.5.2001 (Bl. II-266 d.A.) Bezug genommen.
Der Senat hat ferner Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 21.6.2001 (Bl. II-277 f d.A.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme insoweit wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten des S3 vom 6.2.2000 (Tasche Bd. II) verwiesen.
Schließlich hat der Senat gemäß Beweisbeschluss vom 14.5.2000 (Bl. II-334 f. d.A.) weiter Beweis erhoben durch Einholung mehrerer schriftlicher medizinischer Fachgutachten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme insoweit wird auf das unfallchirurgische Gutachten des S4 vom 12.3.2003 (Bl. II-356 a ff. d.A.), das neurologische Gutachten des S5 vom 10.12.2004 (Bl. III-58 ff d.A.) sowie das fachpsychiatrische Gutachten der S6 vom 18.1.2005 (Bl. III-73 ff d.A.) sowie die mündliche Erläuterung ihrer Gutachten in der mündlichen Verhandlung vom 26.7.2005 (Bl. III-173 ff d.A.) bzw. die am 5.12.2005 bei Gericht eingegangene schriftliche Erläuterung des Gutachtens des S4 (Bl. III-216 ff d.A.) verwiesen.
Zu den Feststellungen der medizinischen Sachverständigen haben die Parteien jeweils umfangreich Stellung genommen. Es wird insoweit verwiesen auf die Schriftsätze vom 3.3.2005 (Bl. III-111 ff. d.A.), 4.3.2005 (Bl. III-117 ff. d.A.), 16.3.2005 (Bl. III-126 ff. d.A.)und 3.1.2006 (Bl. III-219 f. d.A.). Der Kläger hat dabei die Ansicht vertreten, dass das bisher geforderte Schmerzensgeld von mindestens weiteren 20.000,- DM nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erheblich nach oben zu korrigieren sei.
II.
Die im Rahmen des § 26 EGZPO noch nach der ZPO in der Fassung vor 2002 zu beurteilende Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, und hat auch in der teilweise Sache Erfolg. Anderes als das Landgericht kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass der Kläger ein weiteres Schmerzensgeld von 20.650 DM (10.558,18 €) (dazu A.) sowie die Feststellung verlangen kann, dass die Beklagten ihm für künftige weitere materielle und immaterielle Schäden Ersatz leisten müssen (dazu B.). Die zulässige unselbstständige Anschlussberufung der Beklagten dagegen ist unbegründet (dazu C.).
A. Die Voraussetzungen für einen Schmerzensgeldanspruch nach § 847 BGB (a.F. = alte Fassung) in Verbindung mit § 823 I BGB sind - wie schon das Landgericht zutreffend angenommen hat - erfüllt, da eine Verletzung des Klägers an Körper und Gesundheit als ursächliche Folge einer unerlaubten Handlung der Beklagte zu 1. vorliegt. Die Haftung der Beklagten zu 2. folgt aus § 3 PflVG.
1. Dem Landgericht ist auch insoweit zu folgen, als es ausgeführt hat, dass ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Beklagten zu 1. spricht. Bei einem Zusammenstoß zweier Fahrzeuge im Kreuzungs- oder Einmündungsbereich zweier Straßen kommen die Regeln des Beweises des ersten Anscheins zu Lasten des nach § 8 StVO Wartepflichtigen - hier dem Beklagten zu 1. - zum Tragen.
Die Voraussetzungen für einen atypischen Fall, bei dem der erste Anschein entgegen dem Üblichen für eine Unfallverursachung durch den Vorfahrtsberechtigten - hier den Kläger - spricht (vgl. KG Berlin DAR 1983, 82), haben die Beklagten nicht beweisen können. Gleiches gilt für ein alleiniges oder überwiegendes Mitverschulden des Klägers nach § 254 BGB.
a) Der Senat hat sich von der Richtigkeit der Behauptung der insoweit beweisbelasteten Beklagten, der Kläger sei trotz Dunkelheit ohne Licht gefahren, trotz der erhobenen Beweise nicht überzeugen können.
So hat der Sachverständige S3 in seinem Gutachten deutlich gemacht, dass aus dem Fehlen nachweisbarer Beschädigungen an der Scheinwerferlampe nicht geschlossen werden kann, dass die Beleuchtung des Motorrollers zum Unfallzeitpunkt eingeschaltet war.
Zwar hat darüber hinaus der Zeuge Z2 bei seiner Vernehmung am 8.5.2001 bekundet, er habe den Kläger nicht kommen sehen, er habe freie Sicht in die Kreuzung nach links gehabt. Obwohl der Zeuge den Motorroller nicht hat kommen sehen und auch kein Licht am Roller bemerkt hat als dieser am Boden lag, kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass der Kläger ohne Licht fuhr. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung der maßstabgerechten Unfallskizze in der Ermittlungsakte (Bl. 9 EA) und der dort befindlichen Fotografien, die den Kreuzungsbereich zeigen. Da der Zeuge Z2 hinter dem Fahrzeug des Beklagten zu 1. stand, hat er nicht den gleichen Einsichtswinkel nach links wie der Beklagte zu 1. gehabt. Hinzu kommt, dass sich ein Verkehrsteilnehmer in der Situation des Zeugen auf den bevorstehenden Abbiegevorgang und das Heranfahren an die Haltelinie konzentriert. Es ist nicht glaubhaft, dass ein Verkehrsteilnehmer, der nicht bereits an der Haltelinie steht, ununterbrochen nach links in die Abbiegefahrbahn schaut. Dies gilt umso mehr in Anbetracht der Aussage der Zeugin Z1, die bekundet hat, dass sie aus ihrem Fahrzeug heraus keine Einsicht in die Fahrbahn nehmen konnte, da ihre Sicht behindert war. Nach den Zeugenaussagen ist davon auszugehen, dass die Zeugin Z1 mit ihrem Fahrzeug unmittelbar hinter dem des Beklagten zu 1. stand und der Zeuge Z2 mit dem seinen noch dahinter. Wenn aber schon die Zeugin Z1 keine freie Sicht in die Abbiegefahrbahn hatte, hatte diese auch der Zeuge Z2 von seinem Standort aus nicht. Nach Ansicht des Senats handelt es sich bei der Bekundung des Zeugen Z2, er habe freie Sicht gehabt und er habe keinen Motorroller herannahen sehen, um eine - vielleicht unbewusste - nachträgliche Schlussfolgerung des Zeugen, nachdem er den Motorroller ohne Licht am Boden liegen sah.
Die Aussagen der zur Unfallstelle gerufenen Polizeibeamten Z3 und Z4 können keinen weiteren Aufschluss über den Unfallhergang geben.
b) Ebenso sind die Beklagten hinsichtlich ihrer bestrittene Behauptung beweisfällig geblieben, der Kläger sei noch 40 bis 50 m entfernt gewesen als der Beklagte zu 1. angefahren sei; zu dem Zusammenstoß sei es nur gekommen, weil der Kläger verspätet reagiert habe. Zeugen haben die Beklagten insoweit nicht benannt. Ein Sachverständiger könnte die Entfernung - wie der Sachverständige des Ermittlungsverfahrens - nur nach dem Bremsweg ermitteln. Dieser lässt aber nur auf eine Entfernung von 25 m schließen.
2. Die Höhe des Schmerzensgeldes ist gemäß § 287 ZPO nach billigem Ermessen zu bestimmen. Insoweit ist der von dem Landgericht angenommene Betrag in Höhe von 12.000 DM nicht angemessen.
a) Unstreitig hat der Kläger durch den Unfall eine erst- bis zweitgradige offene Unterschenkelfraktur rechts, ein stumpfes Thoraxtrauma mit Fraktur der ... Rippe links sowie eine Hirnquetschung zweiten Grades mit passagerem posttraumatischem hirnorganischem Psychosyndrom erlitten, die die im Tatbestand beschriebenen mehrwöchigen stationären Krankenhaus- und Rehabilitationsaufenthalte erforderlich machten. Die unfallbedingten Gedächtnisstörungen und das verminderte Hirnleistungsvermögen haben jedenfalls bis Mai 2000 angehalten. Schon nach diesen unstreitigen Gesundheitsbeeinträchtigungen ist ein Schmerzensgeld von mindestens 20.000,- DM angemessen (vgl. die ähnlich gelagerten Fälle in den Entscheidungen: LG Wuppertal vom 5.9.1985, Az. 7 O 105/82; LG Berlin vom 2.11.1987, 2 U 339/87; LG München I vom 19.4.1996, Az. 19 O 9970/93; LG München I vom 28.8.1997, Az. 19 O 9611/97).
b) Nach der von dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme sind darüber hinaus folgende weitere Unfallfolgen bewiesen:
Der Sachverständige S4 hat in seinem unfallchirurgischem Gutachten vom 12.3.03 und in seiner ergänzenden schriftlichen Stellungnahme vom 5.12.2005 nachvollziehbar und überzeugend festgestellt, dass der Kläger infolge des Unfallereignisses mit einer dauerhaften Beeinträchtigung am rechten Bein in Form einer Lockerung des Kniebandapparates und vorderen Kreuzbandes leidet, die sich als Knieinstabilität und mit Schmerzen im Bereich der rechten Kniescheibe bemerkbar macht und für sich genommen eine MdE von 10 % begründet.
Die von den Beklagten erhobenen Einwendungen vermögen die Feststellungen des Sachverständigen S4 nicht in Zweifel zu ziehen. Letztendlich erschöpfen sie sich in einer anderen Bewertung der MdE, die gegenüber den Feststellungen des Sachverständigen keinerlei bessere Argumente für sich in Anspruch nehmen können, sowie in Vermutungen über mögliche andere Ursachen der Kniebeschwerden, die sich mit den von S4 festgestellten Tatsachen nicht vereinbaren lassen.
Nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Feststellungen des Sachverständige S5 in seinem neurologischen Gutachten vom 10.12.04 und in seiner Anhörung in der Verhandlung vom 26.7.2005 hat der Kläger durch die unfallbedingte Hirnverletzung eine Dauereinschränkung in Gestalt einer funktionellen Hirnschädigung erlitten. Diese äußert sich zum einen in Hirnleitungsstörungen, zu deren Beurteilung S5 aber nicht zuständig war, und zum anderen darin, dass der Kläger - der Rechtshänder ist - seinen rechten Arm nicht voll nutzen kann, weil dieser Arm vorzeitig ermüdet. S5 kommt insoweit - also nur im Hinblick auf diese Behinderung - zu einer MdE von mindestens 30 %, will aber auch eine darüber hinausgehende Einschränkung nicht ausschließen.
Nach den im Ergebnis ebenfalls nachvollziehbaren und überzeugenden Feststellungen der S6 liegt bei dem Kläger infolge des Unfalls zudem ein gering ausgeprägtes, anhaltendes Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma vor. Außerdem leidet er an Merkfähigkeitsstörungen, impulsiv auftretenden aggressiven Verhaltensdurchbrüchen und verminderte Ausdauer, die den Kläger in seinem Berufsalltag beeinträchtigen. Zusammen mit den von S5 festgestellten Beeinträchtigungen auf neurologischem Gebiet hält die Sachverständige eine MdE von 30 % auf Dauer für angemessen.
Soweit die Beklagten gegen die Feststellungen der Sachverständigen S6 eingewandt haben, diese basierten im Wesentlichen nur auf den subjektiven Angaben des Klägers, greift dies nicht durch. Dass fachpsychiatrische Feststellungen oftmals auf subjektiven Angaben der Betroffenen beruhen, liegt in der Natur der Sache. Dafür, dass der Kläger die geklagten Beschwerden simuliert, hat die Sachverständige jedoch keine Anzeichen gefunden.
Diese weiteren Unfallfolgen lassen ein Schmerzensgeld von 20.000,- DM nicht mehr angemessen erscheinen. Schmerzensgeld erhöhend wirkt zudem, dass der Kläger während seiner Behandlung auf der Intensivstation im ...krankenhaus ... für vier Tage im Gitterbett angebunden war, wie die Zeugin Z5 glaubhaft bekundet hat.
c) Der Schadensersatzanspruch des Klägers wird allerdings durch bei dem Unfall mitwirkende Betriebesgefahr des Rollers beschränkt. Dies gilt auch dann, wenn der Schädiger aus Delikt haftet (Palandt-Heinrichs BGB, § 254 Rn 3 - mit weiteren Nachweisen). Geht es - wie hier - um einen Schmerzensgeldanspruch, ist ein mitwirkendes Verschulden als einer der Bewertungsfaktoren mindernd zu berücksichtigen (Palandt-Thomas BGB, 60. Auflage, § 847 Rn 6 - mit Verweis auf OLG Karlsruhe VersR 1988, 59). Der in diesem Zusammenhang zu berücksichtigende § 18 StVG lässt eine Haftung des Klägers als Fahrzeugführer nur entfallen, wenn dieser sein fehlendes Verschulden nachweist - Ungeklärtes geht insoweit zu seinen Lasten (Jagusch/Hentschel Straßenverkehrsrecht, § 18 Rn 1 - mit weiteren Nachweisen.). Dieser Beweis ist dem Kläger jedoch nicht gelungen.
So ist die Frage, ob der Kläger zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes mit eingeschaltetem Licht gefahren ist, ist - wie unter 1. ausgeführt - ungeklärt. Dies wirkt sich in diesem Zusammenhang zu Lasten des Klägers aus.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Frage, ob der Kläger mit oder ohne Licht gefahren ist, für das Unfallereignis ohne Bedeutung gewesen wäre, denn dass er wegen der Straßenbeleuchtung auch ohne Licht am Roller für die anderen Verkehrsteilnehmer ausreichend erkennbar war, hat der Kläger nicht vorgetragen.
Darüber hinaus hat der Kläger auch nicht nachgewiesen, dass er den Unfall selbst bei sofortigem Bremsen nicht mehr hätte verhindern können. Dieser Nachweis ist für den Kläger nicht zu führen, da nicht feststeht, wie weit er von dem Ort des Zusammenstoßes entfernt war, als er hätte reagieren müssen. Die von dem Gutachter S1 im Ermittlungsverfahren angegebenen 25 m, die der Kläger sich zu Eigen gemacht hat, sind von den Beklagten bestritten worden. Mit den Feststellungen des Sachverständigen S1 kann der Kläger den Nachweis aber nicht führen, da der Gutachter ein rechtzeitiges Reagieren und Einleiten des Bremsmanövers nur unterstellt und die Entfernung anhand des Bremsweges bei unterstellter rechtzeitiger Reaktion ermittelt hat.
d) Nach Abwägung aller zu berücksichtigenden Umstände hält der Senat danach ein Schmerzensgeld von 27.000 DM für angemessen, wobei es von besonderer Bedeutung war, dass der relativ junge Kläger für den Rest seines Lebens durch die Folgen des Unfalls beeinträchtigt werden wird.
Hiervon in Abzug zu bringen sind 6.350 DM wegen der vorgerichtlichen Zahlungen der Beklagten zu 2. in Höhe von insgesamt 8.000,- DM. Die überschießenden 1.650 DM (8.000 - 6.350 DM) sind auf den - nicht unmittelbar streitgegenständlichen - Sachschaden wegen der Beschädigung des Motorrollers - anzurechnen. Diesbezüglich kann auf die weiterhin zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden, das insoweit einen Sachschadensanspruch des Klägers gemäß §§ 7 I, 17 I, 18 StVG a. F., 3 PflVG in dieser Höhe unter Anrechung einer mitwirkenden Betriebesgefahr des Rollers in Höhe eines Viertels errechnet hat. Der Kläger ist für die Geltendmachung des Sachschadensanspruchs auch aktivlegitimiert, weil ihm diese Ansprüche von dem Halter und Eigentümer des Rollers abgetreten wurden.
Hiernach verbleibt schließlich ein Schmerzensgeld von 20.650 DM (= 27.000 - 6.350 DM bzw. 10.558,18 €).
Hierauf stehen den Kläger 4 % Zinsen aus Verzug zu, und zwar aufgrund des Mahnschreibens vom 6.4.1999 in Höhe von 10.000 DM ab 16.4.1999. Unter Berücksichtigung der beiden Zahlungen der Beklagen zu 2. in Höhe von 5.000 DM bzw. 3.000 DM, die am 8.6.1999 bzw. 9.11.1999 beim Kläger eingegangen sind, kann der Kläger ab dem 9.6.1999 nur noch Zinsen auf 5.000 DM und ab 10.11.1999 nur noch Zinsen auf 2.000 DM verlangen. Ab Rechtshängigkeit, d.h. ab 24.2.2000 - dem Zeitpunkt der Klagezustellung an den Beklagten zu 1. - , kann der Kläger Verzinsungen des gesamten noch offenen Schmerzensgeldes verlangen.
B. Der Kläger kann gemäß § 256 ZPO ferner die Feststellung verlangen, dass die Beklagten ihm auch für künftige materielle und immaterielle Schäden haften. Für ein entsprechendes Feststellungsbegehren genügt die bloße Möglichkeit, dass künftige weitere, bisher noch nicht erkenn- und voraussehbare Leiden auftreten können. Dies ist von dem Landgericht zu Unrecht verneint worden. Für das Feststellungsinteresse spricht bereits die Schwere der Verletzungen, die der Kläger durch den Unfall erlitten hat. Durch die von dem Senat eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten ist darüber hinaus klar geworden, dass die Auswirkungen der bei dem Kläger vorliegenden Dauerschäden noch nicht absehbar sind. Hinsichtlich etwaiger materieller Schäden genügt für das Feststellungsinteresse, dass der Kläger in der Ausübung seines Berufs als ...meister beeinträchtigt werden könnte.
Aus den unter A. dargestellten Gründen mindert sich die Ersatzpflicht der Beklagten auch für zukünftige Schäden jedoch auf drei Viertel, wobei dies sowohl für materielle als auch für immaterielle Schäden gilt.
Die Feststellung ist zudem begrenzt auf diejenigen Ansprüche, die nicht auf Dritte - insbesondere Sozialversicherungsträger - übergehen.
C. Aus den vorausgehenden Ausführungen ergibt sich, dass die unselbstständige Anschlussberufung der Beklagte unbegründet ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 II a.F., 97, 100 IV ZPO. Hierbei war zu berücksichtigen, dass die Zuvielforderung des Klägers hinsichtlich des Feststellungsantrages verhältnismäßig geringfügig war und keine besonderen Kosten verursacht hat.
Von Vollstreckungsschutzanordnungen ist nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO abzusehen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist den Beklagten nach § 26 Nr. 8 EGZPO verwehrt, da der Beschwerdewert unter 20.000,- € nicht übersteigt (zur Anwendbarkeit von § 713 ZPO in diesem Fall vgl. Zöller-Herget ZPO, § 713 Rn 2).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.
Ende der Entscheidung
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