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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 20.12.2006
Aktenzeichen: 9 U 18/06
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 355 | |
BGB § 495 | |
BGB § 765 |
Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der BGH diese Unterscheidung in seiner Entscheidung vom 08.11.2005 - XI ZR 34/05 - aufgegeben hat.
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Verpflichtung in Anspruch, die dieser als ehemaliger Aktionär der A AG hinsichtlich eines Darlehens übernommen hat, das die AG von der Klägerin erhalten hat.
Wegen des Sachverhalts, des streitigen Vortrags der Parteien sowie der Beweiserhebungen in erster Instanz wird gemäß § 540 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 22.7.2005 (Bl. 63 ff. d.A.) verwiesen, mit dem das Landgericht der Klage stattgegeben hat. Hinsichtlich der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Berufung des Beklagten.
Der Beklagte trägt vor:
Er könne die Haftungsübernahme wirksam nach §§ 355, 495 BGB widerrufen.
Seine Erklärung sei nicht als Bürgschaft auszulegen, vielmehr sei er einer bestehenden Schuld der Kreditnehmerin lediglich beigetreten.
Das Landgericht habe die Zeugen hierzu nicht unvoreingenommen gehört.
In seiner Entscheidung vom 8.11.2005, XI ZR 34/05, habe der BGH im Übrigen die Unterscheidung zwischen Mithaftungsübernahme und Bürgschaft aufgegeben.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Der erkennende Senat hat zunächst mit Beschluss vom 4.9.2006 (Bl. 133 ff. d.A.) darauf hingewiesen, die Berufung nach § 522 II ZPO zurückweisen zu wollen. Im weiteren hat er hieran jedoch nicht festgehalten und Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
Der Beklagte hat für die Darlehen der A AG (Kreditnehmerin) aufgrund der Haftungsübernahme vom 15.1.03 als Bürge einzustehen. Er war auch nicht berechtigt, sie nach §§ 355, 495 BGB zu widerrufen.
Der Beklagte kann sich nicht auf die Verbraucherschutzvorschriften - und damit auch nicht auf das Recht zum Widerruf nach §§ 355, 495 BGB - berufen.
Der Beklagte war bei der Haftungsübernahme - neben Herrn B - alleiniger Aktionär der Kreditnehmerin. In dieser Eigenschaft ist er nicht anders zu behandeln als ein (geschäftsführender) Gesellschafter einer GmbH.
Die Rechtsprechung hat die Frage der Schutzwürdigkeit dieses Personenkreises in den vorliegenden Fällen primär davon abhängig gemacht, ob es sich bei der haftungsbegründenden Verpflichtung um eine Mithaftungsübernahme oder eine Bürgschaftsübernahme handelt. Liegt lediglich eine Mithaftungsübernahme - oder ein gleich zu behandelnder Schuldbeitritt - vor, hat der BGH in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass das Verbraucherkreditgesetz - heute also die entsprechenden verbraucherschützenden Normen des BGB - analog auf den geschäftsführenden Allein- oder Mehrheitsgesellschafter einer GmbH anzuwenden sind. Dieser sei nicht wie ein Kaufmann oder Unternehmer zu behandeln, sondern als Verbraucher im Sinne von § 1 I VerbrKrG (so z.B. BGH vom 8.11.2005, XI ZR 34/05 (BKR 2006, 62) - mit weiteren Nachweisen zur vorausgegangenen Rechtsprechung).
Liegt dagegen eine Bürgschaft vor, steht der BGH auf dem Standpunkt, dass das Verbraucherkreditgesetz nicht angewendet werden könne, weil der Bürgschaftsvertrag kein Kreditvertrag sei und der Bürge keinen Kredit erhalte. Auch eine analoge Anwendung auf den Bürgschaftsvertrag hat der BGH abgelehnt (vgl. Tiedtke, NJW 2001, 1015). In einer Entscheidung vom 21.4.98, IX ZR 258/97, hat der BGH ausgeführt, dass die Vorschriften des VerbrKrG jedenfalls nicht für Bürgschaften gelten, die - wie hier - Kredite sichern, welche für eine bereits ausgeübte gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit bestimmt oder gemäß § 3 I VerbrKrG vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen sind.
Wie bereits im Hinweisbeschluss vom 4.9.2006 ausgeführt, ist vorliegend mit dem Landgericht von einer Bürgschaft und nicht von einer Mithaftungsübernahme auszugehen. Die Berufungsangriffe sind nicht geeignet, dieses Ergebnis in Frage zu stellen.
So hat das Landgericht zutreffend angenommen, dass die Vereinbarungen zwischen den Parteien im Hinblick auf die persönliche Verpflichtung des Beklagten auslegungsbedürftig sind.
Es hat weiterhin zutreffend erkannt, dass die prima facie für einen Schuldbeitritt sprechende Formulierung "Wir treten dieser Vereinbarung ... bei" im Hinblick auf § 4 des Darlehensvertrages doch für die Annahme einer Bürgschaft spricht.
Soweit der Beklagte rügt, das Landgericht habe bei der Beweiserhebung den Zeugen Z nicht unvoreingenommen gehört und ihm "teilweise Formulierungen in den Mund gelegt" lassen sich dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.6.2005 hierfür keine Anhaltspunkte entnehmen. Der Beklagte hat seine Rügen auch nicht zum Anlass genommen, die Art und Weise der Vernehmung des Zeugen schon gegenüber dem Landgericht zu beanstanden oder mit den erstinstanzlich zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen (z.B. §§ 42, 164 ZPO) anzugreifen. Für die Wiederholung der Beweisaufnahme durch den Senat besteht danach keine Veranlassung.
Schließlich greift der Einwand des Beklagten, das Landgericht habe die Bedeutung der eigenen wirtschaftlichen Interessen verkannt, im Ergebnis nicht durch.
Wie der Beklagte in der Berufungsbegründungsschrift selbst ausführt, ist auch das unmittelbare wirtschaftliche Eigeninteresse lediglich ein Indiz für die Abgrenzung von Gesamtschuldnerschaft einerseits und Bürgschaft andererseits. Selbst wenn man hier das Eigeninteresse des Beklagten stärker gewichten wollte als das Landgericht, spricht jedoch das Ergebnis der Beweisaufnahme und die Formulierung in § 4 des Darlehensvertrages vom 10./15.1.2003 gegen einen Schuldbeitritt.
So hat der Zeuge Z sinngemäß ausgesagt, es sei vereinbart gewesen, dass der Beklagte und Herr B erst dann persönlich zahlen sollten, wenn dies die AG nicht kann. Dies spricht für die Vereinbarung einer Bürgschaft.
Schließlich ist in § 4 des Darlehensvertrages die Rede von "zusätzlichen Sicherheiten". Als Sicherheit kann in diesem Sinne ebenfalls nur eine Bürgschaft, nicht aber der Schuldbeitritt verstanden werden.
Dem Beklagten kann auch nicht gefolgt werden, soweit er die Meinung vertritt, auch bei Annahme einer Bürgschaft könne er sich auf einen Widerruf nach §§ 355, 495 BGB berufen, weil der BGH in der schon genannten Entscheidung vom 8.11.2005 seine Unterscheidung zwischen Bürgschaft und Mithaftungserklärung aufgegeben habe. Zwar könnte bei einer ersten Lektüre der genannten Entscheidung in der Tat dieser Eindruck entstehen, denn das Urteil enthält an einigen Stellen Ausführungen, die entsprechend gedeutet werden könnten. Nur so ist es zu erklären, dass auch die Literatur der Entscheidung teilweise eine weitergehenden Bedeutung zugemessen hat (vgl. z.B. Praxishinweis in NJW-Spezial 2006, 77). Diese Auslegung erweist sich jedoch bei näherer Betrachtung als falsch.
Es ist nicht erkennbar, dass der BGH von seiner noch im Urteil vom 21.4.1998 - IX ZR 258/97 - geäußerten Auffassung, die verbraucherschutzrechtlichen Vorschriften seien grundsätzlich nicht auf die Bürgschaft anzuwenden, abrücken wollte. In der Entscheidung vom 8.11.2005 bekräftigt er lediglich seine Rechtsprechung, dass der geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH nicht Kaufmann sei und damit die Verbraucherschutzvorschriften bei einer Mithaftungsübernahme bzw. einem Schuldbeitritt zu seinen Gunsten angewandt werden können. Die "Bürgschaft" taucht in der Entscheidung lediglich im Zusammenhang mit der Kaufmannseigenschaft und dem Handelsgeschäft nach § 350 HGB auf. Wäre dies anders, hätte der BGH sicherlich ausdrücklich erklärt, dass er von seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung abweicht. Einen solchen Hinweis enthält die Entscheidung aber nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2, 108 I ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.
Ende der Entscheidung
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