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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 03.09.2007
Aktenzeichen: 2 Ws 194/07
Rechtsgebiete: RVG, StPO
Vorschriften:
RVG § 52 Abs. 1 S. 2 | |
StPO § 464b |
Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss
In der Strafsache
hier sofortige Beschwerde der Rechtsanwältin P. betreffend Kostenfestsetzung
hat der 2. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg am 3. September 2007 durch
den Richter am Oberlandesgericht die Richterin am Oberlandesgericht den Richter am Amtsgericht
beschlossen:
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde der Rechtsanwältin P. gegen den Beschluss der Rechtspflegerin der Großen Strafkammer 22 des Landgerichts Hamburg vom 1. August 2007 wird auf Kosten der Beschwerdeführerin verworfen.
2. Der Beschwerdewert wird auf 921,30 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Mit der vorliegenden sofortigen Beschwerde begehrt die beschwerdeführende Rechtsanwältin im Kern Festsetzung von dem Verurteilten von Seiten der Staatskasse als notwendige Auslagen zu erstattenden Wahlverteidigergebühren ohne Abzug bereits ausgezahlter Pflichtverteidigergebühren in voller Höhe.
Der Verurteilte wurde durch Urteil des Landgerichts Hamburg vom 27. Januar 2006 wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Auf seine dagegen eingelegte Revision wurde dieses Urteil mit Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 26. Juli 2006 im Rechtsfolgenausspruch - mit Ausnahme einer Einziehungsanordnung - aufgehoben und insoweit zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Kammer des Landgerichts Hamburg zurückverwiesen. Daraufhin erging das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 14. Dezember 2006, mit welchem gegen den Verurteilten auf Freiheitsstrafe von nunmehr elf Jahren erkannt wurde. Die dagegen eingelegte erneute Revision des Verurteilten wurde mit Beschluss des Bundesgerichtsgerichtshofes vom 16. April 2007 gemäß § 349 Abs. 2 StPO kostenpflichtig verworfen.
Die im vorliegenden Beschwerdeverfahren als Kostengrundentscheidung maßgebliche Kosten- und Auslagenentscheidung des landgerichtlichen Urteils vom 14. Dezember 2006 lautet: "Er (gemeint: Der Verurteilte) trägt die Kosten des Verfahrens, jedoch hinsichtlich des Rechtsmittelverfahrens lediglich zu dreiviertel; einviertel dieser Kosten und seiner notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt".
Die als gerichtlich bestellte Verteidigerin des Verurteilten tätig gewesene Beschwerdeführerin machte die ihr nach dem RVG zustehenden Gebührenansprüche mit verschiedenen Rechnungen beim Landgericht geltend.
Unter anderem begehrte sie mit Rechnung vom 4. Januar 2007 als "Terminsgebühren Schwurgericht" gemäß Nr. 4121 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (im Folgenden: VV) Erstattung einer "Terminsgebühr - 8.12.06 -" in Höhe von 434,-- Euro nebst Zuschlag gemäß Nr. 4122 VV in Höhe von 178,-- Euro und gemäß Nr. 4121 VV einer "Terminsgebühr - 14.12.06 -" in Höhe weiterer 434,-- Euro sowie des Weiteren für das "Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung" einer Gebühr gemäß Nr. 4119 VV in Höhe von 322,-- Euro, insgesamt einen Betrag von 1.650,97 Euro. Davon wurde, unter Abzug des Zuschlages von 178,-- Euro und anteiliger Umsatzsteuer, ein Betrag von 1.444,49 Euro festgesetzt und an die Beschwerdeführerin ausgezahlt. Mit einer weiteren Rechnung vom 4. Januar 2007 begehrte die Beschwerdeführerin als "Pflichtverteidigergebühren" Erstattung der "Kosten für die Verteidigung im (gemeint: ersten) Revisionsverfahren" in Höhe von insgesamt 609,-- Euro. Dieser Betrag wurde antragsgemäß festgesetzt und an die Beschwerdeführerin ausgezahlt.
Die Beschwerdeführerin machte (hier beschwerdegegenständlich) mit als Kostenfestsetzungsgesuch zu wertender Rechnung vom 24. April 2007 insgesamt einen Betrag in Höhe von 1.120,85 Euro geltend für die "Hauptverhandlung nach Zurückverweisung" ("Gebühr gem. VV 4119" in Höhe von 725,-- Euro zu "1/4 = EUR 181,25") und als "Terminsgebühren Schwurgericht" ("Gebühr gem. VV 4121 Terminsgebühr - 8.12.06 -" in Höhe von 975,-- Euro zu "1/4 = EUR 243,--", "Gebühr gem. VV 4121 Terminsgebühr - 14.12.06 -" in Höhe von 975,-- Euro zu "1/4 = EUR 243,--") zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 107,-- Euro. Für die Verteidigung im (gemeint: ersten) "Revisionsverfahren" setzte die Beschwerdeführerin mit der Rechnung vom 24. April 2007 des weiteren einen Betrag von insgesamt 345,10 Euro an, den sie aus einer "Gebühr gem. 4131 VV Verfahrensgebühr Revisionsverfahren" in Höhe von 1.162,50 Euro zu "1/4 = EUR 290,--" zuzüglich 55,10 Euro Umsatzsteuer errechnete. Der Rechnung vom 24. April 2007 war eine schriftliche Abtretungserklärung des Verurteilten beigefügt, mit welcher er seine Erstattungsansprüche bezüglich des Revisionsverfahrens an die Beschwerdeführerin abgetreten hat.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 1. August 2007 setzte die Rechtspflegerin des Landgerichts die von der Staatskasse aus abgetretenem Recht an die Beschwerdeführerin zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 199,55 Euro fest und wies den weitergehenden Antrag vom 24. April 2007 zurück.
Bei der Berechnung der erstattungsfähigen Auslagen für das erste Revisionsverfahren legte die Rechtspflegerin die auch von der Beschwerdeführerin in Ansatz gebrachte Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4131 VV in Höhe von 1.162,50 Euro zu Grunde und errechnete daraus unter Berücksichtigung einer Auslagenpauschale von 20,-- Euro sowie der Umsatzsteuer in Höhe von 224,68 Euro eine Zwischensumme von 1.407,18 Euro. Hiervon brachte sie die bereits ausgezahlten Pflichtverteidigergebühren für das erste Revisionsverfahren in Höhe von 609,-- Euro in Abzug. Von dem verbleibenden Restbetrag von 798,18 Euro errechnete die Rechtspflegerin das nach der Kostengrundentscheidung vom 14. Dezember 2007 zu erstattende Viertel mit den festgesetzten 199,55 Euro.
Gegen diesen ihr am 4. August 2007 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss richtet sich die am 6. August 2007 beim Landgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Verteidigerin, mit der diese insbesondere ein Außerachtlassen der für die Verteidigung im Revisionsverfahren bereits gezahlten Pflichtverteidigergebühren bei Berechnung des (als Restbetrag) zu erstattenden Viertels der notwendigen Auslagen des Verurteilten erstrebt (Abzug "nicht vom Kostenrest ..., sondern von der Hauptforderung").
II.
Die sofortige Beschwerde der Verteidigerin des Verurteilten ist zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 11 Abs. 1 RPflG, 464b S. 3 StPO, 104 Abs. 3 S. 1 StPO, 311 Abs. 2, 304 Abs. 3 StPO).
a) Die sofortige Beschwerde ist fristgemäß eingelegt worden.
Im strafprozessualen Kostenfestsetzungsverfahren gilt zwar nicht die - gegenüber der Einwochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO längere - zweiwöchige Frist des § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO. Gemäß § 464b S. 3 StPO sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung auf das strafprozessuale Kostenfestsetzungsverfahren (nur) entsprechend anzuwenden. Sie gelten deshalb dort lediglich insoweit, als sie strafprozessualen Prinzipien nicht widersprechen (BGHSt 48, 106, 107 f.). Da bei den Fristen zur Einlegung der sofortigen Beschwerde ein solcher Widerspruch besteht, ist hier die strafprozessuale Beschwerdefrist des § 311 Abs. 2 StPO maßgeblich. Im vorliegenden Fall ist das Rechtsmittel jedoch auch unter Berücksichtigung der nur einwöchigen Frist des § 311 Abs. 2 StPO rechtzeitig eingegangen.
b) Die nach § 304 Abs. 3 StPO maßgebliche Beschwerdewertgrenze von 200,-- Euro ist überschritten.
Von welchem Beschwerdewert auszugehen ist, hängt davon ab, in welchem Umfang der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 1. August 2007 angefochten worden ist, was sich wiederum nach dem Willen der Beschwerdeführerin bestimmt.
Die Eingangsformulierung der Beschwerdeschrift, wonach das Rechtsmittel sich "gegen den Beschluß des Landgerichts Hamburg" richtet, spricht für eine unbeschränkte Anfechtung.
Eine Beschränkung des Rechtsmittels enthält auch die Beschwerdebegründung nicht.
Die zur Sache gemachten Ausführungen der Beschwerdeführerin lassen einen Willen zur Beschränkung des eingelegten Rechtsmittels nicht erkennen. Die Beschwerdeführerin hat zur Begründung ihres Rechtsmittels nähere Ausführungen zwar nur - unbeziffert - mit Bezug auf die Berechnungsweise des geltend gemachten Erstattungsanspruches hinsichtlich der Verteidigergebühren für das - erste - Revisionsverfahren gemacht. In einem Schreiben vom 5. Juli 2007, dessen Inhalt sie durch den in ihrer Beschwerdeschrift enthaltenen Verweis auf ihren bisherigen Sachvortrag in Bezug genommen hat, hat sie allerdings, nach ihr mitgeteilter Ankündigung einer Festsetzung der geltend gemachten Kosten entsprechend dem später ergangenen angefochtenen Beschluss, auf eine für den Verurteilten verbleibende Differenzkostenlast in Höhe von 446,40 Euro verwiesen. Dieser Betrag übersteigt die Differenz zwischen den von der Beschwerdeführerin für das erste Revisionsverfahren angesetzten 345,10 Euro und den insoweit festgesetzten 199,55 Euro erheblich, so dass von einem Willen zur Beschränkung der Beschwerde auf die in der Beschwerdebegründung im Einzelnen angesprochene Berechnung der zu erstattenden Auslagen für das erste Revisionsverfahren nicht ausgegangen werden kann, zumal unklar bleibt, auf welche Kostenpositionen außer den Verteidigergebühren für das erste Revisionsverfahren sich dieser Betrag beziehen soll. Im Ergebnis ist deshalb von einer Anfechtung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 1. August 2007 in dem gesamten Umfang der Ablehnung der beantragten Kostenfestsetzung auszugehen. Damit bezieht sich die sofortige Beschwerde auf die gesamte Differenz zwischen beantragten 1.120,85 Euro und festgesetzten 199,55 Euro und mithin auf einen Geldbetrag von 921,30 Euro.
2. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat die Rechtspflegerin des Landgerichts von den geltend gemachten 1.120,85 Euro nur einen Teilbetrag von 199,55 Euro als zu erstattende notwendige Auslagen festgesetzt und den Antrag der Beschwerdeführerin im Übrigen zurückgewiesen.
a) Die in dem Kostenfestsetzungsgesuch vom 24. April 2007 von Seiten der Beschwerdeführerin für die "Hauptverhandlung nach Zurückverweisung" sowie als "Terminsgebühren Schwurgericht" angesetzten Gebühren stehen ihr nicht zu bzw. sind schon abgegolten worden. Die Pflichtverteidigergebühren für die Verteidigung des Verurteilten in der nach erfolgter Teilaufhebung des ersten landgerichtlichen Urteils durchgeführten erneuten Hauptverhandlung waren bereits Gegenstand der Kostenrechnung der Beschwerdeführerin vom 4. Januar 2007 über 1.650,97 Euro und sind - unangefochten geblieben - mit 1.444,49 Euro erstattet worden.
Darüber hinausgehende Erstattungsansprüche auf anteilige Wahlverteidigergebühren stehen der Beschwerdeführerin für die erneute Hauptverhandlung nicht zu. Mit der Kostenrechnung vom 24. April 2007 hat sie insoweit in gleicher Weise wie für das erste Revisionsverfahrens jeweils ein Viertel der angesetzten Gebühren geltend gemacht. Dabei hat sie jedoch verkannt, dass hinsichtlich der erneuten landgerichtlichen Hauptverhandlung ein Erstattungsanspruch von Wahlverteidigergebühren gegenüber der Staatskasse nicht besteht, weil der sich aus der Kostengrundentscheidung vom 14. Dezember 2006 ergebende Erstattungsanspruch des Verurteilten in Höhe eines Viertels seiner Auslagen allein die in dem ersten Revisionsverfahren entstandenen Auslagen betrifft. b) Hinsichtlich des für das erste Revisionsverfahrens aus abgetretenem Recht des Verurteilten geltend gemachten Auslagenerstattungsanspruches steht der Beschwerdeführerin nur der von der Rechtspflegerin festgesetzte Betrag von 199,55 Euro zu. Im Übrigen ist das Kostenfestsetzungsgesuch der Beschwerdeführerin auch insoweit zu Recht zurückgewiesen worden.
Nach den Vorschriften des zum 1. Juli 2004 in Kraft getretenen RVG - hier § 52 Abs. 1 S. 2 - entfällt in gleicher Weise wie nach altem Recht des § 100 Abs. 1 S. 2 BRAGO der Anspruch des gerichtlich bestellten Verteidigers auf Wahlverteidigergebühren in Höhe der gesamten aus der Staatskasse gezahlten Pflichtverteidigergebühren. Es kann deshalb auch nach neuem Recht bei einem gegen die Staatskasse gerichteten Erstattungsanspruch eines Beschuldigten nur ein über die gesamten gezahlten Pflichtverteidigergebühren hinausgehender Rest aus der Staatskasse erstattet verlangt werden.
Nach früherer Rechtslage entfiel gemäß § 100 Abs. 1 S. 2 BRAGO der Anspruch eines Rechtsanwaltes auf Wahlverteidigergebühren "insoweit, als die Staatskasse nach den §§ 97 und 99 BRAGO Gebühren bezahlt" hatte. Für anteilige Erstattungsansprüche von Beschuldigten gegen die Staatskasse war umstritten, in welchem Umfang eine Anrechnung ausgezahlter Pflichtverteidigergebühren auf die zu erstattenden Wahlverteidigergebühren zu erfolgen hatte. Nach einer insbesondere zu Fällen des Teilfreispruches vertretenen Meinung waren nur die auf den Teilfreispruch entfallenden Pflichtverteidigergebühren auf die zu erstattenden Wahlverteidigergebühren anzurechnen (OLG Düsseldorf in NStZ-RR 1999, 64; OLG Celle in StV 2006, 33 f.; OLG Oldenburg in StraFo 2007, 127 f.). Demgegenüber waren nach zutreffender und allein mit dem Gesetzeswortlaut zu vereinbarender anderer Auffassung in Fällen des Teilfreispruches und überhaupt bei auf Kostenquotelung beruhenden Erstattungsansprüchen von Beschuldigten die gesamten ausgezahlten Pflichtverteidigergebühren anzurechnen (HansOLG Hamburg in RPfl 1999 413 f.; Saarl. OLG in RPfl. 2000, 564 f.).
Nichts anderes gilt für die hier maßgebliche Rechtslage nach Neuregelung der Rechtsanwaltsvergütung durch das RVG. Die Vorschrift des § 52 Abs. 1 S. 2 RVG: "Der Anspruch gegen den Beschuldigten entfällt insoweit, als die Staatskasse Gebühren gezahlt hat", ist in gleicher Weise wie der frühere § 100 Abs. 1 S. 2 BRAGO dahin auszulegen, dass sich daraus eine gesetzliche Verrechnung hinsichtlich der gesamten aus der Staatskasse gezahlten Pflichtverteidigergebühren ergibt; anderenfalls könnte der vom Gericht bestellte Verteidiger mehr Vergütung als ein vom Beschuldigten gewählter Verteidiger verlangen (HansOLG Hamburg, a.a.O.; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., § 52 RVG Rdn. 10).
§ 52 Abs. 1 S. 2 RVG enthält - wie der frühere § 100 Abs. 1 S. 2 BRAGO - zwar eine ausdrückliche Regelung für den Fall teilweiser Erstattungsansprüche nicht. Ebenso wie aus dem Wortlaut des früheren § 100 Abs. 1 S. 2 BRAGO wird aber schon aus dem nahezu gleich gebliebenen Wortlaut des § 52 Abs. 1 S. 2 RVG deutlich, dass das Entfallen des Anspruches auf Erstattung eines Teils der Wahlverteidigergebühren - weiterhin - pauschal und ohne Einschränkungen an die tatsächlich erfolgte Zahlung von Pflichtverteidigergebühren anknüpft und nicht an einen nach einer abstrakten Kostenquote zu berechnenden fiktiven Teilbetrag.
Die nach der früheren Rechtslage zur Begründung einer Anrechnung der gesamten gezahlten Pflichtverteidigergebühren angeführten systematischen Gesichtspunkte haben weiter Bestand. Für die Auslegung des § 100 Abs. 1 S. 2 BRAGO in dem hier vertretenen Sinne sprach der Umstand, dass - außer dem § 100 Abs. 1 BRAGO - auch die übrigen Gebührentatbestände der BRAGO an das Verfahren im jeweiligen Rechtszug insgesamt anknüpften, nicht jedoch etwa an einzelne Taten beziehungsweise Fälle (vgl. HansOLG Hamburg, a.a.O.) und erst Recht nicht an eine abstrakte Kostenquote bei nicht auf eine konkrete Einzeltat bezogenem Teilobsiegen im Rechtsmittelverfahren, wie sie dem vorliegenden Fall zu Grunde liegt. Gleiches gilt auch für die Gebührentatbestände des RVG.
Auch unter teleologischen Gesichtspunkten war nach früherer Rechtslage eine uneingeschränkte Verrechnung ausgezahlter Pflichtverteidigergebühren sachgerecht. Das Argument, dass eine vollständige Anrechnung ausgezahlter Pflichtverteidigergebühren eine differenzierende Auslagengrundentscheidung ins Leere laufen ließe, weil der durch einen Verurteilten an die Staatskasse zu erstattende Anteil der Pflichtverteidigergebühren häufig höher sei als der ihm aus der Staatskasse zu erstattende Anteil an den Wahlverteidigergebühren, und dass eine vollständige Anrechnung ausgezahlter Pflichtverteidigergebühren für den rechtsunkundigen Laien nicht nachvollziehbar sei (OLG Oldenburg, a.a.O., 128; OLG Celle, a.a.O., 34; OLG Düsseldorf, a.a.O.), hat nach alter Rechtslage nicht zu überzeugen vermocht und kann auch weiterhin eine lediglich anteilige Anrechnung ausgezahlter Pflichtverteidigergebühren nicht rechtfertigen. Wenn der von einem Verurteilten der Staatskasse zu erstattende Anteil der Pflichtverteidigergebühren die ihm aus der Staatskasse zu erstattenden Wahlverteidigergebühren überstieg, konnte auch nach alter Rechtslage ein gegen die Staatskasse gerichteter Erstattungsanspruch bei von Seiten der Staatskasse erklärter Aufrechnung nicht durchgesetzt werden. Die gesetzliche Verrechnungsbestimmung des § 100 Abs. 1 S. 2 BRAGO nahm damit lediglich ein Ergebnis vorweg, dass andernfalls auch bei Aufrechnungserklärung der Staatskasse eingetreten wäre. Nichts anderes gilt auch für die neue Regelung des § 52 Abs. 1 S. 2 RVG (a.A. z.B. Volpert in Burhoff, RVG, 2. Aufl., § 52 Rdn. 57 u. 59).
Im Übrigen wurde und wird durch die vollständige Verrechnung gezahlter Pflichtverteidigergebühren auch insoweit der anerkannte Grundsatz gewahrt, wonach ein Beschuldigter insgesamt nicht mehr als die Gebühren eines Wahlverteidigers zu zahlen haben soll (vgl. HansOLG Hamburg, a.a.O.; Hartmann, a.a.O.).
Der Wille des historischen Gesetzgebers steht der hier vertretenen Auslegung des § 52 Abs. 1 S. 2 RVG nicht entgegen, da danach mit § 52 Abs. 1 RVG der Regelungsinhalt des § 100 Abs. 1 BRAGO übernommen werden sollte (vgl. Begründung zu dem insoweit dem verabschiedeten Gesetz entsprechenden Entwurf der Bundestagsfraktionen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vom 11. November 2003 in BT-Drs. 15/1971, S. 202), aus welchem sich - wie vorstehend ausgeführt - eine vollständige Verrechnung ausgezahlter Pflichtverteidigergebühren mit Ansprüchen auf Erstattung von Wahlverteidigergebühren ergibt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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