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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 13.07.2004
Aktenzeichen: 1 Sbd 37/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 12
ZPO § 13
ZPO § 36
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 36 Abs. 2
ZPO § 281
ZPO § 281 Abs. 2 S. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Zum gemeinsamen allgemeinen Gerichtsstand für die Klage wird Frankfurt bestimmt.

Gründe:

I.

Die Klägerin mit Sitz in Essen kaufte durch in Basel notariell beurkundeten Vertrag vom 16.11.1993 von den drei Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern zum Kaufpreis von etwa 1,6 Milliarden DM die Geschäftsanteile der I GmbH mit Sitz in Frankfurt und Berlin. Zum Zeitpunkt des Vertrages hatten die Verkäufer ihren Wohnsitz bzw. Sitz in den Landgerichtsbezirken Frankfurt, Traunstein und München II. Das erworbene Unternehmen wurde zwischenzeitlich mit der Klägerin verschmolzen.

Die Klägerin begehrt nun von den Beklagten, die zum wesentlichen Zeitpunkt der Klageerhebung ihren allgemeinen Gerichtsstand bei den Landgerichten Frankfurt sowie München II hatten, die Feststellung, dass sie - die Klägerin - berechtigt sei, unter bestimmten Bedingungen vom Kaufvertrag zurückzutreten. Sie hat die Klage beim Landgericht Essen anhängig gemacht und insoweit die Auffassung vertreten, es sei dort der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes gegeben, weil im Falle ihres Rücktritts vom Unternehmenskauf das Rückgewährschuldverhältnis aufgrund der vollzogenen Unternehmensverschmelzung in Essen abzuwickeln sei. Hilfsweise hat sie Verweisung an das zuständige Gericht des Erfüllungsortes, weiter hilfsweise Vorlage an das Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts beantragt.

Das Landgericht Essen hat die Parteien darauf hingewiesen, ein besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes sei nach Auffassung der Kammer nicht gegeben, weil zweifelhaft sei, worin die streitige primäre Erfüllungspflicht der Beklagten liege, so dass nur am allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten geklagt werden könne. Es hat sodann die Akten dem OLG Hamm zur Entscheidung über den Zuständigkeitsbestimmungsantrag der Klägerin vorgelegt.

II.

1.

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor, weil die Klägerin gegenüber den Beklagten als Streitgenossen eine einheitliche Feststellung begehrt, weil die Beklagten ihren allgemeinen Gerichtsstand nach §§ 12, 13 ZPO bei verschiedenen Gerichten haben und weil schließlich ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand für die Feststellungsklage jedenfalls nicht zuverlässig feststellbar ist.

a)

Der Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO steht zunächst nicht entgegen, dass die Klage bereits erhoben worden ist. Abweichend vom Wortlaut der Regelung sind der entsprechende Antrag sowie die Bestimmung auch nach Rechtshängigkeit noch möglich (vgl. BGH in NJW 1978, 321; OLG Karlsruhe in OLGR 1999, 381; BayObLG in NJW-RR 1994, 890; Zöller, ZPO-Kommentar, 24. Aufl., Rn. 16 zu § 36 m.w.N.).

b)

Das Vorliegen eines - seitens der Klägerin in erster Linie geltend gemachten - besonderen Gerichtsstandes schließt vorliegend eine Zuständigkeitsbestimmung durch den Senat im ausgesprochenen Umfang nicht aus. Die Bestimmung des Gerichtsstandes nach § 36 Abs.1 Nr. 3 ZPO setzt zwar generell voraus, dass die Streitgenossen keinen gemeinsamen besonderen Gerichtsstand an einem deutschen Gericht haben (vgl. BGH in NJW 2000, 1871; BayObLG in NJOZ 2003, 145; Zöller, a.a.O., Rn. 15 zu § 36 ZPO; Musielak, ZPO-Kommentar, 3. Aufl., Rn. 16 zu § 36). Ist für die beabsichtigte Klage ein einheitlicher besonderer Gerichtsstand zuverlässig feststellbar, so fehlt grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Entscheidung. Eine Zuständigkeitsbestimmung ist dann ausgeschlossen (Zöller, ZPO-Kommentar, a.a.O., Rn. 18 zu § 36). Vorliegend bedarf es allerdings keiner Entscheidung des Senates, ob und ggf. wo ein besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes für die Klage gegeben ist. Für die begehrte Gerichtsstandsbestimmung ist vielmehr ausreichend, dass das Vorliegen eines gemeinsamen besonderen Gerichtsstandes zwischen den Parteien umstritten sowie rechtlich zumindest fraglich ist und seitens des von der Klägerin angerufenen Landgerichts zur Zeit unter Berücksichtigung des bisherigen Vortrages der Parteien verneint wird. Da die Klage bereits rechtshängig ist, muss die Entscheidung darüber, ob der von der Klägerin geltend gemachte besondere Gerichtsstand besteht, grundsätzlich dem angegangenen Prozessgericht, somit dem LG Essen, vorbehalten bleiben. Insoweit fehlt eine originäre Entscheidungsbefugnis des Senates. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie vorliegend - die mögliche Entscheidung des Prozessgerichts, ein besonderer Gerichtsstand sei nicht gegeben, nicht von vornherein, unabhängig von der noch nicht vorliegenden Begründung als rechtlich willkürlich erscheint. Die nach den gesetzlichen Regelungen der §§ 36 , 281 ZPO in erster Linie dem Prozessgericht obliegende Entscheidung ist nur in einem eventuellen Rechtsmittelverfahren - Berufung gegen ein klageabweisendes Prozessurteil - oder im Falle eines eventuellen späteren negativen Kompetenzkonfliktes zwischen zwei Landgerichten (§ 36 Abs.1 Nr. 6 ZPO) durch das Oberlandesgericht zu überprüfen. Im letzten Fall ist sie zudem unabhängig von ihrer Richtigkeit gemäß § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO - auch für das bestimmende Gericht im Sinne des § 36 Abs.1 Nr. 6 ZPO - bindend, soweit sie nicht auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs oder auf (objektiver) Willkür beruht (vgl. etwa BGH vom 10.06.2003, X ARZ 92/03, BGH in NJW 2002, 3635; NJW 1993, 1273; Zöller, a.a.O., Rn. 16 zu § 281; Vossler in NJW 2003, 1164; Endell in DRiZ 2003, 133; Fischer in MDR 2002, 1402).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich vorliegend ein Bedürfnis für eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs.1 Nr. 3 ZPO schon aus den formalen Erfordernissen des § 281 ZPO. Die Klägerin kann einen Antrag auf Verweisung gemäß § 281 ZPO nämlich nur dann stellen, wenn eines der Landgerichte, in denen die Beklagten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als für alle Beklagten zuständig erklärt wird (vgl. auch BayObLG in NJW- RR 1994, 891). Nur dann kann auch das LG Essen als Prozessgericht in einem eventuellen Verweisungsbeschluss das aufnehmende Landgerichts konkret bestimmen.

2.

Das OLG Hamm ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO für die Gerichtsstandsbestimmung zuständig, weil das zu seinem Bezirk gehörende Landgericht Essen zuerst mit der Sache befasst war. Hier wurde die Klage erhoben und der Bestimmungsantrag der Klägerin gestellt.

Gemäß § 36 Abs.2 ZPO wird die Zuständigkeitsbestimmung auch dann durch das OLG vorgenommen, wenn der allgemeine Gerichtsstand der (künftigen) Beklagten in verschiedenen OLG-Bezirken liegt. Nach dem Wortlaut der Regelung setzt die Zuständigkeitsbestimmung durch ein OLG voraus, dass zu dessen Bezirk "das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört". Dies ist vorliegend allein deshalb der Fall, weil die Klage bereits beim LG Essen, somit im Bezirk des OLG Hamm, rechtshängig ist. Unerheblich ist dabei, dass keiner der Beklagten ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk dieses Oberlandesgerichts hat. Soweit für die Zuständigkeit des bestimmenden Oberlandesgerichts verlangt wird, dass zumindest einer der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk dieses Gerichts hat, gilt dies nur für den typischen, vorliegend nicht gegebenen Bestimmungsantrag vor Klageerhebung. Nur dann ist Voraussetzung für die Anrufung eines vom Antragsteller auszuwählenden OLG, dass zumindest einer der künftigen Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk dieses OLG hat, um so eine willkürliche Anrufung eines in keinerlei räumlicher Beziehung zu einem Anknüpfungspunkt der künftigen Klage stehenden OLG zu verhindern (vgl. Zöller, a.a.O., Rn. 4 zu § 36 ZPO; Kemper in NJWE 1998, 3552; OLG Karlsruhe in OLGR 1999, 380; wohl auch BayObLG in NJW-RR 1999, 1296; OLG Koblenz in MDR 1998, 1305).

3.

Die Entscheidung über die Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist nach Zweckmäßigkeitserwägungen zu treffen. Hier erscheint es unter Berücksichtigung der in Betracht kommenden allgemeinen Gerichtsstände - Frankfurt und München II - zweckmäßig, Frankfurt zum gemeinsamen allgemeinen Gerichtsstand zu bestimmen. Hier befindet sich der Sitz der Beklagten zu 1), zu 2) und zu 3b), während allein die inzwischen verstorbene Beklagte zu 3a) zum maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung einen anderen allgemeinen Gerichtsstand hatte. Zudem besaßen die in Frankfurt ansässigen Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger mehr als 95 % des Stammkapitals der an die Klägerin verkauften Gesellschaft. Dass der Beklagten zu 3a) - bzw. nun ihren Rechtsnachfolgern - eine Rechtsverteidigung vor dem LG Frankfurt unzumutbar sein könnte, ist weder dargetan, noch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Rechtsstreits nach Lage der Akten anzunehmen.

4.

Nur klarstellend weist der Senat darauf hin, dass die Bestimmung nur den allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten betrifft und demgemäß nur rechtliche Bedeutung erlangen kann, wenn das Landgericht Essen unter Berücksichtigung des aktuellen Vortrages aller Parteien das Vorliegen eines besonderen Gerichtsstandes des Erfüllungsortes verneint und die Klägerin jedenfalls hilfsweise Verweisung an das Gericht des allgemeinern Gerichtsstandes beantragt. Die diesbezüglich noch ausstehende Entscheidung der Kammer bleibt somit durch die Senatsentscheidung unberührt.

Ende der Entscheidung

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