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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.02.2005
Aktenzeichen: 1 Ss OWi 89/05
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 267 |
Beschluss
Bußgeldsache
gegen J.H.
wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 11. November 2004 gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 10. November 2004 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 21. 02. 2005 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Dortmund zurückverwiesen.
Gründe:
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 150,- € verurteilt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts soll der Betroffene am 23. Januar 2004 gegen 13.12 Uhr mit dem PKW Fiat, amtliches Kennzeichen XXXXXXX, in Dortmund die A 45 in Richtung Frankfurt befahren haben. In Höhe von Kilometer 22,6 sei der Betroffene mit einer Geschwindigkeit von 158 km/h gefahren, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Zeichen 274 zu § 41 StVO auf 100 km beschränkt war.
Der Betroffene hat sich dahingehend eingelassen, er sei nicht die auf dem Messfoto als Fahrer abgebildete Person, vielmehr sei ein naher Verwandter gefahren, dessen Namen er nicht nennen möchte.
Das Amtsgericht hat diese Einlassung als Schutzbehauptung gewertet und seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen wie folgt begründet:
"Die Abbildungsqualität des in der Akte (Bl. 25) befindlichen Messfotos, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, ist nicht gut. Aus dem Messfoto ist ersichtlich, dass das abgebildete Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 163 km/h gemessen worden ist. Aus dem in der Akte befindlichen Messprotokoll, das in der Hauptverhandlung verlesen worden ist, ist ersichtlich, dass an der Messstelle eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h bestand.
Abzüglich des Toleranzwertes ergibt sich eine verwertbare Geschwindigkeit von 158 km/h.
Anhaltspunkte dafür, dass die Messung nicht zuverlässig erfolgt ist, liegen nicht vor. Die Radarmessung ist mit einem geeichten Radarmessgerät vom Typ MU VR 6 F - MultaGuard vorgenommen worden.
Bereits bei Vergleich der auf dem Messfoto abgebildeten Person mit dem Foto auf dem Personalausweis (Bl. 24 d.A.) ergibt sich eine große Ähnlichkeit der abgebildeten Personen. Auf dem Personalausweis ist das Gesicht des Betroffenen abgebildet.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die in der Akte befindliche Ablichtung des Personalausweises verwiesen.
Auch ein Vergleich des Gesichts des Betroffenen mit dem Gesicht der auf dem Messfoto abgebildeten Person ergibt große Ähnlichkeit.
Dass der Betroffene gefahren ist, ergibt sich insbesondere aus dem von dem Gericht eingeholten Identitätsgutachten des Sachverständigen Dr. Gabriel. Der Sachverständige hat in der Hauptverhandlung von dem Betroffenen ein Polaroidfoto gefertigt.
Auf das in der Akte befindliche Polaroidfoto wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
Der Sachverständige hat Identität bei folgenden Merkmalsgruppen festgestellt: Nase, Wangenknochen, Stirn und Haaransatz, Augenregion, Nasenwurzel und Kinnform.
Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass sehr wahrscheinlich Identität zwischen der auf dem Messfoto abgebildeten Person und dem Betroffenen besteht. Das Gericht schließt sich dieser Bewertung an und ist davon überzeugt, dass der Betroffene die auf dem Messfoto abgebildete Person ist.
Der Sachverständige hat ausgeführt, dass er seine Bewertung insoweit einschränken müsse, falls die auf dem Messfoto abgebildete Person ein naher Verwandter sei. Falls dies ein naher Verwandter sei, müsse er diese Person in sein Gutachten mit einbeziehen.
Dass die auf dem Messfoto abgebildete Person ein naher Verwandter des Betroffenen ist, ist nach Überzeugung des Gerichts auszuschließen. Der Betroffene hat dies zwar behauptet. Er hat jedoch nicht auf Aufforderung des Gerichts den nahen Verwandten benennen wollen. Wenn tatsächlich ein Verwandter gefahren wäre, wäre es dem Betroffenen zumutbar gewesen, diesen auch namentlich zu benennen, da der Verwandte bei einer Aussage nachteilige Folgen nicht mehr zu befürchten hätte. Ein Ordnungswidrigkeitenverfahren hätte gegen den Verwandten nicht mehr eingeleitet werden können, da die zu Grunde liegende Ordnungswidrigkeit verjährt wäre. Wenn der Betroffene dennoch nicht den Verwandten benannt hat, so ist dies nach Überzeugung des Gerichts darauf zurück zu führen, dass der Betroffene den Verwandten deswegen nicht benennen will, weil in Wahrheit er selbst das Fahrzeug geführt hat."
Gegen diese Entscheidung richtet sich die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch in zulässiger Weise eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts - zumindest vorläufig - Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Die Gründe des angefochtenen Urteils sind lückenhaft. Sie ermöglichen dem Senat nicht die Prüfung, ob die vom Amtsgericht getroffene Feststellung, der Betroffene sei zur Tatzeit Fahrer des Fahrzeugs gewesen, ohne Rechtsfehler getroffen worden ist.
Das Amtsgericht gründet seine Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen auf dessen Inaugenscheinnahme im Hauptverhandlungstermin und den von dem Sachverständigen Dr. G. getroffenen Feststellungen. Stützt aber der Tatrichter den Schuldspruch auf ein Sachverständigengutachten, so ist in den Urteilsgründen eine verständliche und in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung erforderlich (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 27. Mai 2004 - 1 Ss OWi 281/04 m.w.N.; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 71 Rdnr. 43 d).
Diesen Anforderungen genügt die angefochtene Entscheidung nicht. Da das Messfoto nach der eigenen Überzeugung des Amtsgerichts "nicht gut" ist, kommt dem Inhalt des Sachverständigengutachtens ein besonderes Gewicht zu. Das Amtsgericht teilt aber lediglich mit, dass der Sachverständige unter Bezugnahme auf sechs näher bezeichnete Merkmalsgruppen zu der Überzeugung gelangt sei, es bestehe "sehr wahrscheinlich" Identität zwischen der auf dem Messfoto abgebildeten Person und dem Betroffenen. Welche Übereinstimmungen im Detail bei den erwähnten Merkmalsgruppen vorliegen und welche Schlussfolgerungen daraus für das Verfahren zu ziehen sind, ist der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen.
Die alleinige Mitteilung der Merkmalsgruppen und des Ergebnisses des Sachverständigengutachtens kann allenfalls dann ausreichen, wenn der Sachverständige bei der Begutachtung ein weithin standardisiertes Verfahren angewendet hat, wenn von keiner Seite Einwände gegen die der Begutachtung zugrunde liegende Tatsachengrundlage und die Zuverlässigkeit der Begutachtung selbst erhoben werden (BGHR StPO, § 261 Sachverständiger 4). Diese Voraussetzungen, unter denen die Mitteilung des Erkenntnisses ausnahmsweise zur Beweisführung ausreichen könnte, liegen ersichtlich nicht vor, zumal eine standardisierte Verfahrensweise bei einem anthropologischen Vergleichsverfahren ohnehin nicht in Betracht kommen dürfte.
Nach alledem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
Ende der Entscheidung
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