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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 04.08.2005
Aktenzeichen: 10 U 137/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB §§ 2113 ff
BGB § 2113 Abs. 2
BGB § 2270
BGB § 2270 Abs. 1
BGB § 2270 Abs. 2
BGB § 2271
BGB § 2271 Abs. 2 S. 1
BGB § 2271 Abs. 2
BGB § 2289 Abs. 1 S. 2
BGB § 2348
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 13.07.2004 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über einen Geldvermächtnisanspruch der Klägerin nach der am 03.02.2002 verstorbenen Erblasserin NL, deren Testamentsvollstrecker der Beklagte ist.

Die Erblasserin hatte gemeinsam mit ihrem Ehemann IL unter dem 27.09.1997 vor dem Notar X in S ein notarielles Testament errichtet. Darin erläuterten die Eheleute L1 unter Aufhebung aller bisherigen letztwilligen Verfügungen über mehrere Seiten die Gründe für ihre nachfolgenden letztwilligen Anordnungen. Sodann setzte der Ehemann IL unter I. zu seinem Vorerben den Enkel NL1 und zu seinem Nach- bzw. Ersatzerben den IL1 e.V. mit Sitz in S ein. Des weiteren traf er nähere Regelungen zum Eintritt bzw. Ausfall des Nacherbfalles. Unter II. verfügte die Erblasserin Margret Kuper :

"Mein Alleinerbe ist mein Enkel NL1.

Mit den obigen Verfügungen und Anordnungen meines Ehemannes bin ich einverstanden."

Es schlossen sich Anordnungen zur Testamentsvollstreckung, Auflagen betreffend die Geschäftsführung der L1-Firmen und Vermächtnisanordnungen zugunsten verschiedener Personen an. Wegen der Einzelheiten des gemeinschaftlichen Testamentes zur UR-Nr. ###/97 des Notars X in S wird auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 11 - 18 d.A.) Bezug genommen.

Die Eheleute ergänzten sodann dieses Testament durch weitere notarielle Urkunde vom 07.10.1997; darin wurden Vermächtnisanordnungen des IL zugunsten seiner Ehefrau getroffen und das am 27.09.1997 ausgesetzte Vermächtnis zugunsten des L1-Fördervereins beschränkt.

Nach dem Tode ihres Ehemannes am 01.07.1998 errichtete die überlebende Ehefrau NL alleine vor dem Notar X in S zwei Testamente, in denen sie ausdrücklich "in Ergänzung der gemeinsamen Verfügungen vom 27.09.1997" Vermächtnisanordnungen traf. So vermachte sie ihren Nichten - zu denen die Klägerin gehört - und der Haushälterin durch Testament vom 30.09.1999 Porzellan, Schmuck, Teppiche, Silber und andere Gegenstände. Durch weiteres Testament vom 10.07.2000 ordnete sie an, dass diesem Personenkreis zusätzlich Anteile an ihren 3 Kontenguthaben bei der Sparkasse S nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel zukommen sollten. Wegen der Einzelheiten dieser Testamente wird auf die zur Akte gereichten Ablichtungen der notariellen Urkunden (Bl. 8 - 10 und 32 - 35 d.A.) verwiesen. Jedenfalls vor Errichtung des ersten Testamentes vom 30.09.1999 holte die Erblasserin die mündliche Zustimmung des in Aussicht genommenen Testamentsvollstreckers sowie der im Testament vom 27.09.1997 bezeichneten Erben zu der getroffenen Vermächtnisanordnung ein.

Beim Tode der Erblasserin NL befanden sich auf den in ihrem letzten Testament genannten Konten bei der Sparkasse S Guthaben von insgesamt 198.862,- € nebst aufgelaufener Zinsen von 90,17 €.

Die Klägerin beansprucht auf der Grundlage des Testamentes vom 10.07.2000 ein Sechstel des Guthabensbetrages. Sie forderte den Beklagten als Testamentsvollstrecker durch Schriftsatz ihres Rechtsanwaltes vom 04.02.2003 unter Fristsetzung zum 21.02.2003 vergeblich zur Zahlung auf. Dieser lehnte die Zahlung ab und händigte lediglich die in dem Testament vom 30.09.1999 genannten Vermächtnisgegenstände aus.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das zu ihren Gunsten verfügte Geldvermächtnis sei wirksam, weil die Erblasserin durch die gemeinschaftlichen Testamente der Eheleute L1 nicht in ihrer Testierfreiheit eingeschränkt gewesen sei. Sie hat behauptet, für beide Einzeltestamente der Erblasserin habe die Zustimmung des NL1 und des L1-Fördervereins vorgelegen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, aus dem Nachlass der Frau NL an sie einen Betrag von 33.233,83 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszins seit dem 21.02.2003 zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Erblasserin habe wegen Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzungen in dem Ehegattentestament vom 27.09.1997 nicht mehr wirksam Vermächtnisse anordnen können, die die in Aussicht genommenen Erben beeinträchtigten. Er hat behauptet, zu dem fraglichen Testament vom 10.07.2000 habe keine Zustimmung dieser Erben vorgelegen.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 13.07.2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Auslegung des gemeinschaftlichen Testamentes vom 27.09.1999 ergebe, dass die Erbeinsetzungsanordnung der Erblasserin NL habe wechselbezüglich und verbindlich sein sollen. Dies ergebe sich aus dem übereinstimmenden Motiv beider Testatoren, das den beiderseitigen Erbeinsetzungen zugrunde liege, ferner aus dem gleichlautenden Inhalt der Erbeinsetzungsanordnung, der gemeinschaftlichen Erklärung zur Testamentsvollstreckung und den unabhängig von der Sterbereihenfolge getroffenen Vermächtnisanordnungen. Schließlich sei die Einholung des Einverständnisses der eingesetzten Erben zu den Stückvermächtnisaussetzungen nach dem ersten Erbfall nur dann nachzuvollziehen, wenn die Erblasserin insoweit selbst von einer Bindung ausgegangen sei.

Das etwaige Einverständnis der Vor- und Nacherben mit den Geldvermächtnisanordnungen vom 10.07.2000 sei unbeachtlich, weil sonst der Bindungswille des vorverstorbenen Ehegatten unterlaufen werden könne. Schließlich beeinträchtige das Geldvermächtnis auch die Erbenrechte, was zu seiner Unwirksamkeit führe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Mit ihr verfolgt sie ihr erstinstanzliches Zahlungsbegehren weiter. Die Klägerin rügt die ihrer Ansicht nach fehlerhafte Anwendung der §§ 2113 ff, 2270, 2271 BGB und die Verletzung des rechtlichen Gehörs; sie greift die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichtes an, weil dieses unterlassen habe, den beurkundenden Notar X als Zeugen zur Frage des Erblasserwillens hinsichtlich der Wechselbezüglichkeit zu vernehmen. Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vertritt die Klägerin die Auffassung, es lägen keine Umstände vor, die dafür sprächen, dass die Erblasserin ihren Enkel nur deshalb zum Erben eingesetzt habe, weil dies auch von ihrem Ehemann geschehen sei. Die Voraussetzungen der für eine Wechselbezüglichkeit streitenden Auslegungsregel des § 2270 II BGB lägen bei der ausschließlichen Einsetzung eines Dritten nicht vor. Das habe das Landgericht ebenso wie die Beweisbelastung des Beklagten verkannt. Schließlich solle eine etwaige Bindungswirkung der Erbeinsetzung nur die Erben schützen, so dass diese durch ihr Einverständnis von der Bindung hätten freistellen können.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten zu verurteilen, aus dem Nachlass der Frau NL an sie einen Betrag von 33.233,83 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszins seit dem 21.02.2003 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die landgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Der Beklagte vertritt nach wie vor die Ansicht, die jeweiligen Erbeinsetzungen der Eheleute seien mit Rücksicht aufeinander wechselbezüglich und bindend gewollt gewesen. Er behauptet, es sei den Eheleuten L1 bei Testamentserrichtung darum gegangen, den Firmenbestand zu sichern; die L1-Firmen seien - wie auch das jeweilige Privatvermögen - als von ihnen gemeinsam geschaffenes Lebenswerk angesehen und letztwillig so behandelt worden. Das gut durchdachte Testament habe ein gemeinsames Gesamtkonzept der Eheleute verwirklichen sollen mit dem Ziel, ihr als gemeinschaftlich betrachtetes Vermögen erbrechtlich einheitlich weiterzugeben. Diese Zielsetzung habe sich nur bei unbedingter Einhaltung beider Erbeinsetzungen gewährleisten lassen, was beiden Eheleuten bewusst gewesen sei. Die Erblasserin habe mit der Unterzeichnung des gemeinschaftlichen Testamentes die klare Vorstellung verbunden, ihre eigene Erbeinsetzungsverfügung nicht mehr abändern zu können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie die Berichterstattervermerke zu den Senatsterminen am 31.03.2005 (Bl. 130 f. d.A.) und 16.06.2005 (Bl. 155 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Senat hat nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 31.03.2005 (Bl. 126 - 127 d.A.) Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen X. Hinsichtlich des Beweisaufnahmeergebnisses wird ebenfalls auf den Berichterstattervermerk vom 16.06.2005 (Bl. 155 ff. d.A.) verwiesen.

II.

1. Die zulässige Berufung der Klägerin ist in der Sache unbegründet.

Das angefochtene Urteil hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht der streitgegenständliche Vermächtnisanspruch ( §§ 2147, 2174 BGB) gegen den der Testamentsvollstreckung des Beklagten unterliegenden Nachlass der Erblasserin NL nicht zu.

2. Der als Vermächtnis geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 33.233,83 € setzt die Wirksamkeit der entsprechenden Vermächtnisanordnung zugunsten der Klägerin in dem zur UR-Nr. ##/2001 des Notars X in S errichteten Testament vom 10.07.2000 voraus. Eben diese Wirksamkeit hat das Landgericht im Hinblick auf das die Erblasserin bindende gemeinschaftliche Testament der Eheleute L1 vom 27.09.1997 zu Recht verneint; denn die genannte Vermächtnisanordnung beeinträchtigte die Rechte des im notariellen Ehegattentestament vom 27.09.1997 bindend bestimmten Erben.

a) Letztwillige Verfügungen, mit denen der überlebende Ehegatte das Recht eines in einem früheren gemeinschaftlichen Ehegattentestament wechselbezüglich Bedachten beeinträchtigen würde, sind analog § 2289 I 2 BGB unwirksam (Palandt, BGB, 64. Aufl., § 2271, Rdnr. 15/16 m.w.N.). Der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen in einem Ehegattentestament (§ 2270 BGB) ist nach dem Tode des anderen Ehegatten grundsätzlich nicht mehr möglich (§ 2271 II 1 BGB); das Recht zum Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen erlischt vielmehr mit dem Tode des Erstversterbenden (Münchener Kommentar, BGB, 3. Aufl., § 2271, Rdnr. 15).

b) Bei der in dem am 27.09.1997 beurkundeten gemeinschaftlichen Testament unter II. angeordneten Erbeinsetzung der Erblasserin NL zugunsten ihres Enkels bzw. des IL1-Kuper-Fördervereins e.V. handelt es sich um eine sog. wechselbezügliche Verfügung i.S.v. § 2270 I BGB. Denn sie wäre nach dem Willen der testierenden Eheleute L1 nicht ohne die entsprechende Erbeinsetzungsanordnung des Ehemannes IL unter I. getroffen worden.

Die Wechselbezüglichkeit einer letztwilligen Verfügung ist zu bejahen, wenn ein Ehegatte sie nicht ohne die entsprechende Verfügung des anderen Ehegatten getroffen hätte bzw. wenn die eine Verfügung mit Rücksicht auf die andere getroffen wurde und sie nach dem Willen der Ehegatten mit ihr stehen und fallen soll (BayOblG 2001, 1734, 1735; OLG Hamm, FamRZ 2001, 1647, 1648; Palandt, aaO, § 2270, Rdnr. 1 - jeweils m.w.N.; Münchener Kommentar, aaO, § 2271, Rdnr. 2).

Möglich ist dabei auch die nur einseitige Bindung eines Ehegatten an seine Schlusserbeneinsetzung (BayOblG, FamRZ 2001, 1734, 1735; 1986, 604, 606 m.w.N.; Münchener Kommentar, aaO, Rdnr. 3). Zudem muss die Wechselbezüglichkeit stets hinsichtlich jeder einzelnen Verfügung eines Ehegattentestamentes beurteilt werden (BGH, NJW-RR 1987, 1410; OLG Hamm, FamRZ 2001, 1647, 1648; BayOblG, FamRZ 1986, 604, 606; Palandt, aaO, § 2270, Rdnr. 4; Juris-Praxiskommentar, BGB, 2. Aufl., § 2271, Rdnr. 12).

Dass der Text des gemeinschaftlichen Testamentes vom 27.09.1997 vorliegend ungeachtet seiner notariellen Beurkundung und seiner von beratenden Juristen vorbereiteten Formulierung an keiner Stelle ausdrücklich die Regelung der Wechselbezüglichkeit aufgreift, steht der Annahme, dass es sich um wechselbezügliche Erbeinsetzungen der Eheleute L1 handelte, nicht entgegen. Vielmehr ist anerkannt, dass dem festgestellten Willen der testierenden Ehegatten auch in solchen Fällen Vorrang gegenüber dem Wortlaut der Testamentsurkunde zukommt; denn die notarielle Belehrungspflicht kann die Möglichkeit, dass der vom Notar formulierte Wortlaut den Willen der testierenden Ehegatten nur unpräzise erfasst, nicht ausschließen (OLG Hamm, OLGR 2005, 294, 295 m.w.N.). Hinzu kommt, dass der vor dem Senat vernommene beurkundende Notar X nicht hat bestätigen können, dass die Frage der Wechselbezüglichkeit anlässlich der Beurkundung im September 1997 mit den Testatoren überhaupt erörtert wurde. Die fehlende Erwähnung der Wechselbezüglichkeit in der Testamentsurkunde beruhte deshalb nicht feststellbar darauf, dass die Ehegatten keine derartige Abhängigkeit ihrer jeweiligen Erbeinsetzungsverfügungen gewollt hätten.

Nachdem es im Ehegattentestament vom 27.09.1997 und dessen späterer Ergänzung vom Oktober 1997 an einer ausdrücklichen Regelung zur Wechselbezüglichkeit fehlt, muss - wie das angefochtene Urteil zu Recht ausführt - deshalb der gemeinsame Erblasserwille bei der Testamentserrichtung im Auslegungswege ermittelt werden.

Zur Ermittlung des für die Wechselbezüglichkeit letztwilliger Verfügungen maßgeblichen Erblasserwillens bei der Testamentserrichtung bedarf es der Gesamtwürdigung alle feststellbaren Umstände des Einzelfalls, die innerhalb oder außerhalb der Testamentsurkunde liegen können (Palandt, aaO, § 2271, Rdnr. 4; Juris-Praxis-kommentar, § 2270, Rdnr. 13 m.w.N.; Münchener Kommentar, aaO, § 2270, Rdnr. 6/7). Die Feststellungslast trifft dabei denjenigen, der sein Recht auf die Wechselbezüglichkeit stützt (Palandt, aaO; Juris-Praxiskommentar, § 2270, Rdnr. 34; BayOblG, RPfl 1985, 445, 446).

Dabei greift vorliegend - wie die Berufung zu Recht ausführt - zugunsten des feststellungsbelasteten Beklagten nicht die Auslegungsregel aus § 2270 II BGB : Denn beide Eheleute L1 hatten sich im fraglichen Testament vom 27.09.1997 nicht gegenseitig zu Erben eingesetzt; auch hatte der Ehemann nicht zugunsten der Ehefrau eine Zuwendung vorgenommen und diese (daraufhin) eine Verfügung zugunsten einer dem Ehemann nahestehenden Person gemacht.

Jedoch führt die Gesamtwürdigung aller feststellbaren Umstände zu der Überzeugung des Senates davon, dass nach dem Willen der Eheleute L1 die Erbeinsetzungsanordnungen des Ehemannes davon abhängig sein sollten, dass auch die Ehefrau ihre eigene Erbfolge wie geschehen regelte. Aus der dem Testamentsvorwort zu entnehmenden Motivation beider Eheleute und der erkennbaren Gesamtkonzeption der erbrechtlichen Regelung vom 27.09.1997 erschließt sich letztlich der Wille der Testatoren, dass die jeweiligen aufeinander abgestimmten Erbeinsetzungen auch nach dem Tode eines von ihnen unwiderruflich sein sollten.

Zunächst sind die Erbeinsetzungen nach beiden Eheleuten vorliegend in der Weise vorgenommen worden, dass ihnen ein gemeinsames Vorwort zur Begründung einer gemeinsamen (identischen) Testiermotivation vorangestellt wurde. Die Testatoren haben in ungewöhnlich ausführlicher Weise den letztendlich hinsichtlich der Erbfolge getroffenen Verfügungen eine mehrseitige Erläuterung ihrer Beweggründe für die nachfolgenden Erbeinsetzungsanordnungen vorangestellt. Gemeinsames Ziel der testamentarischen Anordnungen sollte es danach sein, die von ihnen als gemeinschaftliche Lebensplanung bezeichnete Fortführung der L1-Firmengruppe endgültig und unwiderruflich erbrechtlich zu regeln und dabei ihren Adoptivsohn von der Teilhabe an ihrem Lebenswerk auszuschließen. Dass mit dem Widerruf aller bisherigen letztwilligen Verfügungen beginnende und mit dem gemeinschaftlichen Willensentschluss zur nunmehrigen Festlegung und Bestätigung des Erben abschließende Vorwort macht deutlich, dass beide Eheleute das Ziel ihrer gemeinschaftlichen Lebensplanung mit den nachfolgenden Erbregelungen endgültig, effektiv und verbindlich umgesetzt wissen wollten.

Nicht zuletzt die häufige Verwendung der Worte "wir" und "unsere" im Zusammenhang mit der Begründung der getroffenen Erbregelung verdeutlicht, dass es sich bei der nachfolgenden Regelung um eine aufeinander abgestimmte und vom gemeinsamen Willen getragene Anordnung handeln sollte.

In gleicher Weise zeigt dies die Formulierung zur Erbeinsetzung der Ehefrau L1 unter II., die sich vollständig auf diejenige bei den Erbeinsetzungen ihres Ehemannes stützt. Gerade das im direkten Zusammenhang mit der eigenen Erbanordnung erklärte (rechtlich gar nicht erforderliche) Einverständnis der Ehefrau L1 mit der inhaltsgleichen Verfügung ihres Ehemannes deutet darauf hin, dass die Eheleute die Erbenbestimmungen eines jeden von ihnen letztlich als Bestandteil einer gemeinsamen Entschließung ansahen und sie voll und ganz mittrugen.

Dafür, dass die Erbeinsetzungsregelung des vorverstorbenen Ehemannes nicht ohne die gleichlautende Erbregelung der Ehefrau getroffen worden wäre, spricht nicht zuletzt die auf dem Hintergrund des gemeinsamen Motivs juristisch vorbereitete und durchdachte Gesamtkonzeption der Regelung.

Wie schon aus dem Vorwort des Testamentes vom 27.09.1997 ersichtlich ist, gingen beide Eheleute von der Vorstellung aus, ein gemeinsames Vermögen aufgebaut zu haben, dessen Verbleib nach beiden von ihnen geregelt werden sollte. Sie trennten in ihrer Vorstellung nicht zwischen dem deutlich größeren Firmen- und Grundstücksvermögen des Ehemannes und dem vergleichsweise geringen Vermögen der Ehefrau. Dies hat der vor dem Senat als Zeuge vernommene Notar X ebenfalls glaubhaft bestätigt.

Mit dieser gemeinsamen Vorstellung eines aufgebauten und zu vererbenden Gesamtvermögens wäre es unvereinbar gewesen, wenn der testamentarischen Erbeinsetzung nach der Ehefrau für den (aus Krankheitsgründen naheliegenden) Fall des Vorversterbens des Ehemannes keine Bindungswirkung hätte zukommen sollen. Denn im Falle des Vorversterbens des IL fielen absehbar Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsansprüche in Millionenhöhe in den Nachlass der Ehefrau, so dass im Falle einer unverbindlichen (frei widerruflichen) Erbregelung nach der Ehefrau doch noch der Adoptivsohn wertmäßig am aufgebauten Firmenvermögen hätte partizipieren können. Dass gerade dies von beiden Erblassern - insbesondere aber von dem vorverstorbenen Ehemann L1 - nicht gewollt war, lässt sich dem Vorwort des Testamentes zweifelsfrei entnehmen. Nach dem Willen der Testatoren sollten vielmehr die Regelungen der Erbfolge nach beiden von ihnen zu dem einheitlichen Ziel führen, das gemeinsam erarbeitete Vermögen möglichst unter Ausschluss jedweder wirtschaftlicher Beteiligung des Adoptivsohnes daran in geeignete dritte Hände zu überführen. Dies lässt sich nicht mit den Annahme in Einklang bringen, die überlebende Ehefrau habe hinsichtlich ihres - wenn auch vergleichsweise geringen - eigenen Vermögens noch in einer vom 27.09.1997 abweichenden Weise testieren können sollen.

Der Annahme einer gewollten Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzungen steht nicht entgegen, dass bei Testamentserrichtung offenbar kein zur letztwilligen Bindung des Überlebenden nötigendes Misstrauen unter den Eheleuten bestand : Auch wenn nach dem Inhalt des Testamentsvorspanns beide Eheleute so nachhaltig vom Adoptivsohn enttäuscht waren, dass keiner im Falle seines Vorversterbens befürchten musste, der andere werde ihn bezüglich des eigenen Nachlasses mit abweichenden Erbanordnungen gleichsam hintergehen, macht die im Testament dargestellte Motivation doch deutlich, dass jeder Ehegatte Abweichungen des anderen Teils von deren Erbeinsetzungsregelung zugleich als Auflehnung gegen die in eigener Person getroffene Erbeinsetzung angesehen hätte.

Schließlich spricht der Umstand, dass die Erblasserin NL sich nach dem Vorversterben ihres Ehemannes bezüglich ihrer Berechtigung zu (abweichenden) Vermächtnisanordnungen erkundigt und die Zustimmung des Testamentsvollstreckers sowie der (potentiellen) Erben erfragt hat, dafür, dass sie selbst davon ausging, an die letztwilligen Anordnungen aus dem gemeinschaftlichen Testament vom 27.09.1997 gebunden zu sein.

c) Die mithin in wechselbezüglicher Weise verbindlich vorgenommene Erbeinsetzung des Enkels NL1 bzw. der Fördervereins nach der Erblasserin NL wurde durch die am 10.07.2000 verfügte Vermächtnisanordnung zugunsten der Klägerin i.S.v. § 2289 I 2 BGB beeinträchtigt

Zu den Beeinträchtigungen eines bindend eingesetzten Erben gehört insbesondere dessen Belastung mit einem Vermächtnisanspruch (Palandt, aaO, § 2271, Rdnr. 16 m.w.N.; Münchener Kommentar, aaO, § 2289; Rdnr. 10; Juris-Praxiskommentar, § 2271, Rdnr. 19 zu "Vermächtnisse"). Da das Ehegattentestament vom 27.09.1997 den Erben der Ehefrau NL noch nicht mit einer entsprechenden Geldvermächtnisanordnung beschwerte, führte die spätere Vermächtnisanordnung zur Beteiligung der Klägerin an drei Kontenguthaben zu einer Erbenbeeinträchtigung in Höhe der Vermächtnisbeschwerung.

Wie es zu den strittigen Vermächtnisanordnungen vom Juli 2000 kam, ist im Hinblick auf die Bindungswirkung nach § 2271 II 1 BGB und für die Beurteilung der Wirksamkeit nach § 2289 I 2 BGB (in analoger Anwendung) unerheblich.

Der Bundesgerichtshof hat insoweit - entgegen einer abweichend vertretenen Auffassung (vgl. dazu : Juris-Praxiskommentar, § 2271, Rdnr. 19 mit Fußnote 61; Münchener Kommentar, aaO, § 2271, Rdnr. 18) - entschieden, dass spätere Vermächtnisbeschwerungen selbst dann nicht von der Bindungswirkung letztwilliger Verfügungen ausgenommen sind, wenn sie "einer sittlichen Verpflichtung oder einer nach Anstandsregeln gebotenen Rücksichtnahme entsprechen" (BGH, NJW 1978, 423). Auch bei eigentlich anerkennenswerten Zuwendungen sei es nicht gerechtfertigt, die Bindungswirkung des § 2271 II BGB auszuhöhlen; das Gesetz sehe insoweit - anders als z.B. für Vorerbenverfügungen nach § 2113 II BGB - nun einmal keine Ausnahme vor. Die Zulassung einer Durchbrechung der Bindung in derartigen Fällen führe wegen der Unbestimmtheit der Abgrenzungsmerkmale zu einer erheblichen Unsicherheit über die Verfügungswirksamkeit; auch bestehe wegen der Möglichkeit lebzeitiger Zuwendungen in solchen Fällen kein Bedürfnis für eine derartige Ausnahmeregelung.

Der Senat folgt dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung auch im vorliegenden Fall, so dass die Motivation der Erblasserin für die Vermächtnisanordnungen vom Juli 2000 dahin stehen kann.

d) Soweit nach dem (bestrittenen und unter Zeugenbeweis gestellten) Vortrag der Klägerin schließlich die von der Erblasserin eingesetzten Erben NL und IL1- Förderverein e.V. bereits anlässlich der Vermächtnisanordnung ihr Einverständnis erklärt haben sollen, ist dies für die Wirksamkeit der Anordnungen vom 10.07.2000 ohne Belang.

Es entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass die formlose Einwilligung des bindend bedachten Erben in eine seine Rechte beeinträchtigende Verfügung von Todes wegen nicht geeignet ist, den Erblasser von seiner Bindung zu befreien; denn das Gesetz knüpft mit § 2348 BGB den Verzicht auf berechtigte Erberwartungen an die Einhaltung strenger Formvorschriften (BGH, NJW 1989, 2618, 2619). Auch die Oberlandesgerichte Hamm (NJW 1974, 1774, 1775 f.) und Köln (NJW-RR 1994, 651, 653) haben in gleicher Weise entschieden. Hiervon abzuweichen besteht keine Veranlassung.

Es ist mit der notwendigen Rechtssicherheit unvereinbar, dass die Beurteilung der erbrechtlichen Verhältnisse von der Stellungnahme eines Beteiligten abhängt, für die weder eine Form noch eine Frist vorgegeben ist. Ein Einverständnis des testamentarisch bindend Bedachten vor dem Erbfallseintritt mit der Beeinträchtigung seiner Rechte bedarf vielmehr der Form des Zuwendungsverzichtes (§ 2352 BGB), die hier unstreitig nicht gewahrt wurde (vgl. a. Palandt, aaO, § 2289, Rdnr. 7 m.w.N. und § 2271, Rdnr. 16 m.w.N.).

e) Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasserin NL in dem gemeinschaftlichen Testament vom 27.09.1997 ein sog. Änderungsvorbehalt (vgl. dazu : Palandt, aaO, § 2271, Rdnr. 19, 20) dergestalt eingeräumt werden sollte, dass sie - bei grundsätzlich bestehender Bindung der Erbeinsetzungsanordnung - zu der in Rede stehenden Vermächtnisanordnung befugt werden sollte, bestehen nicht. Vielmehr legen die ausdrücklichen Vermächtnisregelungen unter Ziffer V. des gemeinschaftlichen Testamentes nahe, dass die testierenden Eheleute den Kreis derjenigen Personen, die sie mit Geld- und anderen Vermächtnissen bedenken wollten, gemeinsam festgelegt hatten und den Umfang der Vermächtnisse einvernehmlich sowie endgültig bestimmen wollten. Auch das ergänzende Testament vom 07.10.1997 - welches die zuvor getroffenen Vermächtnisanordnungen modifizierte - bietet keinen Anhalt dafür, dass der Ehefrau NL für den Fall ihres Überlebens eine weitergehende Änderungsbefugnis hinsichtlich etwaiger Vermächtnisanordnungen zugunsten ihrer Nichten zukommen sollte. Es hätte nahe gelegen, die Befugnis der überlebenden Ehefrau zu weiteren beeinträchtigenden Vermächtnisanordnungen spätestens anlässlich des die Vermächtnisse ergänzenden Testamentes vom Oktober 1997 zuregeln, wäre sie gewollt gewesen. Nachdem es an jedem dahingehenden Anhalt fehlt, vermag der Senat einen Erblasserwillen, die überlebende Ehefrau mit Änderungsbefugnissen zu den späteren Vermächtnisanordnungen auszustatten, nicht zu erkennen.

3. Die den Vermächtnisanspruch weiter verfolgende Berufung war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 I ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Zif. 10, 711 ZPO.

4. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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