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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 30.06.2006
Aktenzeichen: 11 UF 10/06
Rechtsgebiete: BGB, BErzGG
Vorschriften:
BGB § 1579 | |
BErzGG § 9 |
Die Haushaltsführung für den Partner ist nicht einer Erwerbstätigkeit auf dem Arbeitsmarkt gleichzustellen, so dass als Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten dasjenige für Nicht-Erwerbstätige (770 € ab 1. 7. 2005, Nr. 21.4.2 HLL 2005) in Betracht kommt.
Eine weitere Reduzierung wegen Zusammenlebens mit einem Partner findet nicht statt.
2.)
Im Falle der wegen Wahrung der Kindesbelange nur teilweisen Verwirkung von Unterhaltsansprüchen nach § 1579 BGB ist das Erziehungsgeld gem. § 9 BErzGG auf den Unterhaltsanspruch bedarfsdeckend anzurechnen, nicht dagegen das Kindergeld.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
11 UF 10/06 OLG Hamm
Verkündet am 30. Juni 2006
In der Familiensache
hat der 11. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 07. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zumdick und die Richter am Oberlandesgericht Lüblinghoff und Michaelis de Vasconcellos
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 02. Dezember 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Beckum teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin wie folgt Trennungsunterhalt zu zahlen:
a) für die Zeit vom 01.01.2005 bis 22.04.2005 monatlich 55,00 €;
b) für die Zeit vom 23.04. bis 30.06.2005 monatlich 355,- €;
c) für die Zeit von Juli 2005 bis Dezember 2005 monatlich 395,- €.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 3/5 und dem Beklagten zu 2/5 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Parteien, die seit dem 16.01,2006 rechtskräftig geschieden sind, streiten um Trennungsunterhalt für die Zeit von Dezember 2004 bis zur Rechtskraft der Scheidung. Dem liegt Folgendes zu Grunde:
Die Parteien haben am 31.05.2002 geheiratet. Auch danach blieben beide berufstätig. Im November 2003 ließ die Klägerin in Absprache mit dem Beklagten die bis dahin zur Verhütung verwendete Spirale entfernen, weil sich beide ein Kind wünschten. Als sich im Februar 2004 bei einem Test der Eintritt einer Schwangerschaft bestätigte, unterrichtete sie ihren Ehemann, teilte ihm gleichzeitig mit, dass sie zwei Männer liebe, und zog am 18.02.2004 aus der gemeinsamen Wohnung aus. Ob sie zunächst bei ihren Eltern gewohnt hat, ist streitig. Spätestens im März, als der Beklagte die Herausnahme ihrer Möbel aus der ehelichen Wohnung verlangte, ist sie bei ihrem neuen Freund eingezogen.
Am 23.10.2004 brachte die Klägerin den Sohn Finn zur Welt. Bei einem Test, der wegen der vom Beklagten an seiner Vaterschaft geäußerten Zweifel durchgeführt wurde, bestätigte sich, dass er der Vater ist.
Die Klägerin hat zunächst Prozesskostenhilfe für eine Stufenklage beantragt, mit der sie Kindes- und Trennungsunterhalt geltend machen wollte. Nach Vorlage der begehrten Unterlagen hat sie den Auskunftsantrag nicht weiter verfolgt. Schon im PKH-Prüfungsverfahren hat sich der Beklagte durch Teilvergleich vom 03.06.2005 verpflichtet, für Finn bis einschließlich Juni 2005 monatlich 192,- € und ab Juli 2005 monatlich 199,- € Kindesunterhalt zu zahlen.
Zur Höhe ihres Anspruchs auf Trennungsunterhalt hat die Klägerin zunächst vorgetragen, der Beklagte verdiene monatlich mindestens 2.000,- € netto. Nach Abzug des Kindesunterhalts von 192,- € verblieben 1.808,- €. Davon könne sie 3/7 verlangen, also 774,86 €.
Entsprechend der nach Vorlage der Gehaltsabrechnungen erfolgten Berechnung des Amtsgerichts und der darauf fußenden Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat sie dann allerdings nur beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie von Dezember 2004 bis Juni 2005 monatlich 615,99 € und ab Juli 05 monatlich 612,99 € Trennungsunterhalt zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat sich auf Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin berufen. Diese müsse schon vor der Trennung ein Verhältnis zu ihrem neuen Lebensgefährten unterhalten haben, denn sie sei gleich nach dem Verlassen der Ehewohnung zu ihrem neuen Freund gezogen.
Die Belange des gemeinsamen Kindes stünden einem Ausschluss des Unterhalts nicht entgegen. Zumindest sei auf einen verbleibenden Anspruch das Erziehungsgeld, das für die Führung des gemeinsamen Haushalts zuzurechnende Versorgungsentgelt und das hälftige Kindergeld anzurechnen.
Die Klägerin hat dem Verwirkungseinwand entgegen gehalten, der Beklagte habe während der Ehe mehr sexuelle Freiräume verlangt, einen Swingerclub aufgesucht und eine homosexuelle Beziehung in Bonn unterhalten, obwohl sie damit nicht einverstanden gewesen sei. Als sie erfahren habe, schwanger zu sein, habe sie deshalb für besser gehalten, sich sofort von ihrem Ehemann zu trennen als dem Kind zuzumuten, später eine Trennung seiner Eltern zu erleben. Sie sei nach der Trennung auch nicht sofort zu Dr. M gezogen, den sie im Januar 2004 kennen gelernt habe, sondern erst, als der Beklagte ultimativ verlangt habe, sie solle bis zum 31.03.2004 ihre Möbel aus der Ehewohnung holen.
Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von Trennungsunterhalt verurteilt. Es hat ein anrechenbares Einkommen des Beklagten in Höhe von 1.942,30 € ermittelt und den Tabellenunterhalt für Finn nach Einkommensgruppe 5 in Höhe von 255,- bzw. 262,- € abgezogen. Auf Seiten der Klägerin ist es wegen deren Zusammenleben mit Dr. M von einem anrechenbaren Versorgungsentgelt in Höhe von 250,- € ausgegangen und hat für die Zeit bis Juni 2005 wie folgt gerechnet:
anrechenbares Einkommen des Beklagten | 1.942,30 € |
./. Kindesunterhalt nach Einkommensgruppe | 5 255,00 € |
./. Eigenverdienst der Klägerin | 250,00 € |
Differenz | 1.437,30 € |
davon 3/7 | 615,99 € |
Ab Juli 2005 ist es zu einem um 3,00 € geringeren Anspruch gekommen, weil der Kindesunterhalt auf 262,00 € gestiegen ist.
Eine Verwirkung hat es nicht angenommen. Weder Hege bisher eine verfestigte eheähnliche Beziehung vor noch sei ein Ausbruch aus intakter Ehe festzustellen. Es genüge nicht, dass der Beklagte die von der Klägerin vorgetragenen, die Ehe belastenden Tatsachen nur verneine. Darüber hinaus stünden auch die Interessen der Kindes einer Herabsetzung des errechneten Unterhalts entgegen. Rechne man nämlich das Versorgungsentgelt von 250,- € auf das hier wegen der Versorgungsleistungen maßgebliche Existenzminimum von 890,- € an, ergebe sich sogar ein höherer Anspruch als 615,- €.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung, mit der er seinen Antrag auf Abweisung der Klage auf Trennungsunterhalt weiter verfolgt. Er meint, den Vortrag zur Verwirkung habe das Amtsgericht unzutreffend gewürdigt. Da das Ausbrechen der Klägerin aus der Ehe unstreitig sei, müsse diese substantiiert darlegen, dass die Ehe schon vorher zerrüttet gewesen oder ihm, dem Beklagten, ein ebenso schwerwiegendes Fehlverhalten zur Last falle. Da es an solchem Vortrag fehle, seien die Voraussetzungen des § 1579 Ziffer 6 BGB erfüllt, so dass sich die Klägerin auf den Mindestbedarf verweisen lassen müsse, der mit 770,- € anzusetzen sei. Wenn man darauf das hälftige Kindergeld und das Erziehungsgeld anrechne, verbleibe ein Bedarf von nur 413,- €, der innerhalb der Gemeinschaft mit Dr. M gedeckt sei.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abändernd abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Amtsgerichts unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie macht geltend, die Ehe sei zerrüttet gewesen, bevor sie ihren jetzigen Lebensgefährten kennen gelernt habe. Die Bekanntschaft habe den Trennungsentschluss nicht ausgelöst.
Sie weist nach, dass sie Erziehungsgeld nur bis zum bis zum 22.04.2005 erhalten hat.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und hat teilweise Erfolg, denn entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist der Anspruch auf Trennungsunterhalt gemäß § 1579 Ziffer fr BGB wegen Ausbruchs aus intakter Ehe grundsätzlich verwirkt. Mit Rücksicht auf die Interessen des gemeinsamen Kindes muss der Klägerin aber das Existenzminimum verbleiben, weshalb sie noch die aus dem Tenor ersichtlichen Beträge beanspruchen kann.
1.
Auch der Beklagte zieht nicht in Zweifel, dass er der Klägerin gemäß § 1361 BGB grundsätzlich unterhaltspflichtig ist, weil sie sich während der Trennungszeit nach Auslaufen des Mutterschutzes und des Wegfalls eigener Einkünfte wegen der Betreuung des gemeinsamen Sohnes Finn nicht mehr selber unterhalten konnte. Die Höhe des vom Amtsgericht errechneten Unterhaltsanspruchs - 615,99 € für die Zeit bis Juni 2005 und 612,99 € ab Juli 2005 - wird in der Berufungsinstanz nicht in Frage gestellt, so dass sich eine weitere Prüfung erübrigt.
2.
Die entscheidende und von der Berufung allein zur Überprüfung gestellte Frage ist, ob der Anspruch auf Trennungsunterhalt nicht doch wegen eines einseitigen schwerwiegenden Fehlverhaltens der Klägerin gemäß den §§ 1361 Abs. 3, 1579 Ziffer 6 BGB verwirkt ist. Das Amtsgericht hat insoweit zwar umfangreiche Überlegungen angestellt, dabei aber die Darlegungs- und Beweislast verkannt.
a)
Schon nach ihren eigenen Angaben hat die Klägerin ihren jetzigen Lebensgefährten im Januar 2004 kennen gelernt. Bei der Mitteilung des Trennungsentschlusses soll sie noch gesagt haben, sie liebe zwei Männer, ist aber spätestens im März 2004 zu ihrem neuen Freund gezogen und hat sich damit endgültig für diesen und gegen den Beklagten entschieden.
Die emotionale Abkehr vom Ehegatten und die Aufnahme intimer Beziehungen zu einem anderen Partner bleibt auch dann ein schwerwiegendes Fehlverhalten, wenn es nach Mitteilung der Trennungsabsicht, also offen passiert. Der grobe Verstoß gegen die ehelichen Pflichten liegt darin, dass die Verpflichtung zur geistigen, wirtschaftlichen und sexuellen Gemeinschaft aufgekündigt wird, ohne die Probleme zu benennen und bereit zu sein, zusammen mit dem Partner etwas zur Rettung der Ehe zu tun, also eine Eheberatung aufzusuchen oder eine Paartherapie zu machen. Insbesondere im Hinblick auf den im Februar 2004 in Erfüllung gegangenen Kinderwunsch traf die Klägerin eine besondere Verantwortung zur Aufrechterhaltung der Gemeinschaft. Gerade das konnte und musste ein Anlass sein, noch einmal über die gemeinsame Gestaltung der Zukunft nachzudenken und dem Beklagten die Chance zu geben, die Familie zu erhalten.
Sie hat im Senatstermin ohne wenn und aber eingeräumt, dieser Pflicht nicht nachgekommen zu sein: Ihr sei nicht sofort nach der Bekanntschaft mit Dr. M, sondern erst bei Feststellung der Schwangerschaft am 16.02.2004 plötzlich bewusst geworden, dass sie mit dem Beklagten keine Familie gründen wolle und könne. Deshalb sei sie dann spontan aus der Ehewohnung ausgezogen, ohne mit ihrem Ehemann zu thematisieren, was ihr in der Ehe fehle und unter welchen Voraussetzungen sie sich eine Fortsetzung der Ehe vorstellen könne. Auch in der Zeit, in der sie anschließend bis zum Umzug zu ihrem neuen Freund bei ihren Eltern gewohnt haben will, hat sie ein solches Gespräch nicht nachgeholt, sondern sich endgültig Dr. M zugewandt. Das ist ein schwerwiegender einseitiger Verstoß gegen die Verpflichtung zur ehelichen Treue und Gemeinsamkeit.
b)
Soweit die Klägerin behauptet, die Ehe sei schon vor ihrer Hinwendung zu Dr. M zerrüttet gewesen, was einen Ausbruch aus intakter Ehe ausschließe, so ist das nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung widerlegt.
Auch wenn der Beklagte selber mehrfach gegen die eheliche Treuepflicht verstoßen haben sollte, indem er eine homosexuelle Beziehung unterhielt und einen Swinger-club aufsuchte, spielt das keine Rolle. Die Klägerin hat selber bestätigt, dass ihr Ehemann zwar sexuelle Freizügigkeit gewollt und in Anspruch genommen, aber die eheliche Beziehung nie in Frage gestellt hat. Sie macht auch gar nicht geltend, sich ernsthaft gegen seine Affären verwahrt zu haben, sondern hat stattdessen gemeinsam mit ihm im Herbst 2003 beschlossen, ihren Kinderwunsch zu realisieren. Damit hat sie ihm alle eventuellen Eskapaden verziehen, so dass von einer Zerrüttung der Ehe im Februar 2004 keine Rede sein kann.
3.
Da ein Härtegrund gemäß § 1579 Ziffer 6 BGB vorliegt, stellt sich die weitere Frage, inwieweit der vom Amtsgericht errechnete Unterhaltsanspruch zu versagen oder herabzusetzen ist, weil die Inanspruchnahme des Beklagten grob unbillig wäre. Grundsätzlich ist die bereits festgestellte Verfehlung so schwerwiegend, dass sie einen gänzlichen Ausschluss des Unterhaltsanspruch rechtfertigen würde, die gemäß § 1579 BGB gebotene Rücksichtnahme auf die Belange des Sohnes Finn gebietet aber, das Existenzminimum der Klägerin zu wahren. Der betreuende Elternteil soll und darf nicht gezwungen werden, die Betreuung des Kindes einzuschränken, um seinen eigenen Unterhalt sicherstellen zu können, vielmehr muss sein Existenzminimum trotz Kürzung gewahrt bleiben. Da die Klägerin unterschiedliche, auf ihr Existenzminimum anzurechnende Einkünfte hatte, ist nach Zeitabschnitten zu unterscheiden:
3.1 Anspruch der Klägerin für Dezember 2004:
a)
Ist das Existenzminimum zu wahren, stellt sich die Frage, ob es mit 730,- € oder 840,- € anzusetzen ist. Der Auffassung des Amtsgerichts, dass die Haushaltsführung für den Partner einer Erwerbstätigkeit gleichzustellen und deshalb das Existenzminimum für Erwerbstätige in Höhe von 840,- € maßgebend sei, steht die Rechtsprechung des BGH entgegen, der ausdrücklich entschieden hat, dass es sich bei der für die Versorgung eines neuen Partners zuzurechnenden Vergütung nicht um Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit, sondern um eine besondere Art anderweitiger Deckung des Unterhaltsbedarfs handele (Wendl/Staudigl, 6. Auflage, § 1, Rdnr. 475; BGH FamRZ 88, S. 263). Ob an diesen Bewertung festzuhalten sei, nachdem die Haushaltsführung für einen neuen Partner als Surrogat bisheriger Familienarbeit anerkannt worden ist, hat der BGH in seinem Urteil vom 05.09.01 (BGH FamRZ 2001, S. 1693 ff.) nicht ausdrücklich erörtert, das Versorgungsentgelt aber jedenfalls ohne Berücksichtigung eines Erwerbstätigenbonus in die Differenzberechnung eingestellt. Kalthoener/Büttner (Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Auflage, Rdnr. 491) begründen das nachvollziehbar damit, dass die von den Richtlinien der Oberlandesgerichte vorgesehene Bewertung der Haushaltstätigkeit unter den gewerblichen Löhnen liege; es handele sich deshalb um Endbeträge. Auch der Senat sieht keinen Anlass, die Versorgungstätigkeit im Haushalt des Partners einer Erwerbstätigkeit auf dem Arbeitsmarkt gleichzustellen, denn weder fallen pauschal zu berücksichtigende berufsbedingte Aufwendungen an noch bedarf es in gleicher Weise wie sonst der Zubilligung eines Bonus als Anreiz zur Fortsetzung der Tätigkeit. Also ist von einem Existenzminimum in Höhe von 730,- € auszugehen.
Wird dem Unterhaltsberechtigten, der Versorgungsleistungen für einen neuen Partner erbringt, nur das Existenzminimum für nicht Erwerbstätige zugestanden, kommt nach Auffassung des Senats andererseits nicht in Betracht, diesen Betrag wegen der beim Zusammenleben mit einem Partner regelmäßig eintretenden Ersparnisse um 13,5 % zu reduzieren. Vielmehr erscheint angemessen, die Ersparnisse nicht zu berücksichtigen, wenn dem Berechtigten andererseits auch kein Erwerbstätigenbonus zugebilligt wird.
b)
Das Amtsgericht hat ohne konkrete Aufklärung des Umfangs der Haushaltsführung gemeint, diese könne nur mit dem unteren Grenzwert der von den Leitlinien vorgegebenen Spanne von 250,- bis 500,- € bewertet werden, weil die Klägerin schließlich in hohem Maß mit der Betreuung des neugeborenen Kindes aus erster Ehe beschäftigt gewesen sei. Dieser Betrag erscheint nach Aufklärung der tatsächlichen Verhältnisse als zu gering.
Wie die Befragung im Termin ergeben hat, hat die Klägerin trotz der Betreuung von Finn den Haushalt im Wesentlichen allein erledigt. Nur beim Kochen und Einkaufen hat sich ihr Lebensgefährte gelegentlich eingeschaltet und die Gartenpflege übernommen. Daher erscheint unter Berücksichtigung der Wohnungsgröße von 120 m2 und der Vermögensverhältnisse des Lebensgefährten, der trotz Trennung von seiner Frau einen Neubau finanzieren kann, angemessen, die geleistete Versorgung mit dem Mittelwert der in Ziffer 6.1 der Hammer Leitlinien vorgesehenen Vergütungsspanne zwischen 250,- und 500,- €, also mit 375,- € zu bemessen.
c)
Im Dezember 2004 hat die Klägerin noch bis zum 18.12.04 Mutterschaftsgeld in Höhe von täglich 13,- € erhalten, insgesamt also 234,- €. Dieses Einkommen ist bedarfsdeckend anzurechnen.
d)
Die Zahlung von Erziehungsgeld berührt zwar in der Regel den Unterhaltsanspruch des betreuenden Elternteils gemäß § 9 BErzGG nicht, nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung sind die Zahlungen aber im Falle der Verwirkung bedarfsdeckend anzurechnen.
Nach dem Bescheid vom 29.12.2004 sind vom 19.12.04 bis einschließlich zum 22.04.05 monatlich 300,- € gezahlt worden, im Dezember 2004 also für 12 Tage 120,- €.
e)
Die Auffassung der Berufung, dass auch die freiwilligen Leistungen des Lebenspartners bedarfsdeckend anzurechnen seien, teilt der Senat nicht. Dieser ist nicht unterhaltspflichtig. Wenn er den Bedarf der Klägerin gedeckt haben sollte, was nicht einmal konkret vorgetragen wird, so sollte das den unterhaltspflichtigen Beklagten nicht entlasten.
Anderes gilt erst ab dem Zeitpunkt, ab dem sich die Lebensgemeinschaft der Klägerin mit Dr. M so verfestigt hat, dass einer für den anderen wie in einer Ehe einsteht. Dass dies schon vor der Geburt des gemeinsamen Kindes aus der Beziehung im April 2006 der Fall gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich.
f)
Auch die Auffassung, dass sich die Klägerin ihren Anteil am Kindergeld bedarfsdeckend anrechnen lassen müsse, geht fehl. Soweit das Kindergeld nicht für den Unterhalt des Kindes einzusetzen ist, dient es zu gleichen Teilen der Entlastung der Bar- und Betreuungsunterhalt leistenden Eltern und soll nicht dem unterhaltspflichtigen Ehegatten zu Gute kommen. Diese gesetzliche Zweckbestimmung könnte nur durch eine Sonderregelung wie in § 9 BErzGG überspielt werden. Eine solche Regelung gibt es aber nicht.
g)
Also ist für Dezember 2004 wie folgt zu rechnen:
Existenzminimum | 730,00 € |
./. Mutterschaftsgeld | 234,00 € |
./. Versorgungsentgelt | 375,00 € |
./. Erziehungsgeld | 120,00 € |
Bedarfslücke | 1,00 € |
Ein solcher Bagatellbetrag ist nicht zuzusprechen.
3.2 Ansprüche für die Zeit vom 01.01.05 bis 22.04.05:
Es ist neu zu rechnen, weil das Mutterschaftsgeld ausgelaufen ist und nur noch Erziehungsgeld in Höhe von monatlich 300,- € anfällt. Nunmehr ergibt sich folgende Bedarfslücke:
Existenzminimum | 730,00 € |
./. Versorgungsentgelt | 375,00 € |
./. Erziehungsgeld | 300,00 € |
Bedarfslücke | 55,00 € |
3.3 Ansprüche für die Zeit vom 23.04. bis 30.06.05:
Die Zahlung des Erziehungsgelds entfällt, weil ab dem 7. Lebensmonat das Einkommen des Lebenspartners bedarfsdeckend angerechnet wird. Daher ist eine höhere Unterhaltszahlung des Beklagten zur Deckung des Existenzminimums erforderlich:
Existenzminimum|730,00 € ./. Versorgungsentgelt|375,00 € Bedarfslücke|355,00 € 3.4 Ansprüche für die Zeit von Juli 2005 bis Dezember 2005:
Es ist neu zu rechnen, weil die Selbstbehaltssätze ab dem 01.07.05 angehoben worden sind. Das Existenzminimum der Klägerin beträgt nunmehr 770,- €, so dass sich folgende Bedarfslücke ergibt:
Existenzminimum | 770,00 € |
./. Versorgungsentgelt | 375,00 € |
Bedarfslücke | 395,00 € |
3.5 Anspruch für Januar 2006:
Der Anspruch für Januar 2006 entfällt, weil die Klägerin nach Beendigung der Elternzeit wieder als Pharmareferentin gearbeitet und Einkünfte von netto 2.203,- € erzielt hat, die ihr Existenzminimum bei weitem gedeckt haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Ziffer 10 ZPO.
Ende der Entscheidung
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