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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 02.06.2005
Aktenzeichen: 15 W 331/04
Rechtsgebiete: ZPO, KostO


Vorschriften:

ZPO § 547 Nr. 1
KostO § 30 Abs. 1
KostO § 147 Abs. 2

Entscheidung wurde am 30.11.2005 korrigiert: die Rechtsgebiete, Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
1) Ein Richter des Landgerichts ist für die Dauer seiner nebenamtlichen Tätigkeit in der Justizverwaltung als Notarprüfer von der Wahrnehmung seines Richteramtes in Beschwerdesachen nach § 156 KostO ausgeschlossen.

2) Kriterien für die Ausübung des Ermessens bei der Bemessung des Geschäftswertes für eine Gebühr gem. § 147 Abs. 2 KostO für die Beachtung einer Vorlagensperre.


Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 43,50 € festgesetzt.

Gründe: I. Der Beteiligte zu 4) hat unter der o.a. Urkundennummer einen Grundstückskaufvertrag der weiteren Beteiligten beurkundet, mit dessen Vollzug im Grundbuch er beauftragt wurde. In diesem Rahmen wurde er angewiesen, die Auflassung dem Grundbuchamt erst dann zum Vollzug vorzulegen, wenn ihm die Zahlung des Kaufpreises nachgewiesen sei und die erforderlichen Löschungsbewilligung auflagenfrei zur Verfügung ständen. Für die Beachtung der sog. Vorlagensperre hat der Beteiligte zu 4) in der o.a. Kostenrechnung eine Gebühr nach § 147 Abs.2 KostO nach einem Geschäftswert von 121.250,00 Euro, was 50% des Kaufpreises entspricht, in Ansatz gebracht. Im Rahmen der ordentlichen Geschäftsprüfung ist der Geschäftswert seitens der Justizverwaltung als überhöht beanstandet worden. Da der Beteiligte zu 4) diese Beanstandung nicht akzeptiert hat, ist er seitens des Präsidenten des Landgerichts angewiesen worden, die Entscheidung der zuständigen Zivilkammer herbeizuführen. Über die weisungsgemäß eingelegte Beschwerde hat die Kammer unter Mitwirkung ihrer planmäßigen Vorsitzenden entschieden, die nebenamtlich mit der Wahrnehmung der Geschäfte der Notaraufsicht nach § 93 BNotO beauftragt war und ist. Durch den angefochtenen Beschluss hat die Kammer die Kostennote des Notars dahingehend abgeändert, dass für die Beachtung der Vorlagensperre lediglich eine Gebühr nach einem Geschäftswert von 72.750,00 Euro in Ansatz zu bringen ist, was 30% des Kaufpreises entspricht. Hiergegen richtet sich die durch die Kammer zugelassene weitere Beschwerde des Beteiligten zu 4). II. Die weitere Beschwerde ist nach § 156 Abs. 2 S. 2 KostO infolge Zulassung durch das Landgericht statthaft sowie fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 4) folgt daraus, dass das Landgericht die angefochtene Kostenberechnung zu seinem Nachteil abgeändert hat. In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 156 Abs. 2 S. 3 KostO). Die Kammer war bei der Entscheidung infolge der Mitwirkung ihrer planmäßigen Vorsitzenden nicht ordnungsgemäß besetzt (§ 156 Abs.2 S.4 KostO i.V.m. § 547 Nr.1 ZPO). Dieser Verfahrensmangel ist auch ohne eine entsprechende Rüge der weiteren Beschwerde von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FG, 15.Aufl. § 27 FGG Rdn.15). Die Kammervorsitzende war für die Dauer ihrer nebenamtlichen Notarprüfungstätigkeit gehindert, an Verfahren nach § 156 KostO als Richterin mitzuwirken. Es ist mit den Grundsätzen der Gewaltenteilung und der Gewährleistung des sachlich unabhängigen Richters (Art.97 Abs.2 GG) nicht zu vereinbaren, wenn ein Richter in dieser Eigenschaft an Verfahren mitwirkt, die gerade das Sachgebiet betreffen, in welchem er weisungsabhängig Aufgaben der Justizverwaltung wahrnimmt. Dies ist hinsichtlich derjenigen richterlichen Amtsträger, denen die Aufgaben der Justizverwaltung unmittelbar zufallen, also hinsichtlich der Landgerichtspräsidenten und ihrer ständigen Vertreter weitestgehend anerkannt (vgl. u.a. Senat MittBayNot 1998, 202, 203; BayObLG NJW-RR 1988, 254; OLG Stuttgart DNotZ 1972, 185f; Korintenberg/Bengel/Tiedke, KostO, 16.Aufl., § 156 Rdn.67; Keidel/Zimmermann, a.a.O. § 6 FGG Rdn.38). Entsprechendes muss jedoch auch gelten, wenn der Richter lediglich nebenamtlich Aufgaben der Justizverwaltung auf eben dem Sachgebiet wahrnimmt, das auch in seine richterliche Zuständigkeit fällt (OLG Stuttgart, a.a.O.; OLG Frankfurt/M. OLGR 1993, 239). Die Ausschließung der Kammervorsitzenden wurde auch durch den Kammerbeschluss vom 07.10.2003 nicht aufgehoben. Insoweit kann es dahinstehen, ob eine analoge Anwendung des § 48 ZPO bei einer verfassungsrechtlich begründeten Ausschluss von der Wahrnehmung des Richteramts überhaupt in Betracht kommt. Die Kammer hat den von der Vorsitzenden angezeigten Sachverhalt nämlich allein unter dem Gesichtspunkt einer individuellen Befangenheit gesehen und entschieden. Hierauf kommt es in dem aufgezeigten Zusammenhang jedoch nicht an. Da es sich bei der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts um einen sogenannten absoluten Beschwerdegrund handelt (§ 547 Nr.1 ZPO), kommt es nicht darauf an, ob die Entscheidung auf dem Verfahrensfehler beruht. Zudem ist die Zurückverweisung der Sache beim Vorliegen eines absoluten Beschwerdegrundes der Regelfall, von dem Abzuweichen sich der Senat schon deshalb nicht in der Lage sieht, da sich die Rügen der weiteren Beschwerde nicht auf Rechtsfragen beschränken. Für das weitere Verfahren weist der Senat ohne Präjudiz auf Folgendes hin: Das Landgericht ist bei seiner Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Geschäftswert für die Gebühr nach § 147 Abs.2 KostO hier mangels einer speziellen Vorschrift nach §§ 141, 30 Abs.1 KostO bemisst (ebenso OLG Düsseldorf FGPrax 1995, 246ff; OLG Köln MittRhNotK 1991, 226, 227; OLG Bremen OLGR 2003, 401f; Bund, DNotZ 1997, 27, 30f; Bengel/Tiedke, DNotZ 2004, 258, 280f). Das Landgericht hat weiter nicht verkannt, dass die gemäß § 30 Abs.1 KostO eröffnete Wertschätzung nach pflichtgemäßem Ermessen dem Notar obliegt und dies der gerichtlichen Nachprüfung Grenzen zieht. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kann das Gericht die Schätzung des Notars nur auf Ermessensfehler überprüfen und seine eigene Schätzung des Geschäftswerts nur dann an die Stelle derjenigen des Notars setzen, wenn derartige Fehler bei der Ermessensausübung durch den Notar festzustellen sind (OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Köln a.a.O.; KG VIZ 1995, 117, 118). Ein solcher Ermessensfehler liegt vor, wenn die Notwendigkeit der Ermessensausübung selbst verkannt wird (Ermessensnichtgebrauch), oder von dem Ermessen in einer mit der gesetzlichen Grundlage nicht vereinbaren Weise Gebrauch gemacht wird (Ermessensfehlgebrauch), insbesondere die nach der gesetzlichen Grundlage maßgebenden Gesichtspunkte nicht oder unvollständig gegeneinander abgewogen werden (vgl. OLG Köln NJW-RR 1996, 364, 365; für den Fall des gerichtlichen Ermessens Keidel/Meyer-Holz, a.a.O., § 27 Rdn.23). Auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen hat das Landgericht einen derartigen Ermessensfehler rechtsfehlerfrei bejaht. Hinsichtlich der Bemessung des Geschäftswertes für die Notargebühren gemäß § 30 Abs.1 KostO ist allgemein anerkannt, dass es -ausgehend von dem so genannten Beziehungswert(hier dem Kaufpreis)- auf eine Abwägung aller wertrelevanten Umstände des Einzelfalles ankommt, wozu in jedem Fall das Ausmaß der Verantwortlichkeit des Notars, der Umfang seines Haftungsrisikos, der Umfang seiner Tätigkeit sowie die Bedeutung der Sache für die Beteiligten zählen (vgl. Senat DNotZ 1995, 781ff; OLG Bremen a.a.O.; Bengel/Tiedke, a.a.O.; Bund, a.a.O.; Hartmann, KostG, 34.Aufl., § 30 KostO Rdn.15). Auf der Grundlage des Vorbringens des Beteiligten zu 4) im Rahmen des Erstbeschwerdeverfahrens konnte die Kammer rechtsfehlerfrei davon ausgehen, dass dieser die vorgenannten Gesichtspunkte bei der Geschäftswertfestsetzung allenfalls teilweise in Betracht gezogen und damit das ihm eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Der Beteiligte zu 4) hat sich allein auf nicht näher benannte Rechtsprechung sowie verschiedene Literaturstellen bezogen, wonach ein Geschäftswert von bis zu 50% des Bezugswertes angemessen sei. Wieso dies im konkreten Fall angemessen sein soll, lässt sich anhand seines Vorbringens nicht nachvollziehen. Dies sowie der Umstand, dass der Beteiligte zu 4) in allen Fällen, in denen aus dem Kaufpreis Grundpfandgläubiger abzulösen waren, 50% des Bezugswertes als Geschäftswert angenommen hat, drängen zu dem Schluss, dass er hier rein schematisch verfahren ist. Nur ergänzend sei bemerkt, dass die Beteiligung eines Kreditinstituts als abzulösendem Grundpfandgläubiger im Rahmen der Überwachung der Umschreibungsreife, worauf in dem Skript der Notarkammer I1 zutreffend hingewiesen wird, zumeist eine Erleichterung bedeutet, da ein Teil der Kaufpreiszahlung durch einen geschäftserfahrenen Dritten bestätigt wird, der zudem ein vitales Interesse hat, die Zahlungsanzeige nicht zu Unrecht abzugeben. Da somit keine verbindliche Geschäftswertfestsetzung durch den Notar vorliegt, konnte die Kammer den Geschäftswert nach ihrem Ermessen festsetzen. Ausgehend von der ganz h.A. (OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Köln a.a.O.; Bund, a.a.O.; Bengel/Tiedke, a.a.O.), wonach ein Geschäftswert von 50% des Kaufpreises nur in ganz ungewöhnlich schwierigen, aufwändigen oder risikobehafteten Fällen überschritten werden darf, wobei bereits ein Wert von mehr als 30% eine erhebliche Bedeutung der Amtstätigkeit im o.a. Sinne voraussetzt, hat das Landgericht den Geschäftswert hier mit 30% des Kaufpreises angenommen, die Sache also als durchschnittlich bis leicht unterdurchschnittlich bewertet. Dies ist auf der Grundlage des bisherigen Akteninhalts nicht zu beanstanden. Eine überdurchschnittliche Bedeutung der Amtstätigkeit, einen besonderen Aufwand oder ein besonderes Haftungsrisiko hat der Beteiligte zu 4) bislang nicht dargetan. Jedoch gibt ihm die Zurückverweisung der Sache Gelegenheit, sein Vorbringen ggf. zu ergänzen. Die Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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