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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 18.03.2004
Aktenzeichen: 15 W 38/04
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 119 Abs. 2 | |
BGB § 2101 | |
BGB § 2306 Abs. 1 S. 2 |
2) Die Beschränkung des Erbteils mit einer Nacherbfolge begründet eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB.
3) Ein Miterbe erlangt nicht bereits dadurch Kenntnis von der Beschränkung durch eine Nacherbfolge, daß das Amtsgericht in einem Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins in der Form eines Hinweises seine vorläufige Auffassung zur Auslegung eines privatschriftlichen Testaments zu erkennen gibt, daß eine Nacherbfolge angeordnet ist.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS
15 W 38/04 OLG Hamm
In der Nachlasssache
Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 18. März 2004 auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 21. Januar 2004 gegen den Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 12. Dezember 2003 durch
beschlossen:
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1) hat die dem Beteiligten zu 2) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 35.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligte zu 1) ist die überlebende Ehefrau des Erblassers, die Beteiligten zu 2) bis 5) sind die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder.
Die Ehegatten errichteten am 17.09.1999 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu 1/2 und die Beteiligten zu 2) bis 5) für den Rest des Nachlasses zu gleichen Teilen als Erben beriefen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Testaments wird auf die Wiedergabe in der landgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen. Zwischenzeitlich besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit darüber, dass für die Erbteile der Beteiligten zu 2) bis 5) Nacherbfolge durch deren leibliche Abkömmlinge sowie für den Erbteil des Beteiligten zu 2) eine weiter modifizierte Nacherbfolge angeordnet ist. Streitig ist zwischen den Beteiligten lediglich der Zeitpunkt, zu dem Gewissheit darüber eingetreten ist, dass das Testament in diesem Sinne auszulegen ist.
Die Beteiligte zu 1) hat in notarieller Urkunde vom 20.06.2002 (UR-Nr. ... Notar L in M) die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der sie zu 1/2 und die Beteiligten zu 2) bis 5) zu je 1/8 als Erben ausweisen soll, und zwar ohne Berücksichtigung einer Nacherbfolge. Dem Antrag beigefügt sind inhaltlich übereinstimmende Erklärungen der Beteiligten zu 2) bis 5), in denen sie der Erteilung eines solchen Erbscheins ausdrücklich zustimmen. Der Richter des Amtsgerichts hat mit Verfügungen vom 11.07. und 31.07.2002 Bedenken gegen den Erbscheinsantrag unter dem Gesichtspunkt geäußert, die Formulierungen in dem Ehegattentestament sprächen dafür, dass für die Erbteile der Beteiligten zu 2) bis 5) eine Nacherbfolge angeordnet sei. Im Termin vom 14.11.2002 hat das Amtsgericht die erschienenen Beteiligten zu 1) bis 4) persönlich angehört.
Der Beteiligte zu 2) hat in einer am 20.11.2002 bei dem Nachlassgericht eingegangen notariell beglaubigten Erklärung vom Vortag (UR-Nr. ... Notar L in M) die Erbschaft ausgeschlagen und gleichzeitig vorsorglich die Annahme der Erbschaft durch Versäumung der Ausschlagungsfrist angefochten. Zur Begründung hat er geltend gemacht, er habe sich erst durch die Ausführungen des Richters im Anhörungstermin vom 14.11.2002 davon überzeugt, dass für seinen Erbteil entgegen seiner ursprünglichen Annahme Nacherbfolge angeordnet sei. Im Hinblick auf die Kenntnisnahme von dieser Beschwerung schlage er nunmehr innerhalb der Anfechtungsfrist des § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB die Erbschaft aus, um seinen Pflichtteil verlangen zu können.
Die Beteiligte zu 1) hat mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 22.11.2002 ihren Erbscheinsantrag dahin abgeändert, dass für die Erbteile der Beteiligten zu 2) bis 5) eine Nacherbfolge nach näherer Maßgabe der Darstellung angeordnet ist. Die Ausschlagung des Beteiligten zu 2) hat die Beteiligte zu 1) für unwirksam gehalten, weil er die Ausschlagungsfrist versäumt habe.
Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 28.04.2003 einen Vorbescheid erlassen, durch den es die Erteilung eines Erbscheins mit den im Antrag der Beteiligten zu 1) genannten Quoten, jedoch unter Berücksichtigung einer Nacherbfolge nach näherer Maßgabe der Darstellung unter der Voraussetzung angekündigt hat, dass ein entsprechender Antrag gestellt wird.
Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 2) mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 16.05.2003 Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat mit den Beteiligten am 10.12.2003 mündlich verhandelt. Durch Beschluss vom 12.12.2003 hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Vorbescheid aufgehoben.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1), die sie mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 21.01.2004 bei dem Landgericht mit dem Ziel der Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Vorbescheids eingelegt hat.
Der Beteiligte zu 2) beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die ausführliche und in keiner Richtung ergänzungsbedürftige Darstellung der landgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen.
II.
Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) folgt daraus, dass das Landgericht den Vorbescheid des Amtsgerichts zu ihrem Nachteil aufgehoben hat.
In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 2) ausgegangen. Bei dem Vorbescheid des Amtsgerichts handelt es sich um eine Zwischenverfügung, deren Zulässigkeit und Rechtsmittelfähigkeit anerkannt ist, um die Publizitätswirkung eines etwa unrichtigen Erbscheins zu vermeiden (vgl. BGHZ 20, 255). Der Beteiligte zu 2) ist auch dadurch in seinen Rechten beeinträchtigt, dass die Erteilung eines Erbscheins angekündigt worden ist, durch den er als Miterbe ausgewiesen werden soll, obwohl er geltend macht, infolge seiner Ausschlagungserklärung nicht Erbe geworden zu sein (KG NJW 1960, 1158; BayObLG NJW-RR 1995, 904).
Auch in der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts rechtlicher Nachprüfung stand. Die Kammer hat zu Recht angenommen, der Beteiligte zu 2) habe durch seine Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht vom 19.11.2002 die Erbschaft wirksam ausgeschlagen. Lediglich in einer anderen Gewichtung der vom Landgericht erörterten Gesichtspunkte entnimmt der Senat die Ausschlagungswirkung vorrangig der gleichzeitig erklärten Anfechtung der Annahme (§ 1957 Abs. 1 BGB).
Die Kammer hat zu Recht die Erklärung des Beteiligten zu 2) vom 11.06.2002, in der er gegenüber dem Nachlassgericht der Erteilung des Erbscheins entsprechend dem Antrag der Beteiligten zu 1) in seiner ursprünglichen Fassung vom 20.06.2002 ausdrücklich zugestimmt hat, als Annahme der Erbschaft bewertet. Danach sollte der beantragte Erbschein ausweisen, dass der Beteiligte zu 2) neben den übrigen Beteiligten zu 1/8 als Miterbe berufen ist, ohne dass Beschränkungen durch eine angeordnete Nacherbfolge berücksichtigt sind. Die Annahme der Erbschaft (§ 1943 BGB) kann auch durch ein nach außen erkennbares konkludentes Verhalten erklärt werden, das den Schluss auf einen Annahmewillen zulässt (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 63. Aufl., § 1943, Rdnr. 2). Der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der typischerweise einen Annahmewillen erkennen lässt, ist zwar hier von der Beteiligten zu 1) gestellt worden. Den Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins konnte die Beteiligte zu 1) zwar nach § 2357 Abs. 1 S. 2 BGB allein stellen, jedoch hatte sie nach Abs. 3 S. 1 der Vorschrift glaubhaft zu machen, dass auch die übrigen Erben die Erbschaft angenommen haben. Die Erklärung des Beteiligten zu 2) vom 11.06.2002 diente erkennbar diesem Nachweis und ist deshalb objektiv als Kundgabe seines Willens zu bewerten, auch seinerseits die Erbschaft annehmen zu wollen. Die Bewertung des Verhaltens als Annahme des Beteiligten zu 2) ist insbesondere dann geboten, wenn aufgrund der - nachstehend noch zu erörternden - zutreffenden Auffassung des Landgerichts die besondere Ausschlagungsfrist des § 2306 Abs. 1 S. 2 Halbsatz 2 BGB zum damaligen Zeitpunkt für ihn noch nicht zu laufen begonnen hatte. Ist die Erbschaft durch Erklärung angenommen, kann sie auch innerhalb der besonderen Frist des § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB nicht mehr ausgeschlagen werden; vielmehr kann sich der Erbe nur durch eine wirksame Anfechtung (§ 1954 BGB) von der Annahme lösen (BGHZ 106, 35, 363 = NJW 1989, 2885; BayObLG NJW-RR 1995, 904, 906; Staudinger/Haas, BGB, 13. Bearb., § 2306, Rdnr. 55). Der Beteiligte zu 2) hat zwar in seiner Erklärung vom 19.11.2002 ausdrücklich lediglich die Versäumung der Ausschlagungsfrist angefochten. Die Erklärung des Beteiligten zu 2) kann und muss jedoch dahin ausgelegt werden, dass seine Anfechtungserklärung sich auch auf eine erklärte Annahme der Erbschaft bezieht (vgl. BGH, a.a.O.). Denn aus dem Zusammenhang seiner Erklärung ergibt sich, dass er durch seine Anfechtung die durch sein früheres Verhalten etwa bewirkte Annahme der Erbschaft insgesamt beseitigen wollte.
Die Annahme der Erbschaft kann nach § 1954 BGB angefochten werden, wobei die Anfechtungsfrist von sechs Wochen (Abs. 1 der Vorschrift) mit dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in dem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt (Abs. 2 S. 1 der Vorschrift). Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung kann deshalb nur im Hinblick auf den jeweiligen Anfechtungsgrund bestimmt werden. Als Anfechtungsgrund kommt allein die Vorschrift des § 119 Abs. 2 BGB in Betracht. Danach gilt als beachtlicher Irrtum über den Inhalt der Erklärung auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden. In der Erklärung des Beteiligten zu 2) vom 11.06.2002 kommt zum Ausdruck, dass er sich zu 1/8 als nicht in der Verfügung beschränkter Miterbe ansieht. Das Amtsgericht hat demgegenüber in seinem Vorbescheid das privatschriftliche Ehegattentestament vom 17.09.1999 dahin ausgelegt, dass für den Erbanteil des Beteiligten zu 2) Nacherbfolge durch seine leiblichen Abkömmlinge und zusätzlich für den Fall des Vorversterbens vor seiner Ehefrau ersatzweise Nacherbfolge durch seine Geschwister und weiter ersatzweise deren Abkömmlinge angeordnet ist. Die Feststellung dieser Nacherbfolge wird von den Beteiligten nicht mehr beanstandet und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Die Unkenntnis des Beteiligten zu 2) von der Beschränkung seines Erbanteils mit der so angeordneten Nacherbfolge begründet nach der zutreffenden Auffassung des Landgerichts im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB einen Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des ihm hinterlassenen Erbteils (BayObLG NJW-RR 1997, 72, 74; Staudinger/Haas, a.a.O., § 2308, Rdnr. 14; Soergel/Dieckmann, 13. Aufl., § 2308, Rdnr. 9; MK/BGB-Frank, 3. Aufl., § 2308, Rdnr. 11; Ermann/Schlüter, 10. Aufl., § 2308, Rdnr. 2; RGRK/BGB-Johannsen, 12. Aufl., § 2308, Rdnr. 3). Eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses ist nach anerkannter Auffassung sowohl das Bestehen wesentlicher Nachlassverbindlichkeiten bis hin zur Überschuldung als auch die Beschwerung der Erbschaft oder eines Erbteils durch ein Vermächtnis. Letzteres hat der BGH (a.a.O.) gerade unter Hinweis darauf angenommen, dass die Vorschrift des § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB dem pflichtteilsberechtigten Erben die Möglichkeit eröffnet, seinen Pflichtteil durch Ausschlagung zu sichern, wenn er von wertmindernden Beschränkungen oder Beschwerungen seines Erbanteils Kenntnis erlangt. Dasselbe muss deshalb auch für die Beschränkung des Erbteils durch die Anordnung einer Nacherbfolge gelten.
Die Wirksamkeit der Anfechtung hängt deshalb maßgebend davon ab, zu welchem Zeitpunkt der Beteiligte zu 2) von der Anordnung der Nacherbfolge im Sinne des § 1954 Abs. 2 BGB Kenntnis erlangt hat. Das Landgericht hat den Begriff der Kenntniserlangung sowohl für den Lauf der Ausschlagungsfrist des § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB als auch der Anfechtungsfrist des § 1954 Abs. 2 BGB unter Heranziehung der Rechtsprechung des BGH (LM Nr. 4 zu § 2306 BGB = Rpfleger 1968, 183) dahin umschrieben, dass er ein zuverlässiges Erfahren der in Betracht kommenden Umstände voraussetzt, aufgrund dessen von dem Erben ein Handeln erwartet werden kann. Ebenso wie ein Irrtum im Tatsachenbereich kann auch eine irrige rechtliche Beurteilung verhindern, dass der pflichtteilsberechtigte Erbe diejenige Kenntnis erlangt, die ihm eine richtige Abwägung des Für und Wider der zu treffenden Entscheidung, ihrer Tragweite und Auswirkung ermöglicht. Gerade eine solche Abwägung will das Gesetz gewährleisten, wenn es den Fristbeginn des § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB von der Kenntnis abhängig macht. Damit ist zwar nicht verlangt, dass der Betroffene derart überzeugt ist, dass er von Zweifel nicht berührt werden könnte, oder die ihn belastende Verfügung in allen Einzelheiten selbständig geprüft und danach die richtige rechtliche Folge gezogen hat. Wesentlich ist aber, dass er die ihn beschränkende oder beschwerende Wirkung erkannt, wenigstens eine feste Vorstellung, mit der er rechnen und aufgrund derer er sich entschließen kann, gewonnen hat. Diese Kriterien gelten nicht nur für den Beginn der Ausschlagungsfrist des § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB, sondern quasi spiegelbildlich auch für den Beginn der Frist zur Anfechtung einer durch eine Fehlvorstellung beeinflussten, bereits erklärten Annahme der Erbschaft. Denn die Möglichkeit der Anfechtung dient auch in diesem Fall dazu, dem pflichtteilsberechtigten Erben die Gelegenheit zu einer abwägenden Entscheidung zu geben, ob er die Beschränkung seines Erbteils hinnehmen oder die Anfechtung zur Sicherung seines Pflichtteilsrechts erklären will.
Bezogen auf diese Kriterien hat das Landgericht zu Recht eine Kenntniserlangung des Beteiligten zu 2) zu einem Zeitpunkt vor dem Termin vor dem Amtsgericht vom 14.11.2002 verneint. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es im Ausgangspunkt die Beteiligte zu 1) war, die im Vorfeld ihrer Antragstellung auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins die Beteiligten zu 2) bis 5) gleichlautende Zustimmungserklärungen hat unterschreiben lassen, die von einer nicht beschränkten
Vollerbfolge der Kinder nach dem Erblasser ausgehen. Solange das Verfahren über diesen Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) nicht einen Stand erreicht hatte, der dem Beteiligten zu 2) die Gewissheit geben musste, dass das Testament nicht im Sinne einer Vollerbfolge, sondern lediglich im Sinne einer Vor- und Nacherbfolge auszulegen ist, kann die Erlangung einer positiven Kenntnis des Beteiligten zu 2) nicht angenommen werden. Dabei ist hier besonders zu berücksichtigen, dass es sich um ein privatschriftliches Ehegattentestament handelt, das wegen seiner laienhaften Formulierungen erkennbar auslegungsbedürftig ist. Aufgabe der gerichtlichen Entscheidung ist es, sowohl anhand des Wortlauts und Zusammenhangs des Testaments als auch durch Aufklärung außerhalb der Testamentsurkunde liegender Umstände den übereinstimmenden wirklichen oder mutmaßlichen Willen der testierenden Ehegatten zu ermitteln (BGH NJW 1993, 256). Deshalb kann allein durch die verfahrensleitende Hinweise des Amtsrichters vom 11. und 31.07.2002, in denen er vorläufig seine Bedenken gegen die der Antragstellung zugrunde liegende Auslegung geäußert hat, dem Beteiligten zu 2) keine über Zweifel hinausgehende Gewissheit in Bezug auf eine durch das Testament angeordnete Nacherbfolge verschafft worden sein. Dasselbe gilt für den Briefwechsel der Bevollmächtigten der Beteiligten zu 1) und 2) vom 30.08. und 26.09.2002, in dem diese ihre Auffassungen über die Auslegung des Testaments ausgetauscht und - so der Vortrag im Schriftsatz des Beteiligten zu 2) vom 26.09.2002 - in allen wesentlichen Punkten einschließlich der Annahme einer für die Erbteile der Kinder angeordneten Nacherbfolge Übereinstimmung erzielt haben. Denn dessen ungeachtet hat die Beteiligte zu 1) jedenfalls zunächst ihren ursprünglichen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins aufrechterhalten, über den das Gericht somit zu entscheiden hatte. Wenn die Beteiligte zu 1) somit selbst keinen hinreichenden Anlass gesehen hat, ihren Antrag auf Erteilung eines Erbscheins abzuändern, kann auf Seiten des Beteiligten zu 2) nicht davon ausgegangen werden, auch ohne eine gerichtliche Entscheidung habe ihm das bisherige Verfahren Gewissheit über eine bestimmte Testamentsauslegung verschafft. Demzufolge hat das Amtsgericht zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts den Termin vom 14.11.2002 durchgeführt, in dem es die Beteiligten persönlich angehört hat. Dementsprechend stützt die Entscheidung des Amtsgerichts vom 28.04.2003, die dem erst mit Schriftsatz vom 22.11.2002 geänderten Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) der Sache nach - wenn auch mit gewissen Modifikationen bei der berücksichtigten Nacherbfolge - stattgeben will, die Auslegung des Testaments maßgebend auf das Ergebnis der persönlichen Anhörung der Beteiligten.
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde nicht aus ihrer Darstellung, die Beteiligten hätten im Termin vom 14.11.2002 Einigkeit darüber erzielt, dass in dem Testament eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet sei und alle Beteiligten mit dieser Maßgabe die Erbschaft angenommen hätten. Daraus ergibt sich allenfalls, dass der Termin vom 14.11.2002 auch für den Beteiligten zu 2) zu der Gewissheit geführt hat, dass das Testament in diesem Sinne auszulegen ist. Aus diesem Zusammenhang folgt somit lediglich, dass das Anfechtungsrecht des Beteiligten zu 2) besteht und die Anfechtungsfrist in Lauf gesetzt worden ist. Für eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung des Beteiligten zu 2), die auf eine Bestätigung seiner Erbschaftsannahme (§§ 141 Abs. 1, 1954 BGB) schließen ließe, hat die Beteiligte zu 1) weder in den Tatsacheninstanzen noch im Verfahren der weiteren Beschwerde verwertbare Anhaltspunkte vorgetragen.
Die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde folgt aus der zwingenden Vorschrift des § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.
Die Wertfestsetzung für das Verfahren dritter Instanz beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO. Sie folgt der unbeanstandet gebliebenen Festsetzung der landgerichtlichen Entscheidung.
Ende der Entscheidung
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