Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 02.12.2004
Aktenzeichen: 15 W 435/04
Rechtsgebiete: FEVG, AuslG


Vorschriften:

FEVG § 13 Abs. 2
AuslG § 57 Abs. 2 S. 2

Entscheidung wurde am 15.02.2005 korrigiert: Rechtsgebiete, Vorschriften und Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und Leitsatz wurden hinzugefügt
1) Der Antrag, die Rechtswidrigkeit einer der richterlichen Haftanordnung vorausgehenden behördlichen Ingewahrsamnahme festzustellen, begründet einen selbständigen Verfahrensgegenstand im Sinne des § 13 Abs. 2 FEVG, über den erstinstanzlich das Amtsgericht zu entscheiden hat.

2) Verbindet der Betroffene seine sofortige Beschwerde gegen die amtsgerichtliche Haftanordnung mit einem solchen Feststellungsantrag, ist das Landgericht nicht gezwungen, zugleich mit der Entscheidung über die Beschwerde eine erstinstanzliche Entscheidung über diesen Feststellungsantrag zu treffen (Abgrenzung zu OLG Köln, Beschl. vom 01.10.2004 - 16 Wx 195/04 -).

3) Die Anordnung der kurzen Sicherungshaft gem. § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG erfordert nicht die positive Feststellung konkreter Anhaltspunkte, die auf eine Entziehungsabsicht des Betroffenen schließen lassen.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 435/04 OLG Hamm

In der Freiheitsentziehungssache

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 02. Dezember 2004 auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 27. Oktober 2004 gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 18. Oktober 2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird hinsichtlich des Beschwerdeantrags zu 2) als unzulässig verworfen, im Übrigen zurückgewiesen.

Gründe: I. Der Betroffene reiste am 21.02.1999 in das Bundesgebiet ein. Durch Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 30.08.1999 wurde sein Asylantrag zwar abgelehnt, jedoch wurde das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt. Auf Klage des Bundesbeauftragten lehnte das VG Minden das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch rechtskräftiges Urteil vom 19.11.2001 ab. Durch Bescheid vom 19.08.2003 stellte das Bundesamt fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen, forderte den Betroffenen zur Ausreise innerhalb eines Monates nach Bekanntgabe auf und drohte ihm die Abschiebung an; dieser Bescheid ist nach Klageerhebung seit dem 27.02.2004 bestandskräftig. Seit Anfang 2002 befindet sich auch die Ehefrau des Betroffenen in der Bundesrepublik. Nach Ablehnung ihres Asylantrages ist sie ebenfalls zur Ausreise verpflichtet. Die Ehegatten leben in häuslicher Gemeinschaft. Aus der Ehe ist eine inzwischen zwei Jahre alte Tochter hervorgegangen. Die Ehefrau ist erneut schwanger, voraussichtlicher Entbindungstermin ist Anfang Januar 2005. Die Beteiligte zu 2) hat die Abschiebung des Betroffenen und seiner Familienangehörigen vorbereitet, die Ausstellung von Heimreisepapieren erwirkt sowie einen Flug für den 21.10.2004 gebucht. Anlässlich einer Vorsprache ließ die Beteiligte zu 2) den Betroffenen am 07.10.2004 gegen 14.45 Uhr festnehmen. Da sich die Beteiligte zu 2) zu einer richterlichen Vorführung des Betroffenen an diesem Tag nicht mehr in der Lage sah, verbrachte dieser die Nacht im behördlichen Gewahrsam. Am 08.10.2004 hat die Beteiligte zu 2) bei dem Amtsgericht beantragt, gegen den Betroffenen die Sicherungshaft gem. § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG für die Dauer von zwei Wochen anzuordnen. Der Amtsrichter hat den Betroffenen am Vormittag desselben Tages unter Hinzuziehung einer Dolmetscherin persönlich angehört. Durch Beschluss vom selben Tag hat das Amtsgericht unter Anordnung der sofortigen Wirksamkeit antragsgemäß die Abschiebungshaft für die Dauer von zwei Wochen eingelegt. Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 08.10.2004 sofortige Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, "den Beschwerdeführer umgehend aus der Haft zu entlassen, hilfsweise die Anordnung des sofortigen Vollzuges des Gerichtsbeschlusses aufzuheben." Mit weiterem Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tage hat der Betroffene darüber hinaus beantragt festzustellen, dass seine der richterlichen Haftanordnung vorausgegangene vorläufige Festnahme rechtswidrig gewesen sei. Das Landgericht hat ergänzend die Ehefrau des Betroffenen in schriftlicher Form angehört, die sowohl mit einem eigenen Schreiben als auch mit Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen jeweils vom 18.10.2004 zur Sache Stellung genommen hat. Durch Beschluss vom 18.10.2004 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Der Betroffene ist noch vor der geplanten Abschiebung am 20.10.2004 aufgrund eines von ihm erwirkten Beschlusses des VG Minden aus der Haft entlassen worden. Er hat mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 27.10.2004 gegen die Entscheidung des Landgerichts sofortige weitere Beschwerde mit den Anträgen eingelegt festzustellen, dass 1) seine Inhaftierung durch die Beteiligten zu 2), 2) der Beschluss des Amtsgerichts sowie 3) der Beschluss des Landgerichts rechtswidrig seien. Die Beteiligte zu 2) tritt dem Rechtsmittel entgegen. II. Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 103 Abs. 2 AuslG, 7 Abs. 1, 3 S. 2 FEVG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Gleichwohl ist das Rechtsmittel nur hinsichtlich der Feststellungsanträge zu 1) und 3) zulässig, weil der Betroffene nur insoweit durch die Entscheidung des Landgerichts beschwert ist (§ 20 Abs. 1 FGG). Im Einzelnen gilt dazu folgendes: Hinsichtlich des Antrags zu 1) (Rechtmäßigkeit der behördlichen Ingewahrsamnahme) folgt dieses Ergebnis bereits daraus, dass das Landgericht - wie die Begründung seiner Entscheidung ergibt - in diesem Punkt die sofortige Erstbeschwerde des Betroffenen als unzulässig verworfen hat (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FG, 15. Aufl., § 27, Rdnr. 10 m.w.N.). Die Beschwerdebefugnis des Betroffenen hinsichtlich des Antrags zu 3) ergibt sich daraus, dass das Landgericht seine sofortige erste Beschwerde zurückgewiesen hat, soweit er in der Sache die Aufhebung der amtsgerichtlichen Haftanordnung angestrebt hat. Das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen ist nicht dadurch entfallen, dass infolge seiner Haftentlassung im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde die Haftanordnung des Amtsgerichts in der Hauptsache erledigt ist. Dem Betroffenen muss zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes die Möglichkeit eingeräumt werden, die Rechtmäßigkeit der getroffenen Maßnahme durch einen Feststellungsantrag überprüfen zu lassen (BVerfG NJW 2002, 2456). Nach der Rechtsprechung des Senats führt allerdings die Fortführung des Verfahrens in einem solchen Fall nicht zu einer Erweiterung des Verfahrensgegenstandes: Gegenstand der Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren ist ausschließlich die Entscheidung des Erstbeschwerdegerichts. Daraus folgt, dass auch die zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderliche Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts sich auf die Prüfung zu beschränken hat, ob die Sachentscheidung des Landgerichts bezogen auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung verfahrensrechtlich einwandfrei getroffen ist und sachlich rechtlicher Nachprüfung standhält (Senat BtPrax 2001, 212 in einer Unterbringungssache; Beschluss vom 26.02.2002 - 15 W 53/02 - = OLGR 2002, 332 LS in einer Abschiebungshaftsache). Gegenstand des Feststellungsantrags kann danach nur die Entscheidung des Landgerichts sein. Allerdings vertritt das BayObLG über den Standpunkt des Senats hinausgehend die Auffassung, dem Beschwerdeführer müsse in allen Fällen auch die Möglichkeit eröffnet werden, eine feststellende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ausgangsentscheidung sowie der in der Vergangenheit bereits vollzogenen Freiheitsentziehung herbeizuführen. Der Umfang der vorzunehmenden Prüfung wird dabei durch den Beschwerdeantrag des Betroffenen bestimmt (BayObLGZ 2002, 304 = FGPrax 2002, 281 ff.). Der vorliegende Fall gibt dem Senat keinen Anlass zu einer abschließenden Entscheidung, ob er sich der weitergehenden Auffassung des BayObLG anschließen will. Auch nach dessen Ansicht bleibt es nämlich dabei, dass bei einer Erledigung erst nach Erlass der Entscheidung des Erstbeschwerdegerichts die Grenzen zu beachten sind, die einer Überprüfung durch das Gericht der weiteren Beschwerde allgemein gezogen sind. Gegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde und damit auch der Nachprüfung ist die Entscheidung des Landgerichts und damit nur das, worüber das Erstbeschwerdegericht eine Entscheidung getroffen hat. Ist demnach lediglich der Fortbestand der amtsgerichtlichen Genehmigung der Freiheitsentziehung der Gegenstand der Beschwerdeentscheidung, kann das Gericht der weiteren Beschwerde, wenn die Erledigung der Hauptsache erst nach der entsprechenden Beschwerdeentscheidung des Landgerichts eintritt, auch nur über die Rechtswidrigkeit zum Zeitpunkt dieser Entscheidung befinden. Nur wenn Gegenstand der Beschwerdeentscheidung auch die Überprüfung der ursprünglichen Freiheitsentziehung und ihres Fortbestands war, ist dem Gericht der weiteren Beschwerde auch die Entscheidung über diese Verfahrensgegenstände eröffnet. Aus der Möglichkeit der Einbeziehung dieser Verfahrensgegenstände folgt nicht zwangsläufig, dass das Landgericht stets auch über die ursprüngliche Rechtmäßigkeit der Genehmigung zu entscheiden hat. Vielmehr bestimmt der Inhalt der Beschwerde, welche Rechtsschutzziele der Betroffene mit seiner Beschwerde verfolgt. Legt er ohne nähere Angaben sofortige Beschwerde ein, kann im Grundsatz davon ausgegangen werden, dass er nur die Aufhebung der Haftanordnung und Beendigung der Freiheitsentziehung anstrebt (vgl. BayObLGZ 2002, 304, 310; NJW-RR 2004, 8, 9). Für den vorliegenden Fall folgt daraus: Der Betroffene hat mit der Erstbeschwerdeschrift seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 08.10.2004 einen ausdrücklichen Beschwerdeantrag gestellt, der auf die sofortige Haftentlassung des Betroffenen, "hilfsweise" die Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Haftanordnung gerichtet war. Mit weiterem Schriftsatz ebenfalls vom 08.10.2004 hat er sein Beschwerdebegehren auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der der Haftanordnung vorausgehenden behördlichen Ingewahrsamnahme ergänzt. Einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der amtsgerichtlichen Haftanordnung und/oder der Rechtswidrigkeit deren Vollzugs hat der Betroffene hingegen nicht gestellt. Folglich kann ein solcher Antrag in dritter Instanz nicht erstmals in das Verfahren eingeführt werden. In diesem Punkt ist somit die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen unzulässig. In ihrem zulässigen Umfang ist die weitere Beschwerde unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG). Die Kammer hat zunächst zu Recht die sofortige Erstbeschwerde des Betroffenen als unzulässig verworfen, soweit er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der der richterlichen Haftanordnung vorausgehenden behördlichen Ingewahrsamnahme beantragt hat. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Rechtsmäßigkeit einer der Haftanordnung vorausgehenden behördlichen Ingewahrsamnahme im Verfahren nach dem FEVG, und zwar mit einem Antrag nach § 13 Abs. 2 FEVG, zur gerichtlichen Nachprüfung gestellt werden kann. Insoweit handelt es sich jedoch um einen selbständigen Verfahrensgegenstand, über den zunächst erstinstanzlich durch das Amtsgericht zu entscheiden ist, so dass erst gegen dessen Entscheidung die sofortige Beschwerde zulässig ist (OLG Schleswig NVwZ 2003, 1412; OLG Braunschweig InfAuslR 2004, 166; OLG Celle InfAuslR 2004, 210). Darüber hinausgehend hat es allerdings das OLG Köln (Beschluss vom 01.10.2004 - 16 Wx 195/04 -) für zulässig erachtet, dass das Landgericht gleichzeitig mit der sofortigen Beschwerde gegen die amtsgerichtliche Haftanordnung auch über den nunmehr erstmals gestellten Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der vorausgehenden behördlichen Ingewahrsamnahme entscheidet. Ob die dafür angeführten verfahrensökonomischen Gründe im Hinblick darauf, dass die Rechtmäßigkeit der behördlichen Ingewahrsamnahme einerseits und diejenige der richterlichen Haftanordnung andererseits durchaus unterschiedlich zu beurteilen sein können, überzeugend sind, kann der Senat für die hier zu treffende Entscheidung offen lassen. Jedenfalls lässt sich auch aus den Gründen der Entscheidung des OLG Köln nicht dessen Auffassung ableiten, dass das Landgericht in Bezug auf einen solchen Antrag zwingend unter Übergehung des Instanzenzuges eine erstinstanzliche Entscheidung zu treffen habe. Die Rechte des Betroffenen werden dadurch nicht berührt, wenn sein Antrag in dem dafür vorgesehenen Instanzenzug noch zu bescheiden ist, zumal ein besonderes Eilbedürfnis dafür nicht ersichtlich ist. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht bezogen auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung die Voraussetzungen für den Fortbestand der Sicherungshaft gem. § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG bejaht. Danach kann ein Ausländer für die Dauer von längstens zwei Wochen in Sicherungshaft genommen werden, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen lagen ersichtlich vor, nachdem der Bescheid des Bundesamtes vom 19.08.2003 bestandskräftig geworden, die darin enthaltene Ausreisefrist abgelaufen und die Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden war. Die Anordnung der Haft ist in § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG allerdings durch das Wort "kann" in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt. Diese Ermessensausübung hat unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgebots im Hinblick auf den Eingriff in die persönliche Freiheit des Betroffenen unter Abwägung mit dem Zweck der gesetzlichen Vorschrift zu erfolgen, im Allgemeininteresse eine zügige Durchführung der vollziehbaren Abschiebung des Betroffenen zu sichern (vgl. OLG Naumburg, Beschl. vom 13.03.2000 - 10 Wx 25/99 -). Von diesen Grundsätzen ausgehend hat das Landgericht von seinem Ermessen mit eingehender Begründung Gebrauch gemacht. Diese Ermessenentscheidung unterliegt im Verfahren der weiteren Beschwerde nur einer eingeschränkten Nachprüfung dahin, ob der Tatrichter die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, von dem Ermessen einen Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht hat, von unzureichenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Tatsachenfeststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände unerörtert gelassen oder Umstände berücksichtigt hat, die nach der ermächtigenden Norm nicht maßgebend sein dürfen (Keidel/Meyer-Holz, a.a.O., § 27, Rdnr. 23 m.w.N.). Einen solchen Rechtsfehler lässt die Entscheidung des Landgerichts nicht erkennen. Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung besonderes Gewicht darauf gelegt, dass es den Ausländerbehörden mit großer Mühe gelungen ist, den Vollzug der Abschiebung für den Betroffenen und seine Familie vorzubereiten. Die erforderlichen Heimreisedokumente lagen vor, Flüge über B waren für den 21.10.2004 mit einem Kostenaufwand von 2.700,00 Euro gebucht. Die Sicherstellung des tatsächlichen Vollzugs der Abschiebung bei dergestalt aufwendigen Vorbereitungen für eine Abschiebung auf dem Luftweg entspricht dem ausdrücklichen Zweck des § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG, der in der Begründung der gesetzlichen Vorschrift (BT-Drucksache 12/2062 S. 45 f.) zum Ausdruck kommt, "vor allem bei Sammelabschiebungen und in sonstigen Fällen, in denen die Abschiebung einen erheblichen organisatorischen Aufwand erfordert oder nur - z.B. im Hinblick auf die Gültigkeitsdauer der Reisedokumente - in einem begrenzten Zeitraum möglich ist, den Vollzug der Abschiebung zu sichern." Das Landgericht hat ferner das Bedürfnis für die Sicherung des Vollzugs der Abschiebung durch die kurzfristige Haft nach § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG daraus hergeleitet, dass der Betroffene in dem Zeitraum seit dem 27.02.2004, dem Datum des Eintritts der Bestandskraft des Bescheides des Bundesamtes, seiner Verpflichtung zur Ausreise freiwillig nicht nachgekommen sei. Dies genüge, um entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Vorschrift die kurzfristige Sicherungshaft rechtfertigen zu können, ohne dass es darauf ankomme, ob konkrete Anhaltspunkte für eine Entziehungsabsicht des Betroffenen bestünden. Diese Auslegung der gesetzlichen Vorschrift entspricht der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. FGPrax 2004, 53), an der er aus den folgenden Gründen weiterhin festhält: Wortlaut und systematische Stellung des § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG unterscheiden die fakultativ anzuordnende, auf einen Zeitraum von zwei Wochen begrenzte Sicherungshaft von den Haftgründen nach § 57 Abs. 2 S. 1 der Vorschrift, die, sei es in der Form gesetzlicher Vermutungen (Ziff. 1 bis 4), sei es in der Form des allgemeinen Haftgrundes der Ziff. 5, den begründeten Verdacht voraussetzen, dass sich der Ausländer seiner Abschiebung entziehen will. Die bereits wiedergegebene Gesetzesbegründung spricht ebenfalls deutlich dafür, dass durch diese Vorschrift die Möglichkeit für eine Sicherungshaft begründet werden soll, die in ihren Voraussetzungen selbständig neben derjenigen nach § 57 Abs. 2 S. 1 AuslG stehen und wegen ihres begrenzten Zwecks auf den Zeitraum von zwei Wochen beschränkt sein soll. Gegenteiliger Auffassung ist allerdings das OLG Frankfurt (Beschl. v. 15.03.2004 20 W 426/03 - zitiert nach juris), das die Anordnung der Sicherungshaft nach § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG nur dann als gerechtfertigt ansieht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür festgestellt werden können, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen wolle; die bloße Vermutung der Ausländerbehörde, der Betroffene werde zum Abschiebungstermin nicht zur Verfügung stehen, reiche dafür nicht aus. Dieser Auffassung vermag sich der Senat auch nach erneuter Überprüfung nicht anzuschließen, weil sie die Voraussetzungen der Sicherungshaft nach § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG vermengt mit denjenigen der Haftanordnung nach Satz 1 der Vorschrift. Der im Gesetz eigenständig geregelte Haftgrund des Satzes 2 der Vorschrift wird so der Sache nach zu einem Unterfall des allgemeinen Haftgrundes des begründeten Verdachts, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen will (Abs. 2 S. 1 Nr. 5 der Vorschrift). Dies gilt insbesondere, wenn das OLG Frankfurt die materielle Feststellungslast für konkrete Umstände, die auf eine Entziehungsabsicht des Betroffenen schließen lassen, auch im Rahmen der Vorschrift des § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG der antragstellenden Ausländerbehörde auferlegen will. Dies führt zu einer weitgehenden Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs des § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG, die aus der Sicht des Senats nach Wortlaut, systematischer Stellung und dem Zweck der Vorschrift erkennbar nicht gewollt ist. Aus der vom OLG Frankfurt herangezogenen Entscheidung des BVerfG (NVwZ-Beilage 1994, 57 = InfAuslR 1994, 342) lässt sich für eine solche Auslegung des § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG nichts Entscheidendes ableiten. In dieser Entscheidung des BVerfG wird zwar aus dem Zweck der Haft als Mittel zur Sicherung der Abschiebung eine inhaltliche Einschränkung gegenüber dem zwingend ausgestalteten Haftgrund des § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AuslG in dem Sinne hergeleitet, dass eine Haftanordnung trotz Erfüllung des Tatbestandes der Vorschrift zu unterbleiben hat, wenn feststeht, dass sich der Betroffene seiner Abschiebung offensichtlich nicht entziehen will. Wenn der Tatrichter aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls die Überzeugung gewinnt, dass der Betroffene zum vorgesehenen Zeitpunkt tatsächlich für die Abschiebung zur Verfügung stehen wird, wird auch im Rahmen des § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG die Ablehnung einer Haftanordnung nahe liegen. Problematisch sind aber gerade diejenigen zahlenmäßig überwiegenden Fälle, in denen eine solche sichere Vorhersage nicht möglich ist. Es entspricht der langjährigen Erfahrung des Senats aus der Befassung mit Abschiebungshaftsachen, dass auch solche Ausländer, die bislang ihren ausländerrechtlichen Pflichten nachgekommen sind, nicht selten dazu neigen sich so einzurichten, dass sie am Tage einer ihnen angekündigten Abschiebung nicht zur Verfügung stehen. Das Gesetz selbst behandelt ein solches Verhalten im Rahmen des § 57 Abs. 2 S. 1 AuslG als zwingenden Haftgrund (Nr. 3 der Vorschrift). Ein solches Verhalten kann auch bei einem Ausländer nicht ausgeschlossen werden, der - wie der hier Betroffene -enge familiäre Bindungen zu seiner Ehefrau und seinem Kind pflegt. Gerade daraus kann sich ein Anreiz zu einem obstruktiven Verhalten ergeben, wenn es auf diese Weise gelingen kann, die Abschiebung der gesamten Familie zu verhindern. Für diejenigen Fälle, in denen es ungewiss ist, ob sich der Ausländer dem bevorstehenden Vollzug der Abschiebung stellen wird, nimmt § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG eine Gewichtung vor, die dem Betroffenen zur Sicherung der Abschiebung und des dafür bereits angefallenen Vorbereitungsaufwands eine kurzfristige Freiheitsentziehung zumutet. Das Landgericht hat bei seiner Ermessenentscheidung ferner die familiären Bindungen des Betroffenen, insbesondere die von ihm hervorgehobene Schwangerschaft seiner Ehefrau berücksichtigt. Wenn die Kammer diesen Gesichtspunkten letztlich keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat, liegt darin schon deshalb kein Rechtsfehler, weil der Betroffene und seine Ehefrau sich unter diesem Aspekt schwerpunktmäßig gegen die Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Abschiebungsmaßnahme als solche gewandt haben: Da im Hinblick auf die Schwangerschaft in der Person der Ehefrau ein Abschiebungshindernis für sie und das zweijährige Kind vorliege, sei auch die Abschiebung des Betroffenen selbst im Hinblick auf den grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) unzulässig. Die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind jedoch an die bestandskräftige Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des Bundesamtes vom 19.08.2003 gebunden. Ob die Abschiebung des Betroffenen - auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts - zu Recht betrieben wurde, haben ausschließlich die Ausländerbehörde und die Verwaltungsgerichte zu prüfen (BayObLGZ 1993, 311, 313; OLG Karlsruhe NVwZ 1993, 811, 812; KG NVwZ 1997, 516). Es handelt sich in diesem Punkt um die Folgen der vom Gesetzgeber gewollten Rechtswegspaltung. Der Betroffene hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, bei dem zuständigen Verwaltungsgericht Eilrechtsschutz zu beantragen; dieser Antrag hat zu seiner Haftentlassung geführt. Die angefochtene Entscheidung beruht auch nicht auf einer Verletzung der Verpflichtung zur Anhörung des Betroffenen. Zwar besteht auch im Beschwerdeverfahren gemäß § 103 Abs. 2 AuslG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 FEVG die Verpflichtung, den Betroffenen mündlich anzuhören. Von einer erneuten mündlichen Anhörung kann aber abgesehen werden, wenn diese zur Sachaufklärung nichts beitragen kann. Hiervon durfte das Landgericht ausgehen. Der Amtsrichter bei dem Amtsgericht Herford hat den Betroffenen eingehend angehört. Der Betroffene hat seine Erstbeschwerde mit mehreren Schriftsätzen seines Verfahrensbevollmächtigten ausführlich begründet. Von seinem tatsächlichen Vorbringen, insbesondere seinen familiären Bindungen, ist das Landgericht bei seiner Entscheidung ausgegangen. Relevante Gründe, die mit ihm vor dem Landgericht mündlich hätten erörtert werden müssen, ergeben sich daraus nicht. Aus denselben Gründen ist es im Ergebnis auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Ehefrau des Betroffenen nur in schriftlicher Form und nicht mündlich angehört hat (§ 5 Abs. 3 S. 2 FEVG). Denn die Ehefrau des Betroffenen hat sowohl in einem eigenen Schreiben als auch mit Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen vom 18.10.2004 ihre Situation nach der Inhaftierung ihres Ehemannes näher dargestellt. Das Landgericht hat dieses Vorbringen berücksichtigt; eine ergänzende mündliche Anhörung der Ehefrau des Betroffenen hätte ersichtlich keine zusätzlichen Erkenntnisse erbringen können. So zu entscheiden ist der Senat nicht durch eine Vorlagepflicht gem. § 28 Abs. 2 FGG gehindert. Eine solche Vorlage ist nach der genannten Vorschriften nur zulässig, wenn sowohl die beabsichtigte Entscheidung des Senats als auch die auf weitere Beschwerde ergangene Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts auf der abweichenden Beurteilung derselben Rechtsfrage beruhen (Keidel/Meyer-Holz, FG, 15.Aufl. § 28, Rdnr. 13). Der genannten Entscheidung des OLG Frankfurt liegt zwar die dargestellte abweichende Auffassung zur Auslegung des § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG zugrunde. Jedoch kann der Senat nicht mit der für eine Divergenzvorlage erforderlichen Sicherheit feststellen, dass die Entscheidung des OLG Frankfurt gerade auf dieser Rechtsauffassung beruht. Dies ist nicht der Fall, wenn dessen Entscheidung zusätzlich auf eine weitere Begründung gestützt wird, die sie unabhängig von der Beantwortung der streitigen Rechtsfrage trägt (BGH NJW-RR 1987, 1036, 1037). Das OLG Frankfurt hat in seiner genannten Entscheidung das ausgesprochene Ergebnis der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Haftanordnung nach § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG zusätzlich darauf gestützt, in dem zur Entscheidung stehenden Fall sei unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der in den Akten dokumentierte schlechte Gesundheitszustand des Betroffenen nicht genügend berücksichtigt worden. Daran anknüpfend hat das OLG Frankfurt zusammenfassend ausgeführt, in Anbetracht der genannten Gesamtumstände habe die Abschiebungshaft nicht angeordnet werden dürfen. Inwieweit danach die genannten Gesichtspunkte (fehlende Feststellung der Entziehungsabsicht einerseits, schlechter Gesundheitszustand des Betroffenen andererseits) im Rahmen der Gesamtwürdigung zu der Entscheidung beigetragen haben, lässt sich anhand der wiedergegebenen Beschlussgründe nicht näher feststellen. Da es sich um eine feststellende Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der Maßnahme handelt und Aufklärungsmängel für sich allein bereits die Feststellung der Rechtswidrigkeit begründen können (BGH NJW 2002, 1801, 1803), spricht mehr für die Annahme, dass jeder Gesichtspunkt für sich allein das OLG Frankfurt zu der getroffenen Entscheidung veranlasst hätten. Eine Vorlagepflicht scheidet danach aus.

Ende der Entscheidung

Zurück