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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: 15 W 58/07
Rechtsgebiete: FEVG
Vorschriften:
FEVG § 3 S. 1 | |
FEVG § 13 Abs. 2 |
Entscheidung wurde am 15.05.2007 korrigiert: die Rechtsgebiete, Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert sowie Stichworte und ein Leitsatz hinzugefügt
2) Dies gilt ebenso in Bezug auf eine nicht vollzogene, von dem Betroffenen lediglich befürchtete haftvorbereitende behördliche Ingewahrsamnahme.
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Betroffene reiste am 14.1.1988 erstmals aus dem M unter den Alias-Personalien B B1 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag. Nachdem ihm zunächst eine Duldung erteilt worden war, erhielt er im Jahr 1998 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Nachdem seine türkische Staatsangehörigkeit und seine wahre Identität geklärt waren, erfolgte die Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis und der Betroffene wurde am 13.4.2005 in die U abgeschoben. Anschließend wurde der Betroffene gem. § 50 Abs. 7 S. 2 AufenthG zum Zwecke der Einreiseverweigerung bzw. Zurückweisung zur Festnahme ausgeschrieben. Nach verbotswidriger Wiedereinreise hält der Betroffene sich seit Oktober 2005 wieder im Bundesgebiet auf und erstrebt in einem anhängigen Verwaltungsverfahren ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK.
Am 15.12.2006 hat der Betroffene beim Amtsgericht beantragt, dem Beteiligten zu 2) gegenüber verbindlich festzustellen, dass die Verhängung von Abschiebehaft gegenüber dem Betroffenen rechtswidrig wäre. Das Amtsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 29.12.2006 als unzulässig zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Betroffene am 10.1.2007 sofortige Beschwerde eingelegt und hilfsweise beantragt festzustellen, dass der Beteiligte zu 2) nicht berechtigt sei, ihn, den Betroffenen, ohne richterlichen Beschluss festzunehmen oder in Gewahrsam zu nehmen. Äußerst hilfsweise hat er beantragt, ihm einen Hinweis zu erteilen, wie ein sachdienlicher Antrag formuliert sein müsste.
Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 24.1.2007 zurückgewiesen. Gegen die am 5.2.2007 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 19.2.2007 mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten beim Landgericht eingelegte sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 106 Abs. 2 S.1 AufenthG, 7 Abs. 1, 3 S. 2 FEVG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Betroffenen ergibt sich bereits daraus, dass seine Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
In der Sache ist die weitere Beschwerde unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).
Zutreffend hat das Landgericht die Erstbeschwerde des Betroffenen als zulässig angesehen. Die Beschwerdebefugnis des Betroffenen folgt bereits daraus, dass das Amtsgericht seinen Antrag als unzulässig verworfen hat. Dies gilt unabhängig davon, ob der Antrag des Betroffenen im erstinstanzlichen Verfahren zu Recht als unzulässig behandelt worden ist. Denn dem Beschwerdeführer, dessen Antrag aus verfahrensrechtlichen Gründen als unzulässig zurückgewiesen worden ist, steht uneingeschränkt das Recht zu, diese Entscheidung mit der Beschwerde überprüfen zu lassen (Keidel/Kahl, FG, 15. Aufl., § 20, Rdnr. 50).
Zutreffend hat das Landgericht die verfahrensrechtliche Zuständigkeit zur Entscheidung über die gestellten Anträge des Betroffenen im Verfahren nach dem FEVG bejaht. Nach den §§ 106 Abs. 2 AufenthG wäre im Verfahren nach dem FEVG über einen Antrag des Beteiligten zu 2) auf Anordnung der Abschiebungshaft zu entscheiden. Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts folgt aus § 3 FEVG. Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Essen ergäbe sich aus § 4 Abs. 1 FEVG, wobei der Senat infolge der Antragstellung des Betroffenen bei diesem Gericht davon ausgeht, dass er im Bezirk dieses Gerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenngleich er diesen nicht näher offen gelegt hat. In der Rechtsprechung ist ferner anerkannt, dass die Rechtmäßigkeit einer der Haftanordnung vorausgehenden behördlichen Festnahme zum Zwecke der Vorführung vor dem Haftrichter im Verfahren nach dem FEVG, und zwar mit einem an keine Form oder Frist gebundenen Antrag nach § 13 Abs. 2 FEVG (Marschner/Volkart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl., § 13 FEVG Rn. 4) zur gerichtlichen Nachprüfung gestellt werden kann. Über diesen Antrag hat erstinstanzlich das Amtsgericht zu entscheiden (§§ 3, 13 Abs. 2 FEVG), gegen dessen Entscheidung ist nach §§ 7 FEVG, 22, 27 FGG die sofortige und gegen die Entscheidung des Landgerichts die sofortige weitere Beschwerde zulässig (OLG Schleswig NVwZ 2003, 1412; OLG Braunschweig InfAuslR 2004, 166; OLG Celle InfAuslR 2004, 210; KG InfAuslR 2002, 315 = KGR 2002, 174; Senat FGPrax 2005, 90). Die hier gestellten Anträge des Betroffenen zielen gegenüber beiden genannten Maßnahmen auf die Gewährung eines vorbeugenden Rechtsschutz, über dessen Zulässigkeit folglich in demselben Verfahren entschieden werden muss wie unmittelbar über eine gerichtliche Haftanordnung bzw. eine haftvorbereitende Ingewahrsamnahme.
Das Landgericht hat zu Recht die Verwerfung der von dem Betroffenen gestellten Anträge als unzulässig bestätigt. Nach der gesetzlichen Vorschrift des § 3 S. 1 FEVG kann ein Freiheitsentziehungsverfahren nur durch einen Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde eingeleitet werden. Ohne einen solchen Antrag besteht keine Grundlage für eine gerichtliche Entscheidung. Die Entscheidung darüber, ob ein Antrag auf Erlass einer Haftanordnung gestellt wird, obliegt allein der Verwaltungsbehörde. Nur im Fall des § 16 FEVG hat das Gericht zu überprüfen, ob für die Behörde ein hinreichender Anlass zur Antragstellung bestanden hat. Aus dem systematischen Zusammenhang der gesetzlichen Vorschriften folgt also, dass dem Betroffenen Rechtsschutz nur im Rahmen des Verfahrens über einen von der zuständigen Behörde gestellten Antrag auf Erlass einer Haftanordnung zu gewähren ist. Für die Anerkennung der Zulässigkeit einer Vorverlagerung des Rechtsschutzes des Betroffenen in den Bereich vor einer Antragstellung der Behörde besteht weder ein nachvollziehbares Bedürfnis noch eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit:
Das Verfahren nach dem FEVG ist darauf zugeschnitten, dass dem Betroffenen in dem Verfahren zur Hauptsache der ihm zustehende Rechtsschutz gewährt wird, wobei das Ergebnis seiner persönlichen Anhörung (§ 5 Abs. 1 FEVG) als Erkenntnisquelle im Vordergrund steht und ergänzend die Amtsermittlungspflicht des Gerichts gilt (§ 12 FGG). Das vom Gericht durchzuführende Verfahren ist insbesondere darauf ausgerichtet, dass bezogen auf den Zeitpunkt der vom Gericht zu treffenden Entscheidung die gesetzlichen Voraussetzungen einer Haftanordnung (in dem vorliegenden Zusammenhang auf der Grundlage des § 62 AufenthG) unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Betroffenen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festgestellt werden sollen. Die konkreten Umstände zum Zeitpunkt der Entscheidung lassen sich nicht quasi vorwegnehmend beurteilen gegenüber einem Haftantrag, von dem zur Zeit noch völlig ungewiss ist, ob er von der zuständigen Behörde überhaupt gestellt wird. Dem Betroffenen steht auch kein Recht des Inhalts zu davon freigestellt zu werden, überhaupt mit einem behördlichen Haftantrag konfrontiert zu werden, oder anders ausgedrückt eine Art Anspruch gegen die Behörde auf Unterlassung, gegen ihn einen Haftantrag zu stellen. Eine solche Rechtsposition lässt sich insbesondere nicht daraus herleiten, dass der Betroffene gegenwärtig im verwaltungsbehördlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren gestützt auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK ein Aufenthaltsrecht für sich durchzusetzen versucht. Dem Rechtsschutz des Betroffenen wird hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass er im Falle hinreichender sachlicher Erfolgsaussicht dieses Begehrens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Eilrechtsschutz erlangen kann. Wird ein solcher Eilrechtsschutz gewährt, kann eine Abschiebung nicht vollzogen werden, so dass ein Haftantrag nicht gestellt werden kann. Dem Bestreben des Betroffenen eine weitere Vorwirkung in der Weise herbeizuführen, dass während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens der Behörde die Möglichkeit entzogen wird, einen Haftantrag gegen ihn zu stellen, muss der Erfolg versagt bleiben. Denn dies müsste mittelbar auf eine Überprüfung der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über die Gewährung von Abschiebungsschutz hinauslaufen, die jedoch nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung ausschließlich den Verwaltungsgerichten, nicht jedoch den Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zusteht (BayObLGZ 1993, 311, 313; OLG Karlsruhe NVwZ 1993, 811, 812, KG NVwZ 1997, 516).
Die Zulässigkeit des begehrten vorbeugenden Rechtsschutzes lässt sich entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde auch nicht aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Zulässigkeit eines Antrages auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten freiheitsentziehenden Maßnahme ableiten. Diese Rechtsprechung (vgl. etwa BVerfG NJW 2002, 2456; wistra 2006, 59) beschränkt sich auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes bei bereits erfolgten tiefgreifenden Eingriffen in die Grundrechte des Betroffenen: Dem berechtigten Rechtsschutzinteresse des Betroffenen an einer Sachentscheidung über die Rechtmäßigkeit der Maßnahme darf nicht dadurch die Grundlage entzogen werden, dass die freiheitsentziehende Maßnahme zwischenzeitlich bereits beendet worden ist. In der Konsequenz dieser Rechtsprechung hat der Senat bereits mehrfach entschieden, dass ein aus dem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) abgeleitetes Rechtsschutzbedürfnis nur dann und nur insoweit besteht, wie es infolge des Vollzugs der gerichtlichen Entscheidung tatsächlich zu einem tiefgreifenden Eingriff in Grundrechtspositionen des Betroffenen gekommen ist (Senat FGPrax 2004, 96; FGPrax 2004, 231; Beschl. v. 23.08.2006 - 15 W 255/06 -). Wenn jedoch - wie ausgeführt - das Verfahren nach dem FEVG darauf ausgerichtet ist, dass dem Betroffenen unmittelbar in diesem Verfahren effektiver Rechtsschutz hinreichend gewährt wird, besteht zu einer weiteren Vorverlagerung dieses Rechtsschutzes verfassungsrechtlich kein Bedürfnis. Über die Rechtmäßigkeit eines Antrages zu entscheiden, von dem unklar ist, ob die Behörde ihn überhaupt stellen wird, ergibt auch verfassungsrechtlich keinen Sinn.
Aus denselben Gründen kommt auch die Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes gegenüber einer etwaigen verwaltungsbehördlichen Ingewahrsamnahme des Betroffenen nicht in Betracht. Eine Entscheidung im Verfahren nach dem FEVG kommt hier bereits im Ausgangspunkt nur im Zusammenhang mit einer haftvorbereitenden behördlichen Ingewahrsamnahme des Betroffenen in Betracht, setzt also eine Entscheidung des Beteiligten zu 2) darüber voraus, dass überhaupt ein Antrag auf Anordnung der Abschiebungshaft gegen den Betroffenen gestellt werden soll. Eine grundsätzliche Befugnis der Ausländerbehörde, den Betroffenen bis zur richterlichen Entscheidung über seinen Antrag auf Anordnung von Sicherungshaft gem. § 62 Abs. 2 AufenthG vorläufig festzunehmen und gegebenenfalls auch in Gewahrsam zu nehmen, ergibt sich in Nordrhein-Westfalen aus § 24 OBG NRW in Verbindung mit § 35 Abs.1 Nr.2 PolG NRW (OLG Köln NJW 2005, 3361; FGPrax 2005, 275 = InfAuslR 2005, 422 = OLGR Köln 2006, 29; Senatsbeschluss vom 08.01.2007 - 15 W 285/06 -). Ob die Voraussetzungen insoweit vorliegen, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls, insbesondere davon ab, ob es sich um eine geplante oder spontane Festnahme handelt, und lässt sich vorausschauend nicht abschließend beurteilen.
Zur Erteilung weiterer Hinweise an den Betroffenen hatte das Landgericht keinen Anlass. Denn sein Vorbringen lässt bereits nicht hinreichend erkennen, welches weitergehende Rechtsschutzbegehren er verfolgen will, dem zum Erfolg zu verhelfen eine entsprechende formelle Antragstellung hätte dienen sollen.
Ende der Entscheidung
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