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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 12.09.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 232/00
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 359 |
Der Widerruf eines Geständnisses eröffnet nur in Ausnahmefällen die zulässige Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 395 Nr. 5 StPO. Deshalb muß der Antragsteller in seinem Wiederaufnahmeantrag die Unwahrheit des Geständnisses sowie darüber hinaus einen ein einleuchtenden Beweggrund für das falsche Geständnis und den späten Widerruf nennen.
2 Ws 232 u. 234/00 OLG Hamm Senat 2
Beschluss
Strafsache gegen C.B.,
wegen Mordes
(hier: Wiederaufnahme des Verfahrens).
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 11. August 2000 gegen den Beschluss der 1. Jugendkammer des Landgerichts Hagen vom 1. August 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 12.09.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 9. Februar 1990 (3 KLs 30 Js 19/89 jug. LG Bochum) wegen Mordes, sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexueller Nötigung, Totschlags und versuchten Totschlags unter Einbeziehung der Verurteilung des Amtsgerichts Bochum vom 9. Februar 1988 (21 Js 1217/87 StA Bochum) rechtskräftig zu neun Jahren Einheitsjugendstrafe verurteilt worden. Überdies wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Nach den Feststellungen des Urteils hat er am 27. Juli 1988 in den Kellerräumen des Hauses Universitätsstraße 14 in Bochum aus Verärgerung über den W.H. und den Zeugen K. einen Brand gelegt, durch den Hausmann ums Leben kam.
Am 9. Januar 1989 missbrauchte er das damals acht Jahre alte Kind H.B. sexuell und tötete es anschließend aus Furcht vor Entdeckung. Wegen der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Urteil Bezug genommen.
Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafkammer den Antrag des Verurteilten auf Wiederaufnahme des Verfahrens als unzulässig verworfen und den Antrag auf Bestellung eines Verteidigers für das Wiederaufnahmeverfahren zurückgewiesen.
II.
Die gemäß § 372 Satz 1 StPO statthafte und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, auf die Bezug genommen wird, keinen Erfolg.
Weder der Widerruf des Geständnisses noch die Zeugen K. und J. sind neue Beweismittel im Sinn des § 359 Nr. 5 StPO, so dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu Recht vom Landgericht Hagen als unzulässig verworfen worden ist.
Im Hinblick auf die Rechtskraft des abgeschlossenen Verfahrens kann das Wiederaufnahmeverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit nur in den engen Grenzen der gesetzlich abschließend geregelten Fälle durchgeführt werden. Deshalb ist in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise (vgl. BVerfG NJW 1995, 2024) zunächst über die Zulässigkeit des Antrags (§ 368 Abs. 1 StPO) zu entscheiden. Danach ist die Wiederaufnahme zulässig, falls der Antragsteller einen gesetzlichen Wiederaufnahmegrund geltend macht und geeignete Beweismittel anführt. Sofern sich der Antragsteller auf die Norm des § 359 Nr. 5 StPO beruft, hat er neue erhebliche Tatsachen oder Beweismittel beizubringen, die geeignet erscheinen, einen anderen Schuldspruch oder eine mildere Rechtsfolge herbeizuführen. Diese hat er exakt zu bezeichnen. Waren die Tatsachen schon zum Zeitpunkt der zur Verurteilung führenden Hauptverhandlung bekannt, sind darüber hinaus Darlegungen zur Novität erforderlich. Insoweit hat er zu erläutern, warum zum damaligen Zeitpunkt die Verteidigung unterblieben ist (vgl. Gössel in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 359, Rdnr. 180 ff).
Daraus folgt, dass der Widerruf eines Geständnisses nur in Ausnahmefällen eine zulässige Wiederaufnahme eröffnet.
Das Geständnis eines Verurteilten steht nicht mehr zu seiner willkürlichen Verfügungsgewalt. Anderenfalls stünden selbst seit Jahren rechtskräftige Urteile unter der Bedingung des fortdauernd aufrechterhaltenen Geständnisses (vgl. OLG München, NJW 1981, 594). Deshalb hat der Antragsteller zunächst die Unwahrheit des Geständnisses und den zutreffenden Sachverhalt konkret darzulegen sowie darüber hinaus einen einleuchtenden Beweggrund für das falsche Geständnis und den späten Widerruf zu nennen ( vgl. BGHR, § 359 StPO, neue Tatsache Nr. 5; OLG Köln, NStZ 1991, 96, 97 m.w.N.; OLG München a.a.O.).
Diesen Anforderungen wird der Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers aber nicht gerecht.
Entgegen seiner Meinung ergeben sich bei verständiger Würdigung keine Anhaltspunkte für das behauptete Falschgeständnis.
Zunächst ist die von ihm behauptete Bedrohungssituation nicht durch exakte Tatsachen belegt. Die Äußerung des Zeugen Bernd, er werde den Verurteilten "kaputt schlagen", wenn dieser etwas mit dem Verschwinden des Kindes zu tun habe, kann nicht als Bedrohung für den Fall einer den Zeugen belastenden Aussage angesehen werden.
Auch die vom Antragsteller aufgeführten angeblichen Widersprüche und Unstimmigkeiten hinsichtlich der Kleidung des Opfers, dessen Lage und des Verbleibs des Tatmittels lassen nicht auf ein Falschgeständnis schließen. Denn nach seinem jetzigen Vorbringen hat er die Leiche des Kindes am späteren Fundort aufgefunden und auf Lebenszeichen untersucht. Auch dann hätte der Verurteilte die gleichen Erkenntnisse wie der Täter selbst gehabt, so dass die dargelegten Widersprüche und Unstimmigkeiten ebenso wenig nachvollziehbar wären.
Wie die Strafkammer im übrigen im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, ist auch kein einleuchtender Beweggrund für ein falsches Geständnis behauptet worden. Die angeblich in den Vernehmungsmethoden der ermittelnden Polizeibeamten und des Staatsanwaltes liegenden Beweggründe scheiden aus. Denn diese Gründe wirkten in der Hauptverhandlung nicht mehr fort, so dass schon zu diesem Zeitpunkt ein Widerruf zu erwarten gewesen wäre.
Die weitere Behauptung des Beschwerdeführers, er neige dazu, Verantwortung für andere zu übernehmen und eine Tendenz zur Selbstbelastung zu zeigen, ist aufgrund des Akteninhalts noch nicht einmal im Ansatz nachzuvollziehen. Vielmehr ergibt sich aus seinem Lebensweg, dass er stets die Übernahme jedweder Verantwortung abgelehnt hat. Bereits in seiner Kindheit und Jugend zeigte sich sein Bestreben, durch Vorspiegelung falscher Tatsachen - insoweit ist auf die gespielten Ohnmachtsanfälle hinzuweisen- unangenehme Situationen zu umgehen. Er war auch nicht Willens, die Konsequenzen aus seinem Tun zu übernehmen. Dies belegen die zahlreichen Entweichungen aus Heimen und psychiatrischen Kliniken. Deshalb ist es undenkbar, dass er gerade in diesem Strafverfahren bereit gewesen sein soll, sich unschuldig wegen Mordes zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilen zu lassen.
Überdies hat der Verurteilte auch keinen plausiblen Grund für den sehr späten Zeitpunkt des Geständniswiderrufes und des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens vorgetragen.
Der Zeitraum von über zehn Jahren zwischen der Verurteilung und dem Wiederaufnahmeantrag lässt sich nicht etwa mit einem Reifeprozess erklären. Dies gilt um so mehr, als er bereits in den Jahren 1995/1996 auf seine Unschuld hingewiesen haben will. Die Einsicht, nicht länger als Täter auftreten zu können, bestand demnach bereits seit ca. fünf Jahren, so dass das Abwarten bis zum Mai 2000 auch unter Berücksichtigung des bekannten Verfahrensablaufes nicht nachvollziehbar ist.
Die Zeugen K. und J. sind schließlich keine neuen Beweismittel im Sinn des § 359 Nr. 5 StPO. Da beide Zeugen bereits in der Hauptverhandlung zeugenschaftlich vernommen worden sind, hätte der Beschwerdeführer darlegen müssen, dass die in der Antragsschrift aufgeworfenen Beweisfragen nicht Gegenstand der Beweisaufnahme waren, da nur dann Novität im Sinne des § 359 StPO vorläge.
Dieser Darlegungspflicht ist der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Aus den Urteilsgründen und der Antragsschrift selbst ergibt sich vielmehr, dass der Zeuge K. zu den Geschehnissen im Keller vernommen worden ist.
Bezüglich der Vernehmung des Zeugen J. bestehen - über den genannten Darlegungsmangel hinaus- grundlegende Zweifel an der Eignung im Sinn des § 359 StPO. Aus der im Ermittlungsverfahren bekannt gewordenen Äußerung des Zeugen J. gegenüber dem Zeugen B., dieser wisse doch, dass der Verurteilte nichts mit der Tat zu tun habe, folgt keineswegs, dass Bernd gegenüber J. die Tat eingestanden habe. Auch insoweit nimmt der Senat ausdrücklich auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss Bezug.
Das Landgericht Hagen hat letztlich auch zu Recht die Beiordnung eines Verteidigers für die Durchführung des Wiederaufnahmeverfahrens abgelehnt. Da dem Verurteilten durch das erkennende Gericht für die Vorbereitung des Wiederaufnahmeverfahrens ein solcher bestellt worden ist, bedurfte es keiner weiteren Beiordnung für das Wiederaufnahmeverfahren. Der Fall des § 364 a StPO liegt nämlich dann nicht vor, wenn bereits ein Verteidiger nach § 364 b StPO bestellt worden ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage, § 364 a, Rdnr. 2).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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