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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 22.01.2004
Aktenzeichen: 2 Ws 31/04
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 454 Abs. 3 | |
StPO § 462 Abs. 3 | |
StPO § 463 Abs. 5 | |
StGB § 57 | |
StGB § 67 | |
StGB § 67 a | |
StGB § 67 b | |
StGB § 67 c | |
StGB § 67 d | |
StGB § 67 d Abs. 5 | |
StGB § 67 d Abs. 5 Satz 1 | |
StGB § 67 d Abs. 5 Satz 2 | |
StGB § 67 e | |
StGB § 67 f | |
StGB § 68 f Abs. 1 | |
StGB § 67 g |
2 Ws 30/04 OLG Hamm 2 Ws 31/04 OLG Hamm 2 Ws 36/04 OLG Hamm
Beschluss
Strafsache
gegen H.H.
wegen Diebstahls, (hier: sofortige Beschwerde gegen die Anordnung gemäß § 67 d Abs. 5 StGB, und gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung sowie die Anordnung von Führungsaufsicht).
Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten vom 18. Dezember 2003 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 11. Dezember 2003 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 22. 01. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer ist am 5. Juni 2001 rechtskräftig durch das Amtsgericht - Schöffengericht - Aachen wegen Diebstahls in fünf Fällen und wegen versuchten Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt worden. Gleichzeitig wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet mit der Maßgabe, dass zwei Monate Freiheitsstrafe vor der Unterbringungsmaßnahme zu vollstrecken sind. Durch nachträglichen Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Aachen vom 06. November 2001 ist unter Beibehaltung der verhängten Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten erkannt worden. Nach dem Vorwegvollzug von zwei Monaten der verhängten Freiheitsstrafe wird die Unterbringung seit dem 24. August 2001 vollzogen. Der Beschwerdeführer befand sich zunächst in den Rheinischen Kliniken Bedburg-Hau. Am 07. Februar 2002 wurde er in die Fachklinik Im Deerth in Hagen, einer Facheinrichtung für Drogenabhängige, verlegt. Am 16. Dezember 2002 siedelte er in das der Fachklinik angeschlossene Adaptionshaus Södingstaße über. Sein Aufenthalt dort war jedoch nicht von langer Dauer; bereits am 15. Januar 2003 musste der Betroffene in die Fachklinik Im Deerth zurückverlegt werden, nachdem dort bekannt geworden war, dass er in der dortigen Behandlungszeit mehrere Alkoholrückfälle gehabt hatte, die zusätzlich mit anderen Regelverletzungen verbunden waren. Die Rückverlegung sollte der Aufarbeitung dieser Rückfälle und der Stabilisierung des Betroffenen dienen. Am 24. Februar 2003 zog er abermals in das Adaptionshaus Södingstraße um, in dem es jedoch zu wiederholten Alkoholrückfällen und Regelverstößen kam. Anlässlich der daraufhin erneut beschlossenen Rückverlegung des Betroffenen in die Rheinischen Kliniken Bedburg-Hau, entzog dieser sich der geplanten Maßnahme am 21. Oktober 2003 durch Flucht. Am 24. November 2003 konnte er jedoch festgenommen und wieder dem Maßregelvollzug zugeführt werden.
Durch den angefochtenen Beschluss vom 11. Dezember 2003 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nach mündlicher Anhörung des Untergebrachten entschieden, dass
1. die vom Amtsgericht Aachen mit Urteil vom 5. Juni 2001 angeordnete Unterbringung des Betroffenen in einer Entziehungsanstalt nicht weiter zu vollziehen ist,
2. der Betroffene aus der Unterbringung zu entlassen und dem Strafvollzug zuzuführen ist,
3. mit der Entlassung des Betroffenen aus der Unterbringung Führungsaufsicht eintritt, deren Dauer auf drei Jahre bemessen wird,
4. die Vollstreckung der Reststrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 05. Juni 2001 nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.
Ihre Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer damit begründet, dass eine Weiterbehandlung des Untergebrachten keine konkrete Aussicht auf Erfolg verspreche, wovon sie sich aufgrund der mündlichen Anhörung des Betroffenen, des Berichts des Adaptionshauses Södingstraße in Hagen vom 22. Oktober 2003 sowie des im Adaptionshaus tätigen Sozialarbeiters H. überzeugt habe.
Zur Begründung führt die Strafvollstreckungskammer u. a. aus, es sei bereits während des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in der Fachklinik Im Deerth in Hagen zu Alkoholrückfällen und Regelverletzungen durch ihn gekommen. Die Rückfälle und Verstöße habe er anfangs zu verheimlichen und zu vertuschen gewusst, jedoch sei zwischenzeitlich bekannt geworden, dass er Mitpatienten systematisch dahingehend beeinflusst habe, mit ihm gemeinsam Alkohol zu trinken, um diese Mitpatienten bezüglich weiterer Regelverstöße unter Druck setzen zu können. Außerdem habe der Betroffene regelmäßig das Hagener Rotlichtmilieu aufgesucht und privaten Kontakt zu einer Prostituierten unterhalten, der er unerlaubterweise Zugang zum Adaptionshaus gewährt habe. Der Versuch eines Mitpatienten, sich dieser Prostituierten ebenfalls zu nähern, sei in einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen dem Betroffenen und dem besagten Mitpatienten eskaliert. Des Weiteren habe der Betroffene mehrfach sexuellen Kontakt zu einer Mitpatientin gehabt, die ein promiskes Verhaltensmuster gezeigt habe.
Seine schulischen Erfolge im Rahel - Varnhagen Kolleg, auf dem er den Hauptschulabschluss nachmachen wolle, seien mehr als mäßig. Die zahlreichen Versuche, den Betroffenen in eine Praktikumsstelle zu vermitteln, seien in der Regel an dessen unrealistischen Vorstellungen gescheitert, da er immer wieder angegeben habe, sich als Praktikant nicht "erniedrigen" lassen zu wollen. Die Tätigkeit bei einer Zeitarbeitsfirma habe der Betroffene bereits nach wenigen Arbeitsstagen abgebrochen. Seinen dort bezogenen Verdienst habe er regelwidrig nicht auf das Sperrkonto eingezahlt sondern für einen Bordellbesuch ausgegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Der Untergebrachte hat gegen den vorgenannten Beschluss fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt, die er näher begründet hat.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die gemäß §§ 454 Abs. 3, 462 Abs. 3, 463 Abs. 5 StPO, §§ 57, 67 d Abs. 5 StGB statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
1. Die Darlegungen der Strafvollstreckungskammer tragen die Beendigung des Maßregelvollzugs und die damit verbundene Überweisung des Verurteilten in den Strafvollzug.
Nach § 67 d Abs. 5 Satz 1 StGB bestimmt das Gericht nachträglich, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 Abs. 1 StGB) nicht weiter zu vollziehen ist, wenn ihr Zweck aus Gründen, die in der Person des Untergebrachten liegen, nicht erreicht werden kann. Entgegen dem Wortlaut dieser früher geltenden Norm liegt die Anordnung des weiteren Vollzugs einer - erfolglosen - Unterbringung jedoch nicht etwa im Ermessen des Gerichts, sondern nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. März 1994 (BGBl. I 3012 = BVerfG 91, 2 ff. = NStZ 1994, 578) darf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht weiter vollzogen werden, wenn entgegen einer anfänglichen Prognose keine hinreichend konkrete Aussicht mehr auf einen Behandlungserfolg besteht. Dies bedeutet, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht erst dann abzubrechen ist, wenn sie sich als zweifelsfrei aussichtslos erwiesen hat, sondern dass ihr weiterer Vollzug bereits unzulässig wird, sobald aus Gründen, die in der Person des Untergebrachten liegen, eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht seiner Behandlung im Maßregelvollzug nicht mehr erkennbar ist. Die Beendigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist demzufolge zwingend anzuordnen, sobald sich der Zweck der Unterbringung - auf zuverlässiger Erkenntnisgrundlage - als nicht mehr erreichbar herausstellt (vgl. BVerfG, a.a.O.; vgl. auch den Beschluss des erkennenden Senats vom 21. Oktober 2003 in 2 Ws 253-255/03; OLG Zweibrücken, NStZ-RR 2003, 157). Der Untergebrachte hat einen dahingehenden Rechtsanspruch, weil sich der Gesetzgeber in den §§ 67 bis 67 g StGB für ein System der nur teilweisen Anrechnung der Zeit des Maßregelvollzugs auf die Freiheitsstrafe entschieden hat. Aufgrund ihrer lediglich beschränkten Anrechenbarkeit (vgl. §67Abs. Satz 1 StGB) kann der weitere Vollzug der Maßregel in Addition mit der Freiheitsstrafe aber zu einer Verlängerung der Freiheitsentziehung insgesamt führen. Die Fortdauer der Unterbringung verletzt deshalb das Freiheitsrecht des Probanden unabhängig von dessen Wünschen und Vorlieben, wenn sie mangels einer konkreten Aussicht auf einen Behandlungserfolg nicht mehr geeignet ist, den Schutz der Allgemeinheit zu bewirken (vgl. BVerfG, a. a. O.).
So liegt der Fall hier. Die Strafvollstreckungskammer hat ausführlich und sorgfältig dargelegt, dass ein weiterer Vollzug der Unterbringung des Beschwerdeführers nicht mehr zu dessen Heilung und Besserung beitragen kann. Der Beschwerdeführer hat sich als therapieunwillig erwiesen, so dass dessen Unterbringung zwingend zu beenden war. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Untergebrachte anlässlich seiner mündlichen Anhörung am 09. Dezember 2003 seinen Behandlungswillen bekundet hat. Sein Verhalten in der Vergangenheit hat eindeutig gezeigt, dass er nicht bereit ist, aktiv an der ihm zugedachten Therapie mitzuwirken. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Unterbringung ihren Sinn verloren hat. Die Strafvollstreckungskammer hat sich umfassend mit der Stellungnahme des Adaptionshauses Södingstraße vom 22. Oktober 2003, den Angaben des Mitarbeiters H. vom Adaptionshaus sowie den Angaben des Betroffenen im Rahmen seiner mündlichen Anhörung auseinander gesetzt. Der Senat nimmt insoweit, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die zutreffenden und ausführlichen Ausführungen des angefochtenen Beschlusses Bezug.
Es ist zwar nicht zu verkennen, dass dem Betroffenen in den früheren Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen, durch die wiederholt die Fortdauer der Unterbringung angeordnet worden ist, einerseits durchaus Fortschritte während der Therapie attestiert worden sind. Andererseits ist aber auch stets zum Ausdruck gekommen, dass trotz der gemachten Fortschritte die therapeutische Behandlung "noch lange nicht beendet sei". Den in der Vergangenheit erlassenen Beschlüssen ist vielmehr zu entnehmen, dass die Strafvollstreckungskammer die Therapiemotivation und den Therapiewillen des Betroffenen durchaus als kritisch angesehen hat.
2.
Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Strafvollstreckungskammer es abgelehnt hat, die Vollstreckung der noch offenen Restfreiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen.
Es fehlt an einer positiven Prognose, d.h. einer begründeten Erwartung, der Verurteilte werde außerhalb des Strafvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen. Er verfügt weder über eine Arbeitsstelle noch eine eigene Wohnung und hat keine finanziellen Mittel. Auch wenn der Verurteilte zu seiner Mutter, bei der er im Falle seiner Entlassung wohnen könnte, eine gute Beziehung unterhält, reicht dieser Umstand allein nicht aus, um eine günstige Prognose zu bejahen. Der Verurteilte hat durch sein Verhalten während der Unterbringung erkennbar gezeigt, dass er dazu neigt, über seine Verhältnisse zu leben, im Übermaß Alkohol zu sich zu nehmen und nicht lediglich geringfügige Geldsummen im Rotlichtmilieu auszugeben. Außerdem war er auch in der Vergangenheit nicht bereit, Tätigkeiten mit nur geringer Entlohnung auszuüben. Es steht daher zu befürchten, dass er in alte Verhaltensmuster verfällt und erneut straffällig wird.
Unter diesen Umständen ist nicht zu erwarten, der Verurteilte werde außerhalb des Strafvollzuges keine rechtswidrigen Taten mehr begehen. Voraussetzung hierfür wäre ein wesentlicher und stabiler Behandlungserfolg, der jedoch fehlt. Der Betroffene selbst hat im Rahmen seiner mündlichen Anhörung am 09. Dezember 2003 eingeräumt, dass seine Drogenprobleme letztlich nicht gelöst seien. Er sei zwar im Augenblick clean, habe jedoch deutlich die Gefahr vor Augen, jederzeit rückfällig werden zu können. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich bei den der Verurteilung durch das Amtsgericht - Schöffengericht - Aachen vom 05. Juni 2001 zugrunde liegenden Taten um solche der Beschaffungskriminalität handelt.
3. Die Führungsaufsicht und die damit zusammenhängende Unterstellung unter die Bewährungsaufsicht tritt von Gesetzes wegen ein (§ 67 d Abs. 5 Satz 2 StGB), und zwar unabhängig davon, ob der Verurteilte noch Strafhaft zu verbüßen hat (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 1996, 567; KG NStZ-RR 2002, 138, 139). Der Gesetzgeber hat die Führungsaufsicht für eine Vollzugslage eingeführt, in der die Überführung des Probanden in den Strafvollzug die Regel ist und gleichwohl den Beginn der Führungsaufsicht ohne Ausnahme auf die Beendigung der Unterbringung bestimmt.
Die die Führungsaufsicht betreffenden Anordnungen sind deshalb zu diesem Zeitpunkt zu treffen. Insofern unterscheidet sich der § 67 d Abs. 5 Satz 2 StGB nach seinem eindeutigen Wortlaut von § 68 f Abs. 1 StGB, der die Führungsaufsicht nach voller Verbüßung längerer Freiheitsstrafen betrifft und Führungsaufsicht erst mit der Entlassung in die Freiheit eintreten lässt.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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