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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.05.2000
Aktenzeichen: 20 U 246/99
Rechtsgebiete: MB-BUZ
Vorschriften:
MB-BUZ § 1 III 2 |
1) Die Drei-Monats-Frist des § 1 III 2 MB-BUZ ist eine Ausschlußfrist.
2) Auf ihre Versäumung kann sich der Versicherer nicht berufen, wenn der Versicherungsnehmer fehlendes Verschulden nachweist.
3) Dies liegt nahe, wenn der Versicherungsnehmer von einer Berufsunfähigkeit nach § 2 III MB-BUZ ausging.
Urteil des 20. Zivilsenats des OLG Hamm vorn 5.5.2000 (20 U 246/99)
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
20 U 246/99 OLG Hamm 6 0 500/98 LG Essen
Verkündet am 05. Mai 2000
In dem Rechtsstreit
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 05. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Knappmann und die Richter am Oberlandesgericht Rüther und Meißner
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 16. September 1999 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.620,74 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15.10.1998 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen zu 1/7 der Kläger und zu 6/7 die Beklagte.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung auf Rentenzahlung und Beitragsrückgewähr für den Sechsmonats-Zeitraum vom 01.10.1996 bis 31.03.1997 in Anspruch.
Er macht geltend, seit dem 06.09.1996 in seinem Beruf als Feuerungsmaurer gesundheitsbedingt auf Dauer berufsunfähig zu sein.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 07.04.1998/24.04.1998 ihre Leistungspflicht ab 01.04.1997 anerkannt und erbringt ab diesem Zeitpunkt ihre bedingungsgemäßen Leistungen (Rentenzahlung und Beitragsbefreiung).
Für den Zeitraum vom 06.09.1996 bis 31.03.1997 hält sie sich gemäß § 1 Nr. 3 Satz 2 der vereinbarten AVB - gleichlautend mit § 1 Nr. 3 Satz 2 MB-BUZ 1975 - für leistungsfrei, weil der Kläger Leistungen erstmals mit Schreiben vom 07.04.1997 beansprucht hat.
Durch das angefochtene Urteil hat sich das Landgericht der Auffassung der Beklagten angeschlossen und die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete zulässige Berufungs des Klägers ist begründet. Die Beklagte ist ihm wegen voraussichtlich dauernder Berufsunfähigkeit (§ 2 Nr. 1 AVB) zur Gewährung bedingungsgemäßer Leistungen (monatliche Rentenzahlung von 2.707,69 DM; Rückzahlung gezahlter Beiträge von monatlich 729,10 DM) für die Zeit vom 01.10.1996 bis 31.03.1997 verpflichtet.
1.
Seit dem Autounfall vom 06.09.1996 ist der Kläger wegen vielfacher dauerhafter Beschwerden (beginnende Coxarthrose beidseits; Cervicobrachialsyndrom mit Wurzelreizungen C 8 beidseits; spondylogene Cephalgien; Lumboischialgie rechts) zu mindestens 50 % berufsunfähig (§ 2 Nr. 1 AVB).
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 07.04.1998/24.04.1998 zwar nur eine sog. fingierte Berufsunfähigkeit nach § 2 Abs. 3 AVB mit Wirkung ab 01.04.1997 anerkannt. Sie ist der auf die von ihr eingeholten Arztberichte Dr. H (Orthopäde) vom 13.05.1997 und Dr. B (Neurologin) vom 02.06.1997 gestützten Behauptung des Klägers, bereits seit seinem Unfall vom 06.09.1996 sei voraussichtlich dauernde Berufsunfähigkeit im konkret ausgeübten Beruf gegeben, nicht - zumindest nicht hinreichend substantiiert - entgegengetreten. Eine Verweisung durch Aufzeigen eines Vergleichsberufs ist nicht erfolgt.
2.
Der Kläger hat zwar der Beklagten seine voraussichtlich dauernde Berufsunfähigkeit später als 3 Monate nach ihrem Eintritt angezeigt. Gleichwohl ist der Versicherer nach § 1 Nr. 3 Satz 2 AVB nicht bis zum Beginn des Monats der Anzeige des Versicherungsfalls leistungsfrei geworden.
Die Dreimonats-Frist des § 1 Nr. 3 Satz 2 AVG ist als Ausschlußfrist zu werten, auf deren Versäumnung ein Versicherer sich nicht berufen kann, wenn der VN nachweist, daß die verspätete Anzeige des Versicherungsfalls ohne sein Verschulden erfolgt ist (BGH VersR 1995, 82; Senat VersR 1995, 1038).
Entgegen der von der Beklagten vertretenen und vom Landgericht geteilten Auffassung ist der Senat mit der erforderlichen Sicherheit davon überzeugt, daß der Kläger im Zeitraum zwischen dem Unfall vom 06.09.1996 und seinem Anspruchsschreiben vom 07.04.1997 vom Bestehen einer voraussichtlich dauernden Berufsunfähigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 AVB keine Kenntnis hatte und ihn an dieser Nichtkenntnis auch kein Verschulden trifft.
In der Vergangenheit hatte die Beklagte zweimal eine vorübergehende Berufsunfähigkeit des Klägers nach § 2 Abs. 3 AVB angenommen und deshalb kurzfristig Leistungen erbracht (Zeiträume vom 01.09.1987 bis 31.03.1988 sowie 01.10.1988 bis 31.03.1989). Auch nach dem Autounfall vom 06.09.1996 ging der Kläger ersichtlich zunächst davon aus, allenfalls vorübergehend berufsunfähig zu sein. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus seinem Anspruchsschreiben vom 07.04.1997, das wie folgt lautet:
"Mit dem Schreiben vom heutigen Tage möchte ich Ihnen mitteilen, daß ich ab dem 06.09.1996 erkrankt bin und noch nicht abzusehen ist, wann ich meinen Beruf wieder aufnehmen kann.
Darum bitte ich Sie, diese Angelegenheit zu prüfen. Anbei Fotokopien der Behandlungsdaten."
Dem Schreiben als Anlage beigefügt waren zwei ärztliche Krankschreibungen für die Zeit vom 06.09.1996 bis 16.02.1997 und ab 17.02.1997 sowie eine Überweisung zum Neurologen vom 30.01.1997.
Dieses Anspruchsschreiben läßt erkennen, daß der Kläger (auch) zum damaligen Zeitpunkt nicht von einer voraussichtlich dauernden Berufsunfähigkeit ausging. Deshalb ist seine Behauptung ohne weiteres plausibel und glaubhaft, wonach er erstmals durch den aufgrund seines Anspruchsschreibens von der Beklagten veranlaßten Arztbericht Dr. H vom 13.05.1997 - bestätigt durch eine im Rahmen einer Reha-Maßnahme im Sommer 1997 gleichlautend erfolgte ärztliche Einschätzung - erfahren habe, daß er aus ärztlicher Sicht aufgrund der Summe seiner Beschwerden schon ab 06.09.1996 für berufsunfähig im tatsächlich ausgeübten Beruf angesehen wurde.
Hätte der Kläger bereits vorher Kenntnis vom Bestehen dauerhafter Berufsunfähigkeit gehabt, wäre zu erwarten gewesen, daß er dies in seinem Anspruchsschreiben erwähnt und auf entsprechende ärztliche Äußerungen Bezug genommen hätte. Gestützt wird der Klagevortrag überdies durch die Tatsache, daß ein Rentenantrag bei der LVA wegen Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit erst in der zweiten Jahreshälfte 1997 gestellt worden ist (vgl. Arztbrief Dr. H - Bl. 71 f. d.A.).
Bei dieser Sachlage vermag der Senat auch einen Fahrlässigkeitsvorwurf hinsichtlich des Nichterkennens dauernder Berufsunfähigkeit in der Zeit vor der Anspruchstellung vom 07.04.1997 nicht zu begründen. Dass der Kläger - entsprechend seinen früheren Erfahrungen - auch diesmal zunächst von einer lediglich vorübergehenden Berufsunfähigkeit ausging und diese deshalb erst nach Ablauf der nach § 2 Abs. 3 AVB vorgesehenen 26 Wochen bei der Beklagten anzeigte, war nicht schuldhaft im Sinne des § 1 Nr. 3 Satz 2 AVB.
Bemerkenswert ist im übrigen, daß auch die Beklagte - selbst nach dem Studium der von ihr eingeholten Arztberichte - mit Schreiben vom 06.08.1997 nur eine vorübergehende Berufsunfähigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 AVB angenommen hat.
3.
Der in Höhe von 4 % seit dem 05.10.1998 geltend gemachte Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen ist ebenfalls begründet (§ 291 BGB).
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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