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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 23.12.2004
Aktenzeichen: 27 U 215/00
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 823 | |
BGB § 847 | |
BGB § 254 |
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11. September 2000 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert.
Unter Abweisung der weitergehenden Klage und Zurückweisung der weitergehenden Berufung wird das beklagte Land verurteilt, an die Klägerin 17.570,69 € nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1999 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin 4/5 des weiter entstehenden materiellen Schadens zu ersetzen, der ihr aus dem Unfall vom 03.06.1999 auf dem Gelände der S entsteht, soweit der Anspruch nicht auf gesetzliche Sozialversicherungsträger übergeht oder übergegangen ist, sowie dass das beklagte Land ferner verpflichtet ist, der Klägerin einen weiter entstehenden immateriellen Schaden aus diesem Unfall unter Berücksichtigung eines Mitverursachungsanteils der Klägerin von 1/5 zu ersetzen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/5 und das beklagte Land zu 4/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien wird gestattet, die Vollstreckung des jeweiligen Gegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des gegen sie aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht dieser vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt vom beklagten Land vollen Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens, den sie bei einem Unfall als Besucherin des sog. "D-Festes" am 03.06.1999 auf dem Gelände der S in C erlitt.
Die beim Unfall 22-jährige Klägerin studierte zum damaligen Zeitpunkt an der Fachhochschule C Architektur. Sie nahm mit einigen Studienfreunden an dem "D-Fest" teil. In den frühen Morgenstunden des 03.06.1999 ging sie vom Vorplatz des B-Gebäudes über einen etwa 1,5 m breiten plattierten, über das Dach niedrigerer Gebäudeteile verlaufenden Verbindungsweg zum sog. OGebäude. Neben dem plattierten Weg befindet sich eine weitgehend begrünte Dachfläche. Der Weg führt zunächst auf das OGebäude zu, macht dann eine 90°-Kurve nach rechts und führt weiter am OGebäude entlang. Im Bereich dieser Kurve befindet sich in Gehrichtung der Klägerin rechts vom Weg eine etwa 2,5 m breite mit Kies bedeckte Fläche, die nicht vom Weg abgegrenzt ist. In dieser Fläche befinden sich vier quadratische, etwa 1 m x 1 m große Lichtkuppeln, durch die die darunter liegenden Räume beleuchtet werden. Diese knapp 50 cm hohen Kuppeln sind derart konstruiert, daß auf einem etwa 20 - 30 cm hohen Sockel nach oben gewölbte weiße Abdeckhauben aus doppelwandigem nicht durchtrittsicherem Kunststoff angebracht sind. Im Bereich der in Gehrichtung der Klägerin zuerst gelegenen Kuppel ist die Plattierung des Weges zu den Kuppeln hin verbreitert, so daß er dort etwa 3 m breit ist und bis auf einen seitlichen Abstand von etwa 50 cm an die erste Kuppel heranführt. Beleuchtungskörper sind in der Nähe der Kuppel am Weg nicht vorhanden. An jeweils einem Rand der Lichtkuppeln befindet sich ein wenige Zentimeter hoher und breiter Aufkleber, auf welchem steht: "Achtung Absturzgefahr. Lichtkuppeln sind nicht begehbar."
Die Klägerin, die die Kiesfläche betrat, nach ihrer Behauptung um dort auszutreten, stürzte aus im einzelnen streitigen Gründen durch die Kunststoffhaube der zweiten Kuppel in den darunter liegenden nicht erleuchteten Raum, wobei sie sich erheblich verletzte.
Sie hat behauptet, sie sei in der Nähe der Glaskuppel unmittelbar nach Verlassen des plattierten Weges gestolpert, deshalb auf die Kuppel gestürzt oder stolpernd auf sie getreten und sodann durch die Kuppel, die möglicherweise schon beschädigt gewesen sei, gestürzt. An nähere Einzelheiten könne sie sich nicht erinnern, da ihre Erinnerung erst wieder einsetze, als sie von Rettungskräften auf eine Trage gelegt worden sei. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, daß das beklagte Land nicht die gebotenen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr getroffen habe. Erforderlich gewesen sei entweder der Einbau durchtrittsicherer Lichtkuppeln oder die Absperrung der gefährlichen Dachfläche gegenüber dem Gehweg, jedenfalls aber das Anbringen deutlicher Warnhinweise und die Gewährleistung einer ausreichenden Beleuchtung.
Das beklagte Land hat eine Verkehrssicherungspflichtverletzung in Abrede gestellt und darauf verwiesen, daß sich ein ähnlicher Unfall in mehr als 30 Jahren nicht ereignet habe. Es hat behauptet, daß ein Durchbrechen der Kuppel im Hinblick auf die gewölbte Konstruktion der doppelwandigen Kunststoffabdeckung nur infolge punktueller Belastung möglich sei. Der Unfall sei deshalb, aber auch aufgrund der relativ geringen Fläche der Kuppel und des kleinen Durchbruchloches nicht damit zu erklären, daß die Klägerin infolge Stolperns mit ihrem Körper auf sie gestürzt sei, sondern nur dadurch, daß sie zuvor auf die Kuppel hinaufgestiegen sei und sich senkrecht auf sie gestellt habe. Hierfür spreche auch das Bild der erlittenen Verletzungen.
Im übrigen hat das Land die Ansicht vertreten, daß der Anspruch auf Schmerzensgeld gem. §§ 104, 2 Abs. 1 Nr. 8 c SGB VII ausgeschlossen sei, weil die Klägerin auf dem "D-Fest", das als Universitätsveranstaltung auch von der Fachhochschule C mitveranstaltet worden sei, unfallversichert gewesen sei.
Wegen des weiteren Parteivorbringens erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit im Wesentlichen folgender Begründung: Die Klägerin könne aufgrund des erlittenen Unfalls keinen Schadensersatz beanspruchen. Es fehle jedenfalls an einer Verkehrssicherungspflichtverletzung durch das beklagte Land. Es bestehe grundsätzlich keine Pflicht, Vorsorgemaßnahmen gegenüber allen denkbaren, entfernten Möglichkeiten eines Schadeneintritts sowie zum Schutze von Personen, die sich unbefugt in den Gefahrenbereich begeben hätten, zu treffen. Die Klägerin habe die Dachfläche jenseits des plattierten Weges nicht betreten dürfen, was auch ohne Absperrungen oder Hinweisschilder allein durch die unterschiedliche Gestaltung des Untergrundes deutlich erkennbar gewesen sei. Da sie diese Fläche unbefugt betreten habe, hätten ihr gegenüber die Pflichten des beklagten Landes zur Absicherung der Lichtschächte nur eingeschränkt bestanden. Es komme deshalb nicht darauf an, ob etwa aufgrund von Unfallverhütungsvorschriften gegenüber Befugten eine Pflicht zur Absicherung der Lichtschächte mit trittsicherem Material bestanden habe. Die Lichtschächte seien auch hinreichend dagegen gesichert, daß Passanten "ohne weiteres" in sie hineinfallen könnten, weil durch die weiße Abdeckhaube ausreichend deutlich gemacht sei, daß sich an dieser Stelle ein Lichtschacht befinde. Die Klägerin habe auch nicht unter Beweis gestellt, daß die Abdeckhaube etwa infolge eines Defektes nicht hinreichend gegen ein Durchbrechen geschützt gewesen sei. Hinweisschilder, daß die Kuppeln nicht trittsicher seien, habe das beklagte Land ebenfalls nicht anzubringen brauchen, weil dies auch ohne Beschilderung klar sein müsse.
Gegen dieses Urteil, auf das wegen der Einzelheiten seiner Begründung verwiesen wird, richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Sie verweist darauf, daß eine Benutzung der Kiesfläche neben dem plattierten Weg nicht untersagt sei und behauptet, die in unmittelbarer Nähe des Weges gelegenen Lichtkuppeln seien wegen fehlender Beleuchtung nicht erkennbar gewesen. Sie könne sich zwar an den konkreten Unfallhergang nicht erinnern, könne sich aber vorstellen, über die Kante der Lichtkuppel gestolpert und sodann auf die Abdeckhaube getreten zu seien. Das Durchbrechen der Kuppel sei möglicherweise auf Materialversprödung oder Vorschäden zurückzuführen.
Die Klägerin erlitt als wesentliche Verletzungen bei ihrem Sturz, bei dem sie auf den glatten Boden aufschlug, eine Fraktur des LWK I, eine Flake-Fraktur (Knorpelknochenfraktur) der äußeren Sprungbeinrolle links mit schalenförmigem vorderen Syndismosenausriß, einen knöchernen Bandausriß am rechten Daumengrundgelenk sowie eine Distorsion des linken Daumengrundgelenks. Im späteren Verlauf des Heilungsprozesses stellte sich eine Unterschenkelvenenthrombose links ein. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die ärztlichen Bescheinigungen des Q-Hospitals S vom 3. August 1999 und 24. November 1999 verwiesen. Nach dem Unfall wurde die Klägerin in das L-Krankenhaus C verbracht. Dort sie am 8. Juni 1999 entlassen. Die Weiterbehandlung erfolgte durch die unfallchirurgische Abteilung des Q-Hospitals S. Eine weitere stationäre Behandlung wurde wegen der Thrombose notwendig für die Zeit vom 2. - 10. Juli 1999. Im Q-Hospital wurde der Klägerin zusätzlich zu bereits im L-Krankenhaus angelegten Gipsverbänden (Unterschenkelkunststoffrundgips links und Unterarmgips mit Daumeneinschluß rechts) ein sog. 3Punkt-Stützkorsett angepaßt. Dieses Korsett mußte die Klägerin rd. zwei Monate tragen. Während dieser Zeit konnte sie den Oberkörper nicht nach vorne beugen und keine Rotationsbewegungen durchführen. Sie mußte während dieses Zeitraums strenge Bettruhe einhalten und durfte lediglich mit Hilfe von zwei Unterarmgehstützen die Toilette aufsuchen. Die Flake-Fraktur hatte u.a. zur Folge, daß sich ein Knochensplitter gelöst hatte, der innerhalb des Gelenkes verblieben ist. Diese Splitterfraktur konnte operativ nicht versorgt werden. Nachdem die Schmerzen insbesondere bei Belastung des Sprunggelenkes Anfang 2000 erheblich zugenommen hatten, ließ sich die Klägerin erneut im Q-Hospital S untersuchen. Es stellte sich heraus, daß sich inzwischen das Knorpelknochenfragment aufgelöst hatte. Es wurde eine präarthrotische Deformität für das obere Sprunggelenk diagnostiziert, so daß mit einer frühzeitigen Ausbildung einer Arthrose im linken oberen Sprunggelenk zu rechnen ist. Der Klägerin wurde nahegelegt, auf sprunggelenkbelastende Sportarten zu verzichten. Ihr wurde eine Knorpelzelltransplantation empfohlen, wozu mehrere operative Eingriffe in einer Spezialklinik erforderlich wären. Die Klägerin beabsichtigt, diese Knorpeltransplantation aus ihrem Knie noch durchführen zu lassen. Bisher ließ sie sich noch nicht operieren, weil sie erst ihr Studium abschließen wollte. Ihr ist aber geraten worden, diese Operation spätestens im Alter von 30 Jahren durchführen zu lassen, weil nach Auffassung der behandelnden Ärzte sonst die Gefahr bestünde, daß sie "mit 40 Jahren nicht mehr gehen" könne. Zur Zeit hat die Klägerin mit Ausnahme einer Wetterfühligkeit in dem Gelenk keine Schmerzen. Sie joggt regelmäßig. Lediglich wenn sie dies unterläßt, bekommt sie wieder Schmerzen im Fuß, weil die Muskeln dann nicht ausreichend trainiert sind.
Wegen der weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen insbesondere im unmittelbaren Anschluß an den Unfall wird auf die Klageschrift vom 09.05.2000 nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Klägerin sind Kosten für ärztliche Bescheinigungen und Krankenhauskosten entstanden; zudem macht sie entgangenen Verdienst für Tätigkeiten in den Sommersemesterferien als Bauzeichnerin und Promotionstätigkeit sowie einen pauschalen Auslagenersatz geltend. Wegen der Einzelheiten wird auf die Seiten 12 f. der Klageschrift verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
abändernd,
1. das beklagte Land zu verurteilen, an sie 3.850,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01.10.1999 zu zahlen;
2. das beklagte Land zu verurteilen, an sie ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 01.10.1999 zu zahlen, mindestens jedoch 40.000,00 DM nebst Zinsen;
3. festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihr jedweden weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr aus dem Unfall vom 03.06.1999 entsteht, soweit kein Forderungsübergang auf gesetzliche Sozialversicherungsträger stattgefunden hat oder stattfindet.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es macht weiterhin geltend, für den Unfall der Klägerin habe gesetzlicher Unfallversicherungsschutz bestanden. Im Übrigen verteidigt es das angefochtene Urteil und verbleibt dabei, daß der Unfall in der von der Klägerin geschilderten Weise aufgrund der Gestaltung der Lichtkuppeln technisch ausgeschlossen sei.
Wegen des weiteren Parteivorbringens zweiter Instanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst allen Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat das Verfahren zunächst gem. § 108 Abs. 2 S. 1 SGB VII bis zu einer bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidung des gesetzlichen Unfallversicherungsträgers bzw. des Sozialgerichts über die Frage, ob für den Unfall vom 03.06.1999 Unfallversicherungsschutz gem. den Vorschriften des SGB VII besteht, ausgesetzt. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 6. März 2002 hat die Landesunfallkasse O der Klägerin gegenüber die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall abgelehnt. Mit rechtskräftigem Urteil vom 15.05.2003 hat das Sozialgericht Dortmund die Klage der S gegen die Landesunfallkasse O auf Anerkennung des Unfalls der Klägerin als unter den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallenden Unfall abgewiesen.
Der Senat hat die Klägerin zweimal persönlich angehört und Beweis zum Hergang des Unfalls erhoben durch Vernehmung der Zeugen D und L sowie Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen T, das dieser auch mündlich erläutert hat. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf die Berichterstattervermerke zu den Senatsterminen vom 8. Mai 2001 und 23. Dezember 2004 sowie auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen T vom 15. Oktober 2004 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin hat im wesentlichen Erfolg.
A.
Das beklagte Land ist der Klägerin zum Ersatz ihres bei dem Unfall erlittenen Schadens gem. § 823 Abs. 1 BGB verpflichtet. Das beklagte Land hat die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Allerdings muß sich die Klägerin ein Mitverschulden anrechnen lassen.
I.
An der grundsätzlichen Verkehrssicherungspflicht des beklagten Landes für die Örtlichkeit, die in ihrem Eigentum steht und öffentlich zugänglich ist, besteht zwischen den Parteien kein Streit. Danach traf das beklagte Land die Pflicht, alle notwendigen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um Schäden von Passanten abzuwenden, die sich auf dem Gelände der S an der fraglichen Stelle bewegen. Dem ist das beklagte Land durch die bauliche Konstruktion der begehbaren Dachfläche mit den Lichtkuppeln nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Dieses Versäumnis ist schuldhaft.
II.
Der Umfang einer Verkehrssicherungspflicht hängt zum einen von der Größe des drohenden Schadens und von der Wahrscheinlichkeit seines Eintritts und andererseits auch davon ab, mit welchem Aufwand ein solcher Schaden verhindert werden kann. Dabei müssen umso eher Schutzmaßnahmen getroffen werden, je wahrscheinlicher die Verwirklichung einer Gefahr ist, je größer ein möglicher drohender Schaden ist und je einfacher die Verhütung dieses Schadens ist. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe mußte das beklagte Land dafür Sorge tragen, daß Fußgänger, die unbeabsichtigt und unkontrolliert, insbesondere durch ein Stolpern, auf eine der Lichtkuppeln treten oder fallen, durch diese nicht ein Stockwerk tiefer in die darunter liegenden Räume fallen können. Denn der drohende Schaden ist bei einem solchen Unfall - was keiner näheren Darlegung bedarf - außerordentlich hoch: Es besteht Lebensgefahr. Der Aufwand, dies zu verhindern, ist verhältnismäßig gering, jedenfalls ohne weiteres zumutbar: Möglich wäre etwa die Verwendung durchtrittsicheren Kunststoffs für die Kuppeln selbst, die Anbringung eines tragfähigen Schutzgitters unter oder über den Kuppeln oder ihre Abgrenzung - jedenfalls in Richtung des plattierten Weges - durch ausreichend feste Geländer, Zäune oder Gitter.
Dem Umstand, daß die Wahrscheinlichkeit eines derartigen Unfalls auch vom Senat als nicht besonders hoch eingeschätzt wird, steht der hieraus abzuleitenden Verpflichtung für Schutzmaßnahmen nicht entgegen. Denn überall dort, wo einer Lebensgefahr oder einer Gefahr schwerster körperlicher Schäden mit einfachen Mitteln begegnet werden kann, reicht auch die geringe Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts aus, um zur vorbeugenden Gefahrenabwehr verpflichtet zu sein. Diese lag aber jedenfalls vor: Bereits die Nähe der Kuppeln zum für das Begehen vorgesehenen plattierten Bereich von zum Teil nur 50 cm lässt die Gefahr eines Fehltritts oder Strauchelns aus anderen Gründen, was zum Sturz auf die Kuppeln führen kann, als nicht nur fernliegend und theoretisch, sondern konkret und ohne weiteres möglich erscheinen. Hinzu kommt die Gestaltung der Fläche zwischen Gehwegplatten und Kuppeln mit einer Kiesschicht, die offensichtlich selbst durchaus betretbar ist und erscheint, so daß daraus die Gefahr erwächst, daß Fußgänger noch näher an die Kuppeln herankommen. Die Gefahr wird noch dadurch erhöht, daß nachts nur eine geringe Beleuchtung besteht, die nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen dazu führt, daß jedenfalls jegliche Stolpermöglichkeiten übersehen werden können. Schließlich war vor der Lichtkuppel gerade eine Aufkantung vorhanden, die eine solche Stolpermöglichkeit bot. Ob darüber hinaus auch in der Nähe der Kuppel, an der sich der Unfall ereignete, die vom Sachverständigen im übrigen festgestellten Stolperfallen in Form von überwucherten Umrandungssteinen und verdeckten Blitzableiterdrähten vorlagen, kann deshalb dahinstehen.
III.
Die Verkehrssicherungspflicht besteht auch gegenüber Personen, die aus eigenem Entschluss die Platten der Wege verlassen und das Gelände neben dem Weg betreten. Es ist schon fraglich, ob man überhaupt annehmen könnte, daß diese Personen unbefugt handeln und deshalb möglicherweise nicht in den Schutzbereich einer Verkehrssicherungspflicht fallen würden. Denn auch die Kiesfläche ist nicht offensichtlich zum Betreten ungeeignet. Es gibt auch keinerlei Abgrenzung zu den Platten, die den Bereich abweichend von den Platten als nicht begehbares Dach charakterisieren würden. Jedenfalls aber besteht eine Verkehrssicherungspflicht ohnehin auch dann, wenn mit einem solchen Fehlverhalten gerechnet werden muß (vgl. nur Palandt/Thomas, BGB, § 823 Rn. 58). Selbst wenn man also dieses geringfüge Abweichen vom plattierten Weg als " unbefugtes Fehlverhalten" werten wollte, so müßte man damit doch rechnen, weil erfahrungsgemäß Wege auch einmal zur Seite verlassen werden. An solchen Stellen kann der Verkehr dann zwar nicht die Ungefährlichkeit einer glatten Wegfläche erwarten, er darf jedoch darauf vertrauen, dort nicht - sobald er ins Straucheln gerät - Gefahr zu laufen, ungeschützt mehrere Meter tief zu stürzen.
Dabei muß hier nicht entschieden werden, was bei einem bewußten Betreten der Dachkuppeln gelten würde, weil es um einen solchen Hergang nicht geht (s. dazu sogleich unten).
IV.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, daß die Kuppel keinerlei Widerstand bot, wenn man - durch ein Stolpern verursacht - auf sie trat oder fiel, und daß dieser Zustand den Unfall verursachte. Das folgt aus der glaubhaften Schilderung der Klägerin über den Unfallhergang, die von der übrigen Beweisaufnahme gestützt wird. Der Senat hat sich von der Klägerin einen persönlichen Eindruck verschafft und keine Zweifel, daß sich der Unfall - wie von ihr erinnert - zugetragen hat. Danach ist die Klägerin unmittelbar, nachdem sie die Platten des Weges verlassen hatte, ins Straucheln geraten, auf die Lichtkuppel und durch diese hindurch auf den Boden des darunter liegenden Raumes gefallen. Offen bleiben kann, ob die Klägerin mit den Füßen zuerst oder kopfüber - was der Senat für sehr wahrscheinlich hält - auf die Kuppel fiel.
Dieser Hergang wird von den Bekundungen der Zeugen gestützt. Zwar hat niemand den eigentlichen Unfallhergang beobachtet. Beide Zeugen schildern jedoch den Ablauf unmittelbar zuvor übereinstimmend und plausibel ebenso wie die Klägerin. Insbesondere haben beide die Absicht der Klägerin auszutreten bestätigt und bekundet, daß sie unmittelbar nach Verlassen des Weges "weg" gewesen sei. Sofort danach habe es gekracht und sie hätten nachgeschaut. Das stützt die Annahme, daß die Klägerin gestürzt ist und weder bewußt die Kuppel betreten hat noch überhaupt auf dieser gestanden hat.
Für die Glaubwürdigkeit der Klägerin spricht auch, daß sie nicht etwa einen für sie günstigen Unfallhergang detailliert behauptet, sondern offen ihre Gedächtnislücke für den Sturz selbst eingeräumt hat.
Bei seiner Überzeugungsbildung hat der Senat auch berücksichtigt, dass das beklagte Land selbst (naturgemäß) keine eigene Kenntnis von einem anderen Hergang hat. Vielmehr war sein - zulässiges - Bestreiten mit Nichtwissen in erster Linie dadurch motiviert, daß der von der Klägerin behauptete Hergang technisch nicht möglich sei. Dies ist jedoch zur Überzeugung des Senats durch das eingeholte Sachverständigengutachten widerlegt. Der Senat folgt den in jeder Hinsicht überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, der Fallversuche mit einem Dummy mit einer Original-Lichtkuppel durchgeführt hat. Danach ist der Hergang aus technischer Sicht nicht nur nicht ausgeschlossen oder unwahrscheinlich, sondern es spricht sogar alles dafür, daß er sich genau so zugetragen hat. Zur Überraschung auch des Sachverständigen bot nämlich die Lichtkuppel nicht nur geringen, sondern gar keinen Widerstand. Bereits bei einer Fallhöhe von 25 cm durchschlug der Dummy den Kunststoff, als wäre dieser nicht vorhanden. Das spröde Material hat sich - auch bei den weiteren Versuchen - wie eine dünne Glashaut verhalten und gegen Durchschlagen praktisch keinen Widerstand geboten. Auch die Stolperversuche mit dem Dummy haben anschaulich gezeigt, wie ein Körper - wahrscheinlich mit dem Kopf zuerst - die Kuppel durchschlagen kann, dabei am ehesten Schnittwunden an den Beinen erleiden kann, die gegen die inzwischen entstanden scharfen Kanten der Bruchstellen schlagen, und ein Stockwerk tiefer wieder mit den Füßen zuerst landet. Die Verletzungen der Klägerin und die Beschädigungen der Kuppel passen genau zu diesem Ablauf.
Das beklagte Land hat die von ihm behaupteten Versuche, nach denen ein Durchschlagen nicht möglich sei, zu keinem Zeitpunkt näher dargelegt oder gar dem Sachverständigen zur Verfügung gestellt oder auch nur konkret vorgehalten. Sie sind daher nicht geeignet, irgendwelche Zweifel am Ergebnis des eingeholten Gutachtens zu wecken.
V.
Die zuständigen Personen des beklagten Landes handelten fahrlässig, indem sie diesen verkehrswidrigen gefährlichen Zustand herstellten oder nicht beseitigten. Denn die Gefahr eines Sturzes auf die Kuppeln war aus den genannten Gründen erkennbar. Deren Durchschlagsicherheit hätte - da andere Maßnahmen nicht getroffen waren - überprüft und sichergestellt werden müssen und können.
VI.
Die Klägerin trifft an der Entstehung des Schadens allerdings ein Mitverschulden gem. § 254 Abs. 1 BGB, das der Senat mit einem Fünftel bewertet. Denn sie hat insofern gegen die Sorgfalt verstoßen, die man zur Vermeidung eigener Schäden aufzuwenden hat, als sie in einem besonders dunklen Bereich eine Fläche betreten hat, deren Beschaffenheit sie nicht ausreichend erkennen konnte. Das hat sie selbst eingeräumt. Der Senat ist davon überzeugt, daß dies zu ihrem Stolpern und ihrem Sturz geführt hat, weil andere Ursachen hierfür nicht ernsthaft in Betracht kommen.
Der Senat gewichtet die beiderseitigen Verursachungsbeiträge derart, daß der Anteil der Klägerin (nur) 20 % beträgt. Denn die abstrakte Gefahr, einen so gefährlichen Sturz in eine solche Tiefe zu erleiden, ist durch die Pflichtverletzung des beklagten Landes deutlich höher als durch das Eigenverschulden der Klägerin, das zunächst nur einen Sturz auf den Boden heraufbeschwor.
VII.
Der Ersatz des der Klägerin entstandenen Personenschadens ist nicht durch § 104 SGB VII ausgeschlossen, weil kein Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vorliegt. Das steht im Verhältnis zu beiden Parteien aufgrund der Entscheidungen des Versicherungsträgers und des Sozialgerichts fest, woran der Senat gebunden ist (§ 108 Abs. 1 SGB VII).
VIII.
Den der Klägerin entstandenen materiellen Schaden schätzt der Senat auf 3.840,00 DM (§ 287 ZPO), wobei der Senat für pauschale Auslagen nur 40,- DM schätzt, im übrigen aber von der Berechnung der Klägerin in der Klageschrift ausgeht. Denn entgegen der Auffassung des beklagten Landes sind von dem entgangenen Verdienst keine Steuern abzuziehen, weil die Klägerin als Studentin aufgrund ihres geringen Jahresverdienstes etwaige einbehaltene Steuern am Jahresende erstattet bekommen hätte. 80 % hiervon sind 3.072 DM oder 1.570,69 €.
IX.
Der Senat hält das nach § 847 BGB a.F. geschuldete Schmerzensgeld mit 16.000 € für angemessen. Dabei hat er einerseits mindernd das oben erwähnte Eigenverschuldend der Klägerin berücksichtigt. Andererseits war die Schwere der Verletzungen und insbesondere die verbliebene Dauerfolge schmerzensgelderhöhend. Der Senat hat vor allem die Beeinträchtigung der Klägerin durch die akuten Schmerzen der Verletzungen, die Krankenhausaufenthalte, die Gipsverbände und insbesondere das lange Tragen des Korsetts berücksichtigt. Vor allem fällt ins Gewicht, daß der Klägerin eine sehr frühzeitige Arthrose des Sprunggelenks droht und sie mit dieser Belastung leben muß. Ob die deswegen noch indizierten Operationen den gewünschten Erfolg bringen werden, ist immer mit einem Restrisiko verbunden. Die Belastungen durch die noch ausstehenden Operationen hat der Senat ebenfalls berücksichtigt.
X.
Der zuerkannte Zinsanspruch ist gem. § 288 BGB a.F. begründet.
XI.
Der Feststellungsantrag ist wegen des eingetretenen Dauerschadens zulässig und im selben Umfang begründet.
B.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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