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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.03.2002
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 154/02
Rechtsgebiete: OWiG, StPO
Vorschriften:
OWiG § 73 | |
StPO § 344 |
Beschluss Bußgeldsache gegen M.L. wegen Führen eines Kraftfahrzeugs mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l oder mehr.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 07.11.2001 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 26. 03. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unzulässig verworfen.
Gründe:
I.
Gegen den Betroffenen ist durch Bußgeldbescheid der Stadt Essen vom 13.07.2001 eine Geldbuße in Höhe von 500,- DM sowie ein Fahrverbot von einem Monat Dauer verhängt worden, da er mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,37 mg/l ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt hatte.
Auf den Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Hauptverhandlungstermin auf den 07.11.2001 anberaumt. Zu diesem Termin ist der Betroffene nicht erschienen. Das Amtsgericht hat daraufhin mit dem angefochtenen Urteil den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid der Stadt Essen vom 13.07.2001 verworfen und zur Begründung allein ausgeführt, dass der Betroffene "in dem heutigen Termin zur Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben" sei.
Gegen das seinem Verteidiger am 12.11.2001 zugestellte Urteil wendet sich der Betroffene mit am 16.11.2001 bei dem Amtsgericht eingegangenem Schreiben seines Verteidigers vom selben Tage, mit dem er die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und für den Fall der Verwerfung des Wiedereinsetzungsantrags gleichzeitig "Berufung" gegen das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 07.11.2001 eingelegt hat.
Zur Begründung hat der Betroffene ausgeführt, er sei der Verhandlung vom 07.11.2001 nicht unentschuldigt ferngeblieben. Das Büro des Verteidigers habe an diesem Tage bei Gericht angerufen und mitgeteilt, dass der Betroffene verhandlungsunfähig erkrankt sei. Zum Zwecke der Glaubhaftmachung werde auf das ärztliche Attest Bezug genommen, welches unverzüglich nachgereicht werde. Dort seien die Dauer der Krankheit und die ärztliche Diagnose im Einzelnen aufgeführt.
Der Betroffene hat dann mit Anwaltsschreiben vom 26.11.2001 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einer Fachärztin für Allgemeinmedizin vorgelegt, wonach er aufgrund einer am 08.11.2001 festgestellten Erkrankung, die dort näher nicht bezeichnet wird, seit dem 05.11.2001 bis zum 09.11.2001 arbeitsunfähig sei.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 25.11.2001, den der Betroffene nicht angefochten hat, das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen.
II.
Das als Berufung bezeichnete Rechtsmittel des Betroffenen ist gemäß § 300 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG als Rechtsbeschwerde auszulegen.
Die Rechtsbeschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden, erweist sich jedoch gleichwohl als unzulässig, weil sie den Begründungserfordernissen des § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 StPO nicht entspricht.
Die von der Rechtsbeschwerde gerügte Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG kann entweder dadurch begründet sein, dass das Amtsgericht hinsichtlich des Entschuldigtseins des Betroffenen bekannte Umstände nicht oder rechtsfehlerhaft gewürdigt hat, oder dadurch, dass es durch die pflichtwidrig versäumte Feststellung der tatsächlichen Grundlagen eines gegebenen Entschuldigungsgrundes seine Aufklärungspflicht nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO verletzt hat. Beides ist mit einer den Vorschriften des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG entsprechenden Verfahrensrüge geltend zu machen, deren Gegenstand entweder die fehlerhafte Anwendung des § 74 Abs. 2 OWiG durch Verkennung seines Regelungsgehaltes, also durch einen Subsumtionsfehler, oder die unzureichende Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts sein kann (OLG Köln, NStZ-RR 1999, 337; Senge, in: KK-OWiG, § 74 Rdnr. 63 f m.w.N.; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 74 Rdnr. 48 b).
Im Rahmen dieser Verfahrensrüge müssen gemäß § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG die den behaupteten Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen so vollständig und genau dargelegt werden, dass das Revisionsgericht aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (Senat, Beschluss vom 17.02.1998 - 3 Ss OWi 722/97 OLG Hamm; OLG Hamm, 4. Senat für Bußgeldsachen, Beschluss vom 25.03.1998 - 4 Ss OWi 716/98 OLG Hamm; Beschluss vom 23.03.1999 - 4 Ss OWi 248/99 OLG Hamm; Beschluss vom 15.02.2000 - 4 Ss OWi 88/00 OLG Hamm -; OLG Hamm, 5. Senat für Bußgeldsachen, Beschluss vom 02.03.1999 - 5 Ss OWi 56/99 OLG Hamm).
Dabei hängt der Umfang der Darlegungspflicht des Beschwerdeführers nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO allerdings weiter davon ab, ob der Verfahrensfehler sich aus dem Inhalt des angefochtenen Urteils ergibt oder nicht (OLG Köln, VRS 72, 442, 443). Wenn der Tatrichter tatsächliche Feststellungen dazu getroffen hat, ob und wie der Betroffene sein Ausbleiben entschuldigt hat, ist das Rechtsbeschwerdegericht an die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils hierzu gebunden und darf diese Feststellungen nicht im Wege des Freibeweises nachprüfen oder ergänzen (BGHSt 28, 384, 387 f). Deshalb reicht dann, wenn sich aus dem Verwerfungsurteil ergibt, dass der Betroffene Entschuldigungsgründe vorgebracht hat, zur Erhebung einer ordnungsgemäßen Verfahrensrüge die Begründung aus, das Gericht habe das Ausbleiben des Betroffenen nicht als unentschuldigt ansehen dürfen (OLG Köln, VRS 72, 442, 443). Dies gilt aber naturgemäß nur dann, wenn sich in dem angefochtenen Urteil überhaupt Feststellungen zu den von dem Beschwerdeführer vorgebrachten Entschuldigungsgründen finden (Senat, a.a.O.). Enthält das Urteil dagegen keinerlei Feststellungen zur Frage der genügenden Entschuldigung, verbleibt es dabei, dass der Betroffene in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO in vollem Umfang genügenden Verfahrensrüge den behaupteten Verfahrensverstoß geltend machen muss. Ergibt sich aufgrund der so zulässig ausgeführten Verfahrensrüge, dass der Betroffene tatsächlich vor der Verwerfung seines Einspruchs erhebliche Entschuldigungsgründe vorgebracht hatte, so ist das angefochtene Verwerfungsurteil bereits aufgrund des Darstellungsmangels aufzuheben, der darin liegt, dass es diese Entschuldigungsgründe nicht mitteilt (vgl. OLG Köln, NStZ-RR 1999, 337; BayObLG, NStZ-RR 1997, 182; OLG Karlsruhe, NJW 1969, 475, 476). Dies gilt jedoch wiederum dann nicht, wenn die von dem Betroffenen nach dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde vor der Verwerfung des Einspruchs vorgebrachten Entschuldigungsgründe erkennbar nicht zu einer genügenden Entschuldigung geeignet waren, da in diesem Fall zumindest das gemäß § 337 Abs. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG erforderliche Beruhen des Verwerfungsurteils auf dem Darstellungsmangel verneint werden muss (OLG Köln, NStZ-RR 1999, 337 und VRS 98, 217; OLG Hamm, 4. Senat für Bußgeldsachen, Beschluss vom 24.06.1999 - 4 Ss OWi 404/99 OLG Hamm -).
Bei Beachtung dieser Grundsätze ist die Verfahrensrüge hier bereits nicht zulässig ausgeführt. Dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde ist zunächst nicht einmal zu entnehmen, ob die angebliche Erkrankung des Beschwerdeführers dem Amtsgericht überhaupt schon vor der Verwerfung des Einspruchs bekannt war. Die Rechtsbeschwerde trägt hierzu lediglich vor, dass das Büro des Verteidigers am Tage der Verhandlung bei Gericht angerufen und mitgeteilt habe, dass der Betroffene verhandlungsunfähig erkrankt sei. Die Hauptverhandlung dauerte ausweislich des Protokolls von 09.25 Uhr bis 09.40 Uhr. Die Rechtsbeschwerde hätte daher zumindest vortragen müssen, dass vor dem Erlass des Verwerfungsurteils des Amtsgerichts um 09.40 am 07.11.2001 der behauptete Anruf erfolgt war. Damit bleibt offen, ob der behauptete Entschuldigungsgrund dem Gericht bei Erlass seiner Entscheidung überhaupt zur Kenntnis gebracht worden war. Bereits dies steht einer ausreichenden Substantiierung der Verfahrensrüge gemäß § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entgegen (OLG Hamm, 2. Senat für Bußgeldsachen, Beschluss vom 17.08.2001 - 2 Ss OWi 730/01 -; 4. Senat für Bußgeldsachen, Beschluss vom 15.02.2000 - 4 Ss OWi 88/00 OLG Hamm).
Darüber hinaus sind die Angaben der Rechtsbeschwerde zu der angeblichen Erkrankung auch in sich völlig unsubstantiiert. Erforderlich ist insoweit der Vortrag konkreter Tatsachen zu Art und Ausmaß der Erkrankung, jedenfalls aber die Mitteilung des behandelnden Arztes, um dem Tatrichter ggf. Nachfragen zum tatsächlichen Vorliegen des entsprechenden Entschuldigungsgrundes zu ermöglichen (vgl. OLG Köln, NStZ-RR 1999, 337). Dagegen reicht die undifferenzierte und auch nicht auf ärztlicher Einschätzung beruhende Behauptung einer Erkrankung nicht aus, um dem Tatrichter einen schlüssigen und überprüfbaren Hinweis darauf zu geben, dass tatsächlich eine Verhinderung des Betroffenen gegeben war. Eine solche Behauptung ist daher nicht geeignet, dem Gericht Kenntnis von einem Entschuldigungsgrund zu verschaffen (OLG Köln, VRS 98, 217, 218). Hier hatte der Betroffene nach dem Inhalt der Rechtsbeschwerde dem Gericht weder mitgeteilt, welcher Art seine Krankheit war, noch hatte er kundgetan, dass die Erkrankung überhaupt durch einen Arzt festgestellt worden war. Damit fehlt es auch hier an einer hinreichenden Substantiierung der Verfahrensrüge.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG.
Ende der Entscheidung
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