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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.08.2007
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 464/07
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 267 |
Beschluss
Bußgeldsache
gegen H.R.
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 2. Mai 2007 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 21. 08. 2007 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Bielefeld hat den Betroffenen durch das angefochtene Urteil vom 2. Mai 2007 wegen fahrlässigen Verstoßes gegen die §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG - Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft - zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 100,- € verurteilt sowie ein Fahrverbot von einem Monat - unter Einräumung der 4-Monats-Frist gemäß § 25 Abs. 2 a StVG - festgesetzt.
Zur Sache hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
"Am 12.09.2006 gegen 13:37 Uhr befuhr der Betroffene mit dem PKW Daimler Chrysler mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXX in Bielefeld den Südring. In Höhe des dortigen Total Marktes achtete er nicht auf die dort gut ausgeschilderte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h, durch ordnungsgemäße Radarmessung wurde festgestellt, dass der Betroffene mit einer Geschwindigkeit von 96 km/h fuhr. Nach Abzug eines Toleranzwertes von 3 km/h ergibt sich somit eine dem Betroffenen vorwerfbare gefahrene Geschwindigkeit von 93 km/h, somit eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 33 km/h."
In der Beweiswürdigung wird ausgeführt:
"Diese Feststellungen beruhen auf der glaubhaften Aussage des Zeugen B., auf der Verwertung der Messfotos Blatt 3 der Akten, des Messprotokolls Blatt 14, der Eichscheine Blatt 15 - 17, des Passfotos Blatt 8 der Akten sowie auf der Verwertung des von dem Zeugen B. überreichten Hochglanzfotos, das als Anlage zu Protokoll genommen wurde. Der Betroffene selbst hat sich zur Sache nicht eingelassen, er hat über seinen Verteidiger erklären lassen, dass er seine Fahrereigenschaft bestreitet.
...
Dass der Betroffene zur Tatzeit das Fahrzeug gesteuert hat, ergibt sich eindeutig aus dem Vergleich des von dem Zeugen B. überreichten Hochglanzfotos zu den Akten mit der Person des Betroffenen. Die Augen-, die Nasen-, die Kinn-, und die Mundpartie stimmen eindeutig mit der Person des Betroffenen mit der auf dem Bild überein. Ebenso ist der Betroffene grauhaarig, wie der Fahrer auf diesem Bild, das Bild von dem Fahrer entspricht eindeutig dem Alter des Betroffenen. Dem Betroffenen stand das Fahrzeug auch zur Verfügung, es handelt sich um ein Fahrzeug eines Gasthauses, dessen Seniorchef der Betroffene früher war."
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, die er unter näheren Ausführungen mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts begründet hat.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Bielefeld (§ 79 Abs. 6 OWiG).
Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil seine Gründe materiell-rechtlich unvollständig sind und es dem Rechtsbeschwerdegericht daher nicht - als Ergebnis seiner Nachprüfung - die Feststellung ermöglicht, dass es rechtsfehlerfrei ergangen ist.
Die Urteilsgründe müssen so abgefasst sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung möglich ist, ob ein Messfoto bzw. Radarfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen. Ausreichend ist es hierfür, dass in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug genommen wird, wodurch das Foto zum Bestandteil der Urteilsgründe wird und vom Rechtsbeschwerdegericht dann zur Prüfung der Frage, ob es als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist, selbst in Augenschein genommen werden kann. Macht der Tatrichter von dieser Möglichkeit Gebrauch und ist das Foto zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet, so sind darüber hinausgehende Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich (vgl. BGH NZV 1996, 157; OLG Düsseldorf NZV 2007, 254; OLG Köln 1 Ss 358/04, Beschluss vom 17.08.2004 - beckRS 2004 - 08276; OLG Hamm NZV 2000, 428). Eine Bezugnahme nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO muss aber deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht sein (vgl. BGH a.a.O.; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 267, Rdnr. 8 m.w.N.). Die bloße Mitteilung der Fundstelle in den Akten sowie der Hinweis, die Abbildung sei in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden, genügen nicht (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O. m.w.N.). Insoweit ist davon auszugehen, dass lediglich der Beweiserhebungsvorgang beschrieben wird, nicht aber der Wille zum Ausdruck gebracht wird, das Radarfoto zum Bestandteil der Urteilsurkunde zu machen.
Durch die hier gegebene Formulierung der "Verwertung des Passfotos Blatt 8 der Akten" bzw. "der Verwertung des von dem Zeugen B. überreichten Hochglanzfotos ..." ist nicht mit der nötigen Deutlichkeit klargestellt, dass das Lichtbild zum Inhalt der Urteilsurkunde gemacht werden sollte; vielmehr deutet der Begriff der Verwertung eher darauf hin, dass lediglich der Beweiserhebungsvorgang als solcher beschrieben werden sollte. Der Begriff der Verwertung ergibt jedenfalls nicht zweifelsfrei die Bezugnahme auf das in der Akte befindliche Foto in dem Sinne, dass es selbst zum Urteilsgegenstand werden soll. Fehlt es aber an der deutlichen und zweifelsfreien Inbezugnahme des Fotos, kann das Rechtsmittelgericht die Abbildung aus eigener Anschauung nicht würdigen und ist daher auch nicht durch eigene Einvernahme des Fotos in der Lage zu beurteilen, ob es als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist (vgl. BGH a.a.O.).
Sieht der Tatrichter von der Verweisung gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO ab, so genügt es nicht, wenn er das Ergebnis seiner Überzeugungsbildung mitteilt, und auch nicht, dass er die zur Identifizierung herangezogenen abstrakten Merkmale auflistet. In diesem Fall muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität, insbesondere zur Bildschärfe, enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale in ihren charakteristischen Eigenschaften so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos ermöglicht wird (vgl. BGH NJW 1996, 1420; BayObLG NZV 2000, 48; OLG Frankfurt NZV 2002, 137; OLG Hamm NZV 2000, 428; OLG Köln a.a.O. m.w.N.). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Amtsgericht hat eine Beschreibung der abgebildeten Person mittels mehrerer Identifizierungsmerkmale in ihren charakteristischen Eigenschaften nicht dargelegt. Die Ausführungen hierzu umschreiben lediglich in allgemeiner Form die Übereinstimmung der Augen-, Nasen-, Kinn- und Mundpartie sowie der Haarfarbe und des Alters des Fahrers, ohne dass im Einzelnen nachvollziehbar wird, inwieweit diese Merkmale unterscheidungskräftig sind und mit dem Betroffenen übereinstimmen.
Wegen dieses Mangels ist das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
Soweit der Betroffene geltend gemacht hat, es sei Verjährung eingetreten, greift dieser Einwand nicht durch. Die Verjährung ist durch die Anordnung der Anhörung gemäß § 33 Abs. 1 OWiG unterbrochen worden, worauf das Amtsgericht in den Urteilsgründen zutreffend hingewiesen hat.
Ende der Entscheidung
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