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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 09.10.2006
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 635/06
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 44
StPO § 344
Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Begründung einer Verfahrensrüge und zur ausreichenden Begründung der Rüge, dass das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen nicht wegen nicht genügender Entschuldigung habe verwerfen dürfen.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen M.J.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf den Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 11.01.2006 sowie auf seine Rechtsbeschwerde gegen das vorgenannte Urteil hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 09. 10. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG nach Anhörung und auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird als unbegründet verworfen.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird als offensichtlich unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die Beschwerderechtfertigung hin keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat.

Der Betroffene trägt die Kosten des Rechtsmittels, § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO.

Gründe:

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 21.09.2006 Folgendes ausgeführt:

" I.

Die Stadt Essen hat gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 21.03.2005 wegen Verstoßes gegen § 37 Abs. 2, 1 Abs. 2, 49 StVO i.V.m. § 24 StVG eine Geldbuße von 200,00 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat Dauer verhängt (Bl. 11 d.A.). Den dagegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Essen in der Hauptverhandlung vom 11.01.2006 gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen (Bl. 49 R, Leseabschrift Bl. 50, 50 R d.A.). Mit Schreiben seines Verteidigers vom 18.01.2006, eingegangen bei dem Amtsgericht Essen per Telefax am selben Tage, hat der Betroffene Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und Rechtsbeschwerde eingelegt (Bl. 51, 52 d.A.). Mit Beschluss vom 09.02.2006 hat das Amtsgericht Essen den Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 58 a, Leseabschrift Bl. 58 b d.A.). Die hiergegen mit Schreiben seines Verteidigers vom 17.02.2006 eingelegte sofortige Beschwerde (Bl. 60, 61 d.A.) hat das Landgericht Essen mit Beschluss vom 21.04.2006 verworfen (Bl. 74, 75 d.A.). Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 10.08.2006, eingegangen bei dem Amtsgericht Essen per Telefax am selben Tage, hat der Betroffene Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde beantragt und den Antrag sowie die Rechtsbeschwerde näher begründet (Bl. 92-95 d.A.).

II.

Der Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zumindest unbegründet und daher zu verwerfen. Der Antrag ist dahin auszulegen, dass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung der Begründung einer Verfahrensrüge wegen fehlender Gewährung von Akteneinsicht begehrt wird. Eine derartige Wiedereinsetzung kommt vorliegend nicht in Betracht. Diese darf nicht dazu führen, die Form- und Fristgebundenheit der Rechtsbeschwerdebegründung zu unterlaufen und kann daher nur ausnahmsweise erfolgen (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 20.04.1999 - 4 Ss OWi 98/99 - m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein solcher Ausnahmefall vorliegen, wenn dem Verteidiger des Beschwerdeführers trotz angemessener Bemühungen vor Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist keine Akteneinsicht gewährt worden ist und Verfahrensrügen nachgeschoben werden sollen, die ohne Aktenkenntnis nicht begründet werden können (zu vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Gleiches hat zu gelten, wenn erst nach erfolgter Akteneinsicht das Rügevorbringen in der gebotenen Form ergänzt werden kann. Vorliegend ist schon nicht dargelegt, dass der Verteidiger ohne Akteneinsicht gehindert war, die Verfahrensrüge rechtzeitig zu begründen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Verteidiger in der Hauptverhandlung anwesend gewesen ist und selbst das Entschuldigungsvorbringen des Betroffenen vorgebracht hat. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung des Vorbringens hinsichtlich der Verfahrensrüge kommt bei dieser Sachlage nicht in Betracht.

Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Das vorliegende Verwerfungsurteil gem. § 74 Abs. 2 S. 1 OWiG gleicht in seinen Voraussetzungen einem die Berufung verwerfenden Urteil gem. § 329 Abs. 1 StPO; der Rechtsmittelführer muss ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sein. Das unentschuldigte Ausbleiben des Betroffenen ist jedoch keine vom Rechtsbeschwerdegericht vom Amts wegen zu prüfende Voraussetzung für die Verwerfung des Einspruchs gem. § 74 Abs 2 OWiG. Vielmehr setzt die Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht eine dahingehende, der Vorschrift des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG genügende Verfahrensrüge voraus. Danach muss der Beschwerdeführer grundsätzlich die Verfahrenstatsachen so vollständig angeben, dass das Rechtsbeschwerdegericht in die Lage versetzt wird, allein anhand dieses Vortrages die Schlüssigkeit des Verfahrensverstoßes nachzuvollziehen. Die Entscheidung, ob das Ausbleiben des Betroffenen genügend entschuldigt ist, obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter. Das Beschwerdegericht kann nur nachprüfen, ob der Tatrichter die Entschuldigungsgründe, die vorlagen, überhaupt einer sachlichen Prüfung unterzogen hat und ob er dabei den Rechtsbegriff der nicht genügenden Entschuldigung richtig angewandt hat. Um diese Überprüfung zu ermöglichen, muss der Tatrichter sich regelmäßig in den Gründen des Verwerfungsurteils mit in Betracht kommenden Entschuldigungsgründen auseinandersetzen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Betroffene sich rechtzeitig entschuldigt hat, sondern allein darauf, ob er entschuldigt ist. Sache des Betroffenen wäre es vorliegend mithin gewesen, im Wege der Verfahrensrüge unter Darlegung von Tatsachen, die die Frage des unentschuldigten Ausbleibens berühren, einen insoweit möglichen Mangel des angefochtenen Urteils zu behaupten (zu vgl. OLG Hamm, Senatsbeschluss vom 13.02.1997 - 3 Ss OWi 1555/96 -). Dies ist vorliegend - soweit die Rechtsbeschwerde bereits mit der Einlegung begründet worden ist, auch unter Berücksichtigung des Vorbringens zur Wiedereinsetzung (Bl. 52 d.A.) nicht der Fall. Denn dazu wäre zumindest die Angabe erforderlich gewesen, dass dem Amtsgericht vor der Verwerfung des Einspruchs Entschuldigungsgründe vorgetragen worden sind. Die Rechtsbeschwerdebegründung vom 18.01.2006 enthält indes keine Angabe, dass dem Gericht vor der Verwerfung des Einspruchs mitgeteilt worden ist, dass der Betroffene verhandlungsunfähig erkrankt war. Diese teilt lediglich mit, dass der Betroffene erkrankt war, nicht jedoch die Angabe, dass dies dem Gericht mitgeteilt worden ist. Die von dem Betroffenen vor der Verwerfung des Einspruchs vorgebrachten Entschuldigungsgründe ergeben sich auch nicht aus den Gründen des angefochtenen Urteils, da sie auch dort nur gewürdigt, nicht aber inhaltlich mitgeteilt werden. Die erhobene Verfahrensrüge ist mithin unzulässig.

Die daneben erhobene Sachrüge ist unbegründet. Die gegenüber einem Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG erhobene Sachrüge führt nur zur Prüfung, ob Verfahrenshindernisse der Verfolgung und Ahndung der Ordnungswidrigkeit entgegenstehen. Das ist vorliegend nicht der Fall."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Sachprüfung an und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung.

Auch dem Senat erschließt sich nicht, aus welchen Gründen die Verteidigung hier auf Akteneinsicht zur Begründung der Verfahrensrüge angewiesen gewesen sein sollte. Der Hinweis der Verteidigung auf eine Erkrankung des Betroffenen gehörte nicht zu den wesentlichen Förmlichkeiten der Hauptverhandlung i.S.v. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 274 Abs. 1 S. 1; 273 Abs. 1 StPO. Vielmehr wäre ohnehin im Wege des Freibeweises zu klären gewesen, ob und welche Entschuldigung der Verteidiger für den Betroffenen im Rahmen der Hauptverhandlung geltend gemacht hatte. Angaben hierzu konnte der Verteidiger aber bereits deshalb ohne Akteneinsicht machen, weil es sich um Gegenstände seiner eigenen Wahrnehmung und Mitteilung handelte. Im Übrigen ergab sich bereits aus dem angefochtenen Urteil selbst, dass der Betroffene Entschuldigungsgründe vorgebracht hatte, die dem Amtsgericht aber nicht ausreichend erschienen.

Ende der Entscheidung

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