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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.07.2006
Aktenzeichen: 31 U 6/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 364 Abs. 2
BGB § 488 Abs. 1 Satz 2
BGB § 607 Abs. 1 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 5.12.2005 verkündete Urteil der Zivilkammer II des Landgerichts Detmold abgeändert.

Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 19.276,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.1.2004 zu zahlen.

Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 20.011,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.8.2004 zu zahlen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 120 des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die klagende Sparkasse verlangt von den Beklagten jeweils die Rückzahlung des Teils eines endfälligen Darlehens, der durch die Ablaufleistung der im Zusammenhang mit den Darlehensverträgen abgeschlossenen Lebensversicherung nicht abgedeckt worden ist. Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Darlehensverträge seien dahin auszulegen, dass die Tilgung des Kredits aus der Lebensversicherung habe erfolgen sollen und zwar unabhängig von der Höhe der Ablaufleistung. Die Auszahlung der unterhalb des Darlehenssaldos liegenden - Versicherungssummen an die Klägerin sei daher an Erfüllung statt und nicht nur erfüllungshalber mit der Folge erfolgt, dass die Darlehen vollständig getilgt worden seien.

Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen die vom Landgericht vorgenommene Auslegung der Darlehensverträge.

Nach Rücknahme eines Teils der gegenüber dem Beklagten zu 1) geltend gemachten Zinsforderung beantragt sie,

1. den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an sie 19.276,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.1.2004 zu zahlen,

2. den Beklagten zu 2) zu verurteilen, an sie 20.011,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.8.2004 zu zahlen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen zur Auslegung der Darlehensverträge.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist begründet.

Der Klägerin als der Rechtsnachfolgerin der Städtischen Sparkasse C steht aus den Darlehensverträgen vom 23.12.1991 gegen den Beklagten zu 1) noch ein Anspruch in Höhe von 19.276,48 € und gegen den Beklagten zu 2) noch ein Anspruch in Höhe von 20.011,48 € zu. Dies entspricht der Differenz zwischen den den Beklagten jeweils gewährten Kreditbeträgen und den von der Klägerin vereinnahmten Ablaufleistungen aus den im Zusammenhang mit den Darlehensverträgen abgeschlossenen Lebensversicherungen.

Die Darlehensverträge sind entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht dahin auszulegen, dass der Rückzahlungsanspruch der Bank bei Endfälligkeit des Darlehens durch die Ablaufleistung der Lebensversicherung ungeachtet ihrer Höhe vollständig getilgt werden sollte.

Richtig ist vielmehr gemäß §§ 133, 157 BGB ein Verständnis der Darlehensverträge des Inhalts, dass die Beklagten unabhängig von der Höhe der Versicherungsleistung die Rückzahlung des vollen Darlehensbetrags schulden, also einen Differenzbetrag aus ihrem sonstigen Vermögen an die Bank leisten müssen. Grundsätzlich hat der Kreditgeber gemäß § 607 Abs. 1 BGB a.F., § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Anspruch auf Rückerstattung der vollen Darlehenssumme.

Aus dem Wortlaut der streitgegenständlichen Darlehensverträge vom 21.12.1991 ergibt sich nichts anderes. Anders als in dem vom Oberlandesgericht Karlsruhe (NJW 2003, 2322 ff.) entschiedenen und vom Landgericht in Bezug genommenen Fall heißt es vorliegend unter 6.3. "Tilgung" nicht etwa, dass die Tilgung "durch eine Lebensversicherung" erfolgen solle, sondern dass "die Tilgung des Refinanzierungskredits aus der abzuschließenden Lebensversicherung bei der genannten Versicherungsgesellschaft bei Fälligkeit der Versicherungssumme erfolgt". Diese Formulierung legt es nahe, dass die Lebensversicherung lediglich ein Mittel zur Rückführung des Darlehens ist, nicht aber ohne weiteres und unabhängig von der Höhe der Versicherungsleistung dessen vollständige Tilgung bewirkt. Dem entspricht es, dass unter 1 "Kreditkonditionen" ein Kreditnennbetrag von 408.300 DM angeführt ist. In einer der nebenstehenden Spalten der tabellarisch dargestellten Kreditkondition heißt es, "Tilgung am 30.01.2004 in einer Summe." Der Vertragspartner der Bank konnte dies nur dahin verstehen, dass damit der eingangs genannte Kreditnennbetrag von 408.300 DM angesprochen war, der im Fälligkeitszeitpunkt in einer Summe - also vollständig - zu tilgen war. Einem durchschnittlichen Darlehens- und Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnis für die Auslegung des Formularvertrags abzustellen ist, ist es zudem bewusst, dass die Ablaufleistung einer Lebensversicherung nicht festliegt, sondern von der Höhe der Überschussbeteiligung abhängt und damit nicht notwendig zur Rückführung des Darlehens ausreicht. Dies gilt besonders dann, wenn - wie in dem hier zu entscheidenden Fall unter 4 "Sicherheiten" - in dem Darlehensvertrag Versicherungssummen genannt sind, die deutlich hinter den gewährten Darlehensmitteln zurückbleiben (Kreditnennbetrag jeweils: 408.300 DM; Versicherungssummen für den Beklagten zu 1: 141.504 DM zuzüglich 142.085 DM; Versicherungssummen für den Beklagten zu 2: 140.599 DM zuzüglich 141.611 DM).

Entscheidend kommt hinzu, dass unter 1 "Kreditkonditionen" eine Regelung für den Fall getroffen worden ist, dass nach dem Ende der Kreditdauer mit Ablauf der Lebensversicherungen keine vollständige Tilgung der Kredite erfolgt. Dort heißt es, dass eine eventuell notwendige Prolongation der Finanzierung neue Absprachen erfordert, insbesondere hinsichtlich der Kreditikonditionen. Nach dem Verständnis der Beklagten könnte es diesen Fall von vorneherein nicht geben, weil nach ihrer Auffassung jede Zahlung der Versicherungsgesellschaft - gleichgültig in welcher Höhe - die Darlehensrückforderungsansprüche der Klägerin restlos hätte zum Erlöschen bringen müssen.

Das Auslegungsergebnis entspricht zudem der Wertung des § 364 Abs. 2 BGB. Danach liegt im Zweifel eine Leistung erfüllungshalber vor, wenn der Schuldner lediglich eine neue Verbindlichkeit übernimmt. Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner dem Gläubiger lediglich eine Forderung gegen einen Dritten verschafft (vgl. Palandt/Heinrichs § 364 BGB Rdn. 7), hier die Beklagten der Klägerin den Anspruch auf die Ablaufleistung der Lebensversicherung. Es handelt sich um einen Anwendungsfall des allgemeinen Auslegungsprinzips, dass Gläubiger im Zweifel nicht auf wesentliche Rechte, hier das Nachforderungsrecht im Fall einer Unterdeckung, verzichten (vgl. Artzt/Weber BKR 2005, 264, 265).

Die geltend gemachten Zinsen rechtfertigen sich nach § 288 Abs. 1 BGB. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Insbesondere weicht die Entscheidung des Senats nicht von derjenigen des OLG Karlsruhe (NJW 2003, 2322 ff.) ab, der ein anders ausgestalteter Darlehensvertrag zugrunde lag.

Ende der Entscheidung

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