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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.11.2003
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 771/03
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 267
Zum erforderlichen Umfang der Ausführungen, wenn der Betroffene anhand eines von dem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbildes identifiziert werden soll.
Beschluss

Bußgeldsache

wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Lippstadt vom 18. September 2003 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 25. 11. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Lippstadt zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Gegen den Betroffenen ist durch Bußgeldbescheid des Landrates des Kreises Soest wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts um 23 km/h ein unter Berücksichtigung von Voreintragungen im Verkehrszentralregister erhöhtes Bußgeld von 60,00 Euro festgesetzt worden. Auf seinen Einspruch hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 80,00 Euro verurteilt und, unter Gewährung von Vollstreckungsaufschub gemäß § 25 Abs. 2 a StVG, auf ein Fahrverbot von zwei Monaten Dauer erkannt.

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Betroffene am 24. April 2003 um 11.11 Uhr in Anröchte außerhalb geschlossener Ortschaft auf der B 55 südlich der Ortslage Anröchte in Fahrtrichtung Belecke als Führer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXXXXXXX die durch Zeichen 274 auf 70 km/h beschränkte Höchstgeschwindigkeit um 23 km/h überschritten.

Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde, die sein Verteidiger unter Erhebung von Verfahrensrügen und der allgemeinen Sachrüge in zulässiger Weise begründet hat.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts vorläufigen Erfolg.

Das Amtsgericht ist zur Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen, der sich dahin eingelassen hat, die Fahrt sei von seiner Ehefrau, seinem Sohn und ihm durchgeführt worden, er wisse jedoch nicht mehr, wer zur Tatzeit das Fahrzeug geführt habe, aufgrund der "vergleichenden Inaugenscheinnahme des erschienen Betroffenen und der Beweisfotos in den Ausdrucksformen Bl. 2, 3, 14 und 15 d.A." gekommen. Dabei hat das Amtsgericht gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die bei den Akten befindlichen Beweisfotos Bezug genommen, so dass der Senat selbst überprüfen kann, inwieweit diese Fotos zur Identifizierung des Betroffenen geeignet sind. Nur wenn sie in diesem Sinne als geeignet anzusehen sind, bedarf es in der Regel keiner näheren Ausführungen dazu, aufgrund welcher übereinstimmenden Merkmale das Gericht zur Überzeugung der Täterschaft des Betroffenen gekommen ist (DAR 1996, 98 = NJW 1996, 1420 = BGHSt 41, 376 = NZV 1996, 157 = MDR 1996, 512 = StV 1996, 413 = NStZ 1996, 150 (Ls.)).

Hinsichtlich der bei den Akten befindlichen Beweisfotos ist zunächst festzustellen, dass es sich nicht etwa um Hochglanzabzüge, sondern um vergleichsweise (Bl. 2 und 3 d.A.) schlechte Papierausdrucke, bzw. unbrauchbare Computervergrößerungen (Bl. 14 und 15 d.A.) handelt. Dazu kommt, daß etwa zwei Drittel des Gesichts des Fahrzeugführers bzw. der Fahrzeugführerin bis nahezu zur Nasenspitze durch die heruntergeklappte Sonnenblende verdeckt ist. Aufgrund welcher Merkmale das Amtsgericht zu der Überzeugung gekommen ist, der auf den Fotos "verbleibende Rest" weise zweifelsfrei den Betroffenen als Fahrer aus, ist auch wegen der Kontrastarmut der Fotos nicht nachvollziehbar. Dargestellt hat das Amtsgericht übereinstimmende Merkmale jedenfalls nicht, so dass auch nicht anhand der Darstellung geprüft werden kann, ob hinreichend differenzierte Merkmale vom Amtsgericht festgestellt worden sind. Auch die Erwägungen des Amtsgerichts dazu, warum von den beiden angeblichen Mitfahrern niemand auf dem Beifahrersitz gesessen habe, bleiben Spekulation.

Ob die Fotos, sei es in den in Augenschein genommenen Ausdrucksformen, sei es in Form von Hochglanzabzügen in verschiedenen Kontrastabstufungen, generell zur Identifizierung des Betroffenen geeignet sind, kann hier dahingestellt bleiben. Da sich der Betroffene dahin eingelassen hat, es kämen lediglich zwei weitere Personen als Fahrer in Betracht, seine Ehefrau und sein Sohn Florian, hätte das Amtsgericht, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen, zumindest diese Personen als Zeugen vernehmen und in Augenschein nehmen müssen, um die Überzeugung gewinnen zu können, ob und warum beide mit Sicherheit als Fahrer des Fahrzeugs zur Tatzeit auszuschließen sind.

Da sich das Amtsgericht von der Täterschaft des Betroffenen nicht rechtsfehlerfrei überzeugt hat, war das Urteil schon aus diesem Grunde mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, daß auch der Rechtsfolgenausspruch einer rechtlichen Überprüfung nicht standgehalten hätte. Das Amtsgericht hat bei den verkehrsrechtlichen Vorbelastungen nicht das Datum der Rechtskraft der Entscheidungen mitgeteilt, obwohl der Senat bereits in einem früheren Verfahren auf die Notwendigkeit hingewiesen hat. Ohne diese Angabe kann das Rechtsbeschwerdegericht nicht prüfen, ob das Amtsgericht die Vorbelastungen zu Recht verwertet hat oder ob aufgrund eingetretener Tilgungsreife eine Berücksichtigung nach § 29 Abs. 8 StVG ganz oder teilweise nicht mehr zulässig war.

Weiter beruht das durch das Amtsgericht verhängte zweimonatige Fahrverbot auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage. Im Ansatz zutreffend geht das Amtsgericht allerdings davon aus, daß auch außerhalb der im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regelfälle die Verhängung eines Fahrverbotes wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in Betracht kommen kann. Zumindest im vorliegenden Fall wären aber insoweit weitere Feststellungen, insbesondere zu den Tatzeiten und zur Jahresfahrleistung des Betroffenen erforderlich gewesen, weil diese Umstände bei der Frage der Beharrlichkeit in einem Nichtregelfall Bedeutung erlangen können.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens bleibt dem Amtsgericht vorbehalten, da der Erfolg des Rechtsmittels noch nicht feststeht.

Ende der Entscheidung

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