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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 02.12.2008
Aktenzeichen: 4 Ws 337/08
Rechtsgebiete: BtMG, JGG, RPflG


Vorschriften:

BtMG § 35
BtMG § 35 Abs. 7 S. 2
BtMG § 36 Abs. 5
BtMG § 38
JGG § 83 Abs. 2
JGG § 114
RPflG § 31 Abs. 5
RPflG § 33 a
RPflG § 31 Abs. 2
Zur Zuständigkeit der Jugendkammer nach § 83 Abs. 2 Nr. 1 JGG.
Beschluss

Jugendstrafvollstreckungssache gegen E. E.,

wegen Raubes,

(hier: Entscheidung nach § 35 BtMG).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Jugendkammer des Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt vom 14. Oktober 2008 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02.12. 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht sowie die Richter am Oberlandesgericht und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Gründe:

I.

Durch Urteil des Jugendschöffengerichts Bocholt vom 31. März 2008 wurde der Beschwerdeführer wegen Raubes zu einer Jugendstrafe von einem Jahr zehn Monaten verurteilt. Die Rechtspflegerin beim Amtsgericht Bocholt stellte mit Beschluss vom 1. Juli 2008 die Vollstreckung dieser Jugendstrafe gemäß § 35 BtMG für die Dauer von zunächst drei Monaten zurück. Nach Abbruch einer stationären Therapie widerrief die Rechtspflegerin die Zurückstellung der Vollstreckung der Jugendstrafe mit Beschluss vom 12. August 2008. Hiergegen hat der Verurteilte die Entscheidung des Gerichts gemäß § 35 Abs. 7 S. 2 BtMG beantragt. Der Vorsitzende des Jugendschöffengerichts hat daraufhin die Sache der Jugendkammer gemäß §§ 38 BtMG, 83 Abs. 2 JGG vorgelegt, welche die Entscheidung des Amtsgerichts Bocholt vom 12. August 2008 bestätigt hat durch Beschluss vom 14. Oktober 2008. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt die Verwerfung des Rechtsmittels als unbegründet.

II.

Die gemäß § 83 Abs. 3 JGG i.V.m. §§ 35 Abs. 7 S. 2, 38 Abs. 1 S. 3 BtMG statthafte und form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Zu Unrecht hat die Jugendkammer ihre Zuständigkeit nach § 83 Abs. 2 Nr. 1 JGG angenommen. Gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 1 JGG ist die Jugendkammer für die bei der Vollstreckung notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen gegen eine vom Vollstreckungsleiter getroffene Anordnung in den Fällen zuständig, in denen der Vollstreckungsleiter selbst oder unter seinem Vorsitz das Jugendschöffengericht im ersten Rechtszug erkannt hat. Diese Voraussetzungen sind hier bereits deshalb nicht gegeben, weil keine vom Vollstreckungsleiter getroffene Anordnung vorliegt. Dieser hat die Entscheidung nach § 35 Abs. 5 S. 1 BtMG nicht getroffen, sondern die Rechtspflegerin am Amtsgericht Bocholt. Die entscheidenden Anordnungen sind indessen nach §§ 82 JGG und 31 Abs. 5 S. 1 RPflG dem Jugendrichter als Vollstreckungsleiter vorbehalten. Dem Rechtspfleger sind bei der Vollstreckung im Jugendstrafverfahren nur diejenigen Geschäfte übertragen, durch die eine richterliche Vollstreckungsanordnung oder eine die Leitung der Vollstreckung nicht betreffende allgemeine Verwaltungsvorschrift ausgeführt wird, § 31 Abs. 5 S. 2 RPflG. Da eine weitere Übertragung nichtrichterlicher Geschäfte durch eine Rechtsverordnung nach § 31 Abs. 5 S. 3 RPflG nicht erfolgt ist, bleibt die Zuständigkeit der Rechtspfleger im Bereich der Strafvollstreckung gegen Jugendliche in der Bekanntmachung der Landesjustizverwaltungen über die Entlastung des Jugendrichters bei den Vollstreckungsgeschäften vom 1. Dezember 1962 geregelt (§ 33 a RPflG). Der Rechtspfleger kann bei der Vollstreckung von Jugendstrafe tätig werden, soweit dabei die beim Jugendrichter liegende Leitung der Vollstreckung nicht beeinträchtigt wird. Gemäß § 31 Abs. 2 S. 2 RPflG sind die Entscheidungen nach § 114 JGG dem Rechtspfleger nicht übertragen. Nach der 2. Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Begrenzung der Geschäfte des Rechtspflegers bei der Vollstreckung von Straf- und Bußgeldsachen vom 16. Februar 1982 sind von den dem Rechtspfleger nach § 31 Abs. 2 S. 1 RPflG übertragenen Geschäften ausgeschlossen neben den nach § 114 JGG erforderlichen Entscheidungen auch die Entscheidungen nach § 35 Abs. 1 - 5 BtMG sowie Anträge und Stellungnahmen in den in §§ 35 Abs. 1, 2 und 6 Abs. 2 und § 36 Abs. 5 BtMG genannten Fällen (vgl. Brunner/Dölling, JGG, 11. Aufl., 2002, vor § 82 Rdnr. 8). Mithin war im vorliegenden Fall die Rechtspflegerin weder für die Entscheidung nach § 35 Abs. 1 BtMG, noch für die Entscheidung nach § 35 Abs. 5 BtMG zuständig; es bedurfte vielmehr der Entscheidung des Jugendrichters als Vollstreckungsleiter. Da die Rechtspflegerin ohne Zuständigkeitsübertragung tätig geworden ist, ist das Vollstreckungsgeschäft unwirksam (Brunner/Dölling, a.a.O., Rdnr. 11; Eisenberg, JGG, 13. Aufl. 2009, § 82 Rdnr. 24 m.w.N.). Das Vollstreckungsgeschäft kann auch nicht durch richterliche Genehmigung nachträglich wirksam werden, vielmehr muss der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter die Vollstreckungshandlung selbstständig wiederholen (Brunner/Dölling, a.a.O., vor § 82 Rdnr. 11 m.w.N.). Eine solche Entscheidung hat der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter indes nicht getroffen, so dass auch keine Personenidentität (vgl. Eisenberg, a.a.O., § 83 Rdnr. 4, 5) i.S.v. § 83 Abs. 2 Nr. 1 JGG gegeben ist. Mithin war auch eine entsprechende Zuständigkeit der Jugendkammer nicht anzunehmen mit der Folge, dass die angefochtene Entscheidung wegen Unzuständigkeit der Jugendkammer aufzuheben ist.

Ende der Entscheidung

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