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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 28.10.1998
Aktenzeichen: 5 UF 169/98
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 515 Abs. 3
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 UF 169/98 OLG Hamm 5 F 451/97 AG Bocholt

Verkündet am 28. Oktober 1998

Müller, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In der Familiensache

1. der ...

2. des ...

beide gesetzlich vertreten durch ihre Mutter ...

Beklagten und Berufungskläger,

- Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Teubel, Zensen und Schulze in Hamm -

gegen

den Umschüler ...

Kläger und Berufungsbeklagten,

- Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Heimann, Hegemann, Adams, Dr. Herrmann, Dr. Saerbeck, Dr. Hormuth, Dr. Sohn, Dr. Rahmede, Dr. Stückemann, Noppeney, Dr. Bollwerk, Dr. Güthoff und Dr. Witte in Hamm -

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Klünemann, den Richter am Oberlandesgericht Jokisch und die Richterin am Oberlandesgericht Krippner

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 05. März 1998 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bocholt wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden den Beklagten je zur Hälfte auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten, mit der sie nach ihrer teilweisen Rücknahme nur noch Klagabweisung erreichen wollen, soweit die erstinstanzliche Abänderung des Urteils vom 05. September 1996 ab März 1998 87,20 DM und ab 10. Juni 1998 97,60 DM bzw. 82,44 DM unterschreitet, ist zulässig, aber unbegründet.

Das Familiengericht hat den Unterhalt für die Beklagten zu Recht ab 04. März 1998 auf je 24,38 DM monatlich begrenzt. Der Kläger ist, nachdem die Krankengeldzahlungen weggefallen und er nur noch ein Unterhaltsgeld von 364,07 DM wöchentlich, also auf den Monat umgerechnet von 1.577,64 DM erhält, lediglich in diesem Umfang gemäß § 1603 Abs. 2 BGB leistungsfähig. Denn ihm stehen für den Unterhalt für drei Kinder - unter Einschluß des am ... geborenen ältesten Sohnes ... - nur 77,64 DM über dem notwendigen Selbstbehalt von 1.500,00 DM zur Verfügung.

1.

Das tatsächliche Einkommen des Klägers ist Maßstab der Unterhaltsbemessung. Es ist nicht zulässig, an fiktive Einkünfte des Klägers anzuknüpfen, da er nach wie vor aufgrund einer Depression arbeitsunfähig krank ist. Dies hat der Sachverständige Dr. med. ... in seinem erstinstanzlich eingeholten Gutachten vom 04.02.1998 festgestellt. Dieses Gutachten überzeugt. Daß der Sachverständige die von ihm gestellte Diagnose durch fremdanamnestische Mitteilungen des behandelnden Arztes abgesichert hat, bestätigt die Sorgfalt seiner Erhebungen und läßt sich nicht dahin hingehend umkehren, daß er keine eigenen Feststellungen getroffen hat. Gegen die Richtigkeit der Einstufung als arbeitsunfähig spricht auch nicht, daß der Kläger sich derzeit einer Umschulung unterzieht. Er befindet sich nach wie vor in ambulanter medikamentöser und psychotherapeutischer Therapie. Daß die Umschulung mit der Erkrankung vereinbar ist, läßt nicht den Rückschluß zu, daß der Kläger dem Streß des beruflichen Alltags gewachsen wäre. Die Angriffe der Beklagten verkennen die Tragweite und die Auswirkungen einer Depression auf die Arbeitsfähigkeit.

2.

Angesichts der noch andauernden Arbeitsunfähigkeit ist der Kläger auch nicht verpflichtet, zur Verbesserung seiner Einkommenssituation eine nicht sozialversicherungspflichtige Nebentätigkeit aufzunehmen. Überlegungen dazu, ob Arbeitslosenhilfe zusammen mit Nebentätigkeitentgelt zu einem höheren als dem derzeitigen Einkommen führen könnten, erübrigen sich demnach.

3.

Seine Einkünfte erhöhen sich auch nicht dadurch, daß der Kläger im eigenen Haus mietfrei wohnt. Zwar ist dadurch, daß dieser Umstand in dem abzuändernden Urteil nicht in die Berechnung eingeflossen ist, der Rückgriff auf ein solches Zusatzeinkommen nicht aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Denn es wird von den Beklagten zur Verteidigung des Titels neu angeführt. Jedoch läßt sich derzeit kein die Belastungen übersteigender Wohnvorteil erkennen. Dem von den Beklagten mit 650,00 DM angegebenen Mietwert stehen allein Finanzierungskosten von monatlich 873,37 DM gegenüber. Daß die Mutter des Klägers diese derzeit teilweise vorstreckt, ist unterhaltsrechtlich ohne Bedeutung, da diese dazu rechtlich nicht verpflichtet ist, es sich also um eine freiwillige Leistung eines Dritten handelt, die die Leistungsfähigkeit nicht erhöht, und zudem die Rückzahlung an sie vorgesehen ist. Die Finanzierungskosten müssen bei der Beantwortung der Frage, ob der Kläger über geldwerte Vorteile in Form des Wohnwerts verfügt, entgegen der Ansicht der Beklagten berücksichtigt werden. Daß in dem abgeänderten Urteil die Abzugsfähigkeit dieser Schulden verneint worden ist, bindet nur insoweit, als daß sie nicht als einkommensmindernde Belastungen geltend gemacht werden können.

4.

Der Kläger darf als Umschüler den Selbstbehalt eines Erwerbstätigen von 1.500,00 DM beanspruchen und muß sich nicht mit dem geringeren von 1.300,00 DM zufrieden geben (Ziffer 20 HLL). Insoweit ist vorliegend jedenfalls im Ergebnis auf die Senatsrechtsprechung (FamRZ 1984, S. 727) zurückzugreifen, wonach eine Umschulung durch das Arbeitsamt mit der Erwerbstätigkeit gleichzustellen ist. Denn selbst wenn man dieser Gleichsetzung nicht generell, sondern nur einzelfallbezogen zustimmt, ist sie hier angemessen, weil der Kläger - wie sich bei seiner Anhörung im Senatstermin vom 28.10.1998 herausgestellt hat - im Vergleich zu einem Arbeitslosen oder Rentner denselben Mehraufwand wie ein Berufstätiger hat. Er ist nämlich an 5 Wochentagen über 8 Stunden täglich beschäftigt, so daß ihm wie einem Erwerbstätigen die Zeit fehlt, seinen Lebensbedarf besonders günstig zu decken, z. B. indem er in der Zeitung Sonderangebote studiert und gezielt verschiedene und auch weiter entfernt liegende Geschäfte aufsucht. Auch unterscheidet sich der Bekleidungsaufwand nicht von demjenigen eines Berufstätigen. Da der Kläger sich wie dieser außer Haus begeben muß, muß er sich im Vergleich zu demjenigen, der seine Zeit weitgehend zu Hause verbringt, sorgfältiger und aufwendiger kleiden. Daß für den Kläger durch die Umschulung kein meßbarer Mehraufwand für Arbeitsmittel und Fahrtkosten anfällt, weil etwaige Kosten gemäß § 3 des Lehrgangsvertrages vom Arbeitsamt übernommen werden, hat bei der Beurteilung, wie hoch der Eigenbedarf ist, außer Betracht zu bleiben. Denn solche Kosten wären bereits vorab abzusetzen, d. h. sie würden schon sein anrechenbares Einkommen schmälern, wenn sie anfielen.

5.

Bei der erforderlichen Mangelverteilung zwischen den Beklagten und ihrem Bruder .. ist es nicht zu beanstanden, daß die Beklagte zu 1), die am ...1986 geborene Daniela, über ihren 12. Geburtstag im Juni 1998 hinaus mit derselben Quote wie der 9jährige Beklagte zu 2) bedacht wird. Zwar fällt sie jetzt wie der ältere Bruder in die dritte Altersstufe der HLL, so daß sie wie dieser mit 35,15 % an dem verteilungsfähigen Einkommen zu beteiligen ist (502 : (502 + 502 + 424)), statt wie bisher mit 31,4 % (424 : (502 + 424 + 424)). Jedoch wirkt sich diese Quotenerhöhung rechnerisch nur mit 2,91 DM aus, so daß eine Korrektur bloße Förmelei darstellen würde. Sie kann deshalb vernachlässigt werden, da nicht aus dem Auge zu verlieren ist, daß die von der Rechtsprechung entwickelten exakten Rechenschritte und die Anwendung von Tabellen bezüglich des geschuldeten Unterhalts nur zu Annäherungswerten führen. Die rechnerisch ermittelten Beträge haben keine absolute Aussagekraft, sondern sind nur eine Richtschnur für den geschuldeten Unterhalt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 515 Abs. 3 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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