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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 29.10.2007
Aktenzeichen: 6 U 34/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das am 13.12.2006 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.000,00 Euro zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die dem Kläger entstehenden zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 20.04.2005 zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen.

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Der damals 2 1/2 -jährige Kläger ist am 20.04.2005 auf dem Ferienhof der Familie in Q von dem Beklagten, seinem Onkel, mit einem zurücksetzenden Rasenmähtrecker angefahren worden, wobei sein rechter Fuß in das Mähwerk geriet. Vier Zehen mussten amputiert werden.

Nachdem der Kläger zunächst ein angemessenes unbegrenztes Schmerzensgeld und Feststellung der weiteren Ersatzpflicht für zukünftige Schäden begehrt hatte, hat der Kläger zuletzt auf Anregung des Landgerichts ein Teil-Schmerzensgeld bis zur mündlichen Verhandlung, mindestens 10.000,00 Euro, und die Feststellung der Ersatzpflicht für die zukünftigen Schäden, darunter immaterielle Schäden ab dem Tag der mündlichen Verhandlung, begehrt.

Diesen Anträgen hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil stattgegeben. Der Beklagte habe die erforderliche Sorgfalt, die wie beim Rückwärtsfahren mit Kraftfahrzeugen anzusetzen sei, nicht beachtet. Er habe mit dem Auftauchen des Klägers rechnen müssen, zumal er den älteren Bruder des Klägers auf dem Trecker mitgenommen habe.

Mit der Berufung erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage. Es habe keine dem Rückwärtsfahren im Straßenverkehr vergleichbare Situation vorgelegen. Er habe nicht voraussehen können, dass der Kläger hinter den Mäher laufen würde. Der Fangkorb sei höher gewesen als der Kläger. Er habe auch darauf vertrauen dürfen, dass der Vater des Klägers die gebotene Aufsicht wahrnehmen werde. Ein Teilschmerzensgeld sei unzulässig.

Der Kläger hat daraufhin im Wege der Anschlussberufung ein angemessenes unbegrenztes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 15.000,00 Euro, und die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden begehrt.

II.

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet, die Anschlussberufung hat dagegen Erfolg.

1.

Das Landgericht hat mit Recht eine zum Schadensersatz verpflichtende fahrlässige Körperverletzung durch den Beklagten festgestellt, § 823 Abs. 1 BGB.

Zutreffend hat das Landgericht insbesondere ein Verschulden des Beklagten bejaht. Den Ausführungen von S. 6 des angefochtenen Urteils, 3. Zeile, bis S. 7, 4. Zeile, tritt der Senat in vollem Umfang bei.

Weil das Grundstück auch als Spielfläche für Kleinkinder ausgestaltet war - in unmittelbarer Nähe der Unfallstelle befand sich ein Sandkasten - und bereits der damals 7 Jahre alte ältere Bruder des Klägers während des Mähens aufgetaucht war, wie der Beklagte in seiner erstinstanzlichen Anhörung selbst ausgeführt hat, und sodann auf dem Mähtrecker mitfahren durfte, war es nicht fernliegend, dass sich auch der Kläger dem Mähtrecker nähern würde. Dieser Ablauf war für den Beklagten vorhersehbar. Wenn der Kläger damals kleiner war als der Fangkorb, musste der Beklagte eine Gefährdung seines Neffen anderweitig ausschließen, etwa durch Rückwärtsfahren nur mit dem Kläger im Blickfeld oder Mähen an dieser Stelle ohne Fangkorb oder aber mittels Einweisung durch Dritte.

2.

Ein etwaiges Aufsichtsverschulden des Vaters muss der Kläger sich nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zurechnen lassen (vgl. BGH, VersR 1988, 632; Senat, NJW-RR 1998, 1181). Es kann deshalb offen bleiben, ob dem Vater des Klägers hier ein Vorwurf zu machen ist. Eine gestörte Gesamtschuld liegt ebenfalls nicht vor (vgl. BGH, VersR 1988, 632, 634).

3.

Nicht gefolgt werden konnte dem Landgericht lediglich darin, dass hier ein Teil-Schmerzensgeld bis zur mündlichen Verhandlung zuzubilligen sei.

Der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes gebietet, die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Schmerzensgeldes aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes zu bemessen (vgl. BGH, VersR 2004, 1334). Es sind also nicht nur alle bereits eingetretenen, sondern auch alle erkennbaren und objektiv vorhersehbaren künftigen Verletzungsfolgen abzugelten.

Ein Ausnahmefall, dass sich noch keine endgültige Aussage über die Unfallfolgen treffen lässt, liegt hier nicht vor. Die Behandlung der Fußverletzung ist abgeschlossen. Die künftige Entwicklung kann nicht als ungewiss bezeichnet werden. Es sind daher hier alle zukünftigen Folgen einzubeziehen, die bereits jetzt erkennbar sind.

Auf die Anschlussberufung des Klägers, die zulässig ist, weil keine Frist zur Berufungserwiderung gesetzt worden ist, war daher dem Kläger ein einheitliches Schmerzensgeld zuzusprechen. Unter Berücksichtigung aller Umstände hält der Senat einen Betrag von 15.000,00 Euro für angemessen.

Die Schwere der Verletzung des Klägers hat das Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend bewertet. Auf die entsprechenden Ausführungen kann Bezug genommen werden. Zusätzlich sind auch die zukünftigen Auswirkungen abzugelten. So ist die für das gesamte Leben vorhandenen Beeinträchtigungen durch den Verlust von vier Zehen und die dauerhafte Notwendigkeit des Tragens orthopädischer Schuhe zu berücksichtigen. Angesichts des jungen Alters des Klägers und der damit verbundenen erheblichen Dauer auch zukünftiger Beeinträchtigungen hält der Senat ein Schmerzensgeld von 15.000,00 Euro für gerechtfertigt. Dieser Betrag entspricht auch veröffentlichten vergleichbaren Entscheidungen (z.B. Schmerzensgeldtabelle Hacks/Ring/Böhm, 24. Aufl., Nr. 1982 und 1998).

4.

Der Feststellungsausspruch des Landgerichts war dementsprechend hinsichtlich des Beginns "ab dem 14.12.2006" zu korrigieren. Die Feststellung der Ersatzpflicht auch für zukünftige immaterielle Schäden bezieht sich nur auf solche Unfallfolgen, die derzeit noch nicht erkennbar sind.

5.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Ziffer 10, 713 ZPO.

Anlass für eine Zulassung der Revision besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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