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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 31.10.2008
Aktenzeichen: 9 U 48/08
Rechtsgebiete: BGB, RVG, VV-RVG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 249 Abs. 2 S. 1
BGB § 254
RVG § 14 Abs. 1
VV-RVG Nr. 2300
ZPO § 529 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 508,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Mai 2007 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 92 % und die Beklagten 8 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

(abgekürzt gemäß §§ 540 II, 313 a I S. 1 ZPO)

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache überwiegend Erfolg, nämlich hinsichtlich der noch streitigen Schadenspositionen ,anzurechnender Restwert des Pkw' ( I. ) und ,vorgerichtliche Anwaltskosten' ( III. ); hinsichtlich der Position ,Nutzungsausfallschaden' ( II. ) ist sie unbegründet.

I. Restwert:

Der Kläger ist für seine Schadensabrechung auf das gegenüber dem angeblich nur erzielten Verkaufserlös von 4.000,00 € für seinen beschädigten Pkw um 5.900,00 € höhere Restwertangebot der Fa. C zu verweisen. Deshalb kommt es auf den behaupteten Verkauf des beschädigten Pkw am 29.3.2007 zum Preis von 4.000 € nicht an. Wohl entspricht es höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass der Geschädigte grundsätzlich sein Unfallfahrzeug zu dem in einem von ihm eingeholten Schadensgutachten für den regionalen Markt ermittelten Restwert verkaufen darf, ohne gegen seine Schadensminderungspflicht aus § 254 BGB zu verstoßen und nicht zur Schadensminderung verpflichtet ist, einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen; vgl. BGH Urt. vom 10.7.2007 - VI ZR 217/06 - in MDR 2007, 1368. Jedoch können besondere Umstände dem Geschädigten Veranlassung geben, eine ihm ohne Weiteres zugängliche, günstigere Verwertungsmöglichkeit wahrzunehmen und durch eine entsprechende Verwertung seines Fahrzeuges in Höhe des daraus erzielten Erlöses den ihm entstandenen Schaden auszugleichen; BGH a.a.O.). Solche besonderen Umstände für eine Verweisung des geschädigten Klägers auf das ihm vorliegende Internet-Angebot sind im vorliegenden Fall gegeben.: Das Angebot der Fa. C war mit 9.900,00 € nicht nur mehr als doppelt so hoch wie der nach dem Schadensgutachten auf dem regionalen Markt zu erzielende Preis. Dem Kläger konnte nicht entgehen, dass das Schadensgutachten bereits in der als Ergebnis vorangestellten Zusammenfassung des Gutachtens als Restwert den von 9.900 € ausweist und nicht den auf S. 12 eher versteckt genannten von 4.000 € aus dem regionalen Markt. Er hatte mithin nicht zwischen einem gutachtlich angegebenen geringeren Wert und einem Internet-Angebot neben dem Gutachten zu wählen, sondern das gegenüber dem Regionalmarkt außerordentlich hohe Alternativangebot bereits als Ergebnis des Gutachtens selbst vorliegen. Das Angebot der Fa. C war dem Kläger ohne Weiteres zugänglich i. S. d. vorzitierten BGH-Urteils, das heißt sofort risikolos zugriffsfähig. Zur grundsätzlichen Akzeptanz der auf der Internetplattform "d-tv" unterbreiteten Angebote für den Geschädigten kann auf die Ausführungen des von den Beklagten zitierten Urteils des OLG Düsseldorf vom 15.10.2007 - 1U 267/06 - in NJW-RR 2008, 617 verwiesen werden, das sich mit eben dieser Internetplattform auseinandersetzt. Für die inhaltliche Akzeptanz des dem Kläger damit vorliegende Angebots spricht namentlich, dass aus ihm selbst bereits die Verpflichtung zur kostenlosen Abholung des Fahrzeugs durch den Käufer ersichtlich ist.

Die Tatsache, dass in dem Angebot nicht ausdrücklich die Zahlungsmodalitäten festgehalten sind, ändert nichts daran, dass das Angebot inhaltlich akzeptabel war. Abgesehen davon, dass Barzahlung bei Abholung verkehrsüblich ist, hätte der Kläger dies mit einem kurzen Telefonat vor der Annahme klären können und wäre - wie bei jedem anderen Kaufvertrag - nicht vorleistungspflichtig gewesen.

Das Bestreiten der in dem Schadensgutachten ermittelten Restwertangebote der überregionalen Händler durch den Kläger ist als widersprüchlicher Sachvortrag unbeachtlich. Selbst wenn man ihm prinzipiell zugestehen wollte, aus dem von ihm selbst zum Schadensnachweis vorgelegten Gutachten nur die ihm günstigen Werte "herauszupicken", und die ungünstigen nicht gegen sich gelten zu lassen, setzte dies zumindest eine substanziierte Darlegung der Gründe voraus, warum die Ergebnisse des eigenen Gutachters in der einen Richtung zuverlässig, in anderen Teilen indes ohne Beweiswert sein sollen. Daran fehlt es hier jedenfalls.

Der Kläger kann schließlich nicht damit gehört werden, er habe vor dem Verkauf erst die Ablösung der Finanzierung mit dem kreditgebenden Sicherungseigentümer klären müssen, denn dies hat ihn nicht gehindert, das Unfallfahrzeug schon am 29.3.07 zu verkaufen; dann konnte er für diesen Verkauf auch auf das problemlos zugängliche Angebot der Fa. C aus der Internetplattform zugreifen.

II. Dauer der Nutzungsausfallentschädigung:

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht dem Kläger Nutzungsausfallentschädigung in Höhe weiterer 508,00 € für eine Wiederbeschaffungszeit bis zum 24.4.2007 zuerkannt. Dies ist zwar nicht - wie im erstinstanzlichen Urteil - damit zu begründen, dass dem Kläger nach Erhalt des Schadensgutachtens noch eine Überlegungszeit bis zum 5.4.2007 zuzubilligen gewesen wäre, denn er behauptet selbst, sich schon am 29.3. für den Verkauf entschieden haben. Unwiderlegt hat er sich aber zunächst um die Ablösung der alten Finanzierung, die lt. Bestätigung der B-Bank vom 28.8.2007 erst am 18.4.2007 erfolgt war, und sodann um eine neue Finanzierung kümmern müssen. Ein schuldhafter Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht des § 254 BGB ist daraus angesichts unstreitiger finanzieller Beengtheit des Klägers noch nicht herzuleiten.

III. Vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten:

Zu den gemäß § 249 II S. 1 BGB vom Schädiger zu ersetzenden Kosten gehören auch die der notwendigen Rechtsverfolgung einschließlich erforderlicher Anwaltshonorare. Für deren Berechnung ist der Geschäftswert zu Grunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht. Diese betrug bei Abzug des höheren Restwertes und Hinzurechnung der erst nach anwaltlicher Mahnung erfolgten Teilzahlung von 1.003,00 € noch 8.914,45 €.

Die Höhe der Gebühr bestimmt sich nach § 14 I RVG i. V. m. Nr. 2300 VV-RVG. Danach ist im Regelfall eine Schwellengebühr mit dem Faktor 1,3 zu Grunde zu legen. Ein höherer Faktor darf nur berechnet werden, wenn die Angelegenheit überdurchschnittlich umfangreich oder schwierig war. Das hat der Kläger hier nicht dargetan. Die Überschreitung des Bemessungsfaktors 1,3 für die Anwaltsgebühr ist mit den von ihm konkret angeführten Bemühungen seiner Prozessbevollmächtigten um die Ablösung der alten und die Erlangung einer neuen Fahrzeugfinanzierung nicht zu begründen, denn das sind allenfalls Nebenkosten der Schadensbeseitigung, aber keine Rechtsverfolgungskosten. Der Kläger hat andere Umstände für eine überdurchschnittliche Schwierigkeit oder den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, die eine höhere als die 1,3-fache Gebühr rechtfertigen, nicht detailliert vorgetragen.

Die Beklagten sind mit dem erst zweitinstanzlich erfolgten Berufungsangriff gegen den Ansatz des Faktors 1,8 anstelle von 1,3 für die Gebührenberechnung des Klägers nicht gemäß §§ 529 I, 531 II ZPO ausgeschlossen. Die Beurteilung der vorgerichtlichen Anwaltstätigkeit als überdurchschnittlich schwierig oder umfangreich ist eine rechtliche Bewertung, die die Beklagten mit dem Unterlassen erstinstanzlicher Angriffe insoweit nicht eingeräumt haben und ohne Untermauerung seitens des Klägers mit substanziiertem Tatsachenvortrag nicht ausdrücklich angreifen mussten.

Auf der Basis eines Geschäftswertes von 8.914,45 € und der 1,3-fachen Gebühr ergeben sich die zu beanspruchenden Rechtsanwaltskosten mit 718,40 €, die von der Beklagten zu 2) bereits vorgerichtlich erstattet wurden.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 ZPO.

Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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