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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 23.11.2006
Aktenzeichen: 11 Wx 77/06
Rechtsgebiete: BVormG, VBVG


Vorschriften:

BVormG § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
VBVG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
1. Die Ausbildung zum Erzieher an der Fachschule für Sozialpädagogik des Landeswohlfahrtsverbandes Baden ist einer Hochschulausbildung nicht gleichwertig.

2. Nach der vom Gesetz angestellten formalen und typisierenden Betrachtungsweise kommt es allein darauf an, ob die abgeschlossene Ausbildung generell einem Hochschulabschluss gleichwertig ist. Überdurchschnittliche berufliche Leistungen des Betreuers sowie in seiner beruflichen Praxis erworbene besondere Kenntnisse können nicht zu einer Erhöhung seiner Vergütung führen.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 11. Zivilsenat Beschluss

11 Wx 77/06

Karlsruhe, 23. November 2006

wegen Vergütung des Betreuers

Tenor:

1. Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 30. Mai 2006 - 11 T 120/05 - wird zurückgewiesen.

2. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 501,12 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1 ist seit September 1997 zum Betreuer der vermögenslosen Betroffenen bestellt. Er hat nach einer abgeschlossenen Lehre als Werkzeugmacher und Absolvierung der Grundausbildung des Landeswohlfahrtsverbandes Baden für Mitarbeiter im Erziehungsdienst an der Fachschule für Sozialpädagogik des Landeswohlfahrtsverbandes Baden eine dreijährige berufsbegleitende Ausbildung der Fachrichtung Jugend- und Heimerziehung durchlaufen und diese im März 1979 mit der staatlichen Prüfung als Erzieher abgeschlossen. Von September 1986 bis November 1987 besuchte der Beteiligte zu 1 ferner die Fachschule für Heilpädagogik des Landeswohlfahrtsverbandes, beendete diese Ausbildung jedoch nicht. Er ist hauptberuflich in einer pädagogischen Jugendhilfeeinrichtung als Gruppenleiter tätig und in dieser Funktion auch Vorgesetzter von Sozialpädagogen, Heimerziehern und Erziehern.

Mit Schreiben vom 13.10.2004 beantragte der Beteiligte zu 1 für den Zeitraum vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 zu Lasten der Staatskasse Festsetzung einer Vergütung zu einem Stundensatz von 31,00 € in Höhe von insgesamt 2.125,70 €. Das Vormundschaftsgericht hat dem Beteiligten zu 1 im Hinblick darauf, dass dieser seine betreuungsrelevanten Kenntnisse nicht durch ein Hochschulstudium erworben habe, lediglich einen Stundensatz von 23,00 € zugebilligt und mit Beschluss vom 9.2.2005 den ihm zustehenden Gesamtbetrag auf 1.624,58 € festgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 blieb vor dem Landgericht ohne Erfolg. Mit der zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1 sein Ziel weiter, eine Vergütung in Höhe von 31,00 € je Stunde zu erhalten.

II.

Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1 ist infolge seiner Zulassung durch das Landgericht statthaft (§§ 69e Abs. 1 S. 1, 56g Abs. 5 S. 2 FGG) und auch im übrigen unbedenklich zulässig. In der Sache hat es keinen Erfolg.

1. Gem. Art. 229 § 14 EGBGB ist auf den geltend gemachten Vergütungsanspruch das bis zum 30.6.2005 geltende Vergütungsrecht anzuwenden. Gem. §§ 1836 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2, 1836a BGB a. F. i. V. m. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG beträgt die dem Berufsbetreuer zu gewährende Vergütung, die wegen Mittellosigkeit des Betreuten aus der Staatskasse zu gewähren ist, nur dann 31,00 € für jede Stunde, wenn der Betreuer über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, und diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind. Sind die besonderen Kenntnisse für die Führung von Betreuungen allgemein nutzbar, wird grundsätzlich vermutet, dass sie auch für die Führung der dem Betreuer konkret übertragenen Betreuung nutzbar sind (§ 1 Abs. 2 S. 1 BVormVG). Die angefochtene Entscheidung stellt rechtsfehlerfrei fest, dass die Ausbildung des Beteiligten zu 1 an der Fachschule für Sozialpädagogik des Landeswohlfahrtsverbandes Baden diesem Kenntnisse vermittelt hat, die für die Führung von Betreuungen nutzbar sind. Ebenso rechtsfehlerfrei ist jedoch seine Feststellung, dass der Beteiligte zu 1 diese Kenntnisse nicht durch eine abgeschlossene Ausbildung erworben hat, die einer abgeschlossenen Ausbildung an einer Hochschule vergleichbar ist.

a) Einer abgeschlossenen Hochschulausbildung vergleichbar ist eine Ausbildung dann, wenn sie in ihrer Wertigkeit einer Hochschulausbildung entspricht und einen formalen Abschluss aufweist. Einer Hochschulausbildung gleichwertig ist eine Ausbildung, wenn sie staatlich reglementiert oder zumindest staatlich anerkannt ist und der durch sie vermittelte Wissensstand nach Art und Umfang dem eines Hochschulstudiums entspricht (OLG Schleswig OLGR 2000, 214; BayObLG FamRZ 2001, 187; BayObLGR 2000, 35; BayObLG, Beschluss vom 12.1.2005 - 3Z BR 251/04; OLG Frankfurt OLGR 2002, 277). Dies ist anzunehmen, wenn die Ausbildung in einer Einrichtung erfolgt, die einer überwiegend wissenschaftlichen Lehrstoffvermittlung dient, über einen entsprechenden wissenschaftlichen Lehrkörper verfügt und die Erlangung graduierter Abschlüsse zum Ziel hat (Staudinger/Bienwald, BGB, Neubearb. 2006, § 1908i Rn. 315 Anm. 4). Hochschulausbildung ist nach dem Gesetz auch die Ausbildung an einer Fachhochschule (OLG Braunschweig FamRZ 2000, 1307; BayObLG FamRZ 2001, 187, 188).

Als Wertungskriterien für die Vergleichbarkeit sind zunächst der mit der Ausbildung verbundene zeitliche Aufwand, der Umfang des Lehrstoffes und die Ausgestaltung der Abschlussprüfung heranzuziehen. Daneben kann auch auf die durch die Abschlussprüfung erworbene Qualifikation abgestellt werden. Wenn sie den Absolventen den Zugang zu beruflichen Tätigkeiten und den entsprechenden Besoldungs- bzw. Vergütungsgruppen eröffnet, die sonst üblicherweise Hochschulabsolventen vorbehalten sind, spricht dies für eine Annahme der Vergleichbarkeit (OLG Frankfurt OLGR 2002, 277; BayObLG FamRZ 2001, 187; BayObLG, Beschluss vom 12.1.2005 - 3Z BR 251/04). Die Ausbildung an einer Fachschule vermittelt in aller Regel nicht die Qualifikation, die an einer (Fach-)Hochschule erworben wird (OLG Schleswig OLGR 2000, 214; OLG Frankfurt a.a.O.). Wie die angefochtene Entscheidung jedoch zu Recht betont, ist nicht entscheidend auf die Bezeichnung der Ausbildungsstätte abzustellen; nach der gebotenen inhaltlichen Bewertung kann im Einzelfall auch eine als Fachschule bezeichnete Ausbildungsstätte eine Ausbildung vermitteln, die mit einem Fachhochschulstudium gleichgesetzt werden kann (OLG Hamm FamRZ 2001, 1398; OLG Frankfurt a.a.O.). Hierbei spielt auch eine Rolle, ob und ggfs. welche Zulassungsvoraussetzungen für den betreffenden Ausbildungsgang bestehen (OLG Jena, Beschluss vom 14.5.2003 - 6 W 124/03; vgl. auch OLG Frankfurt a.a.O.).

b) Das Landgericht hat diese Kriterien seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es gelangt zu dem Ergebnis, dass die abgeschlossene Ausbildung des Beteiligten zu 1 einer Hochschulausbildung nicht gleichwertig ist. Diese Würdigung kann vom Senat als Rechtsbeschwerdegericht gem. § 27 Abs. 1 FGG nur auf Rechtsfehler überprüft werden (vgl. BayObLGR 2000, 35). Die Würdigung des Landgerichts ist rechtsfehlerfrei.

aa) Voraussetzung der Zulassung zu der von dem Beteiligten zu 1 abgeschlossenen Ausbildung war das Abschlusszeugnis einer Realschule oder ein gleichwertiges Zeugnis (§ 2 der Verordnung der Landesregierung über die Schulen zur Ausbildung von Erziehern vom 20.11.1969, GBl. Seite 283). Demgegenüber setzt der Zugang zu einem Hochschulstudium grundsätzlich die allgemeine Hochschulreife bzw. die Fachhochschulreife voraus (§ 58 Abs. 2 des baden-württembergischen LHG). Allerdings sind die Hochschulen in eingeschränktem Umfang auch für besonders qualifizierte Berufstätige ohne Hochschulzugangsberechtigung offen (vgl. § 59 des baden-württembergischen LHG). Danach können staatlich anerkannte Erzieher der Fachrichtung Jugend- und Heimerziehung mit einer mindestens dreijährigen einschlägigen Berufserfahrung die Qualifikation für das Studium in den Studiengängen der Sozialarbeit, der Sozialpädagogik oder der Heilpädagogik an einer Fachhochschule auch durch das Bestehen einer besonderen Eignungsprüfung erwerben (§ 59 Abs. 4 LHG). Daraus folgt, dass die abgeschlossene Ausbildung des Beteiligten zu 1 diesem nicht einmal den Zugang zu einem Fachhochschulstudium eröffnet; erstrecht entsprechen die Zulassungsvoraussetzungen dieser Ausbildung nicht denjenigen eines Fachhochschulstudiums.

bb) Die vom Beteiligten zu 1 abgeschlossene Ausbildung dauerte zwei Jahre, bei berufsbegleitender Teilzeitausbildung mindestens drei Jahre. An die schulische Ausbildung schloss sich ein berufspraktisches Jahr an. Die Abschlussprüfung bestand aus einem schriftlichen, mündlichen und methodischen Teil (§ 3 Abs. 2 der Verordnung der Landesregierung über die Schulen zur Ausbildung von Erziehern vom 20.11.1969, GBl. Seite 283). Wie das Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg auf Anfrage des Landgerichts mitgeteilt hat, waren die Gliederung der Ausbildung und das Prüfungsverfahren nicht näher geregelt. Die Ausbildung umfasste jedoch mindestens 2.300 Stunden. Sie war eng an der Praxis orientiert und beinhaltete auch musische Fächer, Sport und handwerkliche Fertigkeiten. Angesichts dessen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht annimmt, dass zwar der zeitliche Aufwand der Ausbildung mit einem Fachhochschulstudium vergleichbar ist, es im übrigen aber die Vergleichbarkeit dieser Ausbildung mit der stärker wissenschaftlich ausgerichteten Ausbildung an einer Fachhochschule verneint, die zudem Prüfungsleistungen wie Referate, Klausurarbeiten, Praxisproben, Vordiplom und Diplom verlangt, die in der Ausbildung des Beschwerdeführers keine Entsprechung finden.

cc) Wie der Vertreter der Beteiligten zu 2 in der Beschwerdeerwiderung zutreffend darlegt, führt der vom Beschwerdeführer erworbene Fachschulabschluss nach den Eingruppierungsrichtlinien für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst zu einer Eingruppierung in die Vergütungsgruppen VI b bzw. V c des BAT. Er eröffnet somit nicht den Zugang zu beruflichen Tätigkeiten, deren Ausübung üblicherweise Hochschulabsolventen vorbehalten ist und die mit den entsprechenden Besoldungs- bzw. Vergütungsgruppen des öffentlichen Dienstes entlohnt werden. Dass der Beschwerdeführer inzwischen aufgrund seiner beruflichen Erfahrung und gleichwertiger Fähigkeiten in die Vergütungsgruppe IV b AVR (entspricht IV b BAT) eingruppiert ist, vermag daran nichts zu ändern. Denn es kommt auf die formale Gleichwertigkeit der abgeschlossenen Ausbildung und nicht auf die beruflichen Erfahrungen und Fähigkeiten an.

2. Der Beteiligte zu 1 hat mehrere Bescheinigungen vorgelegt, die ihm eine hohe Kompetenz als Betreuer in schwierigen Fällen und den in einer über zwanzigjährigen beruflichen Tätigkeit erbrachten Nachweis attestieren, über eine einem Fachhochschulabschluss gleichwertige Qualifikation zu verfügen. Nach der vom Gesetz angestellten formalen und typisierenden Betrachtungsweise kann es darauf jedoch nicht ankommen. Maßgebend ist danach allein, ob die abgeschlossene Ausbildung generell einem Hochschulabschluss gleichwertig ist. Überdurchschnittliche berufliche Leistungen des Betreuers und in seiner beruflichen Praxis erworbene besondere Kenntnisse können gem. § 1 Abs. 1 BVormVG nicht zu einer Erhöhung seiner Vergütung führen (OLG München OLGR 2006, 141; Staudinger/Bienwald § 1908i Rn. 314).

Die Zusatzausbildung an der Fachschule für Heilpädagogik hat der Beteiligte zu 1 nicht abgeschlossen. Sie kann deshalb nicht berücksichtigt werden. Denn das Gesetz verlangt nach seinem eindeutigen Wortlaut eine abgeschlossene Ausbildung. Abgeschlossen ist eine Ausbildung, wenn ihr Erfolg durch eine vor einer staatlichen oder staatlich anerkannten Stelle abgelegte Prüfung belegt ist (BayObLG FamRZ 2001, 187, 188). Aus welchen Gründen die Prüfung nicht abgelegt worden ist, darf nicht berücksichtigt werden. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob die von dem Beschwerdeführer begonnene, aber nicht abgeschlossene Ausbildung zum Heilpädagogen einem Fachhochschulstudium gleichwertig wäre.

Eine Entscheidung über die Tragung von Gerichtskosten oder die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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