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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 07.12.2006
Aktenzeichen: 12 U 122/06
Rechtsgebiete: BGB, AO
Vorschriften:
BGB § 839 | |
AO § 88 | |
AO § 90 |
Oberlandesgericht Karlsruhe 12. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 12 U 122/06
Verkündet am 07. Dezember 2006
In dem Rechtsstreit
wegen Amtspflichtverletzung
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 07. Dezember 2006 unter Mitwirkung von
Vors. Richter am Oberlandesgericht Zöller Richterin am Oberlandesgericht Lampel-Meyer Richter am Landgericht Dr. Zülch
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 11.04.2006 - 7 O 46/06 - im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger nehmen das beklagte Land im Wege der Amtshaftung auf Ersatz von Steuerberaterkosten in Anspruch.
Die Kläger sind Eheleute und im Hauptberuf beide nicht selbstständig tätig. Die Klägerin zu 2 führt neben ihrer hauptsächlichen Erwerbstätigkeit als selbstständige Tätigkeit einen Handel mit Tanzschuhen. Mit ihrer Einkommenssteuererklärung für das Jahr 2002 machten die Kläger gegenüber dem zuständigen Finanzamt R bezüglich der Einkünfte aus dem Gewerbetrieb der Klägerin zu 2 ohne nähere Erklärung zum wiederholten Mal eine Ansparabschreibung für eine voraussichtliche Investition in einen PKW in Höhe von 16.000,00 EUR geltend. Im Steuerbescheid erkannte das Finanzamt R diese Ansparabschreibung im Gegensatz zum Bescheid des Vorjahres nicht an.
Die Kläger begehren Ersatz der Kosten ihres erfolgreichen Einspruchs gegen diese Entscheidung. das Landgericht hat der Klage statt gegeben.
Gründe:
I.
Die Kläger nehmen das beklagte Land im Wege der Amtshaftung auf Ersatz von Steuerberaterkosten in Anspruch.
Die Kläger sind Eheleute und im Hauptberuf beide nicht selbstständig tätig. Die Klägerin zu 2 führt neben ihrer hauptsächlichen Erwerbstätigkeit als selbstständige Tätigkeit einen Handel mit Tanzschuhen. In den Jahre 1990 bis 2000 wurden aus dieser Tätigkeit achtmal kleinere Verluste, zweimal kleinere Überschüsse (jeweils dreistellige DM-Beträge) erzielt. Im Jahre 2001 bestand ein größerer Verlust in Höhe von 39.793,00 DM, der insbesondere dadurch entstanden war, dass eine Ansparabschreibung für den geplanten Neukauf eines PKW geltend gemacht wurde.
Mit ihrer Einkommenssteuererklärung für das Jahr 2002 machten die Kläger gegenüber dem zuständigen Finanzamt R bezüglich der Einkünfte aus dem Gewerbetrieb der Klägerin zu 2 ohne nähere Erklärung erneut eine Ansparabschreibung für eine voraussichtliche Investition in einen PKW in Höhe von 16.000,00 EUR geltend (Anlage K 5). Im Steuerbescheid vom 10.02.2004 (Anlage K 1) erkannte das Finanzamt R diese Ansparabschreibung nicht an. Zur Begründung ist in dem Bescheid folgendes ausgeführt:
"Eine Ansparabschreibung kann nur für Anlagevermögen gebildet werden. Gewillkürtes Betriebsvermögen ist bei einem § 4 Abs. 3 -rechner nicht möglich. Im Jahr 2001 wurde bereits eine Ansparabschreibung u. a. für einen PKW gebildet. In Anbetracht der Größe dieses Betriebs scheint es unwahrscheinlich, dass 2 PKW benötigt werden, die dann auch noch zu weniger als 10 % privat genutzt werden."
Wegen der Ablehnung der Anerkennung der Ansparabschreibung überschritten die Kläger die zulässige Einkommenshöchstgrenze für die außerdem geltend gemachte Eigenheimzulage. Mit Bescheid vom 18.02.2004 (Anlage K 2) wurde diese deshalb aufgehoben und die Eigenheimzulage für 2002 und 2003 in Höhe von insgesamt € 5.522,00 zurückgefordert.
Gegen die beiden Bescheide legten die Kläger durch ihren Steuerberater am 23.02.2004 Einspruch ein (Anlagen K 3, K 4). Zur Begründung bezog sich der Steuerberater auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 02.10.2003 (BFHE 203, 373 = BB 2003, 2724 ff. = DB 2003, 2681 ff. = DStZ 2004, 88 ff.), in welchem dieser - in Abänderung seiner besherigen Rechtsprechung - entschieden hatte, dass die Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) der Bildung gewillkürten Betriebsvermögens nicht entgegensteht. Weiter führte er aus, die Ansparabschreibung sei gebildet worden, weil die Kläger beabsichtigten, nach einem Jahr ein neues Auto anzuschaffen; sie hätten mit einer längeren Nutzung schlechte Erfahrungen gemacht.
Mit Schreiben 01.03.2004 (Anlage K 7) hielt die zuständige Sachbearbeiterin des Finanzamts unter Verweis auf die frühere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs an ihrer im Steuerbescheid geäußerten Auffassung fest; außerdem sei unglaubwürdig, dass ein Betrieb wie der von der Klägerin zu 2 geführte zwei PKW benötige, die beide notwendiges Betriebsvermögen (betriebliche Nutzung über 50 %) seien. Erst nach einem weiteren Schreiben des Steuerberaters vom 11.03.2004 (Anlage K 8) erkannte das Finanzamt R mit Bescheid vom 23.03.2004 (Anlage K 9) die geltend gemachte Ansparabschreibung an und änderte die angefochtenen Bescheide in der beantragten Weise ab.
Die Kläger verlangen im Wege der Amtshaftung die ihnen durch die Einlegung des Einspruchs entstandenen Kosten ihres Steuerberaters gemäß den Rechnungen vom 19.07.2004 (Anlagen K 11, K 12) in Höhe von insgesamt 2.606,17 EUR geltend. Sie sind der Auffassung, die Finanzverwaltung hätte das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 02.10.2003 kennen und beachten müssen. Das Urteil sei schon am 13.12.2003 in der Publikation "Steuertip" in Grundzügen veröffentlicht und auch im Volltext im Internet abrufbar gewesen.
Die Kläger haben in erster Instanz beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger EUR 2.606,17 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 09.09.2004 zu bezahlen, sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 165,71 EUR.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land trägt vor, die Ansparabschreibung sei zum einen aufgrund der früheren Rechtsprechung zur Unzulässigkeit gewillkürten Betriebsvermögens, zum anderen aber auch deshalb abgelehnt worden, weil bereits für das Jahr 2001 eine ähnliche Ansparabschreibung beantragt worden sei. Die Kläger hätten in ihrem Antrag nicht klargestellt, dass die erneute Beantragung eine Ansparrücklage für den Erwerb eines Pkws bereits ein Jahr später, im Jahr 2002 gemeint gewesen sei. Für den Sachbearbeiter sei nicht erkennbar gewesen, dass es nicht um die Anschaffung eines zusätzlichen zweiten Pkws gegangen sei, sondern den erneuten Kauf eines Pkws ein Jahr später. Schon aus diesem Grund hätten die Kläger Einspruch einlegen müssen; die Rechtsprechungsänderung des Bundesfinanzhofs sei nicht mehr kausal für die Entstehung der Kosten gewesen. Außerdem sei das Urteil vom 02.10.2003 in der Fachliteratur überwiegend erst im Jahre 2004 veröffentlicht worden; die Veröffentlichung im Bundessteuerblatt sei erst nach Bearbeitung der Steuererklärung der Kläger erfolgt. Im übrigen sei der Finanzverwaltung ein zeitlicher Spielraum zuzugestehen, in dem sie prüfen könne, ob ein Anwendungs- oder Nicht-Anwendungserlass auszusprechen sei. Hinsichtlich des fraglichen Urteils sei der Anwendungserlass ebenfalls erst nach der Bearbeitung der Steuererklärung der Kläger ergangen. Schließlich müsse der Finanzverwaltung Zeit gegeben werden, ein grundlegendes neues Urteil sorgfältig zu analysieren, um die Auswirkungen auf sämtliche Rechtsgebiete, die mit der geänderten Rechtsprechung zusammenfallen, zu bedenken. Da die Entscheidung des BFH vom 02.10.2003 eine sehr weit reichende Frage entschieden habe und zur Änderung einer langjährigen Rechtsanwendungspraxis geführt habe, sei ein Überlegungszeitraum von vier Monaten auf nicht zu lang.
Mit dem angegriffenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Die Ansparabschreibung habe nicht schon wegen mangelnder Darlegung des Hintergrunds der geplanten erneuten PKW-Anschaffung abgelehnt werden dürfen. Insoweit sei die Finanzverwaltung gehalten gewesen, durch Nachfrage den Sachverhalt aufzuklären; im übrigen sei die Sachbearbeiterin trotz Hinweises auf den wahren Sachverhalt bei ihrer Haltung geblieben. Eine Amtspflichtverletzung sei darin zu sehen, dass die seitens der Finanzbehörden die Beachtung einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht hinreichend zeitnah an die entsprechenden Unterbehörden mit der Bitte um Beachtung weitergeben worden sei. Finanzbehörden und ihre Mitarbeiter könnten sich nicht allein darauf zurückziehen, dass neue grundlegende Entscheidungen in der Rechtsprechung erst dann für die Verwaltung beachtlich seien, wenn sie im Bundessteuerblatt veröffentlicht seien oder wenn eine Arbeitsgruppe der zuständigen Finanzbehörden eine entsprechende Empfehlung herausgebe. Vorliegend sei das Urteil des Bundesfinanzhofs bereits zum Jahresende 2003 in maßgeblichen Fachzeitschrifften veröffentlich gewesen. Wegen der erheblichen Auswirkungen, die die Fachwelt dem Urteil beigemessen habe, hätte sich die Finanzverwaltung nicht sechs Monate Zeit für die Entscheidung lassen dürfen, ob dem Urteil gefolgt werde oder nicht. Da die Kläger berechtigt gewesen seien, die Hilfe eines Steuerberaters in Anspruch zu nehmen, könnten die unstreitigen Steuerberaterkosten nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ersetzt verlangt werden.
Hiergegen richtet sich die Berufung des beklagten Landes, mit der es sein auf Klagabweisung gerichtetes Rechtsschutzziel weiterverfolgt. Es vertritt weiterhin die Auffassung, die zuständige Sachbearbeiterin habe angesichts der Gesamtumstände nicht damit rechnen müssen, dass der im Jahr 2001 mit einer Ansparabschreibung geltend gemachte PKW schon nach einem Jahr durch einen neuen PKW ersetzt werden sollte. Eine schuldhafte Amtspflichtverletzung wegen mangelnder Aufklärung liege daher nicht vor. Weiter vertieft das beklagte Land seine Argumentation, in der Nichtanwendung der geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs liege ebenfalls keine schuldhafte Amtspflichtverletzung. Es betont, dass Urteile von der Verwaltung nicht automatisch auf alle gleichgelagerten Fälle anzuwenden seien; vielmehr müsse die Frage der Anwendbarkeit über den Einzelfall hinaus eingehend geprüft und bei Nichtanwendung eingehend begründet werden. Dies könne - auch angesichts des hierarchischen verwaltungsaufbaus und des Abstimmungsbedarfs im föderalen System - nicht in sechs bis acht Wochen geschehen; erfoderlich sei ein Zeitraum von mindestens sechs Monaten. Schließlich sei die Pflicht zur zeitnahen Entscheidung über die Anwendung höchstrichterlicher Entscheidungen keine drittgerichtete Amtspflicht.
Die Kläger beantragen unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils die Zurückweisung der Berufung.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Steuerberaterkosten besteht nicht.
1. Im Veranlagungszeitraum 2001 war eine Ansparabschreibung in Höhe von € 19.634,- für die Anschaffung eines PKW für den Betrieb der Klägerin zu 2 geltend gemacht und anerkannt worden (nachstehend: "die erste Ansparabschreibung"). Die Anerkennung muss darauf beruhen, dass der PKW als notwendiges Betriebsvermögen angesehen wurde. Aus der Begründung der Ablehnung einer erneuten Ansparabschreibung im Bescheid nach Anlage K 1 sowie aus der Stellungnahme nach Anlage K 5 ergibt sich nämlich, dass das Finanzamt - entsprechend der vor dem Urteil des BFH vom 02.10.2003 (BFHE 203, 373) herrschenden Rechtsprechung - bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG (Einnahmenüberschussrechnung) ermittelten, die Bildung gewillkürten Betriebsvermögens nicht für angängig hielt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. BFHE 203, 373) gehört ein Wirtschaftsgut zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn es zu mehr als 50 Prozent betrieblich genutzt wird; zum notwendigen Privatvermögen gehört es, wenn es zu weniger als 10 Prozent betrieblich genutzt wird. Ist ein Wirtschaftsgut weder notwendiges Betriebsvermögen noch notwendiges Privatvermögen (wird es also zu zwischen 10 und 50 Prozent betrieblich genutzt), dann kann es gewillkürtes Betriebsvermögen sein, wenn es objektiv dazu geeignet und erkennbar dazu bestimmt ist, den Betrieb zu fördern (BFH a.a.O. m.w.N.).
Die Kläger planten, den PKW, für den die erste Ansparabschreibung geltend gemacht worden war, nach einjähriger Nutzung durch einen neuen PKW zu ersetzen, für den die zweite Ansparabschreibung geltend gemacht wurde. Wenn sich also - Anhaltspunke für das Gegenteil sind nicht ersichtlich - an Art und Umfang der Geschäftstätigkeit der Klägerin zu 2 nichts geändert hatte, dann musste für den neuen PKW, der den ein Jahr zuvor ersetzen sollte, ebenso eine betriebliche Nutzung zu über 50 Prozent gerechtfertigt sein wie für den alten PKW. Der neue PKW war damit ebenso wie der alte PKW als notwendiges Betriebsvermögen anzuerkennen.
2. Die im Steuerbescheid vom 10.02.2004 erklärte Ablehnung der geltend gemachten Ansparabschreibung litt somit an zwei Mängeln: Zum einen ging die Sachbearbeiterin irrtümlich davon aus, dass die beiden PKW nicht nacheinander, sondern nebeneinander genutzt werden sollten. Hätte sie erkannt, dass die Fahrzeuge nacheinander genutzt werden sollten, hätte sie den neuen PKW ebenso als notwendiges Betriebsvermögen ansehen müssen wie den alten. Unter der Annahme, dass beide PKW nebeneinander genutzt werden sollten, war es dagegen - wie die Parteien nicht in Zweifel ziehen - nicht fehlerhaft, die Anerkennung des zweiten PKW als notwendiges Betriebsvermögen zu verweigern.
Zum anderen ging die Sachbearbeiterin entgegen der neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFHE 203, 373) davon aus, dass gewillkürtes Betriebsvermögen von Steuerpflichtigen, die (wie die Klägerin zu 2) den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, nicht gebildet werden könne. Ausweislich der Begründung in Anlage K 1 und ihrer Stellungnahme gemäß Anlage K 7 war die Sachbearbeiterin der Auffassung, dass der zweite PKW angesichts der Größe des Betriebs neben dem bereits vorhandenen, als notwendiges Betriebsvermögen anerkannten PKW nicht als notwendiges, sondern allenfalls als gewillkürtes Betriebsvermögen (d.h. mit einer betrieblichen Nutzung zwischen 10 und 50 Prozent) anerkannt werden konnte. Nur dann ergeben ihre Ausführungen zum gewillkürten Betriebsvermögen einen Sinn. Da die Sachbearbeiterin aber die Bildung gewillkürten Betriebsvermögens für unzulässig hielt, lehnte sie die Anerkennung der Ansparabschreibung ab.
3. Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt eine Amtspflichtverletzung der Sachbearbeiterin nicht darin, dass sie davon ausging, dass der erste PKW nach einem Jahr weiterhin für den Betrieb genutzt werden sollte und der zweite PKW somit zusätzlich angeschafft werden sollte. Die Auffassung des Landgerichts, dass das Finanzamt aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes gemäß § 88 AO gehalten gewesen wäre, die Nutzung beider PKW durch Nachfragen aufzuklären, vermag der Senat nicht beizutreten. Nach § 88 AO ist die Finanzbehörde nicht verpflichtet, den Sachverhalt auf alle möglichen Fallgestaltungen zu erforschen; eine solche umfassende Sachverhaltsaufklärung ist im Massengeschäft der Steuerfestsetzung nicht praktikabel. Für den Regelfall kann die Finanzbehörde davon ausgehen, dass die Angaben des Steuerpflichtigen in der Steuererklärung richtig und vollständig sind. Denn der Steuerpflichtige ist gemäß § 90 Abs. 1 AO zur Mitwirkung bei der Aufklärung in der Weise verpflichtet, dass er die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offen zu legen und die ihm bekannten Beweismittel anzugeben hat. Die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen nach § 90 AO begrenzt die Aufklärungspflicht der Finanzbehörde, insbesondere wenn es um die Abgrenzung privater und betrieblicher Aufwendungen geht; insoweit werden gesteigerte Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen angenommen. Die Finanzbehörde verletzt ihre Aufklärungspflicht insoweit nur, wenn sie Tatsachen und Beweismittel außer Acht lässt und offenkundigen Zweifelsfragen nicht nachgeht, die sich ihr nach den Umständen ohne weiteres aufdrängen mussten (vgl. zum Ganzen Klein, AO, 9. Aufl., § 88 Rz. 7; § 90 Rz. 2, je m.w.N.).
Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend nicht. Die Möglichkeit, dass der erste PKW bereits nach einem Jahr durch einen neuen PKW ersetzt werden sollte, musste sich der zuständigen Sachbearbeiterin beim Finanzamt R keineswegs aufdrängen. Sie hatte nach der als Anlage K 5 vorliegenden Steuererklärung keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass der zweite PKW an die Stelle des ersten treten sollte. In der Steuererklärung ist unter der Überschrift "Ansparabschreibungen für kleine und mittlere Betriebe" nur angegeben: "Voraussichtliche Investitionen: Personenkraftwagen 40.000"; davon werden 40 Prozent, also € 16.000,-, angesetzt. Hinzu kommt, dass die Rücklage, die für den ersten PKW gebildet worden war, € 19.634,- betragen hatte. Da die Rücklage nach § 7g Abs. 3 S. 2 EStG 40 Prozent der Anschaffungskosten des begünstigten, voraussichtlich nach zwei Jahren angeschafften Wirtschaftsguts nicht überschreiten darf, musste es sich um ein hochpreisiges und relativ neues Fahrzeug handeln. Da neuere Fahrzeuge einen höheren Wertverlust haben als ältere, war nicht damit zu rechnen, dass der erste, hochpreisige PKW bereits ein Jahr nach seiner Anschaffung wieder durch einen anderen ersetzt werden sollte. Angesichts der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen nach § 90 AO war es Sache der Kläger, die geplante Investition zu erläutern. Dass die zuständige Sachbearbeiterin aufgrund der Steuererklärung der Kläger von der Anschaffung eines zweiten, neben dem ersten eingesetzten PKW ausging, ohne insoweit bei den Klägern anzufragen, war deshalb mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht amtspflichtwidrig.
Dass die Sachbearbeiterin auch nach dem Einspruch in ihrer Reaktion gemäß Anlage K 7 offenbar bei ihrer Annahme blieb, es würden zwei PKW nebeneinander für den Betrieb eingesetzt, ist für den geltend gemachten Schaden ohne Belang. Denn die abgerechneten Steuerberatergebühren §§ 40 Abs. 1, Abs. 2, 41 Abs. 6 StBGebV waren schon mit der Einlegung des Einspruchs angefallen; die erneute Stellungnahme nach Anlage K 8 löste keine weiteren Gebühren aus.
4. Mangels einer ursächlichen Amtspflichtverletzung kann offen bleiben, ob der Umstand, dass die Sachbearbeiterin die Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, die dieser mit dem Urteil vom 02.10.2003 (BFHE 203, 373) vollzogen hatte, bei Verbescheidung der Einkommenssteuererklärung der Kläger nicht berücksichtigte, ihr als Verschulden vorgeworfen werden kann. Der Senat neigt allerdings zu der Auffassung, dass im Regelfall dem einzelnen Sachbearbeiter nicht abverlangt werden kann, bei der Verbescheidung einer Steuererklärung Entscheidungen zu berücksichtigen, die - wie die genannte Entscheidung im vorliegenden Fall - noch nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht sind. Angesichts der Vielzahl steuerlicher Vorgänge, die in begrenzter Zeit zu bearbeiten sind, und angesichts des dringenden Interesse der Steuerpflichtigen an zeitnahen Bescheiden geht es wohl erheblich zu weit, vom einzelnen Sachbearbeiter das zeitraubende Studium mehrerer Fachzeitschriften und die unverzügliche Umsetzung sämtlicher darin veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zu verlangen. Im Grundsatz wird die Praxis, sich auf das Studium der im Bundessteuerblatt veröffentlichten Grundsatzentscheidungen zu beschränken, nicht zu beanstanden sein. Ob die Finanzbehörden im Einzelfall gehalten sind, durch geeignete Organisationsmaßnahmen sicherzustellen, dass besonders bedeutsame Entscheidungen schon vor ihrer - möglicherweise verzögerten (vgl. dazu Lange NJW 2002, 3657 ff.) - Veröffentlichung im Bundessteuerblatt den Finanzbeamten zur Kenntnis gebracht werden, muss hier ebenfalls nicht entschieden werden.
5. Selbst bei Annahme einer schuldhaften Verletzung der Amtspflicht zur richtigen Anwendung der einschlägigen Rechtsvorschriften fiele der eingetretene Schaden - die aufgrund der Einspruchseinlegung angefallenen Steuerberatergebühren - aufgrund der Besonderheiten des Falles nicht in den Schutzbereich dieser Amtspflichtverletzung. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird auf den Schutzzweck der verletzten Amtspflicht als Gesichtspunkt für die inhaltliche Bestimmung und sachliche Begrenzung der Haftung abgestellt. Der Ersatzanspruch hängt dementsprechend davon ab, dass gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden sollte (vgl. BGHZ 125, 258 ff. m.w.N.; Staudinger/Wurm, § 839 Rz. 174, 567). Das ist hier nicht Fall.
Hätte das Finanzamt vorliegend den wahren Sachverhalt - die geplante Ersetzung des ersten PKW durch einen neuen - gekannt, dann hätte es, wie bereits dargestellt, den zweiten PKW ebenso wie den ersten PKW als notwendiges Betriebsvermögen ansehen und die geltend gemachte Ansparabschreibung (wie letztlich geschehen) anerkennen müssen. Wenn es dagegen aufgrund der unzureichenden Sachverhaltsmitteilung durch die Kläger davon ausging, dass zwei PKW nebeneinander genutzt werden sollten, dann war es auf dieser Grundlage zutreffend, den zweiten PKW nicht als notwendiges Betriebsvermögen anzusehen.
Allerdings wäre dann (wenn tatsächlich zwei PKWs nebeneinander genutzt würden) weiter zu prüfen gewesen, ob und ggf. inwieweit die Anerkennung des zweiten PKW als gewillkürtes Betriebsvermögen in Betracht kam. Diese Prüfung hat die Sachbearbeiterin deshalb nicht durchgeführt, weil sie mit der alten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs davon ausging, dass die Bildung gewillkürten Betriebsvermögens für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, nicht in Betracht komme. Ob eine Anerkennung des vermeintlich kumulativ genutzten PKW als gewillkürtes Betriebsvermögen zum gleichen steuerlichen Ergebnis geführt und damit den Einspruch vermieden hätte, ist ungeklärt, bedarf aber keiner Entscheidung.
Wenn der Steuerpflichtige entgegen seiner Verpflichtung aus § 90 Abs. 1 AO der Finanzbehörden den Sachverhalt unvollständig oder unrichtig mitteilt, dann schützt die Amtspflicht zur richtigen Anwendung der einschlägigen Vorschriften nicht vor dem Eintritt eines Gebührenschadens, der durch einen Einspruch entsteht, mit dem der wahre Sachverhalt klargestellt und damit erst die Grundlage für rechtmäßiges Verwaltungshandeln gelegt wird. Die Amtspflicht zum rechtmäßigen Handeln schützt nicht das Interesse des Steuerpflichtigen daran, dass ein von ihm unzutreffend oder unvollständig mitgeteilter Sachverhalt in einer Weise rechtlich behandelt wird (hier: Anerkennung des zweiten PKW als gewillkürtes Betriebsvermögen), die auf den wahren Sachverhalt nicht zutreffen würde (hier: weil der zweite PKW den ersten ersetzt und deshalb als notwendiges Betriebsvermögen anzuerkennen wäre).
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da es an den Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO fehlt.
Ende der Entscheidung
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